Donnerstag, 2. Januar 2020

KINO-JAHRESBILANZ 2019

Mein persönliches Fazit des Kinojahres 2019: Es war ein gutes Jahr mit vielen unterhaltsamen, dramatischen und anspruchsvollen Filmen - allerdings fehlten für mein Empfinden die absolut herausragenden Werke, allein meiner Nummer 1 konnte ich mehr als 9 Punkte geben. Auf der anderen Seite gab es dafür auch keine riesigen Enttäuschungen wie im Vorjahr "Jurassic World 2", nur ein Film erhielt weniger als 5 Punkte (was natürlich auch für meine dieses Mal wieder ziemlich zielgenaue Filmauswahl spricht ...). Bis vor zwei Jahren qualifizierten sich für meine Bilanzlisten nur jene Filme, die ich innerhalb des Kalenderjahres im Kino gesehen habe. 2018 änderte ich das dahingehend, daß ich auch Werke, die ich als Rezensionsexemplare zu Hause sehen konnte, in die Liste aufnahm, was 2019 so bleibt - dazu kommen nun angesichts der immer größeren Rolle von Netflix im Filmgeschäft auch Netflix-Produktionen, die ich zu Hause sah. Jene Filmtitel, für die ich nicht ins Kino gegangen bin, kennzeichne ich, indem ich sie in Klammern setze.

Wie immer gilt: Meine Jahresbilanz ist höchst subjektiv und richtet sich nicht ausschließlich nach meinen Punktewertungen, sondern eher nach meinem heutigen Eindruck der Filme, der also ein Stück weit ihre Langfristwirkung berücksichtigt. Mit "Spider-Man: A New Universe" und "Aquaman" sind zwei Werke vertreten, die bereits Ende 2018 in den deutschen Kinos anliefen, die ich aber erst im Januar sah.

Die Top 25 (mit Links zu meinen Rezensionen - sofern bereits veröffentlicht - und einer kurzen Kommentierung):

Die für zehn OSCARs nominierte britische Historienfarce brilliert mit scharfzüngigen Dialogen, einer kaum vorhersehbaren Handlung, einer ungemein kunstvollen Inszenierung und den drei überragenden Hauptdarstellerinnen Emma Stone, Rachel Weisz und Olivia Colman.

Die Actionreihe mit Keanu Reeves in einer Paraderolle als stoischer Ex-Auftragskiller steigert sich von Teil zu Teil und begeistert im dritten Kapitel mit einer sich stetig weiter entfaltenden Filmwelt, spannenden Charakteren und einer großen Zahl an beeindruckend abwechslungsreich inszenierten Actionsequenzen.

(3. Marriage Story)
Noah Baumbach beweist, daß auch ein Scheidungsdrama ein bemerkenswert unterhaltsamer und sogar humorvoller Film sein kann, der emotional tief berührt und zum Nachdenken anregt - auch weil sich die Hauptdarsteller Scarlett Johansson und Adam Driver die Seele aus dem Leib spielen (und - in einer Schlüsselszene - singen)!

Zehn Jahre nach dem ersten Teil der mit u.a. Woody Harrelson und Emma Stone hochkarätig besetzten Zombiekomödie haben die vier ungleichen Überlebenden sich zwar (im Gegensatz zu den Untoten) nur sehr bedingt weiterentwickelt - ihnen dabei zuzuschauen, wie sie sich in den postapokalyptischen USA durchschlagen, macht aber dank einer hohen Gag-Trefferquote und vieler witziger Einfälle immer noch einen Heidenspaß!

In seinem besten Film seit "Sprich mit ihr" wirft Pedro Almodóvar einen stark autobiographisch gefärbten und dabei tiefsinnigen, wehmütigen und poetischen Blick zurück auf sein Leben und Werk, wobei Antonio Banderas ein glänzendes Alter Ego für den spanischen Filmemacher gibt.

Obwohl der spektakuläre Höhepunkt von Phase 3 des Marvel Cinematic Universe nicht ganz die dramaturgischen Höhen des Vorgängers "Infinity War" erreicht, liefert er eine gewitzte, höchst unterhaltsame Auflösung des dramatischen Cliffhangers und entbietet einigen der beliebtesten Superhelden ein hochemotionales Lebewohl.

