Regie: Peter Weir, Drehbuch: Tom Schulman, Musik: Maurice
Jarre
Darsteller:
Robin Williams, Ethan Hawke, Robert Sean Leonard, Josh Charles, Gale Hansen,
Dylan Kussman, Allelon Ruggiero, James Waterston, Alexandra Powers, Norman Lloyd, Colin Irving, Kurtwood
Smith, Kevin Cooney, George Martin, Lara Flynn
Boyle, Melora Walters
Rotten Tomatoes: 84% (7,2); weltweites Einspielergebnis:
$235,9 Mio.
FSK: 12, Dauer: 129 Minuten.
Im Jahr 1959 kommt der extrem schüchterne Todd Anderson
(Ethan Hawke, "Before Sunset") an die Welton Academy, ein
erzkonservatives Elite-Internat im Vermont. Todd stand zeit seines Lebens im
Schatten seines älteren Bruders Jeffrey, dessen schulische Leistungen am gleichen
Internat überragten. Weil Todd sich stark von seinem überaus beliebten Bruder
unterscheidet, leidet er sehr unter dem Erfolgsdruck und versucht in erster
Linie, nicht aufzufallen. Doch mit dem charismatischen Neil Perry (Robert Sean
Leonard, TV-Serie "Dr. House") wird Todd einem Zimmergenossen
zugeteilt, der sich Todds an- und ihn in seine Freundesgruppe aufnimmt, zu
der Knox Overstreet (Josh Charles, TV-Serie "Good Wife") und der
extrovertierte Charlie Dalton (Gale Hansen) zählen. So richtig aus sich heraus
geht Todd allerdings erst, als ihn der neue, fortschrittliche Englischlehrer
John Keating (Robin Williams, "Insomnia") – selbst ein
Absolvent des Internats – immer wieder reizt und ermutigt. Neil, Knox, Todd und
einige andere beleben in der Folge den einst von Keating gegründeten "Club
der toten Dichter" neu, was bedeutet, daß sie sich heimlich in einer Höhle außerhalb
des Schulgeländes treffen und dabei diskutieren, trinken und Gedichte
rezitieren. Die Treffen inspirieren Neil dazu, sich gegen den Willen seines Vaters (Kurtwood Smith, TV-Serie "Die wilden Siebziger") der Schauspielerei
zu verschreiben, derweil Knox versucht, die schöne und eigentlich unerreichbare
Chris (Alexandra Powers, "Die Wiege der Sonne") zu erobern.
Unterdessen stoßen Keatings unkonventionelle Lehrmethoden auf immer größere
Widerstände bei seinen Kollegen und den Eltern der Schüler …
Kritik:
Der beste Film aller Zeiten (zugleich die beste
Romanadaption aller Zeiten) ist und bleibt für mich Francis Ford Coppolas
"Der Pate, Teil I". Keine sehr originelle Wahl, klar –
schließlich führt das Mafiaepos seit Jahrzehnten zahlreiche Film-Bestenlisten
an und belegt auch bei den aus Millionen von Nutzerbewertungen erstellten Top 250 der
Internet Movie Database mehr oder weniger von Beginn an Platz 2 (einzig geschlagen
von Frank Darabonts "Die Verurteilten"). Aber das eben auch höchst verdient. So sehr ich die gesamte
"Die Pate"-Trilogie wie auch Mario Puzos Buchvorlage jedoch liebe, habe
ich als meinen persönlichen Lieblingsfilm trotzdem stets "Der Club der
toten Dichter" des australischen Filmemachers Peter Weir ("Die Truman
Show") genannt. Inzwischen würde ich das nicht mehr ganz so kategorisch
sagen, da es erstens zu viele Filme gibt, die mir je nach Tagesform genauso gut
oder sogar noch etwas besser gefallen; außerdem ist "Der Club der toten
Dichter" ein Film, der seine größte Wirkung auf Zuschauer entfalten dürfte,
die selbst einigermaßen jung sind. Dazu zähle ich mit 40 Jahren inzwischen
eher nicht mehr, was aber nichts daran ändert, daß ich Peter Weirs ebenso
humorvolles wie kluges und dramatisches Meisterwerk noch immer liebe – weil es
schlicht und ergreifend ein toller und emotional mitreißender Film ist, der mich
so stark berührt hat wie kaum ein anderer.
Auf den ersten Blick erscheint die Story von "Der
Club der toten Dichter" gar nicht sonderlich bemerkenswert. Es ist eine
klassische Coming of Age-Geschichte über Jugendliche auf der Suche nach ihrer
Identität und dem richtigen Lebensweg, wobei sie von ihrer
konservativeren Elterngeneration wiederholt Knüppel zwischen die Beine
geworfen bekommen. Dieser Aspekt fällt hier durch das Setting in den
späten 1950er Jahren überdurchschnittlich schwerwiegend aus und bedingt die in
späteren, aufgeklärteren und toleranteren Dekaden so nur noch schwer
vorstellbare (auch wenn das natürlich regional sehr unterschiedlich ausgeprägt
ist und es etwa homo- oder transsexuelle Jugendliche anders empfinden
mögen) zunehmende Dramatik des Handlungsverlaufs. In dieser Welton Academy, die die Formung zukünftiger gesellschaftlicher
Führungspersönlichkeiten als ihr erklärtes Ziel vorgibt, ist es schon ein schwerer Affront, wenn man
offen dem Vater widerspricht oder lieber schauspielern will als ein
Wirtschaftsführer oder Staatsanwalt zu werden. Dieser Konflikt macht den
von allen bewunderten Musterschüler Neil Perry nach und nach zur
eigentlichen Hauptfigur von "Der Club der toten Dichter", wenngleich
die Geschichte aus der Perspektive des schüchternen Todd erzählt wird, der als
Neuling am Internat die primäre Identifikationsfigur des Publikums ist.
