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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 21. Januar 2020

DIE WACHE (2018)

Originaltitel: Au poste! Englischsprachiger Titel: Keep an Eye Out
Regie und Drehbuch: Quentin Dupieux, Musik: David Sztanke
Darsteller: Benoȋt Poelvoorde, Grégoire Ludig, Marc Fraize, Anaїs Demoustier, Jacky Lambert, Philippe Duquesne, Orelsan, Vincent Grass, Jeanne Rosa, Johnny Malle, Michel Hazanavicius, Laurent Nicolas, Alain Chabat (Stimme)
Die Wache (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 100% (8,0); weltweites Einspielergebnis: $2,0 Mio.
FSK: 12, Dauer: 71 Minuten.

Louis Fugain (Grégoire Ludig, "Ab in den Dschungel") hat vor dem Haus eine Leiche gefunden und brav die Polizei darüber informiert. Da er jedoch nicht bis zu deren Eintreffen wartete, sein Bügeleisen bei der Leiche zurückließ und außerdem eine Nachbarin berichtet, er habe in dieser Nacht bemerkenswerte sieben Mal das Haus verlassen und wieder betreten, gerät Louis in den Verdacht, selbst der Mörder zu sein. In der Polizeiwache richtet sich Hauptkommissar Buron (Benoȋt Poelvoorde, "Das brandneue Testament") auf eine lange Verhörnacht ein, während Louis einfach nur genervt und müde und hungrig ist und endlich nach Hause will. Als Buron kurz aus privaten Gründen weg muß, überläßt er Louis seinem ein wenig einfältigen einäugigen Kollegen Philippe (Marc Fraize, "Der geheime Roman des Monsieur Pick"), welcher Louis' gelangweilte Konversationsversuche für den Auftakt zu einem raffinierten Fluchtplan hält. Als es daher kurz vor Burons Rückkehr zu einem höchst unglücklichen Unfall kommt, ist es mit der Langeweile für Louis vorbei …

Kritik:
Seit der französische Tausendsassa Quentin Dupieux (hatte als elektronischer Musiker unter dem Pseudonym Mr. Oizo mit "Flat Beat" einen Welthit, arbeitet im Filmbereich nicht nur als Regisseur und Autor, sondern auch als Kameramann, Cutter und natürlich Komponist) im Jahr 2010 mit "Rubber" sein englischsprachiges Filmdebüt gab, ist er nicht wirklich über die Nische herausgekommen, hat sich jedoch weltweit eine wachsende Fangemeinde aufgebaut, die seine unfaßbar absurden, nicht selten an die Werke von Monty Python und Luis Buñuel erinnernden Filme beinahe kultisch verehrt. Zu einem regulären deutschen Kinostart hatte es bislang kein Dupieux-Film gebracht, was wenig verwundert: "Rubber", "Wrong", "Wrong Cops" und "Reality" sind mit ihren skurrilen, surrealistischen und durchgehend aberwitzigen Geschichten abseits jeglicher traditioneller Handlungs- und Figurenkonventionen schließlich so weit vom Mainstream entfernt, wie es nur möglich ist. Wer durch Zufall und ohne nähere Informationen in eines dieser Werke gerät, der wird mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr wenig damit anfangen können – nicht ohne Grund soll der seine bizarre Prämisse beneidenswert konsequent ausspielende "Rubber" (über einen Killer-Autoreifen mit Bewußtsein) in gewissen Kreisen den zweifelhaften und höchst unverdienten Ruf als "schlechtester Film aller Zeiten" genießen.

Trotzdem ist es bedauerlich, daß ausgerechnet "Die Wache" mit Little Dream Entertainment als erster Dupieux-Film einen deutschen Verleih gefunden hat, der ihm einen – wenn auch sehr limitierten und etwas verspäteten – regulären Kinoeinsatz spendiert hat. Denn nachdem sich Dupieuxs Filme qualitativ bislang fast durchgängig steigerten (mit "Reality" als dem absoluten Höhepunkt), gehört der immerhin einen Hauch zugänglichere "Die Wache" eindeutig zu seinen schwächeren Werken. Zwar scheinen in dem nur 70-minütigen Film – der sich mit der Zeit aber deutlich länger anfühlt – immer wieder die Stärken und bekannten Stilmittel des innovativen Franzosen durch, es fehlt aber sowohl am Tempo als auch an wirklich neuen und gelungenen Einfällen. Natürlich, der in keiner Weise mit dem restlichen Film zusammenhängende Prolog, in dem ein Dirigent am Waldrand in Unterwäsche ein stoisches Jugendorchester anleitet, bis ihn die Polizei abholt, ist amüsant – erinnert aber stark an sein ähnliches Vorgehen in "Reality" (der TV-Koch im Ganzkörper-Rattenkostüm), ohne an dessen Aberwitz heranzureichen.

In der eigentlichen Handlung gibt es ebenfalls starke Momente, allen voran die Entwicklung, wie der müde und genervte Louis durch den erwähnten – in der Tat sehr komisch und slapstickhaft inszenierten – Unfall zum mitleiderweckenden Nervenbündel wird (interessanterweise sind im Film übrigens fast alle Männer auf irgendeine Art und Weise invalide, was sicher kein Zufall ist). Auch gibt es einen netten Running Gag ("sozusagen"), und daß die Story in den letzten 15 Mintuten bis hin zum wirklich schönen Ende immer surrealer und durchgeknallter wird, ist für Dupieux-Fans fraglos schön anzuschauen. Das Problem ist nur, daß die Abstände zwischen den guten Gags zu groß sind, die Handlung durch das limitierte Verhör-Setting trotz geringer Laufzeit arg repetitiv ausfällt und es zwar einiges zum Schmunzeln, aber kaum wirkliche Lacher gibt. Das starke Finale tröstet darüber ein wenig hinweg, kann aber auch nicht ganz vergessen machen, daß "Die Wache" zwischenzeitlich schwächelt und sogar ein wenig langweilt. Den Schauspielern ist das nicht anzulasten, die bringen Dupieuxs Absurditäten sehr amüsant auf die Leinwand, wobei der comedyerfahrene belgische Kinoveteran Benoȋt Poelvoorde (spielte in "Das brandneue Testament" Gott) als hartnäckiger Hauptkommissar Buron, Grégoire Ludig als bemitleidenswerter Zeuge bzw. Tatverdächtiger Louis und Marc Fraize als herrlich bekloppter einäuiger Philippe (auf den sich der schwarzhumorige englischsprachige Filmtitel "Keep an Eye Out" bezieht …) hervorstechen. Schade, daß Dupieux als Drehbuch-Autor ihnen diesmal nur phasenweise gutes Material verschafft hat, denn aus der Ausgangslage hätte der Schöpfer von "Wrong" und "Reality" definitiv mehr herausholen können als einen "Dupieux light"-Quickie.

Fazit: Mit der schwarzhumorigen Komödie "Die Wache" demonstriert Quentin Dupieux einmal mehr sein Faible für absurd-irrwitzige Storys und Figuren, doch im Vergleich zu seinen früheren Werken wirkt es, als ginge er nur mit angezogener Handbremse und eher eingeschränktem Ideenreichtum zu Werke.

Wertung: 6,5 Punkte.


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