Quentin Tarantinos detailverliebter Blick auf jene Ära Ende der 1960er Jahre, in der Hollywood seine Unschuld verlor, verliert sich vielleicht etwas zu sehr in seinen Einzelszenen und das schockierende Finale kommt für Tarantino-Kenner nicht wirklich überraschend - aber darüber trösten zahlreiche grandiose bis denkwürdige Momente und ein Brad Pitt in Bestform spielend hinweg.

Mike Flanagans späte Fortsetzung von Stanley Kubricks Stephen King-Adaption "Shining" ist trotz einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden etwas zugänglicher und massentauglicher geraten als das Original, avanciert mit gut ausgearbeiteten Figuren, viel Spannung und einer ungemein atmosphärischen Inszenierung aber zu einem der besten Horror- und Gruselfilme der letzten Jahre.

Die romantische Komödie mit politischem Setting begeistert mit vielen gelungenen Gags und den beiden perfekt harmonierenden Stars Charlize Theron und Seth Rogen - der die seltene Gabe besitzt, selbst peinlichste Fremdschäm-Momente unfaßbar charmant und liebenswert rüberzubringen.

Das große Finale der 42 Jahre umspannenden Skywalker-Saga mag aufgrund eines zu großen Kompromiß-Bestrebens zwischen den Anforderungen traditioneller Altfans und erzählerisch aufgeschlossenerer Zuschauer nicht ganz der erhoffte Knaller geworden sein - viel Spaß macht er trotzdem und beschert dieser "Star Wars"-Ära einen ziemlich runden Abschluß.

(11. Penguin Highway)
Das bezaubernde, wunderschön gezeichnete japanische Coming of Age-Animationsabenteuer überzeugt mit lebensnahen, liebenswerten Charakteren und einer originellen Handlung.

Adam Drivers zunehmend fiebrige Darstellung des gewissenhaften Senats-Mitarbeiters Daniel, der über viele Jahre hinweg und gegen zahlreiche Widerstände die US-Foltermethoden während der Bush-Ära nach 9/11 aufarbeitet, ist das Highlight dieses jedoch auch sonst packenden und aufwühlenden Politthrillers.

13. Aquaman
Nachdem zu viele DC-Filme der jüngeren Vergangenheit an bleierner Schwere litten und nur mittelmäßig unterhaltsam ausfielen, macht "Aquaman" viel richtig mit einem charismatischen Helden, reichlich Humor und einer sehenswerten visuellen Gestaltung; da verzeiht man die eher generische Handlung gerne.

14. Joker (Kritik folgt)
Todd Phillips' vor allem in den USA kontrovers diskutierte, aber kommerziell extrem erfolgreiche Ursprungs-Geschichte des ikonischen Batman-Gegenspielers ist eine gut beobachtete und von Joaquin Phoenix überragend gespielte Charakterstudie eines Außenseiters, die an grimmige New Hollywood-Filme der 1970er Jahre erinnert.

15. Aladdin
Guy Ritchies Realfilm-Remake des Disney-Zeichentrickklassikers von 1992 ist ein charmantes und turbulentes Märchenabenteuer für die ganze Familie, das sich mit einer guten Besetzung, schicker Optik und tollen (auch neuen) Songs nicht vor dem Original verstecken muß.

16. Le Mans 66 (Kritik folgt)
James Mangolds Rennsport-Film über die Fehde der Autobauer Ferrari und Ford in den 1960er Jahren hat exzellent gefilmte, immersive Rennszenen zu bieten - das Herz der Geschichte ist jedoch die Freundschaft zwischen den von Christian Bale und Matt Damon stark verkörperten (Ex-)Rennfahrern Ken Miles und Carroll Shelby, die schnell einen siegfähigen Ford-Rennwagen fabrizieren sollen.

Zwei "Spider-Man"-Filme habe ich 2019 im Kino gesehen und während das "Endgame"-Follow-Up "Far From Home" denkbar knapp meine Top 25 verpaßt, schafft der bereits Ende 2018 angelaufene Animationsfilm "A New Universe" dank einer cleveren, sehr schwungvoll und witzig umgesetzten Story rund um Spider-Men aus verschiedenen Universen den Sprung.

