Regie: Matthias Schweighöfer, Drehbuch: Shay Hatten, Musik: Steve
Mazzaro, Hans Zimmer
Darsteller: Matthias
Schweighöfer, Nathalie Emmanuel, Ruby O. Fee, Stuart Martin, Guz
Khan, Jonathan Cohen, Noémie Nakai, Christian Steyer, Barbara Meier,
Peter Simonischek, Dave Bautista, Ana de la Reguera, Dunja
Hayali
Sebastian
Schlencht-Wöhnert (Matthias Schweighöfer, "Keinohrhasen")
ist ein unauffälliger und etwas wunderlicher Bankangestellter in
Potsdam, doch seine wahre Leidenschaft gehört dem Safeknacken. Von
Kindheit an übt er sich darin und sein großer Traum ist es, irgendwann
die legendären Safes zu öffnen, die ein gewisser Hans Wagner vor vielen
Jahrzehnten ersann: Eine Reihe von vier Einzelstücken, inspiriert
von und benannt nach Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen",
über die Sebastian sogar ein paar wenig beachtete YouTube-Videos gedreht
hat. Völlig unerwartet erhält Sebastian die Chance, sich
den Traum zu erfüllen, als die charmante Bankräuberin Gwendoline
(Nathalie Emmanuel, TV-Serie "Game of Thrones") an ihn
herantritt. Gemeinsam mit ihrer Crew – bestehend aus dem Mann fürs Grobe Brad
Cage (Stuart Martin, TV-Serie "Crossing Lines"), der
forschen Hackerin Korina (Ruby O. Fee, "Polar") sowie dem
Fluchtwagenfahrer Rolph (der britische Komiker Guz Khan) – will sie
drei der vier Wagner-Safes ausrauben, die in Banken in Paris, Prag
und St. Moritz stehen und bereits in wenigen Tagen ausgemustert werden
sollen! Obwohl Sebastian keinerlei kriminelle Erfahrung hat, willigt
er schließlich ein und das Quintett macht sich auf den Weg zu seinem
ersten Ziel in Paris. Was sie nicht ahnen: Der französische
Interpol-Agent Delacroix (Jonathan Cohen, "Mein Leben mit
Amanda") ist ihnen bereits auf der Spur und da er nach einer
vorherigen Begegnung noch ein Hühnchen mit Gwen und Brad zu rupfen hat,
setzt er nun wirklich alles daran, die Bande zu schnappen ...
Kritik:
In Deutschland ist
Matthias Schweighöfer unter Kinofans nicht unumstritten, weil sich
seine erfolgreichen Filme sowohl als Regisseur als auch als
Hauptdarsteller – von "What a Man" über "Der
geilste Tag" bis hin zu "Der Nanny" – strukturell
doch ziemlich ähneln und inhaltlich nicht allzu anspruchsvoll sind.
Klar ist aber auch: Schweighöfer ist definitiv sehr erfolgreich,
neben (dem noch deutlich kontroverseren) Til Schweiger vermutlich sogar der erfolgreichste deutsche
Kinostar der letzten Jahre bis Jahrzehnte. Und richtig ist ebenfalls,
daß Schweighöfer seine internationale Karriere sehr
strategisch und erfolgversprechend angeht. In englischsprachigen
Filmen tritt er bereits seit "Der Rote Baron" und
"Operation Walküre" (beide 2008) auf, verstärkt
allerdings erst seit 2018 mit Rollen in "Kursk",
"Resistance" und "Army of the Dead". Gerade
Letzterer gab Schweighöfers geplanter Hollywood-Karriere noch mal
einen starken Schub, denn in Netflix' Zombie-Heist-Spektakel
avancierte er als plappernder, aber liebenswerter deutscher
Safeknacker Ludwig Dieter zum Publikumsliebling und fand zudem in
Regisseur Zack Snyder eine Art Mentor. Denn bereits vor dem Release von "Army of the Dead" brachte
Schweighöfer den früheren DC Extended Universe-Lenker dazu, ein
Ludwig Dieter-Prequel zu produzieren, bei dem Schweighöfer selbst
die Regie führt. Das hat sich gelohnt, denn "Army of Thieves"
erwies sich nicht nur als kleiner Achtungserfolg, sondern als ob der wenig zugkräftigen Besetzung und des sparsamen
Budgets von $7 Mio. kaum erwarteter Hit, der zu den
meistgesehenen Netflix-Filmen des Jahres 2021 zählt und beinahe an die Abrufzahlen des deutlich prestigeträchtigeren
Mutterfilms "Army of the Dead" heranreichte. Und der Erfolg
ist durchaus gerechtfertigt, denn obgleich "Army of Thieves"
inhaltlich wenig originell daherkommt, ist er doch ein durchgehend
unterhaltsamer und sympathischer Heistfilm mit viel Humor geworden.
