Regie: Martin Schreier, Drehbuch: Arend Remmers, Musik:
Philipp Noll
Darsteller: Dennis Mojen, Emilia Schüle, Ken Duken, Michael
Gwisdek, Heiner Lauterbach, Nikolai Kinski, Anatole Taubman, Wilfried
Hochholdinger, Ellenie Salvo González, Ilona Schulz, Svenja Jung, Milton Welsh,
Lenn Kudrjawizki, Yevgeni Sitokhin, Lea Faßbender, Uwe Rohde, Lilian Mazbouh, Thomas
Heinze, Oliver Korittke
FSK: 6, Dauer: 128 Minuten.
Im August 1961 kommt der junge Emil Hellwerk (Dennis Mojen,
TV-Miniserie "Morgen hör ich auf"), nachdem er seinen Dienst bei der
Nationalen Volksarmee geleistet hat, in die Filmstudios Babelberg, wo ihm
sein dort als Kulissenbauer tätiger älterer Bruder Alex (Ken Duken, "Zwei Leben") Arbeit besorgt
hat. Eigentlich hält Emil wenig von der Scheinwelt des Films, doch als er die attraktive französische Hauptdarstellerin eines im Dreh befindlichen
Piratenabenteuers erblickt, verliebt er sich sofort in sie – nur, daß es sich
nicht um die berühmte Beatrice Morée (Ellenie Salvo González, "Wie Männer
über Frauen reden") handelt, sondern um ihr Tanzdouble Milou (Emilia Schüle,
"Jugend ohne Gott")! Das sorgt für Verwirrung und da sich Emil
generell recht tollpatschig am Set anstellt (wo er als Komparse mitwirken soll),
wird er vom grantigen Generaldirektor Beck (Heiner Lauterbach, "Wir sind die Neuen") kurzerhand gefeuert. Das hält Emil nicht davon ab, weiterhin
um Milou zu werben, die selbst nicht abgeneigt ist – doch dann beginnt der
Mauerbau und die innerdeutsche Grenze wird abgeriegelt, während Milou und die
übrigen Schauspieler in ihrem Hotel in West-Berlin sind! Da der Film somit gestrichen ist, sieht Emil nur eine
Chance, Milou wiederzusehen: Er schleicht sich unter dem falschen Namen Karl Boborkmann als vermeintlicher Produktionsleiter in die Babelsberger
Studios ein und will die eitle Beatrice (und damit auch Milou) mit einem von
ihm selbst geschriebenen und inszenierten Cleopatra-Film nach Ost-Berlin
zurücklocken …
Kritik:
In Hollywood gibt es zahllose Filme (und einige
TV-Serien), die hinter die Kulissen der Kino- und Theaterbranche blicken –
manche kritisch oder sogar zynisch, vor allem in der "Goldenen Ära"
Hollywoods in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts jedoch oft hymnisch bis
verklärend oder einfach nostalgisch. In Deutschland gibt es zwar mit dem Studio Babelsberg
in der Nähe von Berlin das älteste Großatelier-Filmstudio der Welt, das war für
die Geschichtenerzähler in Film und Fernsehen aber sehr selten ein Thema. Dem
schafft der erst 39 Jahre alte Regisseur Martin Schreier ("Unsere Zeit ist
jetzt") in seinem beachtliche acht Millionen Euro teuren dritten Langfilm
– der ersten Babelsberg-Eigenproduktion seit mehr als zwei Jahrzehnten – Abhilfe,
denn "Traumfabrik" ist gleich in doppelter Hinsicht ein Liebesfilm.
Einmal im offensichtlichen Sinne, da im Zentrum die komplizierte, aber ziemlich
epische Liebesgeschichte zwischen Emil und Milou steht; zudem ist
"Traumfabrik" aber auch eine Liebeserklärung an die Welt des Films im
Allgemeinen und die Babelsberger Studios im Speziellen (was damit
zusammenhängt, daß eigene Babelsberg-Erlebnisse von Produzent Tom Zickler eine Inspirationsquelle waren). Daß Schreier und sein Team im Bemühen, ein
nostalgisches Kinomärchen in bunten Pastelltönen zu erzählen, bewußt auf nennenswerte
Realitätsnähe verzichten, stieß bei einigen Kritikern und auch Zuschauern nicht
unbedingt auf Gegenliebe. Aber ich finde es albern, einen Film dafür zu
kritisieren, daß er etwas nicht ist, was er niemals sein wollte oder zu sein
versprach – und als sympathisch-verklärte Liebeskomödie funktioniert
"Traumfabrik" meines Erachtens einwandfrei.
