Originaltitel: Au poste! Englischsprachiger Titel: Keep an
Eye Out
Regie und Drehbuch: Quentin Dupieux, Musik: David Sztanke
Darsteller: Benoȋt Poelvoorde, Grégoire Ludig, Marc Fraize,
Anaїs Demoustier, Jacky Lambert, Philippe Duquesne, Orelsan, Vincent Grass,
Jeanne Rosa, Johnny Malle, Michel Hazanavicius, Laurent Nicolas, Alain Chabat
(Stimme)
FSK: 12, Dauer: 71 Minuten.
Louis Fugain (Grégoire Ludig, "Ab in den
Dschungel") hat vor dem Haus eine Leiche gefunden und brav die Polizei
darüber informiert. Da er jedoch nicht bis zu deren Eintreffen wartete, sein
Bügeleisen bei der Leiche zurückließ und außerdem eine Nachbarin berichtet, er
habe in dieser Nacht bemerkenswerte sieben Mal das Haus verlassen und wieder betreten,
gerät Louis in den Verdacht, selbst der Mörder zu sein. In der Polizeiwache
richtet sich Hauptkommissar Buron (Benoȋt Poelvoorde, "Das brandneue Testament") auf eine lange Verhörnacht ein, während Louis einfach nur
genervt und müde und hungrig ist und endlich nach Hause will. Als Buron kurz
aus privaten Gründen weg muß, überläßt er Louis seinem ein wenig einfältigen einäugigen Kollegen Philippe (Marc Fraize, "Der geheime Roman des
Monsieur Pick"), welcher Louis' gelangweilte Konversationsversuche für den
Auftakt zu einem raffinierten Fluchtplan hält. Als es daher kurz vor
Burons Rückkehr zu einem höchst unglücklichen Unfall kommt, ist es mit der
Langeweile für Louis vorbei …
Kritik:
Seit der französische Tausendsassa Quentin Dupieux (hatte
als elektronischer Musiker unter dem Pseudonym Mr. Oizo mit "Flat Beat" einen
Welthit, arbeitet im Filmbereich nicht nur als Regisseur und Autor, sondern
auch als Kameramann, Cutter und natürlich Komponist) im Jahr 2010 mit
"Rubber" sein englischsprachiges Filmdebüt gab, ist er nicht
wirklich über die Nische herausgekommen, hat sich jedoch weltweit eine wachsende
Fangemeinde aufgebaut, die seine unfaßbar absurden, nicht selten an die Werke
von Monty Python und Luis Buñuel erinnernden Filme beinahe kultisch verehrt. Zu
einem regulären deutschen Kinostart hatte es bislang kein
Dupieux-Film gebracht, was wenig verwundert: "Rubber",
"Wrong", "Wrong Cops" und "Reality" sind mit
ihren skurrilen, surrealistischen und durchgehend aberwitzigen Geschichten abseits
jeglicher traditioneller Handlungs- und Figurenkonventionen schließlich so weit
vom Mainstream entfernt, wie es nur möglich ist. Wer durch Zufall und ohne nähere
Informationen in eines dieser Werke gerät, der wird mit hoher
Wahrscheinlichkeit sehr wenig damit anfangen können – nicht ohne Grund soll der
seine bizarre Prämisse beneidenswert konsequent ausspielende "Rubber"
(über einen Killer-Autoreifen mit Bewußtsein) in gewissen Kreisen den
zweifelhaften und höchst unverdienten Ruf als "schlechtester Film aller
Zeiten" genießen.
Trotzdem ist es bedauerlich, daß ausgerechnet "Die
Wache" mit Little Dream Entertainment als erster Dupieux-Film einen
deutschen Verleih gefunden hat, der ihm einen – wenn auch sehr limitierten und etwas verspäteten –
regulären Kinoeinsatz spendiert hat. Denn nachdem sich Dupieuxs Filme
qualitativ bislang fast durchgängig steigerten (mit "Reality"
als dem absoluten Höhepunkt), gehört der immerhin einen Hauch zugänglichere
"Die Wache" eindeutig zu seinen schwächeren Werken. Zwar scheinen in
dem nur 70-minütigen Film – der sich mit der Zeit aber deutlich länger
anfühlt – immer wieder die Stärken und bekannten Stilmittel des innovativen
Franzosen durch, es fehlt aber sowohl am Tempo als auch an wirklich neuen und
gelungenen Einfällen. Natürlich, der in keiner Weise mit dem restlichen Film
zusammenhängende Prolog, in dem ein Dirigent am Waldrand in Unterwäsche ein
stoisches Jugendorchester anleitet, bis ihn die Polizei abholt, ist amüsant –
erinnert aber stark an sein ähnliches Vorgehen in "Reality" (der TV-Koch
im Ganzkörper-Rattenkostüm), ohne an dessen Aberwitz heranzureichen.
In der eigentlichen Handlung gibt es ebenfalls starke
Momente, allen voran die Entwicklung, wie der müde und genervte Louis durch den
erwähnten – in der Tat sehr komisch und slapstickhaft inszenierten – Unfall
zum mitleiderweckenden Nervenbündel wird (interessanterweise sind im Film
übrigens fast alle Männer auf irgendeine Art und Weise invalide, was sicher
kein Zufall ist). Auch gibt es einen netten Running Gag ("sozusagen"),
und daß die Story in den letzten 15 Mintuten bis hin zum wirklich schönen
Ende immer surrealer und durchgeknallter wird, ist für Dupieux-Fans fraglos
schön anzuschauen. Das Problem ist nur, daß die Abstände zwischen den guten
Gags zu groß sind, die Handlung durch das limitierte Verhör-Setting trotz geringer Laufzeit arg repetitiv ausfällt und es zwar einiges zum Schmunzeln,
aber kaum wirkliche Lacher gibt. Das starke Finale tröstet darüber ein wenig
hinweg, kann aber auch nicht ganz vergessen machen, daß "Die Wache"
zwischenzeitlich schwächelt und sogar ein wenig langweilt. Den
Schauspielern ist das nicht anzulasten, die bringen Dupieuxs Absurditäten sehr
amüsant auf die Leinwand, wobei der comedyerfahrene belgische Kinoveteran Benoȋt
Poelvoorde (spielte in "Das brandneue Testament" Gott) als hartnäckiger Hauptkommissar Buron, Grégoire Ludig als
bemitleidenswerter Zeuge bzw. Tatverdächtiger Louis und Marc Fraize als herrlich
bekloppter einäuiger Philippe (auf den sich der
schwarzhumorige englischsprachige Filmtitel "Keep an Eye Out" bezieht
…) hervorstechen. Schade, daß Dupieux als Drehbuch-Autor ihnen diesmal nur
phasenweise gutes Material verschafft hat, denn aus der Ausgangslage hätte der
Schöpfer von "Wrong" und "Reality" definitiv mehr herausholen
können als einen "Dupieux light"-Quickie.
Fazit: Mit der schwarzhumorigen Komödie "Die
Wache" demonstriert Quentin Dupieux einmal mehr sein Faible für
absurd-irrwitzige Storys und Figuren, doch im Vergleich zu seinen früheren Werken
wirkt es, als ginge er nur mit angezogener Handbremse und eher eingeschränktem
Ideenreichtum zu Werke.
Wertung: 6,5 Punkte.
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