(18. The Irishman (Kritik folgt))
Martin Scorseses dreieinhalbstündiger Gangsterfilm hat nicht wirklich viel Neues zu erzählen und braucht eine ganze Weile, um in Schwung zu kommen, dann aber zeigen Scorsese und sein betagtes (wenn auch phasenweise digital verjüngtes) Hauptdarsteller-Trio Robert De Niro, Al Pacino und Joe Pesci, daß sie es immer noch meisterhaft drauf haben, eine epische Story rund um Freundschaft, Loyalität und Verrat zu erzählen.

Robert Eggers' sperriges Schwarzweiß-Psychodrama über die schwierige Beziehung zwischen zwei sehr verschiedenen, vom Rest der Welt isolierte Leuchtturmwärter im 19. Jahrhundert ist alles andere als einfache Kost, liefert dafür aber erstklassiges Schauspieler-Kino ab und muß atmosphärisch keine Konkurrenz scheuen.

(20. Traumfabrik)
Die bewußt märchenhafte und nostalgisch verklärte romantische Komödie über eine ganz große Liebesgeschichte in den Filmstudios Babelsberg rund um den Mauerbau herum pfeift selbstbewußt auf Glaubwürdigkeit und Authentizität und sorgt mit einem engagierten Ensemble und vielen witzigen Einfällen für richtig gute Laune im Publikum.

21. Green Book - Eine besondere Freundschaft
Vor allem unter Kritikern und Filmschaffenden wurde der "Bester Film"-OSCAR-Gewinner mit Viggo Mortensen und Mahershala Ali wegen seiner mitunter fraglos simplifizierten Darstellung des US-Rassenkonflikts in den 1960er Jahren sehr kontrovers diskutiert, doch meiner Ansicht nach ist das ein typischer Fall von Überinterpretation: "Green Book" will ganz einfach nur eine inspirierende Feelgood-Story über die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem Weißen aus der Arbeiterschicht und einem gebildeten schwarzen Künstler erzählen - und das macht er richtig gut!

22. Fighting with My Family
Das britische Wrestling-Biopic mit Shooting Star Florence Pugh in einer Glanzrolle erzählt eine klassische Sport-Aufsteigerstory nicht frei von Klischees, tut das jedoch mit typisch britischem Humor und herrlich schrulligen Nebenfiguren.

23. Porträt einer jungen Frau in Flammen
Céline Sciammas intelligente Mischung aus einem historischem Künstlerportrait und tragischer Liebesgeschichte konnte mich emotional nicht ganz so sehr packen wie viele andere, ist aber zweifellos ein wunderschöner und stark gespielter Film.

(24. Die zwei Päpste (Kritik folgt))
Selbst ein überzeugter Atheist wie ich kann aus Fernando Meirelles' recht lose auf wahren Begebenheiten basierendem, überraschend humorvollen Film über die Annäherung zwischen dem erzkonservativen Papst Benedikt und seinem reformwilligen Nachfolger Franziskus einiges mitnehmen - nicht zuletzt dank der Schauspielkunst von Anthony Hopkins und Jonathan Pryce.

25. Colette
Keira Knightley beweist in Wash Westmorelands beschwingtem Biopic als die titelgebende französische Schriftstellerin, die ihre Karriere im ausgehenden 19. Jahrhundert beginnen muß, indem sie unter dem Namen ihres Ehemannes publiziert, einmal mehr, daß sie für historische Rollen geeignet ist wie kaum eine andere.

Lobende Erwähnungen: "Ad Astra", "Alita: Battle Angel", "Captain Marvel", "Destroyer", "Late Night", "Ready or Not", "Rocketman", "Spider-Man: Far From Home" und "Yesterday".

Meine Flop 5 (wobei die meisten aufgeführten Filme eher enttäuschend als wirklich schlecht sind):

(1. Polaroid)
Lars Klevbergs Horrorfilm kann mit Kathryn Prescott mit einer sympathischen Hauptdarstellerin punkten, bleibt ansonsten aber ein weitestgehend uninspirierter Abklatsch von Genreklassikern wie "Ring" und "Das Omen".

Kaiju-Anhänger setzten große Hoffnungen auf das Zusammentreffen von Godzilla mit diversen ikonischen Monstern der jahrzehntelangen japanischen Godzilla-Historie, doch statt epischer Monsterkämpfe bekamen sie nur einen generischen und ideenarmen Monsterfilm, der es nicht ansatzweise versteht, die riesigen Kreaturen angemessen majestätisch in Szene zu setzen.

