Regie: James Gray, Drehbuch: James Gray und Ethan Gross,
Musik: Max Richter, Lorne Balfe
Darsteller: Brad Pitt, Tommy Lee Jones, Liv Tyler, Donald
Sutherland, Ruth Negga, John Finn, Donnie Keshawarz, Sean Blakemore, Bobby
Nish, LisaGay Hamilton, John Ortiz, Ravi Kapoor, Freda Foh Shen, Kimberly
Elise, