Regie: Peter Thorwarth, Drehbuch: Stefan Barth, Musik: Jessica de
Rooij und Hendrik Nölle
Darsteller: Robert
Maaser, Marie Hacke, Alexander Scheer, Florian Schmidtke, Simon Rupp,
Jochen Nickel, Stephan Grossmann, Jördis Triebel, Petra Zieser,
Christian Kahrmann, Steffen Wink, Heiko Schaffartzik
Frühjahr 1945: Der
Zweite Weltkrieg ist aus deutscher Sicht eigentlich bereits verloren,
nur die größten Nazi-Fanatiker wollen das noch nicht glauben.
Zu diesen zählt der Wehrmachts-Soldat Heinrich (Robert Maaser,
"1917") nicht, weshalb er nach einer schlimmen Nachricht desertiert, um sich in seiner Heimatstadt Hagen um
seine kleine Tochter zu kümmern. So weit kommt er allerdings bei
weitem nicht, denn der SS-Obersturmbannführer von Starnfeld
(Alexander Scheer, "Gundermann") – definitiv einer von
der fanatischen Sorte – und seine Truppe jagen Heinrich und knüpfen
ihn kurzerhand am nächsten Baum auf. Seinen Tod warten sie
allerdings nicht ab, weshalb Heinrich in letzter Sekunde von Elsa
(Marie Hacke) gerettet wird, die in der Nähe mit ihrem mit dem
Down-Syndrom geborenen jüngeren Bruder Paule (Simon Rupp) einen
kleinen Bauernhof bewirtschaftet. Dummerweise tauchen von Starnfelds
Männer – die in einem nahen Ort auf der Suche nach einem
verborgenen Goldschatz sind – unter Leitung des sadistischen
Dörfler (Florian Schmidtke, Netflix-Serie "Barbaren") am
nächsten Morgen auf der Suche nach Verpflegung genau auf diesem
Bauernhof auf ...
Kritik:
Für den Dortmunder
Filmemacher Peter Thorwarth konnte wohl nichts Besseres
passieren als das Streaming-Zeitalter. Zwar hat er auch im Kino ein
paar ordentliche Erfolge gefeiert und mit "Bang Boom Bang"
(1999) sogar einen kleinen Kulthit geschaffen – doch für ein ganz großes
Publikum waren seine Filme immer etwas zu speziell, etwas zu
unangepaßt für die doch oft recht spießig anmutende deutsche
Filmlandschaft (die meisten Kino-Zuschauer erreichte 2002 "Was
nicht paßt, wird passend gemacht" mit knapp 675.000). Da
die großen Streamingdienste in Europa jedoch bestimmte Quoten an
Eigenproduktionen in den jeweiligen Ländern erfüllen müssen,
bekommen hier Regisseure und Autoren mit einem Faible für Genrestoffe leichter eine Chance, die
sonst Probleme hätten, eine Finanzierung zu finden. So kamen Peter Thorwarth und Netflix zusammen, woraus zunächst der international besetzte "Vampire im Flugzeug"-Horrorfilm
"Blood Red Sky" (2021) hervorging und nun der Action-Kriegsfilm
"Blood & Gold". Beide Werke sind – soweit sich das
anhand der wenigen offiziellen Informationen der bezüglich ihrer
Abrufzahlen notorisch geheimniskrämerischen Streamingdienste
beurteilen läßt – weltweit erfolgreich und nachdem "Blood
Red Sky" inhaltlich recht mittelmäßig ausfiel, bereitet
"Blood & Gold" nicht nur Fans von Tarantinos klar als
Haupt-Inspirationsquelle erkennbarem "Inglourious Basterds"
viel Freude.
Thorwarth
läßt sich nicht viel Zeit, sondern geht gleich in medias res mit
Heinrichs verzweifelter Flucht vor seinen Nazi-Häschern und dem
folgenden Beinahe-Tod. Damit setzt er den Ton für gut eineinhalb
unterhaltsame, temporeiche Stunden, die spielerisch mehrere Genres mischen. Dabei greifen Thorwarth und der Drehbuch-Autor Stefan
Barth (TV-Film "Das Blut der Templer") durchaus auf einige
Klischees zurück, umschiffen andere jedoch gekonnt und überraschen
das Publikum somit immer wieder. So kommt es beispielsweise bereits
kurz nach der Hälfte des Films zu jener actionreichen Konfrontation,
die man eigentlich für das Finale erwarten würde – nur um sich
anschließend ganz der Goldsuche zu widmen und dabei die bis dahin
weitgehend überflüssigen Ortsbewohner in den Vordergrund zu rücken.
