Regie: Dan Scanlon, Drehbuch: Jason Headley, Keith Bunin und
Dan Scanlon, Musik: Jeff und Mychael Danna
Sprecher der Originalfassung: Tom Holland, Chris Pratt,
Julia Louis-Dreyfus, Octavia Spencer, Mel Rodriguez, Lena Waithe, Ali Wong, Grey
Griffin, Wilmer Valderrama, Tracey Ullman, John Ratzenberger, Kyle Bornheimer
FSK: 6, Dauer: 102 Minuten.
Der junge Elf Ian Lightfoot (in der Originalfassung gesprochen von Tom
Holland, "Spider-Man: Homecoming") wächst mit seinem älteren Bruder
Barley (Chris Pratt, "Jurassic World") und ihrer Mutter
Laurel (Julia Louis-Dreyfus, TV-Serie "Veep") in einer von Fabelwesen bevölkerten Fantasy-Welt auf, die aber mit dem Aufkommen der Technologie nach und
nach fast sämtliche Magie verloren hat. Zu Ians 16. Geburtstag erhalten er und
Barley von Laurel ein Geschenk ihres noch vor Ians Geburt verstorbenen
Vaters Wilden (Kyle Bornheimer, "Marriage Story"): einen Zauberstab
mitsamt eines Zaubers, mit dem man Wilden für genau einen Tag von den Toten
auferstehen lassen kann! Begeistert wird der Zauberspruch ausprobiert, er
funktioniert allerdings nicht so ganz – lediglich Wildens Unterkörper ist
zurückgekommen! Der wichtigere Rest fehlt und da beim Zauber der Phoenix-Stein
des Zauberstabs zerstört wurde, ist guter Rat teuer: Wo bekommt man innerhalb
von 24 Stunden ein neues Exemplar dieses extrem raren Artefakts her? Zum Glück ist
Barley begeisterter Rollenspieler und da die Rollenspiele dieser Welt auf deren
weithin vergessener Realität basieren, findet er schnell einen ersten Hinweis.
Gemeinsam machen sich Ian und Barley, den halben Vater im Schlepptau, auf die gefährliche Queste – und als
Laurel das Verschwinden ihrer Söhne bemerkt, eilt sie sofort hinterher und
findet Unterstützung in einer erfahrenen Mantikor-Dame (Octavia
Spencer, "Snowpiercer") …
Kritik:
Das vielfach OSCAR-gekrönte Animationsstudio Pixar gehört
bekanntlich seit 2006 zu Walt Disney – daß Pixar und die altehrwürdigen Walt
Disney Animation Studios friedlich und dabei kommerziell lukrativ koexistieren
können, hat meiner Ansicht nach zwei Hauptgründe. Erstens selbstverständlich
die Qualität, die bei Pixar fast immer in hohem Maß vorhanden ist und bei
Disney Animation zumindest häufig. Zweitens die deutlich unterschiedlichen
inhaltlichen und auch erzählerischen Schwerpunkte. So setzt Disney Animation
seit jeher auf (oft buchstäblich) märchenhafte Geschichten, wohingegen
die Pixar-Storys meist in unserer Welt spielen – wenn auch teilweise in der
Zukunft ("WALL*E"), mit Superhelden ("Die Unglaublichen"),
lebendigen Spielzeugen ("Toy Story") oder knuffigen Monstern
("Die Monster AG") – und bemerkenswert häufig auf einen richtigen
Antagonisten verzichten. Während Disney Animation eine Vielzahl denkwürdiger
Bösewichte schuf – man denke nur an die böse Königin in
"Dornröschen", Cruella de Vil in "101 Dalmatiner", Tiger Shir Khan in "Das Dschungelbuch", den Großwesir Dschafar in
"Aladdin" oder Scar in "Der König der Löwen" –, legt Pixar
sein Augenmerk meist lieber ganz auf seine Protagonisten und ihre Probleme, die
in der Regel auf irgendeine Weise mit Verlust zu tun haben. "Onward –
Keine halben Sachen" von Dan Scanlon ("Die Monster Uni")
überquert zwar mit seinem Fantasy-Setting ein wenig die Grenze zur Disney
Animation-Domäne, macht beim fehlenden Bösewicht aber keine Ausnahme. Und
einmal mehr funktioniert der Ansatz: "Onward" erreicht nicht die
Klasse der besten Pixar-Werke, unterhält aber mit sympathischen Hauptfiguren
und einer durch Rollenspiel-Elemente angereicherten Geschichte durchgehend auf
ziemlich hohem Niveau.
