Regie: John R. Leonetti, Drehbuch: Gary Dauberman, Musik:
Joseph Bishara
Darsteller:
Annabelle Wallis, Ward Horton, Alfre Woodard, Tony Amendola, Brian Howe, Kerry
O'Malley, Eric Ladin, Ivar Brogger, Gabriel Bateman, Joseph Bishara
FSK: 16, Dauer: 99 Minuten.
USA, 1970: Mia (Annabelle Wallis, "Die Mumie") und
John Gordon (Ward Horton) freuen sich riesig, als Mia schwanger wird. Zur Feier des Tages schenkt John seiner Ehefrau eine seltene Porzellanpuppe, die ihre sorgfältig gehegte Sammlung vervollständigt. Doch das Familienglück ist nicht
von Dauer, denn eines Nachts ermorden Satanisten ihre Nachbarn und anschließend dringen sie auch bei den Gordons ein, wo sie Mia schwer verletzen, ehe sie von
der Polizei zur Strecke gebracht werden können – wobei eine Satanistin die neue Puppe
in der Hand hat, als sie stirbt. Das ungeborene Baby kann derweil gerettet
werden, doch Mia ist fortan bettlägerig – und wird schon bald von seltsamen Geräuschen und anderen unerklärlichen Geschehnissen im Haus verstört. Und
irgendwie scheint immer die Puppe in der Nähe zu sein …
Kritik:
Es gibt zahlreiche Unterarten des Horrorfilms:
Zombiefilme, Gespensterfilme, Home Invasion-Thriller, Torture Porn,
Horrorkomödien, Splatterfilme und noch einiges mehr. Zu den spezielleren
Subgenres zählen die Puppenhorrorfilme – was primär daran liegen dürfte, daß
selbst noch so phantasievolle Drehbuch-Autoren nicht übermäßig viele Variationen aus dem recht limitierten Puppensetting herausholen können. Am erfolgreichsten ist
das der "Chucky"-Reihe gelungen, von der zwischen 1988 und 2017
immerhin sieben Teile veröffentlicht wurden (wobei es die letzten beiden nicht
mehr ins Kino schafften), die von Anfang an für das Heimkino konzipierte "Puppetmaster"-Reihe
bringt es seit 1989 sogar auf 12 Filme und ein Reboot; gelegentlich gibt es auch
bemerkenswerte Einzelfilme wie Stuart Gordons "Dolls" von 1987 oder
James Wans stimmungsvollen "Dead Silence" (2007). Zum in
kommerzieller Hinsicht deutlich erfolgreichsten Puppenhorrorfilm mauserte
sich 2014 allerdings "Annabelle" – trotz überschaubarer
Qualität. Der Grund für den gewaltigen Erfolg (das Budget von $6,5 Mio. wurde
fast vervierzigfacht!) ist simpel: Es ist ein Spin-Off zu James
Wans (auch von mir) hochgelobtem Gruselhit "Conjuring", in dessen
Prolog die gruselige Puppe ihren ersten, durchaus Eindruck hinterlassenden kurzen Auftritt hatte (wobei "Annabelles" offensichtlichstes, aber unerreichbares Vorbild allerdings der Polanski-Klassiker "Rosemaries Baby" aus dem Jahr 1968 ist).
In qualitativer Hinsicht hätte es dabei wohl bleiben sollen,
denn "Annabelle" erreicht weder in Bezug auf den
Unterhaltsamkeitsgrad noch hinsichtlich des Gruselfaktors auch nur im Ansatz
den Vorgänger – stattdessen werden genreerfahrene Zuschauer mit viel zu oft
gesehenen und hier auch nicht sonderlich spannend präsentierten Klischees
gelangweilt, das Finale wirkte auf mich teilweise sogar unfreiwillig komisch.
