Regie: Jonathan Dayton und Valerie Faris, Drehbuch: Zoe
Kazan, Musik: Nick Urata
Darsteller: Paul Dano, Zoe Kazan, Chris Messina, Elliott
Gould, Annette Bening, Antonio Banderas, Steve Coogan, Aasif Mandvi, Deborah
Ann Woll, Alia Shawkat, Wallace Langham

Mit 18 Jahren hat Calvin Weir-Fields (Paul Dano, "There
Will Be Blood", "Looper") einen auch von den Kritikern
gefeierten Bestseller geschrieben und sieht sich seitdem ständig mit dem Druck
konfrontiert, dem ihm zugeordneten Attribut "Genie" gerecht zu
werden. Außer ein paar Kurzgeschichten hat Calvin in den folgenden zehn
Jahren jedoch nichts mehr veröffentlicht. Der Verlag drängt auf sein lange
versprochenes neues Manuskript, doch der schüchterne Autor, dessen einziger
Freund sein älterer Bruder Harry (Chris Messina, "Argo", "Vicky Cristina
Barcelona") ist, kommt einfach nicht voran. Eines Nachts träumt der
gestresste Calvin von einer jungen Frau, die er noch nie zuvor gesehen hat –
offenbar eine Kreation seines Unterbewußtseins. Ruby Sparks (Zoe Kazan), wie
er sie kurzerhand tauft, ist nicht unbedingt eine klassische Schönheit, eher
das hübsche Mädchen von nebenan; doch ihre Lebenslust und ihre Ausstrahlung
sorgen dafür, daß Calvin sich sofort in sie verliebt. Sein Psychiater (Elliott
Gould) findet das sehr
interessant und fordert ihn auf, über Ruby zu schreiben. Zunächst widerwillig
tut Calvin das auch und stellt zu seinem eigenen Erstaunen fest, daß ihm die
Worte und Sätze nur so zufliegen, sobald er über seine erfundene Traumfrau
schreibt. Als er am nächsten Morgen erwacht, steht Ruby Sparks leibhaftig in
seiner Küche – haargenau so, wie er sie in seinem Text beschrieben hat – und
bereitet ihm ein Frühstück zu! Verständlicherweise glaubt Calvin, nun
endgültig verrückt geworden zu sein, doch schnell findet er heraus, daß sehr wohl
auch andere Menschen Ruby sehen können ...
Kritik:
Der 29-jährigen Zoe Kazan wurde die Verbindung zur Filmbranche
sprichwörtlich in die Wiege gelegt. Ihr Vater Nicholas Kazan ist Drehbuch-Autor
("Matilda", "Der 200 Jahre Mann"), ihre Mutter Robin
Swicord verfaßt ebenfalls Drehbücher ("Die Geisha") und führt gelegentlich
auch Regie ("Der Jane Austen Club"). Und Großvater Elia Kazan war
eine echte Hollywood-Legende, die als Regisseur zeitlose Meisterwerke wie
"Die Faust im Nacken" oder "Jenseits von Eden" geschaffen
hat (aufgrund einer eher zweifelhaften Rolle in der berüchtigten
McCarthy-Ära allerdings nicht unumstritten ist). Zoe Kazan hat also ideale
Voraussetzungen, um eine bedeutende Rolle in Hollywood zu spielen. Das ließ
sich 2008 – nach einigen Mini-Auftritten in Filmen wie "Die Geschwister
Savage" oder "Im Tal von Elah" – mit einer prägnanten Nebenrolle
in Sam Mendes' Ehedrama "Zeiten des Aufruhrs" gut an, doch in den
folgenden Jahren verschwand sie mit lediglich einigen Independent-Produktionen
und relativ unbedeutenden Nebenrollen ziemlich aus dem öffentlichen Blickfeld –
was allerdings auch an diversen Theater-Engagements lag. Dort feierte sie 2011 zudem mit dem Off-Broadway-Stück "We Live Here" ihr Debüt als Autorin.