Anhand der zahlreichen nicht verwendeten Szenen läßt sich
gut nachvollziehen, wie sehr und spät sich "Onward" inhaltlich
gegenüber dem ursprünglichen Konzept verändert hat. Demnach wäre Barley ein
ziemlicher Einfaltspinsel und Möchtegern-Rocker gewesen, wohingegen als
zusätzliche Figur die Rollenspiel-Expertin Jenny die
Queste maßgeblich vorangetrieben hätte. Schließlich entschied man sich jedoch
dazu, Jenny zu streichen, ihre Eigenschaften großteils auf Barley zu übertragen
und die Beziehung zwischen den ungleichen Brüdern ins Zentrum der
Geschichte zu stellen. Ich denke, das war eine gute Wahl, denn schon von den
"verlorenen" Szenen ausgehend finde ich Barley recht nervig, die neue Version ist wesentlich angenehmer – und die verschwundene weibliche Figur
wird durch den B-Handlungsstrang rund um Laurel und die Mantikor-Dame (für
diejenigen, die sich in Fantasy nicht so gut auskennen: ein Hybrid aus
Löwe und Skorpion!) gut kompensiert. Ein wenig schade finde ich als alter
Rollenspieler nur, daß der Rollenspiel-Aspekt im finalen
"Onward" klar schwächer ausgeprägt ist als in der Ur-Version. Es ist aber genügend übriggeblieben, daß sich Rollenspieler (vor allem "Dungeons
& Dragons"-Kenner) über zahlreiche Verweise und Anspielungen freuen
können.
Davon unabhängig ist die Queste der Lightfoots einfach
unterhaltsam, amüsant und zumeist temporeich gestaltet und profitiert von
den mal bissigen, mal gefühlvollen Dialogen zwischen den Brüdern, die in der
Originalfassung sehr überzeugend und lebhaft von den MCU-Stars Tom
"Spider-Man" Holland und Chris "Star-Lord" Pratt gesprochen
werden. Daß richtig spektakuläre Höhepunkte Mangelware sind und sich die erinnerungswürdigen
Gags an einer Hand abzählen lassen, fällt angesichts dieser Stärken
gar nicht so sehr ins Gewicht – 100 Minuten konstant guter Unterhaltung sind
schließlich nicht zu verachten, da braucht es nicht unbedingt ein
Gag-Feuerwerk. Ein bißchen schwach auf der Brust im Vergleich zu anderen
Animationsfilmen ist "Onward" hinsichtlich der Nebenfiguren. Laurel und die Mantikor-Dame geben ein liebenswertes Duo ab, das gerne mehr
Screentime hätte abbekommen dürfen, ansonsten bleiben aber nur Laurels recht polternd auftretender, aber gutmeinender neuer Freund Colt
(Mel Rodriguez, TV-Serie "The Last Man on Earth") – ein als Polizist
tätiger Zentaur – und vor allem die herrlich albernen Rocker-Feen in
Erinnerung, die sich als absolute Scenestealer erweisen und in ihren wenigen
Szenen für große Erheiterung sorgen. Insgesamt bleiben die Nebenfiguren aber
relativ unauffällig, was sich damit erklären läßt, daß das Autoren-Trio
sich auf die zentrale Brüder-Beziehung konzentriert – und das ist nicht
die schlechteste Idee, denn deren Geschichte ist glaubwürdig und mit viel Herz
erzählt und macht sie zu Protagonisten, mit denen man gerne Zeit
verbringt. Viel Lob hat selbstredend auch die Animationsqualität verdient, doch
alles andere wäre bei einem Pixar-Film sehr überraschend. Die Fantasywelt von
"Onward" ist ebenso liebe- wie phantasievoll gestaltet und glänzt mit
vielen netten Einfällen im Hintergrund (wie den stets denkbar unglamourös im
Müll nach Nahrung stöbernden Einhörnern) und einem überzeugenden Kreaturendesign. Es ist
bedauerlich, daß "Onward" in den Kinos so wenig
Zuschauerinteresse wecken konnte, daß er nach "Arlo & Spot"
(2015) der erst zweite kommerzielle Pixar-Mißerfolg wurde. Das ist zwar
teilweise mit der Corona-Pandemie zu entschuldigen, doch kam "Onward"
in vielen Ländern bereits kurz vor deren Ausbruch in die Kinos und lief da so
mittelmäßig, daß es auch ohne Pandemie nicht zu einem Hit gereicht hätte.
Auf eine Kino-Fortsetzung (oder ein Spin-Off á la "Minions" mit den
Rocker-Feen …) braucht also niemand zu hoffen.
Fazit: "Onward – Keine halben Sachen" ist
ein sehr charmanter Pixar-Animationsfilm, dessen Fantasywelt ebenso gut zu
unterhalten weiß wie die sympathischen Charaktere und die recht geradlinige
Story – auch wenn echte Höhepunkte fehlen.
Wertung: 7,5 Punkte.
Bei
Gefallen an meinem
Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger"
mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den
Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der
rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen