Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 16. August 2017

ANNABELLE (2014)

Regie: John R. Leonetti, Drehbuch: Gary Dauberman, Musik: Joseph Bishara
Darsteller: Annabelle Wallis, Ward Horton, Alfre Woodard, Tony Amendola, Brian Howe, Kerry O'Malley, Eric Ladin, Ivar Brogger, Gabriel Bateman, Joseph Bishara
Annabelle
(2014) on IMDb Rotten Tomatoes: 28% (4,5); weltweites Einspielergebnis: $257,6 Mio.
FSK: 16, Dauer: 99 Minuten.

USA, 1970: Mia (Annabelle Wallis, "Die Mumie") und John Gordon (Ward Horton) freuen sich riesig, als Mia schwanger wird. Zur Feier des Tages schenkt John seiner Ehefrau eine seltene Porzellanpuppe, die ihre sorgfältig gehegte Sammlung vervollständigt. Doch das Familienglück ist nicht von Dauer, denn eines Nachts ermorden Satanisten ihre Nachbarn und anschließend dringen sie auch bei den Gordons ein, wo sie Mia schwer verletzen, ehe sie von der Polizei zur Strecke gebracht werden können – wobei eine Satanistin die neue Puppe in der Hand hat, als sie stirbt. Das ungeborene Baby kann derweil gerettet werden, doch Mia ist fortan bettlägerig – und wird schon bald von seltsamen Geräuschen und anderen unerklärlichen Geschehnissen im Haus verstört. Und irgendwie scheint immer die Puppe in der Nähe zu sein …

Kritik:
Es gibt zahlreiche Unterarten des Horrorfilms: Zombiefilme, Gespensterfilme, Home Invasion-Thriller, Torture Porn, Horrorkomödien, Splatterfilme und noch einiges mehr. Zu den spezielleren Subgenres zählen die Puppenhorrorfilme – was primär daran liegen dürfte, daß selbst noch so phantasievolle Drehbuch-Autoren nicht übermäßig viele Variationen aus dem recht limitierten Puppensetting herausholen können. Am erfolgreichsten ist das der "Chucky"-Reihe gelungen, von der zwischen 1988 und 2017 immerhin sieben Teile veröffentlicht wurden (wobei es die letzten beiden nicht mehr ins Kino schafften), die von Anfang an für das Heimkino konzipierte "Puppetmaster"-Reihe bringt es seit 1989 sogar auf 12 Filme und ein Reboot; gelegentlich gibt es auch bemerkenswerte Einzelfilme wie Stuart Gordons "Dolls"  von 1987 oder James Wans stimmungsvollen "Dead Silence" (2007). Zum in kommerzieller Hinsicht deutlich erfolgreichsten Puppenhorrorfilm mauserte sich 2014 allerdings "Annabelle" – trotz überschaubarer Qualität. Der Grund für den gewaltigen Erfolg (das Budget von $6,5 Mio. wurde fast vervierzigfacht!) ist simpel: Es ist ein Spin-Off zu James Wans (auch von mir) hochgelobtem Gruselhit "Conjuring", in dessen Prolog die gruselige Puppe ihren ersten, durchaus Eindruck hinterlassenden kurzen Auftritt hatte (wobei "Annabelles" offensichtlichstes, aber unerreichbares Vorbild allerdings der Polanski-Klassiker "Rosemaries Baby" aus dem Jahr 1968 ist).

In qualitativer Hinsicht hätte es dabei wohl bleiben sollen, denn "Annabelle" erreicht weder in Bezug auf den Unterhaltsamkeitsgrad noch hinsichtlich des Gruselfaktors auch nur im Ansatz den Vorgänger – stattdessen werden genreerfahrene Zuschauer mit viel zu oft gesehenen und hier auch nicht sonderlich spannend präsentierten Klischees gelangweilt, das Finale wirkte auf mich teilweise sogar unfreiwillig komisch. Dabei fängt es eigentlich gar nicht so schlecht an. Der Auftakt mit dem unvermittelten, brutalen Einbruch der Satanisten in das Familienglück der Gordons ist temporeich und effektvoll inszeniert, der Beginn der übernatürlichen Vorkommnisse anschließend zumindest noch routiniert. Innovationen kann man da kaum erwarten, dafür gab es einfach schon zu viele Spukhaus- und Poltergeist-Filme, die diese Thematik von vorn bis hinten durchdekliniert haben. Was man jedoch sehr wohl erwarten durfte, sind eine stimmige Atmosphäre und handwerklich gut herausgearbeitete Grusel- und Schockmomente. Immerhin ist auch "Conjuring" alles andere als originell, hat sein "Best of" der beliebtesten Genretropen dafür aber technisch und atmosphärisch nahezu perfekt umgesetzt. "Annabelle" ist von solcher Könnerschaft weit entfernt, bei Regisseur Leonetti ("Butterfly Effect 2") – der bei "Conjuring" als Kameramann tatkräftig beteiligt war – muß man sich mit einigen ganz netten Gruselmomenten begnügen, die aber in der Regel vorhersehbar und so unoriginell sind, daß sie kaum jemanden überraschen können, der schon einige Horrorfilme gesehen hat. Wenigstens verzichtet Leonetti weitgehend auf billige Jumpscares, die ja gerne bei begrenzt talentierten Regisseuren und/oder Drehbuch-Autoren Anwendung finden, um inhaltliche wie auch handwerkliche Schwächen ein wenig zu kaschieren. Dafür passiert aber halt immer wieder minutenlang im Grunde genommen überhaupt nichts von Interesse ...

So plätschert die vorhersehbare Geschichte mäßig aufregend vor sich hin und schauspielerisch gibt es auch keine Glanzleistungen zu bestaunen, wenngleich Annabelle Wallis ihre Hauptrolle der Mia überzeugend emotional darbietet und die Nebenfiguren ziemlich gut besetzt sind. Vor allem die immer verläßliche Alfre Woodard ("12 Years a Slave") bringt als Mias hilfreiche neue Freundin Evelyn etwas Würze in die Story, während Ward Horton als Mias Ehemann John eher blaß bleibt und die Auftritte von Tony Amendola (TV-Serie "Stargate SG-1") als Pater Perez zu kurz ausfallen, um wirklich Eindruck hinterlassen zu können. Richtig ärgerlich wird das Ganze im "großen" Finale zwischen Mia und Annabelle: Da kann Regisseur Leonetti noch so sehr auf wilde Umschnitte und die treibende Musik des Genrespezialisten Joseph Bishara ("Insidious") setzen, um die angebliche Zuspitzung der Situation zu betonen wenn Annabelle Wallis sich in ihrer Panik gar schrecklich vor einer dämonischen Puppe fürchtet, die aber stets schlicht und ergreifend wie eine dämliche, unbewegte Puppe aussieht (wenn sie auch nach jedem Schnitt an einem anderen Ort im Zimmer ist), wirkt das nicht furchteinflößend, sondern eher lachhaft. Das empfindet sicher nicht jeder Zuschauer so, aber wenn man wie ich schon so viele bessere Filme mit vergleichbarer Thematik gesehen hat, dann ist "Annabelle" einfach überflüssig. Dank des finanziellen Erfolges verhindert das aber selbstredend keine Fortsetzung; der 2017 zu viel besseren Kritiken veröffentlichte "Annabelle 2" ist jedoch in Wirklichkeit ein Prequel und zeigt, wie die Horrorpuppe entstand.

Fazit: Das "Conjuring"-Spin-Off "Annabelle" ist ein weitgehend mittelmäßiger und uninspirierter Gruselfilm für Genreeinsteiger, der mit einer guten Hauptdarstellerin und ein paar netten Szenen punktet, aber im klischeeüberfrachteten, phasenweise unfreiwillig komischen letzten Akt doch ziemlich abschmiert.

Wertung: 4 Punkte.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen