Originaltitel:
Fantastic Beasts and Where to Find Them
Regie:
David Yates, Drehbuch: J.K. Rowling, Musik: James Newton Howard
Darsteller:
Eddie Redmayne, Katherine Waterston, Dan Fogler, Alison Sudol, Colin Farrell, Samantha
Morton, Ezra Miller, Carmen Ejogo, Jon Voight, Josh Cowdery, Ronan Raftery, Faith
Wood-Blagrove, Jenn Murray, Dan Hedaya, Gemma Chan, Ron Perlman, Zoë Kravitz,
Johnny Depp
FSK: 6, Dauer: 133 Minuten.
Im Jahr 1926 reist der britische Zauberer und
Erforscher magischer Kreaturen Newt Scamander (Eddie Redmayne, "Die Entdeckung der Unendlichkeit") auf seiner Forschungsreise
durch die ganze Welt in die USA ein. Dort sind die Magiegesetze
strenger als in Europa, speziell wird sehr darauf geachtet, daß die nicht magiebegabten
Menschen (die hier nicht Muggel, sondern No-Maj heißen) nichts von der Existenz
der Welt der Magie mitbekommen; entsprechend sind fast jegliche Kontakte
zwischen Zauberern und Menschen untersagt. Umso unglücklicher ist es, daß nach
einem versehentlichen Zusammenprall mit dem No-Maj-Bäcker Jacob Kowalski (Dan
Fogler, "Europa Report") etliche der von Newt eingesammelten und in
seinem magischen Koffer aufbewahrten phantastischen Tierwesen entkommen können
und in New York für Unruhe sorgen. Gemeinsam mit dem völlig überrumpelten Jacob
und der etwas verkniffenen Ex-Aurorin Porpentina "Tina" Goldstein
(Katherine Waterston), die ihn wegen seiner Verstöße gegen die Magiegesetze
eigentlich vor den Magischen Kongreß bringen will, versucht er, die Entflohenen
wiedereinzusammeln, ehe sie viel Schaden anrichten. Gleichzeitig braut sich auch an anderer Stelle Unheil zusammen, denn die fanatische No-Maj
Mary Lou Barebone (Samantha Morton, "Minority Report") hetzt mit ihren zahlreicher werdenden Anhängern gegen angebliche Hexen, der undurchsichtige Zauberer Percival Graves (Colin
Farrell, "Saving Mr. Banks") verfolgt seine ganz eigenen Pläne und eine finstere
Kreatur namens Obscurus bedroht den Frieden zwischen Magiebegabten und normalen
Menschen …
Kritik:
J.K. Rowlings "Harry Potter"-Romane habe ich nie
gelesen, als langjähriger Fantasyfan waren die Kinoadaptionen für mich
aber natürlich Pflichtprogramm. Und tatsächlich habe ich mich bei den acht Filmen
über weite Strecken gut unterhalten gefühlt; mehr allerdings auch nicht. Denn
obwohl es fraglos spaßig und faszinierend war, Harry, Hermine und Ron (und ihren
formidablen Darstellern) über viele Jahre hinweg beim Erwachsenwerden
zuzusehen, konnte die Reihe echte Begeisterung nur selten in mir
wecken. Speziell bei den späteren, ab Teil 5 vom bis dahin nur als
(guter) TV-Regisseur aufgefallenen Briten David Yates in Szene gesetzten Filmen
hatte ich stets das Gefühl, daß das Potential dieser von Rowling so detailreich
ausgestalteten Welt voller Wunder mit ihren vielfältigen Bewohnern eher unausgeschöpft
blieb. Echte Kinomagie, wie man sie bei der Thematik erwarten durfte, das,
was im Englischen so perfekt umschrieben ist mit dem Begriff "Sense of
Wonder" (für den es keine adäquate deutsche Entsprechung gibt),
das haben die "Harry Potter"-Filme meiner Meinung nach viel zu selten
vermitteln können. Umso erstaunter und begeisterter bin ich, daß das erste
Potter-Spin-Off – wiederum von Yates inszeniert, aber erstmals mit einem von
Rowling höchstpersönlich verfaßten Drehbuch –, das dramaturgisch keineswegs ohne
Schwächen ist, genau in diesem Bereich auf der ganzen Linie überzeugt!
