Regie und Drehbuch: Edgar Wright, Musik: Steven Price
Darsteller: Ansel Elgort, Kevin Spacey, Lily James, Jamie
Foxx, Jon Hamm, Eiza González, Jon Bernthal, CJ Jones, Flea, Lanny Joon, Paul
Williams, Big Boi, Killer Mike, Walter Hill
FSK: 16, Dauer: 113 Minuten.
Baby (Ansel Elgort aus "Das Schicksal ist ein mieser
Verräter") hat zwar nicht unbedingt einen furchterregenden Spitznamen, er ist
aber trotz seines jugendlichen Aussehens bereits ein sehr erfahrener und extrem
talentierter Fluchtwagenfahrer. Das allerdings nicht ganz freiwillig, denn seit
einem Zusammenstoß als Teenager mit dem Gangsterboß Doc (Kevin Spacey, "Der große Crash") muß er bei diesem seine Schulden abarbeiten. Das hat er neun
Jahre später beinahe geschafft, nur noch einen letzten Auftrag muß Baby
erfüllen, ehe sie endlich quitt sind. Doch während Baby sich schon darauf
freut, endlich frei zu sein, vielleicht sogar ein gemeinsames Leben mit der
netten Kellnerin Debora (Lily James, "Cinderella") in Angriff zu nehmen, muß
er bald lernen, daß Doc ihn doch nicht so einfach gehen läßt. Also erklärt er
sich widerwillig zu einem weiteren riskanten Job bereit: Der gewalttätige Bats
(Jamie Foxx, "Django Unchained"), der stets souveräne Buddy (Jon
Hamm, "Sucker Punch") und seine schöne Frau Darling (Eiza González,
TV-Serie "From Dusk till Dawn") sollen ein städtisches Postbüro überfallen und
dort leere Zahlungsanweisungen stehlen, während Baby mit laufendem Motor in ihrem
Fluchtwagen wartet …
Kritik:
Es gibt zwar jede Menge Filme, in denen Fluchtwagenfahrer
eine Rolle spielen (weil es um Banküberfälle, Gefängnisausbrüche oder ähnliches
geht), aber richtige Fluchtwagenfahrer-Filme sind doch ziemlich rar gesät.
Bislang gab es zwei herausragende Vertreter: Walter Hills "Driver"
aus dem Jahr 1978 und Nicolas Winding Refns "Drive" von 2011 – im weiteren
Sinne könnte man noch die "Transporter"-Reihe mit Jason
Statham nennen, aber wie der Titel schon sagt, ist deren Protagonist ja nicht
in erster Linie als Fluchtwagenfahrer tätig. Der britische Filmemacher Edgar
Wright ("Shaun of the Dead", "Scott Pilgrim gegen den Rest der
Welt") macht aus dem rasanten Duo nun also ein furioses Trio, wobei sein
für drei OSCARs nominierter "Baby Driver" ebenso gut als eine sich eng an die von den Vorgängern
etablierten Regeln haltende Hommage funktioniert (der "Driver"-Regisseur
Walter Hill hat in der Originalfassung sogar ein akustisches Cameo kurz vor
dem Schluß) wie als eigenständiger Film mit einem starken musikalischen Schwerpunkt.