Der unkonventionelle deutsche Superheldinnen-Film mit der entfesselt aufspielenden Victoria Schulz ist an sich gar nicht schlecht, doch es mangelt an einer packenden Handlung, zudem wird dem Publikum eine hohe Fremdschäm-Toleranz abverlangt.

Nach dem ungemein atmosphärischen ersten Teil der Stephen King-Adaption entpuppt sich die Fortsetzung enttäuschenderweise als nicht viel mehr als ein Remake mit nun Erwachsenen in den Hauptrollen - ein paar gute Szenen gibt es, insgesamt wirkt dieses zweite Kapitel jedoch erschreckend überflüssig.

Selbst zwei tolle Schauspielerinnen in den Hauptrollen - Saoirse Ronan und Margot Robbie - können nicht allzu viel daran ändern, daß dieser Historienfilm seine altbekannte, oft verfilmte Geschichte ziemlich dröge und uninspiriert erzählt.

Statistik:
Bemerkenswert: Adam Driver ist in drei Filmen meiner Top 25 als Hauptdarsteller vertreten und alle bewegen sich in ziemlich hohen Spähren (Rang 3, 10 und 12). Den Vogel abgeschossen hat jedoch Emma Stone, die zwar "nur" zweifach dabei ist, dafür aber auf den Plätzen 1 und  4 - nur minimal schlechter schnitt Scarlett Johansson ab (3 und 6).
Ein erfreulicher Trend: Meine Jahresbestenlisten entwickeln sich immer internationaler! Waren noch 2017 ausschließlich englischsprachige Filme vertreten, schafften es 2018 bereits drei in die Top 25. 2019 sind es nun sogar vier: ein deutscher, ein japanischer, ein spanischer und ein französischer (und in "Die zwei Päpste" wird viel spanisch gesprochen, also eigentlich sogar viereinhalb).
Die Zahl der 3D-Filme ist von vier auf fünf gestiegen (davon zwei in den Top 10), 2017 waren es aber sogar zehn und im Jahr davor neun. Vielleicht noch interessanter: Die Anzahl der 3D-Filme in meinen Flop 5 ist von den letztjährigen rekordverdächtigen vier auf einen gesunken. Insgesamt bleibt es dabei - und das zeigen auch die bundes- und weltweiten Statistiken -, daß 3D hart um die Akzeptanz im Markt kämpfen muß, was natürlich auch an den teils happigen Aufpreisen liegt, die nicht mehr jeder zu zahlen bereit ist (bzw. nur noch bei Highlights).
Superhelden bleiben mit vier Vertretern in den Top 25 sehr präsent (2018: 3, 2017: 5), während die Anzahl der Fortsetzungen stabil bei sechs liegt (wobei ich "Aquaman" als Sequel zähle, "Joker" und "Spider-Man: A New Universe" nicht) zuzüglich zwei in den Flop 5. "Aladdin" ist das einzige Remake. Obgleich Hollywood natürlich weiter stark auf Remakes, Fortsetzungen, Reboots und Spin-Offs setzt, zeigt meine Jahresbestenliste einmal mehr, daß es zum Glück immer noch genügend Originalstoffe gibt, die umgesetzt werden und zu überzeugen wissen. Es wären allerdings mit Sicherheit noch mehr, würden sie vom Publikum stärker gewürdigt, denn kommerzielle Hits findet man unter den Originalstoffen weiterhin nur selten.

Damit wünsche ich allen Filmfans ein schönes, ertragreiches Kinojahr 2020 und will zum guten Schluß keinesfalls vergessen, mich einmal mehr herzlich bei denjenigen Lesern zu bedanken, die "Der Kinogänger" durch ihre Einkäufe über die auf meinem Blog verteilten amazon.de-Links, für die ich eine kleine Provision erhalte, finanziell unterstützen (ein Klick auf irgendeinen der Links reicht aus, man muß also für einen DVD-Kauf nicht den passenden aus der Rezension heraussuchen und auch nicht alle Produkte einzeln per Suchfeld aufrufen!). 

Frohes neues Jahr!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen