Originaltitel: The Lion King
Regie: Jon Favreau, Drehbuch: Jeff Nathanson, Musik: Hans
Zimmer
Sprecher der Originalfassung: Donald Glover, JD McCrary,
Chiwetel Ejiofor, James Earl Jones, Beyoncé Knowles-Carter, Shahadi Wright
Joseph, John Oliver, John Kani, Seth Rogen, Billy Eichner, Alfre Woodard, Florence Kasumba, Keegan-Michael Key, Eric André, Penny
Johnson Jerald, Amy Sedaris,
Chance the Rapper
FSK: 6, Dauer: 118 Minuten.
Alle Tiere der Savanne freuen sich, als Mufasa (James Earl Jones, "Conan der Barbar"), der
weise und gütige Löwenherrscher des "Geweihten Landes", und Königin Sarabi (Alfre Woodard, "Annabelle") Nachwuchs bekommen. Der kleine Simba (JD
McCrary, "Little") ist ein wahres Energiebündel, das am liebsten mit seiner Löwenfreundin
Nala (Shahadi Wright Joseph, "Wir") herumtollt und endlich wie ein Erwachsener
behandelt werden möchte. Bei diesem Ansinnen bietet ihm sein chronisch schlecht
gelaunter Onkel Scar (Chiwetel Ejiofor, "Doctor Strange") Hilfe an, doch in Wirklichkeit lockt er
Simba in große Gefahr, sodaß Mufasa ihn retten muß – mit fatalen Konsequenzen. Während Simba knapp überlebt, aber aus Scham aus der Region flüchtet, übernimmt Scar
gemeinsam mit den Hyänen die Herrschaft über das Geweihte Land, wobei er aber nicht wie Mufasa auf ein harmonisches, die Balance wahrendes Zusammenleben mit den anderen
Tieren setzt, sondern auf eine brutale Gewaltherrschaft. Als die
inzwischen erwachsene Nala (Beyoncé Knowles-Carter, "Dreamgirls") auf der Suche nach Hilfe
zufällig auf Simba (Donald Glover, "Solo") stößt und diesen nach der ersten Freude über sein Überleben überredet, zurückzukehren und
sein Herrschaftsrecht zu beanspruchen, könnten sich die Dinge zum Guten wenden.
Doch Scar und die Hyänen sind nicht gewillt, einfach aufzugeben …
Kritik:
Eigentlich müßte mir das Realfilm-Remake des
Disney-Zeichentrickklassikers "Der König der Löwen" mindestens
genauso gut gefallen wie das extrem erfolgreiche Original aus dem Jahr 1994.
Eine insgesamt vielleicht sogar noch etwas hochwertigere Sprecherriege (bezogen auf
die Originalfassung), eine häufig atemberaubende Optik, viel glaubwürdigere
Antagonisten, eine behutsam, aber gekonnt aktualisierte Musik und eine generell
erwachsenere Interpretation der Handlung – alles Einzelelemente, die mich sehr ansprechen. Eigentlich. Doch dummerweise ist es hier nicht nur nicht der
Fall, daß das Ganze mehr als die Summe seiner Einzelteile ist – vielmehr ist
das Ganze erstaunlicherweise weniger als seine Einzelteile! Das soll
selbstredend nicht heißen, daß der neue "Der König der Löwen"
ein schlechter Film wäre, aber weil es ihm im Gegensatz zum eine halbe Stunde
kürzeren Original nicht wirklich gelingt, einen immersiven Erzählfluß zu
schaffen, der das Publikum emotional mitreißt, schöpft das Remake trotz teils 1:1
übernommener Szenen sein Potential nicht aus und wird durch die
hochmoderne, jedoch nicht immer hundertprozentig überzeugende Animationstechnik zusätzlich
ausgebremst.
Seine stärkste Phase hat der Realfilm-"Der König der
Löwen" zweifellos in seinem ersten Akt. Die Einführung der idyllischen
Welt von Mufasa, Simba und Co. in der fruchtbaren afrikanischen Savanne gerät
bildgewaltig und eindrucksvoll, die Figuren und ihre Konstellation
untereinander werden dem Publikum effektiv und unterhaltsam nahegebracht, wobei
die im Zeichentrickfilm OSCAR-gekrönte Musik von Hans Zimmer ("Man of Steel") und die Songs aus
der Feder von Elton John und Tim Rice eine große Rolle spielen. Doch während
der Zeichentrickfilm dieses Niveau bis zum Schluß halten kann, gelingt dies dem
Remake bedauerlicherweise nicht. Ab dem großen Wendepunkt der Geschichte
nach gut einem Filmdrittel wirkt das Remake nicht mehr wie aus einem
Guß, sondern beinahe episodisch, es stellen sich sogar einige Längen ein. Kein
Wunder angesichts der Tatsache, daß das Remake fast eine halbe Stunde länger
ist als das Original, ohne daß inhaltlich etwas Bedeutendes hinzugefügt worden wäre.