Die Verrenkungen, um aus dem Blickfeld des Generaldirektors Beck
und seines Kompagnons Prager (Wilfried Hochholdinger, "Inglourious Basterds") zu bleiben und, sobald
das irgendwann katastrophal mißlingt, trotzdem irgendwie im Spiel
zu bleiben, machen viel Spaß, was neben einem spielfreudigen Ensemble mit
schön schrulligen Nebenfiguren wie den beiden trinkfesten sowjetischen Komparsen Juri und
Lew auch an amüsanten Dialogen liegt. Nur ein Beispiel: Als der langjährige
Kameraassistent Helmut (Manfred Möck, "Werk ohne Autor") von Emil zum Kameramann ernannt wird,
wendet dieser ein: "Aber ich bin farbenblind." – "Welche
Farben?" – "Na, rot und grün." – "Kein Problem, unser Film
spielt in der Wüste, da ist eh' alles gelb." Bedauerlicherweise halten sich Schreier und das Drehbuch von
Arend Remmers in der zweiten Filmhälfte dann aber etwas zu sehr an die
dramaturgischen Konventionen. Anders gesagt: Sie bauen noch ein paar zusätzliche
Schwierigkeiten für Emil und Milou ein, von denen Milous frischgebackener
Verlobter – der schnöselige Hauptdarsteller Omar (Nikolai Kinski, "Yves Saint Laurent") – noch die
geringste ist. Vielmehr wird versucht, die graue DDR-Realität einzubinden, was
aber so halbherzig wirkt, daß man es lieber ganz hätte weglassen sollen.
Realistisch ist "Traumfabrik" sowieso nicht und will es gar
nicht sein; dafür gibt es sogar eine erzählerische Rechtfertigung, denn die
Geschichte von Emil und Milou wird in einer Rahmenhandlung von einem Großvater
(Michael Gwisdek, "Good Bye, Lenin!") seinem kleinen Enkel erzählt, der sich selbst gerade zum
ersten Mal in ein Mädchen verguckt hat – dadurch, daß die Kernhandlung des
Films klar als eine subjektive und potentiell ausgeschmückte oder verklärte Geschichte gekennzeichnet wird, ist der Mangel an Glaubwürdigkeit – etwa beim
erstaunlich reibungslosen Ablauf der Dreharbeiten unter der Leitung des
komplett unerfahrenen Emil – eigentlich kein Problem.
Genau deshalb sind die halbherzigen kurzen Ausflüge in den Unrechtsstaat DDR überflüssig bis kontraproduktiv. Zum Glück hält sich Schreier damit nicht lange auf, aber generell ist die zweite Filmhälfte etwas ernster gehalten als die erste und verliert damit ein wenig von dem bis dahin so hohen Unterhaltungswert und der Spritzigkeit. Daß es trotzdem nie langweilig wird, dafür sorgen auch einige gelungene Gastauftritte bekannter Namen wie Thomas Heinze (als erfahrener Regisseur, der die Dreharbeiten übernehmen soll, sobald Emil gescheitert ist), Oliver Korittke (als kauziger Pförtner) oder Anatole Taubman (als hohes SED-Tier). Doch Kern des Films bleiben die Ode an das Filmemachen und natürlich die Romanze zwischen Emil und der von Emilia Schüle gewohnt bezaubernd interpretierten, von der Branche allerdings bereits etwas desillusionierten Milou, die gut miteinander harmonieren. Es ist bedauerlich, daß das deutsche Kinopublikum eher einen Bogen um "Traumfabrik" gemacht hat (es reichte nur zu gut 120.000 Zuschauern), denn aus dem sonstigen deutschen Filmalltag sticht Martin Schreiers Film klar hervor – meiner Meinung nach eindeutig positiv.
Genau deshalb sind die halbherzigen kurzen Ausflüge in den Unrechtsstaat DDR überflüssig bis kontraproduktiv. Zum Glück hält sich Schreier damit nicht lange auf, aber generell ist die zweite Filmhälfte etwas ernster gehalten als die erste und verliert damit ein wenig von dem bis dahin so hohen Unterhaltungswert und der Spritzigkeit. Daß es trotzdem nie langweilig wird, dafür sorgen auch einige gelungene Gastauftritte bekannter Namen wie Thomas Heinze (als erfahrener Regisseur, der die Dreharbeiten übernehmen soll, sobald Emil gescheitert ist), Oliver Korittke (als kauziger Pförtner) oder Anatole Taubman (als hohes SED-Tier). Doch Kern des Films bleiben die Ode an das Filmemachen und natürlich die Romanze zwischen Emil und der von Emilia Schüle gewohnt bezaubernd interpretierten, von der Branche allerdings bereits etwas desillusionierten Milou, die gut miteinander harmonieren. Es ist bedauerlich, daß das deutsche Kinopublikum eher einen Bogen um "Traumfabrik" gemacht hat (es reichte nur zu gut 120.000 Zuschauern), denn aus dem sonstigen deutschen Filmalltag sticht Martin Schreiers Film klar hervor – meiner Meinung nach eindeutig positiv.
Fazit: "Traumfabrik" ist eine sehr
sympathische, stark besetzte deutsche Feelgood-Komödie, die eine übergroße, episch
aufgezogene Liebesgeschichte mit einer nostalgischen Hymne an das Kino
verbindet und dabei gepflegt auf nennenswerte Realitätsnähe pfeift. Nichts für
Zyniker!
Wertung: 8 Punkte.
"Traumfabrik" erschien am 12. Dezember 2019 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray. Das Bonusmaterial umfaßt einige kurze Featurettes und Interviews sowie gut zehn Minuten "Deleted Scenes". Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
"Traumfabrik" erschien am 12. Dezember 2019 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray. Das Bonusmaterial umfaßt einige kurze Featurettes und Interviews sowie gut zehn Minuten "Deleted Scenes". Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
Screenshots: © EuroVideo Medien
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