Regie und Drehbuch: Woody Allen
Darsteller: Kate Winslet, Justin Timberlake, Juno Temple,
Jim Belushi, Jack Gore, Tony Sirico, Steve Schirripia, David Krumholtz, Max
Casella, Geneva Carr, Debi Mazar
FSK: 12, Dauer: 102 Minuten.
New York, Ende der 1950er Jahre: Der angehende Dramatiker
Mickey (Justin Timberlake, "The Social Network") verdient sich im
Sommer als Rettungsschwimmer am Strand der Halbinsel Coney Island etwas Geld
dazu, die für ihren großen Vergnügungspark bekannt ist. Dort arbeitet die
Enddreißigerin Ginny (Kate Winslet, "Steve Jobs") als Kellnerin –
nicht das, was sich die einstige hoffnungsvolle Bühnenschauspielerin
erträumt hatte, doch nach einem folgenreichen Fehltritt ging ihr Leben komplett
den Bach runter. Gerettet hat sie und ihren Sohn Richie (Jack Gore,
TV-Serie "Billions") der stark dem Alkohol zugeneigte Karussell-Betreiber
Humpty (Jim Belushi, "Mein Partner mit der kalten Schnauze"), den sie
daraufhin aus Dankbarkeit geheiratet hat. Inzwischen schlägt die Dankbarkeit allerdings
zunehmend in Frustration über ihr eintöniges Leben um, zumal auch der gerne
zündelnde Richie immer wieder für Ärger sorgt. Doch dann treffen sich Ginny und
der jüngere Mickey, beide sind sofort voneinander fasziniert und gehen
eine Affäre ein. Derweil taucht unverhofft Humptys erwachsene Tochter aus erster
Ehe, Carolina (Juno Temple, "Killer Joe"), auf, mit der Humpty seit
fünf Jahren nicht mehr gesprochen hat, da sie mit 20 den Gangster Frank
heiratete. Nun ist Carolina auf der Flucht vor Frank …
Kritik:
Die meisten der fast 50 Filme von Woody Allen spielen in der
Gegenwart, doch alle paar Jahre wählt der Filmemacher eine andere Ära, in
der seine Geschichten stattfinden. Die Spannbreite reicht dabei vom frühen 19.
Jahrhundert ("Die letzte Nacht des Boris Gruschenko", 1975) über das angehende 20. Jahrhundert ("Eine Sommernachts-Sexkomödie", 1982), die 1920er
("Zelig", 1983; "Schatten und Nebel", 1991; "Bullets
Over Broadway", 1994; "Magic in the Moonlight", 2014; Teile von
"Midnight in Paris", 2011), die 1930er ("The Purple Rose of
Cairo", 1985; "Radio Days", 1987; "Sweet and Lowdown",
1999; "Café Society", 2016) und die 1940er Jahre ("Im Bann des
Jade Skorpions", 2001) bis hin zur Zukunft ("Der Schläfer",
1973). Was bisher fehlte, waren die 1950er Jahre und damit die jüngste Dekade,
in der Woody Allen noch nicht selbst Filme drehte. Diese Lücke füllt er mit
dem Liebesdrama "Wonder Wheel", kann damit aber nur bedingt
überzeugen, da die Geschichte zwar vielversprechend beginnt und eine
erneut großartig aufspielende Kate Winslet in der Hauptrolle zu aufbietet, ihm aber
nach dem ersten Drittel doch merklich die Ideen ausgehen.
Zu Beginn kann davon noch nicht die Rede sein, so gefällt
beispielsweise bereits der Einfall, den einigermaßen großspurigen Möchtegern-Schriftsteller Mickey als
Erzähler einzuführen, der gleich unmißverständlich klarstellt, daß er in bewußt übertreiben und überlebensgroße Figuren präsentieren
werde. Das ist kein leeres Versprechen, speziell bei den Charakteren läßt
Woody Allen hier einmal so richtig die Sau raus, was zahlreiche hochemotional
vorgetragene Dialoge ermöglicht. In erster Linie sind es Jim Belushi und Kate
Winslet, die als eher dysfunktionales Ehepaar Rannell die Gelegenheit
leidenschaftlich nutzen, aus sich herauszugehen, wobei die
Weltklasse-Schauspielerin Winslet es gar schafft, ihre Figur trotzdem glaubwürdig
anzulegen, während bei Belushi das Overacting deutlich hervorsticht. Das ändert
aber nichts daran, daß "Wonder Wheel" 30 bis 40 Minuten lang wirklich
Spaß macht, was auch netten Ideen wie dem Gastauftritt der beiden Ex-"Die
Sopranos"-Mafiosi-Darsteller Tony Sirico und Steve Schirripa als – was
sonst – Mafiosi auf der Suche nach Carolina zu verdanken ist. Doch wie es eben
so ist: Wenn man die Emotionen permanent bis zum Anschlag hochdreht, büßt
das fast zwangsläufig irgendwann seine Wirkung ein. So auch bei "Wonder
Wheel": Früher oder später geht einem das ständige Gestreite,
Gekeife und Geschrei zunehmend auf die Nerven, bis man schließlich nur noch
davon gelangweilt ist.
Im ersten Akt kann Woody Allen das mit cleveren,
schlagfertigen Dialogen und der poetisch-verspielt geschilderten aufflammenden
Affäre zwischen Ginny und Mickey verschleiern, die trotz einer auffällig
limitierten Anzahl von Schauplätzen mit einigen schönen Szenen aufwartet. Auch
die volle Konzentration auf die vier Hauptfiguren – oder vielleicht eher drei,
denn abseits seiner Funktion als Erzähler bleibt Mickey doch relativ blaß – hat
ihre Vorzüge, da wir sie auf diese Weise trotz der überschaubaren Laufzeit von eineinhalb Stunden ziemlich gut kennenlernen. Zugegeben, arg sympathisch
ist keiner aus diesem Quartett, am ehesten noch die von Juno Temple
freundlich-naiv verkörperte Carolina, aber man kann sich gut in diese
problemgeplagten Personen hineinversetzen. Dummerweise gehen Allen ab dem
zweiten Akt aber zunehmend die Ideen aus, wie er den Weg zum Ziel interessant
gestalten soll, was sich darin auswirkt, daß sich die Story gerade im
Mittelteil arg im Kreis dreht und zunehmend repetitiv wird. Im letzten Drittel
wird das wieder etwas besser, was weniger dem weiterhin wenig fesselnden
Drehbuch geschuldet ist als dem nun eindeutigen Fokus auf die Figur Ginny. Denn
der ermöglicht Kate Winslet in der Rolle der desillusionierten,
selbstmitleidigen und nach noch einem Rückschlag verbitterten Frau
eine weitere schauspielerische Glanzleistung, welche in eine überzeugende
Schlußpointe mündet, die für einen Allen-Filme ungewöhnlich und
überraschend ist. Während "Wonder Wheel" also inhaltlich nur
phasenweise gefällt, ist Allen und seinem Team dafür die Umsetzung der 1950er
Jahre trotz der erwähnten Beschränkung auf eine Handvoll Schauplätze gut
gelungen. Kostüme und Ausstattung wirken sehr authentisch und erzeugen im
Verbund mit der im Kontrast zur Storyentwicklung beinahe spöttisch idyllischen Kameraarbeit voller satter Farben des
dreimaligen OSCAR-Gewinners Vittorio Storaro ("Dick Tracy") eine
glaubwürdige 1950er Jahre-Atmosphäre – dazu ist es Allen wieder einmal
gelungen, zahlreiche hörenswerte zeitgenössische Songs aufzutreiben (z.B. von
The Mills Brothers, Tony Bennett, Paul Eakins), die das kammerspielartige
Geschehen mit einem Hauch von Ironie untermalen. Diese Stärken machen die inhaltlichen Schwächen nicht wett, sorgen aber dafür, daß es durchaus Argumente dafür gibt, sich auch dieses arg mediokre Allen-Werk anzusehen.
Fazit: Das 1950er Jahre-Drama "Wonder
Wheel" ist ein sehr mittelmäßiger Woody Allen-Film, der gut beginnt, ehe
ihm allzu schnell die Luft ausgeht – was primär die wieder einmal stark aufspielende
Hauptdarstellerin Kate Winslet einigermaßen verschleiern kann.
Wertung: Knapp 6 Punkte.
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