Mit "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind"
schafft es Rowling, das Magische der von ihr ersonnenen Welt endlich und weitaus
stärker als in der Hauptreihe auf das Publikum zu übertragen, es zum Staunen
und Schwärmen zu bringen mit grandios computergenerierten, phantasievoll designten
Kreaturen und der "Parallelwelt" in Newts Koffer, in der sie leben – und
durch James Newton Howards ("Michael Clayton") schwelgerisch-verspielte Musik wird diese
märchenhafte Atmosphäre perfekt akzentuiert. Sehr vorteilhaft für die
Glaubwürdigkeit dieser buchstäblich zauberhaften Welt ist natürlich der immer
weiter voranschreitende technische Fortschritt, denn im Vergleich zu den
"Harry Potter"-Filmen (zu denen es interessanterweise nur wenige
Querverweise gibt – zumindest wenige, die ich als Nichtkenner der Bücher
erkannt hätte) spielen sich hier deutlich mehr reizvolle, spielerisch und gewissermaßen im Vorbeigehen präsentierte Kleinigkeiten im
Hintergrund ab, die die gesamte Filmwelt einfach viel realistischer wirken
lassen. Die eigentliche Story – die sich weitgehend verlustfrei mit "Newt
verliert seine Kreaturen und fängt sie wieder ein" zusammenfassen läßt –
enttäuscht dagegen etwas, auch wenn die Figuren, der Humor und die toll
gestalteten Kreaturen effektiv darüber hinwegtrösten. Immerhin fällt das Finale
dafür durchaus überraschend und bemerkenswert ernst aus, was auch für die daran
anknüpfenden Fortsetzungen hoffen läßt.
Apropos Kleinigkeiten: Oft sind es vermeintliche
Kleinigkeiten, die aus einem guten einen tollen Film machen, etwa die
Nebenfiguren. Da können die zentralen Charaktere noch so faszinierend und stark
gespielt sein, erst durch markante, sie unterstützende Nebenfiguren können sie
ihre erzählerischen Möglichkeiten ausreizen. Bei "Phantastische
Tierwesen" ist das der Fall; okay, ein bißchen Potential bleibt schon noch
offen (irgendwas muß ja für die Fortsetzungen zu tun bleiben), aber die
liebenswert herausgearbeiteten Charaktere und ihre wunderbar harmonische
Besetzung sind ein großer Pluspunkt für den Film. Im Grunde genommen ist der
eigentliche Protagonist Newt sogar noch der "langweiligste" aus dem
zentralen Quartett – von OSCAR-Gewinner Eddie Redmayne als ziemlich
archetypischer weltfremder Wissenschaftler gespielt, der viel besser mit
seinen Forschungsobjekten umgehen kann als mit seinen Mitmenschen (bzw.
Mitzauberern). Jedoch hat er seine Berufung darin gefunden, seine Umwelt vom
großen Wert und gleichzeitig der (bei richtiger Handhabung) Ungefährlichkeit
der magischen Kreaturen – von denen viele fast ausgestorben sind – zu
überzeugen.
Spannender als Newt ist trotzdem seine anfängliche
Widersacherin, jedoch später überzeugte Mitstreiterin Tina, deren Wandlung von der
bieder-verbissenen und humorlosen Regelhüterin hin zu einer sich immer stärker öffnenden
Streiterin für das Wahre, Schöne und Gute Katherine Waterston wunderbar
nuanciert umsetzt. Katherine Waterston – ein Name, der den
meisten Filmfans wahrscheinlich nicht viel sagt, dabei zählt die in London geborene
Mittdreißigerin, die lange fast nur am Theater auftrat, schon seit
einiger Zeit zu den begehrtesten Darstellerinnen in Hollywood (u.a. hat sie
bereits die weibliche Hauptrolle in Sir Ridley Scotts "Alien: Covenant"
ergattert). Kein Wunder, wußte sie doch in ihren bisher wenigen größeren
Rollen nachhaltig zu beeindrucken: als Hippie-Femme fatale Shasta Fay in Paul Thomas Andersons "Inherent Vice", als Mutter der Tochter von
"Steve Jobs" und nun eben als Zauberin, die dank Newts Einfluß einen
deutlichen Sinneswandel durchlebt. Man sollte sich an den Namen Katherine
Waterston gewöhnen, denn man wird mit Sicherheit noch viel von dieser sehr
talentierten Schauspielerin hören und sehen … Die heimlichen Stars in
"Phantastische Tierwesen" (abgesehen von den titelgebenden Kreaturen)
sind aber Jacob Kowalski und Tinas herzensgute, gedankenlesende Schwester Queenie
("A Fine Frenzy"-Sängerin Alison Sudol in ihrer ersten großen Rolle als Schauspielerin, die sie mehr als ordentlich meistert). Die beiden sind gewissermaßen die
guten Seelen dieses Films und sie geben ein wunderbares Duo ab, das mit Jacobs sympathischer
Unbeholfenheit und seinem mehr als nachvollziehbaren permanenten Staunen über
diese völlig neue Welt, die sich ihm so unverhofft eröffnet, ebenso verzückt
und amüsiert wie mit Queenies Mischung aus liebreizender Naivität und kecker
Forschheit. Innerhalb der gut zwei Stunden Laufzeit wächst einem dieses
zentrale Quartett so sehr ans Herz, daß man nur hoffen kann, daß es auch für
die angedachten vier Fortsetzungen, die jeweils in anderen Staaten spielen
sollen (Teil 2 in Großbritannien und Frankreich), in voller Stärke zurückkehrt.