Zugegeben, so richtig tiefgehend ist die Charakterzeichnung nie –
dafür fehlt schlicht die Zeit –, aber das Drehbuch gibt sich
gerade im letzten Drittel wirklich Mühe und holt einiges aus den an sich recht stereotypen Charakteren heraus. Interessanterweise sind Nebenfiguren wie der alte Pfarrer (Jochen
Nickel, "Stalingrad"), seine Geliebte Irmgard (Petra Zieser, "Knallharte Jungs") oder die so
rabiate wie gierige Sonja (Jördis Triebel, "Emmas Glück") sogar spannender als die
beiden Protagonisten Heinrich und Elsa. Die sind zwar sehr
sympathisch, weshalb man gerne mit ihnen mitfiebert, und haben auch
eine Hintergrundstory spendiert bekommen, wirken insgesamt
aber fast schon langweilig brav.
Immerhin bringt
Elsas Bruder Paule etwas Spannung in die Konstellation, zumal auf
diese Weise natürlich auch die menschenverachtende Nazi-Haltung zu
"unwertem Leben" aufgegriffen wird. Generell merkt man, daß
Thorwarth und Barth möglichst viele Themen zumindest kurz anreißen
wollten – von der Judenverfolgung bis zum Mitläufertum –, was
zwar nicht immer sehr subtil umgesetzt ist, insgesamt aber gut
funktioniert und beweist, daß sich die Filmemacher sehr wohl
Gedanken gemacht haben und nicht einfach nur einen Kriegsreißer á
la "Inglourious Basterds" (respektive dessen Vorbildern aus
den 1980er Jahren) drehen wollten. Das heißt aber selbstredend noch
lange nicht, daß "Blood & Gold" ein schweres
Kriegsdrama ist. Ganz im Gegenteil, hier steht die
B-Movie-Unterhaltung offensichtlich im Vordergrund und wenngleich die
Action meist vergleichsweise zahm bleibt (die Altersempfehlung ab 16
Jahren ist gerechtfertigt), kann man sich darauf verlassen, daß die
Bösen früher oder später genau das bekommen, was sie verdienen –
und das ist bestimmt kein Goldschatz! Wie es sich für ein
B-Movie gehört, sind die Bösewichte klar überzeichnet und vor
allem Alexander Scheer macht es sichtlich Spaß, seinen vom Krieg
buchstäblich gezeichneten SS-Obersturmbannführer von Starnfeld so
bösartig wie nur möglich darzustellen – doch selbst von Starnfeld
verkommt nicht zur reinen Parodie, sondern hat einen durchaus
tragischen Hintergrund, den Scheers leidenschaftliches Schauspiel gut
vermittelt. Nicht ganz so auffällig ist Florian Schmidtke als
Dörfler, der sich dafür aber mit Heinrich ein packendes, den
gesamten Film umspannendes Duell liefert. Das alles geschieht
zu einem sehr gelungenen Soundtrack, der von Ennio
Morricone inspirierte Westernmelodien mit zeitgenössischen deutschen
Schlagern von Marlene Dietrich, Rudi Schuricke oder Zarah Leander
kombiniert. Klingt merkwürdig, funktioniert aber richtig gut. Was
man so auch als Fazit für den gesamten "Blood & Gold"
zusammenfassen kann. Hoffentlich darf Peter Thorwarth bei Netflix
viele weitere schräge Filme drehen, die im Kino wahrscheinlich
keine Chance hätten!
Fazit:
"Blood & Gold" ist ein mit viel Herzblut geschaffener
B-Movie-Action-Kriegsfilm mit einer nicht klischeefreien, aber
wendungsreichen Story, teils überraschend guter Figurenzeichnung
und einem spielfreudigen Ensemble.
Wertung:
7,5 Punkte.
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