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Mittwoch, 8. Januar 2020

OSCAR-News: "The Irishman", "1917" und "Parasite" punkten bei den Gildennominierungen

Nachdem in der laufenden Awards Season die meisten Kritiker das Sagen hatten (zumindest mit ihren Nominierungen, wenn auch in einigen Fällen noch nicht die Sieger verkündet wurden), sind im Januar stets die zahlreichen Gilden der Filmschaffenden selbst an der Reihe - deren Nominierungsrunden sind ein besonders guter Wegweiser für die OSCARs, weil es natürlich größere Überschneidungen zwischen den Gilden- und den Academy-Mitgliedern gibt. In den letzten Tagen wurden nun die Nominierungen von drei der vier wichtigsten Gilden - Regisseure, Produzenten, Autoren - bekanntgegeben (die Schauspieler waren schon im Dezember dran). Echte Überraschungen bleiben weitgehend aus, dafür schälen sich vier große Favoriten auf den "Bester Film"-OSCAR heraus.

Doch der Reihe nach - beginnen wir mit den Nominierungen für die von der Produzentengilde verliehenen PGA Awards für den am besten produzierten Realfilm (entspricht der "Bester Film"-Königskategorie bei den Academy Awards):

- 1917
- Le Mans 66
- The Irishman
- Jojo Rabbit
- Knives Out
- Little Women

Auf den ersten Blick mag die Einbeziehung des südkoreanischen "Parasite" überraschen, aber es hatte sich zuletzt immer stärker abgezeichnet, daß die Filmschaffenden so richtig auf Bong Joon-hos böse Gesellschaftssatire stehen (wobei ich persönlich das nicht ganz nachvollziehen kann). Es scheint klar, daß er zu den wenigen nicht-englischsprachigen Filmen zählen wird, die außerhalb der Auslandskategorie zahlreiche Nominierungen und dann eventuell sogar einige Siege einfahren werden (bekannte Beispiele dafür sind "Das Boot", "Das Leben ist schön", "Liebe" oder "City of God"). Die übrigen neun Nominees konnte man so erwarten, wobei für mich hinsichtlich der OSCARs (wo lediglich bis zu zehn Filme nominiert werden, in der Regel sind es sieben oder acht) vor allem "Le Mans 66" ein Wackelkandidat bleibt, auch "Joker" und "Knives Out" dürfen sich ihrer Sache nicht gar zu sicher sein. Für ursprünglich hoffnungsvolle Anwärter wie "Bombshell", "Der Fall Richard Jewell", "Uncut Gems" oder "Die zwei Päpste" wäre eine Nominierung hier von entscheidender Wichtigkeit gewesen - da sie ausblieb, sieht es für sie sehr schlecht aus. Am ehesten könnte ich mir noch vorstellen, daß "The Farewell" für eine Überraschung sorgt.

Weiter geht es mit der Regisseursgilde und den Regie-Nominierungen für die DGA Awards: 

- Bong Joon-ho, "Parasite"
- Sam Mendes, "1917"
- Martin Scorsese, "The Irishman"
- Quentin Tarantino, "Once Upon a Time in ... Hollywood"
- Taika Waititi, "Jojo Rabbit"

Hier gibt es tatsächlich eine größere Überraschung und nein, das ist nicht Bong. Mit dessen Nennung konnte man rechnen, doch daß Taika Waititi nominiert werden würde, kommt relativ unerwartet. Natürlich ist es keine Sensation, da "Jojo Rabbit" den gemischten Kritiken zum Trotz bereits eine exzellente Awards Season hinter sich hat. Trotzdem: Daß er sich gegen den höher eingeschätzten "Marriage Story"-Regisseur Noah Baumbach und gegen "Little Women"-Regisseurin Greta Gerwig durchsetzte, ist bemerkenswert. Die OSCAR-Kategorie dürfte damit relativ offen bleiben. Klar, Tarantino, Scorsese und Mendes sind im Normalfall gesetzt und sehr wahrscheinlich auch Bong; aber der fünfte Platz ist und bleibt hart umkämpft zwischen Waititi, Baumbach, Gerwig und vielleicht noch Todd Phillips ("Joker") und Rian Johnson ("Knives Out").

Und damit zu den Drehbuch-Autoren und ihren Nominierungen für die WGA Awards - die jedoch etwas weniger aussagekräftig sind, da nur Gildenmitglieder zur Auswahl standen und damit die meisten ausländischen Autoren sowie einige US-amerikanische wie Quentin Tarantino außen vor sind:

Original-Drehbuch:
- Sam Mendes und Krysty Wilson Cairns, "1917"
- Emily Halpern, Sarah Haskins, Susanna Fogel und Katie Silberman, "Booksmart"
- Rian Johnson, "Knives Out"
- Noah Baumbach, "Marriage Story"
- Bong Joon-jo, "Parasite"

Ein wenig überraschend sind die Nominierungen für "1917" und "Booksmart", aber das hängt eben auch mit den Fehlenden zusammen: bei den OSCARs wird Tarantino garantiert nominiert, neben ihm sollten "Marriage Story", "Parasite" und vermutlich "Knives Out" ihren Platz sicher haben. Bleibt eine Stelle frei, die sich zwischen "1917", "Booksmart", "The Farewell", "Uncut Gems" und "Leid und Herrlichkeit" entscheiden dürfte (ich tippe auf "The Farewell" vor "Leid und Herrlichkeit").

Adaptiertes Drehbuch:
- Micah Fitzerman-Blue und Noah Harpster, "Der wunderbare Mr. Rogers"
- Steven Zaillian, "The Irishman"
- Taika Waititi, "Jojo Rabbit"
- Todd Phillips und Scott Silver, "Joker"
- Greta Gerwig, "Little Women"

Keine großen Überraschungen: "The Irishman", "Jojo Rabbit", "Little Women" und wohl auch "Joker" sind die heißesten Anwärter auf eine OSCAR-Nominierung, für "Der wunderbare Mr. Rogers" ist diese Nennung sehr wichtig im Kampf um den fünften Platz gegen den stärker eingeschätzten "Die zwei Päpste" sowie womöglich noch "Hustlers" und "Just Mercy".

Aus diesen drei wichtigen Gildenpreis-Nominierungen ergibt sich ein ziemlich klares Bild, denn nur drei Filme wurden bei allen (sowie beim Ensemble-Preis der Schauspieler) berücksichtigt: "The Irishman", "Parasite" und "Jojo Rabbit". Dieses Trio zuzüglich "Once Upon a Time in ... Hollywood" (das bei den WGA Awards nicht zur Auswahl stand) hat offensichtlich den größten Rückhalt bei den Filmschaffenden und muß deshalb zu Topfavoriten für die OSCAR-Verleihung ernannt werden. "1917" fehlt zwar die Unterstützung der Schauspieler, allerdings fand deren Nominierungsrunde als erstes statt und "1917" wurde als einer der letzten OSCAR-Kandidaten fertig, zudem ist es ein Film ohne große Stars. Wie der Triumph bei den Golden Globes zeigt, ist Sam Mendes' Kriegsdrama also trotz dieser einen Auslassung ganz weit vorne im Rennen. Für "Joker", "Marriage Story", "Knives Out" und "Little Women" sieht es etwas schlechter aus (jeweils Produzenten u. Autoren), dennoch sind ihnen viele OSCAR-Nominierungen zuzutrauen. Vergleichsweise schwach schnitten bei den Gilden dagegen "Le Mans 66" (nur Produzenten) und "Bombshell" (nur Schauspieler) ab, komplett leer gingen "Uncut Gems", "Rocketman" und "Der Fall Richard Jewell" aus - entsprechend mau sieht es für sie aus, wobei vermutlich alle ein paar Nominierungen abstauben werden. Das erfreuliche Fazit ist, daß nach den teilweise sehr unerwarteten Golden Globe-Gewinnern und den Gildennominierungen das OSCAR-Rennen weit offen bleibt mit mindestens fünf ernsthaften Kandidaten auf den "Bester Film"-Gewinn.

Am kommenden Montag stehen dann auch schon die OSCAR-Nominierungen ins Haus, über die ich selbstredend ausführlich berichten werde.

Quellen:

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