Die übrigen Figuren verblassen dagegen naturgemäß ein wenig,
manche Handlungsstränge – vor allem der um den Zeitungsmagnaten Shaw (Jon Voight,
"Mission: Impossible") und seine Söhne, von denen einer Senator
werden will und vermutlich nicht ohne Grund etwas hitlermäßig inszeniert wirkt,
während der andere zu Mary Lous Hexenverfolgern zählt – wirken unausgereift
bis überflüssig, auch wenn letztlich alle Fäden relativ geschickt
zusammengeführt werden. Den stärksten Eindruck hinterläßt noch Colin Farrell,
dem es gut gelingt, die Zuschauer fast bis zum Schluß im Unklaren darüber zu
lassen, ob der von ihm verkörperte Zauberer Percival zu den Guten gehört, zu
den Bösen oder irgendetwas dazwischen. Auch Ezra Miller ("Vielleicht lieber morgen") macht seine Sache als Credence, nervöser und nicht
gänzlich freiwilliger "Undercover-Agent" bei den Hexenverfolgern,
gut. Andere Charaktere werden dagegen nur kurz eingeführt, werden aber wohl in den Fortsetzungen größere Rollen spielen (z.B. Zoë Kravitz aus
"Mad Max: Fury Road", die als Newts Ex-Freundin Leta nur via Foto
dabei ist – angesichts ihres Nachnamens "Lestrange" darf man als
"Harry Potter"-Kenner davon ausgehen, daß sie noch für größere
Turbulenzen sorgen wird).
Zu den großen Highlights des Films zählt, wie bereits
angesprochen, fraglos die Optik. Das Kreaturendesign ist fabelhaft, die OSCAR-reifen Spezialeffekte lassen kaum Wünsche offen und auch der 3D-Einsatz ist weitgehend
gelungen. Etwas übertrieben hat es Yates für mein Empfinden nur mit den auf
Dauer eher lästigen Pop-Out-Effekten, aber die Kinder im Publikum werden sich
daran vermutlich erfreuen – ebenso wie an ein paar etwas arg albern ausgefallenen
Sequenzen wie Newts Flußpferd-Paarungsritual … Ein wenig schade ist es, daß das
äußerst reizvolle, da in Hollywood deutlich unterrepräsentierte 1920er
Jahre-Setting nicht stärker in die Handlung eingebunden ist; im Grunde genommen
könnte "Phantastische Tierwesen" ohne nennenswerte Anpassungen ebenso
in unserer Gegenwart spielen. Positiv formuliert: Auch in diesem Bereich bestehen für die nächsten Teile noch Steigerungsmöglichkeiten. Freuen darf man sich auf weitere Abenteuer von Newt und Co. nach diesem gelungenen Auftakt auf jeden Fall.
Fazit: "Phantastische Tierwesen und wo sie zu
finden sind" ist ein erstaunlich starkes erstes "Harry
Potter"-Spin-Off, dessen Story zwar dünn geraten ist, das aber mit gut
ausgearbeiteten und perfekt besetzten Charakteren punktet und dem es vor allem
gelingt, das aufgeschlossene Publikum mit der ausgefeilten Darstellung und
Detailfülle der magischen Welt zum Staunen und zum Schwärmen zu bringen.
Wertung: 8,5 Punkte (inklusive eines "Sense of
Wonder"-Bonuspunktes).
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links in den Rezensionen oder das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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