Originaltitel: Gisaengchung
Regie: Bong Joon-ho, Drehbuch: Jin Won-han und Bong Joon-ho, Musik: Jeong Jae-il
Darsteller: Song Kang-ho, Park So-dam, Choi Woo-shik, Jang
Hye-jin, Jo Yeo-jeong, Lee Sun-kyun, Jeong Ji-so, Lee Jung-eun, Park Myung-hoon
FSK: 16, Dauer: 132 Minuten.
Die südkoreanische Familie Kim lebt in einer
ärmlichen Kellerwohnung und hält sich seit der Kündigung des Vaters
Ki-taek (Song Kang-ho, "Durst – Thirst") mit Gelegenheitsjobs halbwegs über Wasser. Als der Sohn
Ki-woo (Choi Woo-shik, "Train to Busan") durch einen ehemaligen Schulkameraden die Gelegenheit erhält,
vorübergehend als Nachhilfelehrer für Da-hye (Jeong Ji-so, "Daeho"), jugendliche Tochter des
wohlhabenden Ehepaars Park, zu arbeiten, nutzt er das mit großer Raffinesse und
Skrupellosigkeit als einen Startpunkt für den Aufstieg seiner ganzen Familie. Denn da
der kleine Park Da-song (Jung Hyun-joon) gerne Bilder malt, überredet Ki-woo die
Parks, die ihm bekannte angesehene Kunsttheurapeutin Jessica anzuheuern, um
Da-songs Talent zu fördern – nur daß diese "angesehene Kunsttherapeutin"
Da-songs ältere Schwester Ki-jung (Park So-dam, "Sado") ist, die
Erfahrung im Fälschen von Dokumenten hat. Es dauert nicht lange, bis sie auch
Da-songs und Ki-jungs Vater Ki-taek eine Anstellung als Chauffeur bei den Parks
beschaffen, und zu guter Letzt wird Mutter Kim Chung-sook (Jang Hye-chin) neue Haushälterin der Parks – die keine Ahnung haben, daß die vier miteinander
verwandt sind. Die Kims genießen den bescheidenen Wohlstand, zu dem sie durch
die erschwindelten, aber sehr ansprechend vergüteten Jobs kommen, und als die Parks
sich zu einem Wochenendausflug aufmachen, feiern die Kims in deren noblem Haus eine fröhliche Party – doch dann kommt unerwarteter Besuch und wenig später
kündigen die Parks ihre verfrühte Rückkehr an, womit es für die Kims immer
schwieriger wird, die Scharade aufrechtzuerhalten …
Kritik:
Normalerweise ist mein Filmgeschmack nicht allzu weit vom
Kritikerkonsens entfernt. Natürlich gibt es immer Ausnahmen und generell
bewerte ich etwas großzügiger als die professionellen Kritiker; doch
selbst bei hochgelobten Filmen, die ich nicht sehr mag, kann ich fast immer
nachvollziehen, was andere in ihnen erkennen. Bei "Parasite" ist das
anders. Der subversive Genremix des südkoreanischen Filmemachers Bong Joon-ho
hat seit seiner umjubelten, mit der Goldenen Palme gekrönten Premiere bei den
Filmfestspielen von Cannes die Welt erobert – und das schlägt sich nicht nur in nahezu ausnahmslos überragenden Kritiken nieder, sondern auch in einem ungewöhnlichen
Publikumsinteresse. Selbst in einem Markt wie Deutschland, wo nur selten
asiatische Filme auch nur einen regulären Kinostart erhalten, erreichte
"Parasite" die Top 10, ebenso in Rußland, Australien und Brasilien,
in Frankreich sogar Platz 3 und in den USA (wo er im Originalton mit
Untertiteln lief) immerhin Rang 11. Etwas Vergleichbares dürfte seit
"Tiger & Dragon" im Jahr 2000 kein asiatischer Film mehr
geschafft haben. Der krönende Höhepunkt des "Parasite"-Siegeszugs sind vier OSCARs inklusive dem in der Königskategorie "Bester Film" – als erster nicht englisch-sprachiger Gewinner überhaupt! Und ich? Ich verstehe einfach nicht, was alle an
"Parasite" finden! Natürlich, es ist bei weitem kein schlechter Film
und Aspekte wie die Leistungen der Schauspieler, die wendungsreiche Story
und die clevere (wenn auch recht koreaspezifisch anmutende) Gesellschaftskritik
verdienen großes Lob – aber zu einem Meisterwerk fehlt meiner Ansicht nach
trotzdem viel.
Man könnte meinen, ein Grund für mein Unverständnis wäre,
daß ich nicht an die Eigenheiten asiatischer Filme gewöhnt sei – doch eher
ist das Gegenteil der Fall. Ich bin seit vielen Jahren ein Anhänger des
asiatischen Kinos und habe mit Sicherheit mehr japanische, chinesische und
südkoreanische (allen voran die von Park Chan-wook) Filme gesehen als die meisten Europäer. Könnte umgekehrt
vielleicht gerade das der Grund sein, warum mich "Parasite" vergleichsweise kalt läßt? Aber dann wäre der Film wohl kaum auch in Asien ein riesiger Hit. Meine aktuell bevorzugte Erklärung ist, daß ich ein generelles
Problem mit dem Stil von Bong Joon-ho habe. Denn bereits bei seinen Frühwerken
"Memories of Murder", "The Host" und "Mother"
konnte ich in die allgemeine Begeisterung nur bedingt einstimmen, obgleich
die Bewertungsunterschiede da nicht ganz so groß waren – und Bongs
"Snowpiercer" wiederum mochte ich sehr, aber das kann daran liegen,
daß der auf einer französischen Comic-Vorlage basierte. Wie auch immer,
jedenfalls ist "Parasite" definitiv kein Film, der bei mir je in
irgendeiner Bestenliste auftauchen wird (es sei denn, ich ändere meine Meinung bei einer Zweitsichtung komplett). Dabei, das will ich gar nicht
verhehlen und habe es ja bereits erwähnt, gibt es durchaus Positives über Bongs
Film zu sagen. So wirkt gerade die Darstellung der extremen Klassenunterschiede in Südkorea sehr authentisch und ist dabei nicht mal zu plakativ geraten,
vielmehr sprechen die Kontraste zwischen Arm und Reich wie auch einzelne
Elemente, auf die immer wieder beiläufig Bezug genommen wird (wie der Geruch
der Familie Kim), für sich. Niemand kann es den Kims wohl ernstlich übelnehmen, daß
sie fast alles zu tun bereit sind, um aus dem Loch, in dem sie zu leben
gezwungen sind, herauszukommen – sogar, sich wie Parasiten zu verhalten (wobei der Film ebenso gute Gründe liefert, die Parks und das, wofür sie stehen, als die wahren Parasiten zu betrachten).
Weil das Quartett zudem einen recht sympathischen Eindruck
macht, ist man auch bereit, als Zuschauer darüber hinwegzusehen, wie sie immer
stärker die Regeln und Gesetze beugen – die Gesellschaft hat den Kims
schließlich ganz eindeutig übel mitgespielt, warum sollten sie sich
dann nicht auch ein paar Freiheiten herausnehmen, um voranzukommen? Und es schadet ja
auch niemandem, wenn man ein bißchen lügt oder die eigenen Fähigkeiten
übertreibt und eine falsche Identität vorgibt, nicht wahr? Nur, daß es
irgendwann doch Jemandem schadet. All die Grenzübertretungen akzeptiert das Publikum bereitwillig, solange man argumentieren kann, daß sie
großen Nutzen bringen und allen anderen Beteiligten höchstens minimalen
Schaden. Schließlich sind die Parks reich genug, um die Kims auch ohne die (oder zumindest mit nur einem Bruchteil der)
erwarteten Gegenleistungen
auszuhalten. Bong sorgt raffiniert dafür, daß diese Grenzübertretungen ganz
langsam immer größer werden, so daß es kaum auffällt. Erst, als die
Betrügereien der Kims eindeutig negative Folgen für andere Personen haben,
merkt man richtig, wie man sich von Bong und den Kims hat einwickeln lassen.