Tatsächlich hat diese Laufzeitstreckung sogar einen deutlich negativen Effekt,
denn auf diese Weise wird einem erst so richtig bewußt, wie dünn die Story von
Simba und seinem Kampf gegen seinen bösen Onkel um den Thron im Kern ist. Im
Original fiel das kaum ins Gewicht, weil generell ein leichterer,
kinderfreundlicherer Ton herrschte und die überschaubare Komplexität der
Handlung dazu paßte, zumal eben das Erzähltempo paßte.
Da ich nun bereits mehrfach für das Remake den Begriff
"Realfilm" verwendet habe, sollte ich anmerken, daß das streng
genommen nicht ganz korrekt ist, denn das Remake ist komplett am Computer
animiert – das allerdings photorealistisch, so daß es wie ein Realfilm
aussieht. Zumindest in der Theorie. In der Praxis funktioniert das, ähnlich wie
beim ebenfalls von Jon Favreau inszenierten "The Jungle Book",
phasenweise phantastisch – gerade die Panorama-Aufnahmen der afrikanischen
Landschaft mit ihrer vielfältigen Tierwelt sind Kameramann Caleb Deschanel
("Werk ohne Autor") beeindruckend geraten. Doch sobald es
Nahaufnahmen der Tiere gibt, fällt dem genauen Beobachter wiederholt auf, daß
es sich um Animationen handelt und nicht um echte Tiere. Dabei spielt
logischerweise die Tatsache eine wichtige Rolle, daß die Tiere in "Der
König der Löwen" sprechen und das naturgemäß merkwürdig aussehen muß – das war bei "The Jungle Book" aber nicht anders und wirkte dort
auf mich trotzdem wesentlich glaubwürdiger. Vielleicht liegt es daran, daß in
"The Jungle Book" ein Mensch die Hauptrolle spielt, während in
"Der König der Löwen" ständig sprechende Tiere im Bild sind –
vielleicht auch daran, daß ich "The Jungle Book" in 3D auf einer
großen Kino-Leinwand gesehen habe und "Der König der Löwen" in 2D auf
einem relativ kleinen TV-Bildschirm; und vielleicht spielt die Auswahl
der Tierarten eine Rolle, denn am Unnatürlichsten sieht das Sprechen für mich
eindeutig bei den Löwen aus, während es zum Beispiel bei den Hyänen viel
besser funktioniert. Jedenfalls fühlte ich mich mehrfach von den sprechenden
Löwen kurzzeitig aus dem Film herausgerissen – und bei "The Jungle Book"
war das nie der Fall. Unabhängig davon fehlt den photorealistischen Löwen des
Remakes einfach der große Charme der gezeichneten Tiere des Originals (bei
denen das Sprechen auch viel natürlicher wirkt).
Ein Punkt, bei dem das Remake das hohe Niveau des Originals
im Großen und Ganzen hält, wenn nicht sogar leicht steigert, ist die Auswahl
der Sprecher, bei denen vor allem die Männer glänzen. Bei Hollywood-Legende
James Earl Jones, der mit gewohnt majestätischer Würde als einziger Rückkehrer
aus dem Original erneut den weisen König Mufasa spricht, ist das keine
Überraschung. Doch auch Chiwetel Ejiofor liefert als Bösewicht Scar eine starke
Leistung ab, welche die seines Vorgängers Jeremy Irons noch leicht übertrifft –
was auch der bedrohlicheren Darstellung des Antagonisten zu verdanken ist, die nebenbei dafür sorgt, daß Scars Song "Be Prepared" deutlich abgeändert
werden mußte und in meinen Ohren nun klar besser klingt. Als absoluter Glücksgriff
erweist sich derweil die Wahl des britischen Komikers John Oliver (TV-Show "Last Week Tonight with John Oliver") als
Nashornvogel Zazu – Olivers betont steifer britischer Upperclass-Akzent macht
zwar inhaltlich überhaupt keinen Sinn (im Original hatte die Rolle mit Rowan
Atkinson ebenfalls eine Brite inne, da war der Akzent aber viel unauffälliger),
klingt aber toll und macht Zazus im Vergleich zum Zeichentrickfilm
ein wenig ausgeweiteten Auftritte äußerst amüsant. Auch Seth Rogen ("Long Shot") und Billy
Eichner ("Bad Neighbors 2") sorgen als Wildschwein Pumbaa und Erdmännchen Timon für Lacher,
während Florence Kasumba ("Black Panther") die Hyänen-Anführerin
Shenzi herrlich verschlagen klingen läßt. Generell haben die Hyänen im Vergleich
zum Original die größte Veränderung erfahren, denn während sie dort weitestgehend
Witzfiguren waren, sind sie im Remake eine ernstzunehmende Bedrohung.