Generell sind die jungen Protagonisten neben Robin Williams
die größte Stärke des Films. Das OSCAR-gekrönte, von eigenen Erfahrungen
inspirierte Drehbuch von Tom Schulman ("Liebling, ich habe die Kinder
geschrumpft") behandelt den ein halbes Dutzend umfassenden
Schüler-Kern der Geschichte weitgehend gleichberechtigt – zwar bekommen Todd,
Neil und Knox mit ihren eigenen Handlungssträngen zweifellos mehr zu tun als
ihre Freunde, dennoch wirken sie alle trotz ihrer Unterschiedlichkeit ungewöhnlich
authentisch und lebensecht. Bemerkenswert ist das auch deshalb, weil Peter Weir die Schülerrollen größtenteils mit Newcomern besetzte, die wenig
oder gar keine Filmerfahrung hatten (nur Ethan Hawke war bereits als
Hauptdarsteller von Joe Dantes phantastischem Jugendabenteuer "Explorers"
aufgefallen), aber ihre Figuren ausnahmslos kongenial verkörpern. Ob
Robert Sean Leonard als leidenschaftlicher Neil, Josh Charles als der
hoffnungslose Romantiker Knox, Gale Hansen als rebellischer Charlie, Allelon
Ruggiero als nur auf den ersten Blick klischeehafter Streber Meeks, James
Waterston als der gutmütige Pitts oder eben Ethan Hawke als introvertierter Todd –
die Bande wird einem schnell so sympathisch, daß man am liebsten ein Mitglied
ihres Clubs würde (respektive sich wünscht, man wäre es als Teenager gewesen). Zudem verknüpfen Weir und Schulman die zahlreichen Handlungsstränge der Charaktere so virtuos miteinander, daß die unspektakuläre Kern-Story gar nicht stört.
Und dann ist da natürlich noch Robin Williams als John
Keating. Williams hat in seiner ebenso langen wie erfolgreichen Karriere viele
gute Filme gedreht – vorwiegend Komödien –, doch "Der Club der toten
Dichter" sticht aus seiner Filmographie deutlich heraus. Es war zwar nicht
das erste Mal, daß Williams bewies, mehr als "nur" Comedy zu
können (siehe "Garp und wie er die Welt sah" oder "Good Morning,
Vietnam"), doch mit seiner OSCAR-nominierten verschmitzten und zugleich
angenehm zurückhaltenden Interpretation des fortschrittlich denkenden Lehrers
John Keating, der seine Schüler nicht wie seine Kollegen primär für
die Wirtschaft formen will, sondern sich eher als ein Mentor sieht, der ihnen ganz nach dem Motto "Carpe Diem"
bei der Selbstverwirklichung hilft, schuf er eine der denkwürdigsten und
beliebtesten Figuren in der Geschichte des Kinos – nicht ohne Grund war es eine Szene
aus "Der Club der toten Dichter", die nach Williams' zu frühem Tod im
Jahr 2014 zu seinen Ehren weltweit millionenfach imitiert wurde. Die Rede ist
natürlich von jener Szene, in der ein Teil seiner Schüler in einer Geste der
Solidarität mit dem von der Elternschaft heftig kritisierten John Keating auf ihre
Tische steigt und ihrem "Captain" salutiert. Wenngleich das mit
Sicherheit die bekannteste Szene aus "Der Club der toten Dichter"
ist, zeichnet es den Film doch aus, daß er eine ganze Reihe ähnlich
denkwürdiger Momente zu bieten hat. Wenn Keating zum Beispiel Todd dazu bringt, daß der schweigsame Junge endlich sein "barbarisches YAWP" in die Welt
hinausschreit, vergißt man das ebenso wenig wie Knox' ziemlich peinliche, aber
zugleich sehr mutige und romantische Liebeserklärung gegenüber seiner Angebeteten,
die beinahe mystisch anmutende Aufführung von Shakespeares "Ein
Sommernachtstraum" (mit Neil als Puck), die witzige Marschier-Szene oder Todds grenzenlose Verzweiflung infolge eines
tragischen Unglücks. Die Wirkung dieser Sequenzen wird verstärkt durch John
Seales ("Mad Max: Fury Road") Kameraarbeit, die vor allem durch atemberaubend schöne Aufnahmen der
winterlichen Landschaft besticht, sowie die gefühlvolle, niemals
aufdringliche Musik von Maurice Jarre ("Lawrence von Arabien"). Doch, es bleibt dabei: "Der Club
der toten Dichter" ist mein absoluter Lieblingsfilm; vielleicht nicht jeden
Tag, aber doch an sehr vielen.
Fazit: "Der Club der toten Dichter" ist ein
zeitloses, inspirierendes Meisterwerk – ein ungemein einfühlsam geschriebenes und exzellent
gespieltes Coming of Age-Drama, das Robin Williams in seiner wohl besten Rolle
zeigt.
Wertung: 10 Punkte.
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