Denn es sind nicht allein die reichen Parks, welche die Konsequenzen spüren, sondern noch viel mehr Menschen in vergleichbarer Lage wie der von den
Kims skrupellos aus seinem Job gedrängte ursprüngliche Chauffeur von Herrn Park.
Das macht es schon deutlich schwieriger, die Taten der Kims zu rechtfertigen,
denn warum sollten sie durch Schwindeleien ein Recht auf etwas haben, das sich
andere ehrlich hart erarbeitet haben? Immerhin: Speziell den beiden
Kim-Kindern geht dieser Gedanke ebenfalls durch den Kopf, was wiederum dafür
sorgt, daß man sich weiterhin mehr oder weniger mit ihnen identifizieren kann.
Es ist ein Bild voll von Grautönen, das Bong Joon-ho zeichnet, und das macht er
richtig gut.
Das gilt auch für die Darstellung der Familie Park, denn zu
den Bösewichten der Geschichte taugen diese kaum. Mutter Yeon-kyo (Jo
Yeo-jeong) ist auf unschuldige Weise naiv und ein bißchen lebensfremd, dabei aber
immer gut gelaunt, freundlich und großzügig, auch ihr Mann – Vorstandschef
eines IT-Unternehmens – ist umgänglich und zuvorkommend. Zugegeben, beide sind ein wenig überheblich gegenüber ihren Bediensteten, auch etwas
protzig, und in einigen Schlüsselszenen mag man ihnen ein heuchlerisches Verhalten
unterstellen (z.B. bei der von den Kims ertricksten Kündigung des ursprünglichen
Chauffeurs ihres Mann); aber unterm Strich sind die Parks eine normale, wenn auch stinkreiche Familie mit zwei wirklich liebenswerten
Kindern. Und deshalb fühlt man auch mit ihnen mit, weil sie von den Kims so
nach Strich und Faden betrogen und ausgenutzt werden. Diese von Kameramann Hong Kyung-pyo ("Burning") stark
bebilderte gesellschaftskritische Milieustudie ist neben den exzellenten Schauspielern mit Sicherheit der stärkste Aspekt von
"Parasite". Bedauerlicherweise kann die Handlung da nicht mithalten.
Zwar wird sie allseits gelobt für ihre Unvorhersehbarkeit und teils
drastische Wendungen, die wiederholt einen deutlichen Genrewechsel des Films
mit sich bringen – und ja, das stimmt schon alles. Ein Problem habe ich
jedoch mit dem, was dazwischen passiert. Das ist nämlich nicht sehr viel. Zieht
man die überraschenden Wendungen ab, dann bleibt in der mehr als
zweistündigen Laufzeit eigentlich nicht viel mehr übrig als die besagte
Milieustudie – und so überzeugend die Bong auch gelungen ist, auf Dauer wurde
sie zumindest mir doch ziemlich langweilig. Klar, die Wendungen bringen immer
wieder kurzzeitig Schwung herein und in der Verbindung mit schwarzem Humor bis
hin zum Zynismus, der stets durchscheint, gibt es einige unterhaltsame
Passagen. Gleichzeitig büßt "Parasite" mit diesen Wendungen aber an
Glaubwürdigkeit ein und im Kern bleibt das Erzähltempo ziemlich gemächlich.
Letztlich ist "Parasite" ein durchaus faszinierender, handwerklich gut gemachter Film, der
zweifellos zum Nachdenken und Diskutieren anregt – aber meines Erachtens mehr
Schein als Sein ist.
Fazit: "Parasite" ist ein satirisches
Gesellschaftsdrama mit Thriller-Anklängen, das mit einer ausgeklügelten
Figurenzeichnung und einer authentischen Milieustudie überzeugt, jedoch arg
langsam erzählt ist und mich mit seiner wendungsreichen Handlung nicht wirklich
überzeugen konnte.
Wertung: 6,5 Punkte.
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