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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 27. August 2020

DER KÖNIG DER LÖWEN (2019)

Originaltitel: The Lion King
Regie: Jon Favreau, Drehbuch: Jeff Nathanson, Musik: Hans Zimmer
Sprecher der Originalfassung: Donald Glover, JD McCrary, Chiwetel Ejiofor, James Earl Jones, Beyoncé Knowles-Carter, Shahadi Wright Joseph, John Oliver, John Kani, Seth Rogen, Billy Eichner, Alfre Woodard, Florence Kasumba, Keegan-Michael Key, Eric André, Penny Johnson Jerald, Amy Sedaris, Chance the Rapper
Der König der Löwen (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 52% (6,0); weltweites Einspielergebnis: $1663,3 Mio.
FSK: 6, Dauer: 118 Minuten.
Alle Tiere der Savanne freuen sich, als Mufasa (James Earl Jones, "Conan der Barbar"), der weise und gütige Löwenherrscher des "Geweihten Landes", und Königin Sarabi (Alfre Woodard, "Annabelle") Nachwuchs bekommen. Der kleine Simba (JD McCrary, "Little") ist ein wahres Energiebündel, das am liebsten mit seiner Löwenfreundin Nala (Shahadi Wright Joseph, "Wir") herumtollt und endlich wie ein Erwachsener behandelt werden möchte. Bei diesem Ansinnen bietet ihm sein chronisch schlecht gelaunter Onkel Scar (Chiwetel Ejiofor, "Doctor Strange") Hilfe an, doch in Wirklichkeit lockt er Simba in große Gefahr, sodaß Mufasa ihn retten muß – mit fatalen Konsequenzen. Während Simba knapp überlebt, aber aus Scham aus der Region flüchtet, übernimmt Scar gemeinsam mit den Hyänen die Herrschaft über das Geweihte Land, wobei er aber nicht wie Mufasa auf ein harmonisches, die Balance wahrendes Zusammenleben mit den anderen Tieren setzt, sondern auf eine brutale Gewaltherrschaft. Als die inzwischen erwachsene Nala (Beyoncé Knowles-Carter, "Dreamgirls") auf der Suche nach Hilfe zufällig auf Simba (Donald Glover, "Solo") stößt und diesen nach der ersten Freude über sein Überleben überredet, zurückzukehren und sein Herrschaftsrecht zu beanspruchen, könnten sich die Dinge zum Guten wenden. Doch Scar und die Hyänen sind nicht gewillt, einfach aufzugeben …

Kritik:
Eigentlich müßte mir das Realfilm-Remake des Disney-Zeichentrickklassikers "Der König der Löwen" mindestens genauso gut gefallen wie das extrem erfolgreiche Original aus dem Jahr 1994. Eine insgesamt vielleicht sogar noch etwas hochwertigere Sprecherriege (bezogen auf die Originalfassung), eine häufig atemberaubende Optik, viel glaubwürdigere Antagonisten, eine behutsam, aber gekonnt aktualisierte Musik und eine generell erwachsenere Interpretation der Handlung – alles Einzelelemente, die mich sehr ansprechen. Eigentlich. Doch dummerweise ist es hier nicht nur nicht der Fall, daß das Ganze mehr als die Summe seiner Einzelteile ist – vielmehr ist das Ganze erstaunlicherweise weniger als seine Einzelteile! Das soll selbstredend nicht heißen, daß der neue "Der König der Löwen" ein schlechter Film wäre, aber weil es ihm im Gegensatz zum eine halbe Stunde kürzeren Original nicht wirklich gelingt, einen immersiven Erzählfluß zu schaffen, der das Publikum emotional mitreißt, schöpft das Remake trotz teils 1:1 übernommener Szenen sein Potential nicht aus und wird durch die hochmoderne, jedoch nicht immer hundertprozentig überzeugende Animationstechnik zusätzlich ausgebremst.

Seine stärkste Phase hat der Realfilm-"Der König der Löwen" zweifellos in seinem ersten Akt. Die Einführung der idyllischen Welt von Mufasa, Simba und Co. in der fruchtbaren afrikanischen Savanne gerät bildgewaltig und eindrucksvoll, die Figuren und ihre Konstellation untereinander werden dem Publikum effektiv und unterhaltsam nahegebracht, wobei die im Zeichentrickfilm OSCAR-gekrönte Musik von Hans Zimmer ("Man of Steel") und die Songs aus der Feder von Elton John und Tim Rice eine große Rolle spielen. Doch während der Zeichentrickfilm dieses Niveau bis zum Schluß halten kann, gelingt dies dem Remake bedauerlicherweise nicht. Ab dem großen Wendepunkt der Geschichte nach gut einem Filmdrittel wirkt das Remake nicht mehr wie aus einem Guß, sondern beinahe episodisch, es stellen sich sogar einige Längen ein. Kein Wunder angesichts der Tatsache, daß das Remake fast eine halbe Stunde länger ist als das Original, ohne daß inhaltlich etwas Bedeutendes hinzugefügt worden wäre. Tatsächlich hat diese Laufzeitstreckung sogar einen deutlich negativen Effekt, denn auf diese Weise wird einem erst so richtig bewußt, wie dünn die Story von Simba und seinem Kampf gegen seinen bösen Onkel um den Thron im Kern ist. Im Original fiel das kaum ins Gewicht, weil generell ein leichterer, kinderfreundlicherer Ton herrschte und die überschaubare Komplexität der Handlung dazu paßte, zumal eben das Erzähltempo paßte.

Da ich nun bereits mehrfach für das Remake den Begriff "Realfilm" verwendet habe, sollte ich anmerken, daß das streng genommen nicht ganz korrekt ist, denn das Remake ist komplett am Computer animiert – das allerdings photorealistisch, so daß es wie ein Realfilm aussieht. Zumindest in der Theorie. In der Praxis funktioniert das, ähnlich wie beim ebenfalls von Jon Favreau inszenierten "The Jungle Book", phasenweise phantastisch gerade die Panorama-Aufnahmen der afrikanischen Landschaft mit ihrer vielfältigen Tierwelt sind Kameramann Caleb Deschanel ("Werk ohne Autor") beeindruckend geraten. Doch sobald es Nahaufnahmen der Tiere gibt, fällt dem genauen Beobachter wiederholt auf, daß es sich um Animationen handelt und nicht um echte Tiere. Dabei spielt logischerweise die Tatsache eine wichtige Rolle, daß die Tiere in "Der König der Löwen" sprechen und das naturgemäß merkwürdig aussehen muß –  das war bei "The Jungle Book" aber nicht anders und wirkte dort auf mich trotzdem wesentlich glaubwürdiger. Vielleicht liegt es daran, daß in "The Jungle Book" ein Mensch die Hauptrolle spielt, während in "Der König der Löwen" ständig sprechende Tiere im Bild sind – vielleicht auch daran, daß ich "The Jungle Book" in 3D auf einer großen Kino-Leinwand gesehen habe und "Der König der Löwen" in 2D auf einem relativ kleinen TV-Bildschirm; und vielleicht spielt die Auswahl der Tierarten eine Rolle, denn am Unnatürlichsten sieht das Sprechen für mich eindeutig bei den Löwen aus, während es zum Beispiel bei den Hyänen viel besser funktioniert. Jedenfalls fühlte ich mich mehrfach von den sprechenden Löwen kurzzeitig aus dem Film herausgerissen – und bei "The Jungle Book" war das nie der Fall. Unabhängig davon fehlt den photorealistischen Löwen des Remakes einfach der große Charme der gezeichneten Tiere des Originals (bei denen das Sprechen auch viel natürlicher wirkt).

Ein Punkt, bei dem das Remake das hohe Niveau des Originals im Großen und Ganzen hält, wenn nicht sogar leicht steigert, ist die Auswahl der Sprecher, bei denen vor allem die Männer glänzen. Bei Hollywood-Legende James Earl Jones, der mit gewohnt majestätischer Würde als einziger Rückkehrer aus dem Original erneut den weisen König Mufasa spricht, ist das keine Überraschung. Doch auch Chiwetel Ejiofor liefert als Bösewicht Scar eine starke Leistung ab, welche die seines Vorgängers Jeremy Irons noch leicht übertrifft – was auch der bedrohlicheren Darstellung des Antagonisten zu verdanken ist, die nebenbei dafür sorgt, daß Scars Song "Be Prepared" deutlich abgeändert werden mußte und in meinen Ohren nun klar besser klingt. Als absoluter Glücksgriff erweist sich derweil die Wahl des britischen Komikers John Oliver (TV-Show "Last Week Tonight with John Oliver") als Nashornvogel Zazu – Olivers betont steifer britischer Upperclass-Akzent macht zwar inhaltlich überhaupt keinen Sinn (im Original hatte die Rolle mit Rowan Atkinson ebenfalls eine Brite inne, da war der Akzent aber viel unauffälliger), klingt aber toll und macht Zazus im Vergleich zum Zeichentrickfilm ein wenig ausgeweiteten Auftritte äußerst amüsant. Auch Seth Rogen ("Long Shot") und Billy Eichner ("Bad Neighbors 2") sorgen als Wildschwein Pumbaa und Erdmännchen Timon für Lacher, während Florence Kasumba ("Black Panther") die Hyänen-Anführerin Shenzi herrlich verschlagen klingen läßt. Generell haben die Hyänen im Vergleich zum Original die größte Veränderung erfahren, denn während sie dort weitestgehend Witzfiguren waren, sind sie im Remake eine ernstzunehmende Bedrohung. Dadurch gehen zwar ein paar nette Gags des Zeichentrickfilms verloren, wie das Remake generell ernster daherkommt und auch weniger mit Wortspielen arbeitet, mir gefallen die "neuen" Hyänen aber eindeutig besser.

Bleiben noch die beiden Hauptrollen Simba und Nala: Donald Glover und Beyoncé machen sich als Sprecher gut, jedoch zeigt sich im Gesang ein großer Nachteil des marketingtechnischen PR-Coups, Pop-Superstar Beyoncé als Nala zu besetzen: Sie singt zu gut und ihre Art zu Singen ist zu charakteristisch. Im Grunde genommen ergibt sich so ein Problem, das wir in Deutschland seit Jahrzehnten von den Synchronfassungen der Disney-Animationsfilme kennen, in denen oft nur für die Gesangseinlagen professionelle Sänger angeheuert werden, womit die Figuren beim Singen ganz anders klingen als beim Sprechen und vor allem viel zu gut singen, um innerhalb der Rolle authentisch zu wirken. Ersteres ist hier nicht der Fall, da Beyoncé spricht und singt, aber wenn sie mit Donald Glover den 1995 OSCAR-gekrönten Elton John-Hit "Can You Feel the Love Tonight" zum Besten gibt, hört man nicht die Löwin Nala, sondern den Popstar Beyoncé – und das reißt einen einmal mehr aus dem Erzählfluß heraus. Beyoncés Dominanz innerhalb des Songs ist besonders bei dieser Sequenz, die das Sich-Verlieben von Simba und Nala illustriert, wenig hilfreich. Im Zeichentrickfilm funktioniert das besser und zwar ironischerweise, trotzdem beide Löwen in der Originalfassung auch andere Gesangsstimmen haben, die sich aber zurückhalten und die Bilder dominieren lassen. Trotzdem: Insgesamt kann man sich über die Sprecher-Auswahl des neuen "Der König der Löwen" nicht beschweren. Aber selbst dieses exzellente Ensemble kann nicht verhindern, daß sich die Story, wie erwähnt, im Mittelteil ziemlich zieht, ehe es zum eher überhastet wirkenden Showdown kommt. Dabei sind einige Neuerungen für sich genommen sehr gelungen – während beispielsweise im Original der Mandrill-Schamane Rafiki (im Remake gesprochen von John Kani aus "Captain America 3") schlicht durch den Wind ein Stück Fell von Simba zugeweht bekommt und so erfährt, daß der Thronerbe noch lebt, kleidet Jon Favreau das im Remake in eine das Film-Leitmotiv vom "Kreis des Lebens" betonende Kettenreaktions-Sequenz, in deren Zentrum ein Mistkäfer steht. Das ist einer von mehreren schönen Einfällen, die aber in Summe einfach zu sehr das Tempo und die Emotionen aus dem Mittelteil herausnehmen. Somit sorgt letzten Endes die Kombination aus dieser unnötigen Laufzeitdehnung und der nicht immer natürlich wirkenden Animation dafür, daß das Remake trotz weitgehender Werktreue nicht an das Original heranreicht.

Fazit: Jon Favreaus "Der König der Löwen" ist ein optisch spektakuläres, aber nicht fehlerfreies und etwas zu glattgebügelt wirkendes Remake des Disney-Zeichentrickklassikers, dessen hohe Qualität es trotz sehr guter Sprecher nicht erreicht.

Wertung: 7 Punkte ("Der König der Löwen" von 1994: 8,5 Punkte).



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