Die offensichtlichste Parallele zwischen "Driver", "Drive" und "Baby Driver" (abgesehen von den sehr ähnlichen Titeln) ist die Vermeidung echter Namen. In "Driver" kommen bei den größeren Rollen sogar überhaupt keine Namen vor, sondern nur "Tätigkeitsbeschreibungen": der Driver, der Bulle, die Spielerin, die Agentin; in "Drive" bleibt lediglich der Fahrer selbst namenlos; in "Baby Driver" verwenden die Kriminellen Decknamen, alle übrigen haben normale Namen – was einer finalen Enthüllung übrigens einen zusätzlichen Sinn gibt, der vielen Zuschauern vermutlich gar nicht auffallen wird. Eine Gemeinsamkeit mit "Drive" ist außerdem die große Bedeutung der Musik, doch während in "Drive" Cliff Martinez' treibender elektronischer Score das Geschehen "nur" kongenial untermalt, werden die in "Baby Driver" verwendeten Songs zu einem Teil der Handlung. Da Baby nämlich seit einem Unfall in der Kindheit an einem Tinnitus leidet, läuft er stets mit Kopfhörern durch die Gegend und hört Musik – was ihn beinahe autistisch wirken läßt und seine vorübergehenden Partner (Doc läßt aus Prinzip niemals zwei Aufträge vom selben Quartett durchführen, nur sein Glücksbringer Baby ist immer dabei) teilweise ziemlich irritiert. Die Musik ist für Baby aber keineswegs nur Mittel zum Zweck, sie unterstreicht vielmehr seine Stimmung – er hat zahlreiche iPods mit ganz speziellen Songmischungen für unterschiedliche Tage und Gemütszustände – und gibt für seine Tätigkeit als Fluchtwagenfahrer buchstäblich den Takt vor. Das ist von Edgar Wright grandios umgesetzt, denn wenn sich Baby genau zum Takt (mitunter gar passend zum Text) der Songs, die er hört, bewegt, verleiht es dem gesamten Film einen permanenten Groove.
Die offensichtlichste Parallele zwischen "Driver", "Drive" und "Baby Driver" (abgesehen von den sehr ähnlichen Titeln) ist die Vermeidung echter Namen. In "Driver" kommen bei den größeren Rollen sogar überhaupt keine Namen vor, sondern nur "Tätigkeitsbeschreibungen": der Driver, der Bulle, die Spielerin, die Agentin; in "Drive" bleibt lediglich der Fahrer selbst namenlos; in "Baby Driver" verwenden die Kriminellen Decknamen, alle übrigen haben normale Namen – was einer finalen Enthüllung übrigens einen zusätzlichen Sinn gibt, der vielen Zuschauern vermutlich gar nicht auffallen wird. Eine Gemeinsamkeit mit "Drive" ist außerdem die große Bedeutung der Musik, doch während in "Drive" Cliff Martinez' treibender elektronischer Score das Geschehen "nur" kongenial untermalt, werden die in "Baby Driver" verwendeten Songs zu einem Teil der Handlung. Da Baby nämlich seit einem Unfall in der Kindheit an einem Tinnitus leidet, läuft er stets mit Kopfhörern durch die Gegend und hört Musik – was ihn beinahe autistisch wirken läßt und seine vorübergehenden Partner (Doc läßt aus Prinzip niemals zwei Aufträge vom selben Quartett durchführen, nur sein Glücksbringer Baby ist immer dabei) teilweise ziemlich irritiert. Die Musik ist für Baby aber keineswegs nur Mittel zum Zweck, sie unterstreicht vielmehr seine Stimmung – er hat zahlreiche iPods mit ganz speziellen Songmischungen für unterschiedliche Tage und Gemütszustände – und gibt für seine Tätigkeit als Fluchtwagenfahrer buchstäblich den Takt vor. Das ist von Edgar Wright grandios umgesetzt, denn wenn sich Baby genau zum Takt (mitunter gar passend zum Text) der Songs, die er hört, bewegt, verleiht es dem gesamten Film einen permanenten Groove.
Doch so wichtig die Musik für "Baby Driver" ist
und so atemberaubend die – weitgehend ohne Computer-Unterstützung
realisierten! – Verfolgungsjagden choreographiert sind, kann der von Wright
auch geschriebene Film doch noch in anderen Bereichen punkten. Das gilt vor
allem für die für Genreverhältnisse erfreulich sorgfältige
Figurenzeichnung, die passenderweise gerade dann in der zweiten Filmhälfte so
richtig zum Tragen kommt, als die Aneinanderreihung der Verfolgungsjagden sich langsam abzunutzen droht. Zwar spielen Jamie Foxx und Kevin Spacey Rollen,
die sie so ähnlich schon oft verkörpert haben – der Psycho respektive der
strategisch denkende Anführer –, sie machen das aber gewohnt routiniert,
wobei vor allem Spacey den nie gänzlich durchschaubaren Doc sehr nuanciert
darstellt. Highlight ist jedoch Jon Hamm, der den zumindest auf den ersten
Blick sympathischsten von Babys Mitstreitern spielt (mit ebenfalls gutem
Musikgeschmack), der deshalb aber noch lange nicht harmlos ist – die Ambivalenz der
zu Baby ein freundschaftliches Verhältnis entwickelnden, zwischen
Jovialität und Bedrohlichkeit changierenden Figur bringt der frühere "Mad
Men"-Star bewundernswert charismatisch auf die Leinwand. Protagonist Baby
selbst wirkt im Vergleich dazu vergleichsweise blaß, was natürlich auch seiner
Schweigsamkeit geschuldet ist – ohne viele Worte ist es nunmal nicht so
einfach, für den Zuschauer Charaktertiefe zu entwickeln (die Sonnenbrille, die er meist
trägt, läßt ihn auch nicht nahbarer erscheinen). Doch Darsteller Ansel Elgort
meistert die nicht unkomplizierte Aufgabe, vor die ihn das Drehbuch stellt,
durch eine gekonnte, niemals übertriebene Mimik und Gestik. Denn so cool sich Baby vor
den Kriminellen gibt, so mitfühlend kommt er im Umgang mit seinem taubstummen
Ziehvater (CJ Jones) rüber oder bei seinen zunächst schüchternen
Annäherungsversuchen an Debora. Leider bleibt die – so sympathisch sie von Lily
James auch verkörpert wird – den gesamten Film über arg passiv, das Drehbuch
gesteht ihr kaum eigene Aktionen zu, nur Reaktionen. So wirkt es auch nicht
vollkommen überzeugend, wie schnell sie es akzeptiert, wenn Baby sie
"berufsbedingt" versetzt und sie dann sogar die ganze Wahrheit erfährt.
Man mag das mit "Wahre Liebe überwindet eben alle Schranken" abtun, aber
man muß wahrlich kein Zyniker sein, um Debora eine etwas selbstbestimmtere
Rolle in diesem Film zu wünschen.
Das sind dann aber auch schon die einzigen nennenswerten Kritikpunkte, die ich vorbringen kann: Deboras passive Rolle und die
mangelnde Abwechslung. Es sind jedoch beides lediglich kleine Kritikpunkte, die
gegenüber den vielen Stärken nicht zu schwer ins Gewicht fallen. Dafür ist
Wrights offensichtliches Herzensprojekt viel zu energetisch, viel zu
leidenschaftlich, viel zu humorvoll – mein Lieblingsgag hat mit den drei Michael
Myers-Masken zu tun, die für einen der Raubüberfälle besorgt werden –, einfach viel zu unterhaltsam. Manchem mag der bleihaltige und nicht immer
gänzlich glaubwürdig konstruierte Showdown etwas zu viel des Guten sein, aber
gerade als Hommage an die exploitativen Genrefilme der 1970er und 1980er Jahre
finde ich das (ähnlich wie bei dem im letzten Drittel jedoch noch deutlich
stärker am Rad drehenden "The Guest") vollkommen in Ordnung. Zumal
sich die vom preisgekrönten Choreographen Ryan Heffington nicht zimperlich
in Szene gesetzten Shootouts in ihrer brutalen und durchgestylten Eleganz durchaus
mit selbst den größten Vorbildern á la Michael Manns "Heat" messen
lassen können! In der generellen Stimmung liegt übrigens auch das größte
Unterscheidungsmerkmal zu "Drive": Zwar sind beide musiklastig und gewalthaltig (der erst ab 18 Jahren freigegebene "Drive"
noch deutlich stärker); aber während bei Winding Refns eher schwermütigem Film
der Arthouse-Anspruch dominiert, kommt "Baby Driver" ganz erheblich
zugänglicher, leichtfüßiger und optimistischer daher – ohne sich komplett
dem Mainstream anzubiedern –, eben gerade weil die Musik so harmonisch und
selbstverständlich in die Handlung integriert ist.
Fazit: "Baby Driver" ist ein grandioses, sehr
einfallsreiches Stück Unterhaltungskino, das mit einer herausragenden
Verbindung von Musik, Humor und stylisher Action ebenso begeistert wie mit
seiner erstklassigen Besetzung, dem es jedoch auf Dauer ein klein wenig an
Abwechslung (und aktiveren Frauenrollen) fehlt.
Wertung: 9 Punkte.
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