Naturgemäß
wird der Erfolg von "Army of Thieves" durch die Verwandtschaft mit dem zwar von der Kritik (zu Recht)
ziemlich verrissenen, aber trotzdem sehr erfolgreichen "Army of
the Dead" befeuert worden sein – dabei halten sich die
inhaltlichen Verbindungen zwischen beiden Filmen in Grenzen. Der
Zombieausbruch in Las Vegas kommt nur gelegentlich im Hintergrund in
den Nachrichten (gesprochen von Dunja Hayali) sowie in den
Alpträumen des Protagonisten vor, einen Gastauftritt von "Army
of the Dead"-Darstellern gibt es erst im Epilog und selbst
Ludwig Dieter heißt noch nicht Ludwig Dieter, sondern hört noch auf
den erheblich uncooleren Namen Sebastian Schlencht-Wöhnert. Generell
ist der Weg vom schüchternen Bankangestellten zum
selbstbewußten Safeknacker Ludwig Dieter ziemlich weit, aber immerhin
vergehen zwischen den Geschehnissen in "Army of Thieves" –
die mehr oder weniger parallel zum Prolog von "Army of the Dead"
stattfinden – und der Haupthandlung von "Army of the Dead"
rund sechs Jahre. Insofern ist die doch recht radikale Veränderung
von Sebastian zu Ludwig durchaus glaubwürdig. Ein begnadeter
Safeknacker ist schließlich bereits Sebastian, wenngleich es sich
noch lediglich um ein Hobby handelt, von dem allein die treue
Zuschauerschaft seiner YouTube-Videos weiß – also niemand, denn
die meisten seiner Videos zählen 0 Abrufe … Trotzdem wird Gwendoline durch sie auf Sebastian aufmerksam, tritt in der Folge in sein Leben und läßt es mit Volldampf aus den Fugen geraten.
Alles
in allem hält sich "Army of Thieves" sehr eng –
zu eng – an die ungeschriebenen Regeln des
Heistfilm-Genres. Nachdem er sich in einem Test bewiesen hat,
muß sich Sebastian schnell in ein bestehendes Team einfügen, das
überall in Europa zuschlägt. Angesichts des überschaubaren Budgets
bleiben spektakuläre Szenen dabei Mangelware und das Drehbuch von
Shay Hatten ("John Wick: Kapitel 3") bleibt bei den
Raubzügen selbst relativ oberflächlich, aber Schweighöfers
Inszenierung ist ebenso routiniert wie humorvoll und über weite
Strecken temporeich geraten, daß man dem Team gerne zusieht. Ein
paar "überraschende" Wendungen sind ziemlich vorhersehbar,
aber gerade zwischen Schweighöfer und Gwendoline-Darstellerin
Nathalie Emmanuel – sowie wenig überraschend Schweighöfers realer
Lebensgefährtin Ruby O. Fee als schlagfertiger Hackerin Korina –
stimmt die Chemie und generell ist die Besetzung gut ausgewählt.
Ärgerlich sind dagegen einige Logikfehler und
Glaubwürdigkeitsmängel. So erscheint es wenig sinnvoll, den
ungemein komplexen Siegfried-Tresor ausgerechnet auf einem fahrenden
Laster zu knacken, wenn man doch auch irgendwo versteckt anhalten
könnte. Klar, sie sind unter Zeitdruck, aber dafür sollte die Zeit
definitiv reichen und es ist sehr offensichtlich, daß für
Sebastians stylish in Szene gesetzten, aber für sich genommen wenig
aufregenden Knackversuch schlicht etwas zusätzliche Spannung
generiert werden soll. Auch das Verhalten des Interpol-Agenten
Delacroix bleibt speziell gegen Ende rätselhaft, unerklärt und
eher wenig nachvollziehbar – er wirkt trotz seiner
vorherigen Präsenz in der Story fast wie ein klassischer Deus
ex machina. Zu den Pluspunkten von "Army of Thieves" zählt
die klangvolle, verspielte Musik von Altmeister Hans Zimmer
und seinem Schüler Steve Mazzaro (arbeitete mit Zimmer u.a. an
"Dunkirk", "Dune" und "Keine Zeit zu
sterben"). Positiv hervorheben darf man auch, daß Schweighöfer
und sein Team größtenteils vor Ort gedreht haben – in
Deutschland, Österreich und der Tschechischen Republik –, was man sieht und zur gelungenen Atmosphäre beiträgt.
Insgesamt ist Matthias Schweighöfer ein trotz mangelnder
Originalität sehr solider, amüsanter und sympathischer Film
gelungen, der kein Must-See ist, "Army of the Dead"
aber qualitativ deutlich übertrumpft.
Fazit:
Das "Army of the Dead"-Prequel "Army
of Thieves" ist ein recht überraschungsfreier, aber von
Matthias Schweighöfer routiniert und unterhaltsam inszenierter
Heistfilm mit sympathischer Besetzung.
Wertung:
7 Punkte.
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