Dabei fängt es eigentlich gar nicht so schlecht an. Der Auftakt mit dem unvermittelten, brutalen Einbruch der Satanisten in das Familienglück der Gordons ist
temporeich und effektvoll inszeniert, der Beginn der übernatürlichen
Vorkommnisse anschließend zumindest noch routiniert. Innovationen kann man da
kaum erwarten, dafür gab es einfach schon zu viele Spukhaus- und
Poltergeist-Filme, die diese Thematik von vorn bis hinten durchdekliniert haben.
Was man jedoch sehr wohl erwarten durfte, sind eine
stimmige Atmosphäre und handwerklich gut herausgearbeitete Grusel- und
Schockmomente. Immerhin ist auch "Conjuring" alles andere als
originell, hat sein "Best of" der beliebtesten Genretropen dafür aber
technisch und atmosphärisch nahezu perfekt umgesetzt. "Annabelle" ist
von solcher Könnerschaft weit entfernt, bei Regisseur Leonetti ("Butterfly
Effect 2") – der bei "Conjuring" als Kameramann tatkräftig
beteiligt war – muß man sich mit einigen ganz netten Gruselmomenten begnügen,
die aber in der Regel vorhersehbar und so unoriginell sind, daß sie kaum
jemanden überraschen können, der schon einige Horrorfilme gesehen hat. Wenigstens verzichtet Leonetti weitgehend auf billige Jumpscares, die ja gerne bei begrenzt talentierten Regisseuren und/oder Drehbuch-Autoren Anwendung finden, um inhaltliche wie auch handwerkliche Schwächen ein wenig zu
kaschieren. Dafür passiert aber halt immer wieder minutenlang im Grunde genommen überhaupt nichts von Interesse ...
So plätschert die vorhersehbare Geschichte mäßig
aufregend vor sich hin und schauspielerisch gibt es auch keine Glanzleistungen zu
bestaunen, wenngleich Annabelle Wallis ihre Hauptrolle der Mia überzeugend
emotional darbietet und die Nebenfiguren ziemlich gut besetzt sind. Vor allem
die immer verläßliche Alfre Woodard ("12 Years a Slave") bringt als
Mias hilfreiche neue Freundin Evelyn etwas Würze in die Story, während Ward
Horton als Mias Ehemann John eher blaß bleibt und die Auftritte von Tony
Amendola (TV-Serie "Stargate SG-1") als Pater Perez zu kurz
ausfallen, um wirklich Eindruck hinterlassen zu können. Richtig ärgerlich wird
das Ganze im "großen" Finale zwischen Mia und Annabelle: Da kann
Regisseur Leonetti noch so sehr auf wilde Umschnitte und die treibende Musik
des Genrespezialisten Joseph Bishara ("Insidious") setzen, um die angebliche Zuspitzung
der Situation zu betonen – wenn Annabelle Wallis sich in ihrer Panik gar
schrecklich vor einer dämonischen Puppe fürchtet, die aber stets schlicht und
ergreifend wie eine dämliche, unbewegte Puppe aussieht (wenn sie auch nach
jedem Schnitt an einem anderen Ort im Zimmer ist), wirkt das nicht
furchteinflößend, sondern eher lachhaft. Das empfindet sicher nicht jeder
Zuschauer so, aber wenn man wie ich schon so viele bessere Filme mit
vergleichbarer Thematik gesehen hat, dann ist "Annabelle" einfach
überflüssig. Dank des finanziellen Erfolges verhindert das aber selbstredend keine Fortsetzung; der 2017 zu viel besseren Kritiken veröffentlichte "Annabelle 2" ist jedoch in Wirklichkeit ein Prequel und zeigt, wie die Horrorpuppe entstand.
Fazit: Das "Conjuring"-Spin-Off
"Annabelle" ist ein weitgehend mittelmäßiger und uninspirierter
Gruselfilm für Genreeinsteiger, der mit einer guten Hauptdarstellerin und
ein paar netten Szenen punktet, aber im klischeeüberfrachteten, phasenweise
unfreiwillig komischen letzten Akt doch ziemlich abschmiert.
Wertung: 4 Punkte.
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