Regie: Lila Neugebauer, Drehbuch: Ottessa Moshfegh, Luke Goebel und
Elizabeth Sanders, Musik: Alex Somers
Darsteller: Jennifer
Lawrence, Brian Tyree Henry, Linda Emond, Jayne Houdyshell, Frederick Weller, Stephen
McKinley Henderson, Will Pullen
Nachdem die junge
US-Soldatin Lindsay (Jennifer Lawrence, "mother!") in
Afghanistan einen Anschlag schwer verwundet überlebt hat, quält sie
sich zurück in den USA durch die Reha. Schließlich ist sie gesund genug, um in ihren Heimatort zurückzukehren, wo sie zunächst wieder bei ihrer Mutter Gloria (Linda Emond, "Across
the Universe") einzieht. Die freut sich über Lindsays Rückkehr
und möchte ihr über eine Freundin einen guten Bürojob verschaffen
– doch Lindsay will nach ihrer vollständigen Genesung zurück zur
Army und nimmt deshalb nur einen Übergangsjob von Rick (Frederick Weller, TV-Serie "In Plain Sight") als Pool-Reinigerin
an. Als Lindsay auf den einbeinigen Automechaniker James (Brian Tyree
Henry, "Godzilla vs. Kong") trifft, verstehen sie sich
auf Anhieb gut. Kein Wunder, denn beide haben ein traumatisches
Erlebnis in der jüngeren Vergangenheit hinter sich, das sie stark prägt. Vor allem Lindsay, der es generell schwer fällt,
sich anderen gegenüber zu öffnen, tut die platonische Freundschaft
(sie ist lesbisch) gut und sie blüht in James' Gegenwart
regelrecht auf. Doch sie ahnt nicht, daß James' Trauma
mindestens so schwer auf ihm lastet wie Lindsays auf ihr – er kann
es nur besser verbergen ...
Kritik:
Angesichts ihres
Superstar-Status vergißt man gerne, daß Jennifer Lawrence ihre
Kino-Karriere im Independent-Bereich begann. Nicht wenige Kritiker
betrachten ihre Rolle als Jugendliche aus armen Verhältnissen auf
der Suche nach dem verschwundenen Vater in "Winter's Bone"
(2010) als ihre bis heute beste Leistung – und ich bin geneigt, dem
zuzustimmen. Als sie daraufhin in Hollywood gleich in zwei
Multi-Millionen-Dollar-Franchises als Actionheldin durchstartete
("Die Tribute von Panem" und "X-Men"), wurde die
Zeit für kleinere, unabhängige Produktionen immer knapper, trotzdem
streute sie immer wieder welche ein und wurde dafür mit ihrem
OSCAR für David O. Russells Tragikomödie "Silver Linings"
(2012) belohnt. Ende der 2010er Jahre schloß Jennifer Lawrence ihren zweifachen
Franchise-Lauf ab (2015 erschien der letzte "Die Tribute von
Panem"-Film, 2019 das finale "X-Men"-Abenteuer), doch so
richtig gut funktionierten ihre Folgeprojekte in Hollywood nicht: Sowohl die SciFi-Romanze "Passengers" (2016)
als auch der Spionage-Thriller "Red Sparrow" (2018)
schnitten bei Kritik und Publikum nur mittelmäßig ab und auch Adam
McKays bitterböse Gesellschaftssatire "Don't Look Up" (2021) erregte
trotz großen Erfolges kontroverse Reaktionen. So ist es
verständlich, daß sich Lawrence mit dem von AppleTV+ und dem erfolgsverwöhnten Indie-Studio A24 ("Hereditary") produzierten, auf den ersten Blick unscheinbaren
"Causeway" auf ihre Wurzeln besinnt. Das erweist sich
als gute Idee, denn das leise und unaufgeregte Drama der
US-amerikanischen Theater-Regisseurin Lila Neugebauer gibt Lawrence
die Gelegenheit, sich buchstäblich ungeschminkt und fernab des
üblichen Hollywood-Glamours zu präsentieren und zu zeigen, daß sie
schauspielerisch immer noch mehr drauf hat als die meisten anderen
Schauspielerinnen.
Die Geschichte, die
"Causeway" erzählt, ist von Anfang bis Ende unspektakulär
und vermutlich auch ziemlich alltäglich – zumindest in den USA mit
den unzähligen Veteranen, von denen viele unter einer
posttraumatischen Belastungsstörung leiden und nur unzureichend von
Militär und Behörden unterstützt werden. Zwar baut Regisseurin
Neugebauer etwas Spannung auf, indem sie die genaue Ursache für
Lindsays schwere Verwundung zunächst nicht nennt, sondern nur ein
paar recht vage Hinweise gibt – doch die Enthüllung setzt
nicht wirklich ein Ausrufezeichen, sondern ist eigentlich nur
konsequent und dementsprechend glaubwürdig. Ähnlich sieht es bei
James aus, dem man sein Trauma zunächst – abgesehen von der
allerdings bemerkenswert unauffälligen Beinprothese – kaum
ansieht, da er nicht so traurig aus der Wäsche schaut wie Lindsay
und deutlich redseliger ist. Auf diese Weise fällt es dem Publikum
sogar leichter, sich mit James zu identifizieren und in ihn einzufühlen,
da Lindsay lange braucht, um sich endlich etwas zu öffnen. Bis
dahin empfindet man zwar Mitgefühl mit der jungen Veteranin, da ihr
Leid offensichtlich ist, aber eine echte emotionale Verbindung
entwickelt sich eher nicht. Das ist jedoch vermutlich so gewollt, gerade als
Kontrast zum umgänglicheren James, und mit einer Schauspielerin vom
Kaliber einer Jennifer Lawrence funktioniert es ziemlich gut.
Generell harmonieren
Lawrence und der ungemein charismatische Brian Tyree Henry sehr gut
miteinander. Man nimmt dem auf den ersten Blick ziemlich ungleichen
Duo die sich sachte entwickelnde Freundschaft ab, die sich ebenso auf
ihre erlittenen Traumata begründet wie auf eine grundsätzliche
Sympathie zwischen ihnen. Wie sie sich durch das bloße Miteinander,
das gemeinsame Reden und Trinken und manchmal auch Kiffen nicht nur
einander öffnen, sondern auch bereit sind, sich selbst die
eigenen Probleme einzugestehen, ist anrührend mitanzusehen – und
das vielleicht sogar gerade deshalb, weil es so leise und
unaufdringlich, aber dafür so authentisch geschieht. Daß "Causeway"
daneben ein paar zwischenmenschliche Konflikte einbaut – etwa
zwischen Lindsay und ihrer Mutter, aber auch einen unerwartet
explosiven Streit zwischen Lindsay und James – wirkt dramaturgisch fast unnötig, unterstreicht aber natürlich die Lebensnähe des
Gezeigten (denn wessen Leben verläuft schon ohne zwischenmenschliche
Konflikte?). Da der Film ganz auf Jennifer Lawrence und Brian Tyree
Henry zugeschnitten ist, spielen die weiteren Figuren keine große
Rolle. Durch eine gute, paßgenaue Besetzung tragen aber auch
einige von ihnen wie Lindsays bewundernswert geduldige
Reha-Betreuerin Sharon (Jayne Houdyshell, "Little Women")
oder ihr Arzt Dr. Lucas (Stephen McKinley Henderson, "Dune")
zum Gelingen des Films bei. Es bleibt zu hoffen, daß Jennifer
Lawrence in Zukunft vermehrt zwischen Independent-Produktionen und Hollywood-Blockbustern pendelt, denn
sie beherrscht beide Sparten zu gut, um eine davon aufzugeben.
Fazit:
"Causeway" ist
ein leises, unspektakuläres und langsam erzähltes
Independent-Drama, das ganz von seinen beiden fein gezeichneten und
großartig gespielten Hauptfiguren lebt.
Wertung:
7,5 Punkte.
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