Dadurch gehen zwar ein paar nette Gags des Zeichentrickfilms verloren, wie das
Remake generell ernster daherkommt und auch weniger mit Wortspielen
arbeitet, mir gefallen die "neuen" Hyänen aber eindeutig besser.
Bleiben noch die beiden Hauptrollen Simba und Nala: Donald
Glover und Beyoncé machen sich als Sprecher gut, jedoch zeigt sich im
Gesang ein großer Nachteil des marketingtechnischen PR-Coups, Pop-Superstar
Beyoncé als Nala zu besetzen: Sie singt zu gut und ihre Art zu Singen ist zu
charakteristisch. Im Grunde genommen ergibt sich so ein Problem, das wir in
Deutschland seit Jahrzehnten von den Synchronfassungen der
Disney-Animationsfilme kennen, in denen oft nur für die Gesangseinlagen
professionelle Sänger angeheuert werden, womit die Figuren beim Singen ganz
anders klingen als beim Sprechen und vor allem viel zu gut singen, um innerhalb
der Rolle authentisch zu wirken. Ersteres ist hier nicht der Fall, da
Beyoncé spricht und singt, aber wenn sie mit Donald Glover den 1995
OSCAR-gekrönten Elton John-Hit "Can You Feel the Love Tonight" zum
Besten gibt, hört man nicht die Löwin Nala, sondern den Popstar Beyoncé – und
das reißt einen einmal mehr aus dem Erzählfluß heraus. Beyoncés Dominanz
innerhalb des Songs ist besonders bei dieser Sequenz, die das Sich-Verlieben von
Simba und Nala illustriert, wenig hilfreich. Im Zeichentrickfilm funktioniert
das besser und zwar ironischerweise, trotzdem beide Löwen in der
Originalfassung auch andere Gesangsstimmen haben, die sich aber zurückhalten und die
Bilder dominieren lassen. Trotzdem: Insgesamt kann man sich über die
Sprecher-Auswahl des neuen "Der König der Löwen" nicht
beschweren. Aber selbst dieses exzellente Ensemble kann nicht verhindern, daß
sich die Story, wie erwähnt, im Mittelteil ziemlich zieht, ehe es zum eher
überhastet wirkenden Showdown kommt. Dabei sind einige Neuerungen für sich
genommen sehr gelungen – während beispielsweise im Original der
Mandrill-Schamane Rafiki (im Remake gesprochen von John Kani aus "Captain America 3") schlicht durch den Wind ein Stück Fell von Simba
zugeweht bekommt und so erfährt, daß der Thronerbe noch lebt, kleidet Jon
Favreau das im Remake in eine das Film-Leitmotiv vom "Kreis des
Lebens" betonende Kettenreaktions-Sequenz, in deren Zentrum ein Mistkäfer
steht. Das ist einer von mehreren schönen Einfällen, die aber in Summe einfach
zu sehr das Tempo und die Emotionen aus dem Mittelteil herausnehmen. Somit
sorgt letzten Endes die Kombination aus dieser unnötigen Laufzeitdehnung und der
nicht immer natürlich wirkenden Animation dafür, daß das Remake trotz
weitgehender Werktreue nicht an das Original heranreicht.
Fazit: Jon Favreaus "Der König der Löwen"
ist ein optisch spektakuläres, aber nicht fehlerfreies und etwas zu
glattgebügelt wirkendes Remake des Disney-Zeichentrickklassikers,
dessen hohe Qualität es trotz sehr guter Sprecher nicht erreicht.
Wertung: 7 Punkte ("Der König der Löwen"
von 1994: 8,5 Punkte).
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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