Offenbar gefiel ihr das Schreiben, denn mit "Ruby Sparks" bringt sie nun
unter der Regie des Ehepaares Jonathan Dayton und Valerie Faris ("Little Miss Sunshine") auch ihr erstes eigenes Drehbuch in die Kinos – mit sich selbst in der
Titelrolle eines Films, der als lebenslustige und recht originelle Offbeat-Komödie beginnt, in der zweiten Hälfte aber eine unerwartet dramatische
Wendung nimmt.
Diese Kombination ist für das Publikum zunächst schwer zu
verdauen. Nun sind Tragikomödien selbstverständlich nichts Ungewöhnliches, aber
in "Ruby Sparks" geschieht der Wechsel zwischen locker-leichter
romantischer Komödie im unkonventionellen Stil von "(500) Days of Summer" hin zu einem
ernsthaften Charakterdrama so relativ abrupt und dabei ziemlich extrem, daß es
nicht ganz einfach ist, sich damit anzufreunden. Sicher ist es lobenswert und
ambitioniert von Zoe Kazan, daß sie eben nicht einfach nur eine weitere typische
Independent-Komödie präsentieren will, sondern eine Geschichte mit Tiefgang und
echten, glaubwürdigen Figuren. Dabei geht es ihr nicht nur um einen ehrlichen Blick auf
Beziehungen (und auf das Schreiben), sondern sogar um ein so gewichtiges
Thema wie den freien Willen – denn natürlich ist Calvin stets mit der
Verlockung versucht, Ruby schriftstellerisch zu "korrigieren", wenn
es zu Problemen in ihrer Beziehung kommt. Doch wie Kazan dieses hehre Vorhaben
anpackt, ist zwar spannend, aber definitiv gewöhnungsbedürftig.
Die erste Filmhälfte, in der die Komik vorherrscht und
Calvins etwas schusseliger Umgang mit seinem Ruhm sowie dem Auftauchen Zoes
zahlreiche witzige Slapstick-Momente provoziert, versäumt es schlicht und
ergreifend, das Publikum auf das Kommende vorzubereiten. Calvins merkwürdiges
bis leicht peinliches Verhalten bei einem Familientreffen gegenüber dem neuen
Lebensgefährten (Antonio Banderas, "Die Haut, in der ich wohne") seiner mehr als nur esoterisch angehauchten Mutter (Annette Bening, "American Beauty") in der
Mitte des Films soll wohl genau das erreichen; doch da sein angespannter Gemütszustand angesichts einer
solchen Konstellation nun wirklich nicht besonders ungewöhnlich ist, funktioniert das
nicht so richtig. Dennoch ist es zweifelsohne faszinierend, wie die Liaison
zwischen Calvin und Ruby während der rund 100 Minuten im Schnelldurchgang
verschiedene Stadien einer Beziehung von der ersten Liebeseuphorie bis hin zum
immer stärker dominierenden Alltagsfrust durchläuft, ohne dabei jemals unglaubwürdig
zu wirken. Zugegeben, das Verhalten der beiden zentralen Protagonisten wirkt mehr als einmal übertrieben und nicht immer ganz nachvollziehbar, aber die sehr
überzeugende Interpretation der wohl nicht vollkommen von autobiografischen
Zügen freien Figuren durch Paul Dano und Zoe Kazan – die auch im echten Leben
seit einigen Jahren liiert sind – sorgt für die nötige Authentizität. Abgerundet wird das insgesamt gute Bild, das der Film macht, durch namhafte Nebendarsteller, unter denen vor allem Antonio Banderas
als bärtiger Hippie und Schauspiel-Veteran Elliott Gould ("M.A.S.H.", "Ocean's Eleven") als durch nichts zu
erschütternder Psychiater hervorstechen.
Fazit: "Ruby Sparks – Meine fabelhafte
Freundin" ist eine gelungene, ambitionierte und gut besetzte Tragikomödie,
die allerdings Romantic Comedy- und Drama-Elemente zu eindeutig auf die beiden
Filmhälften verteilt und deswegen nicht ganz rund wirkt.
Wertung: 7,5 Punkte.
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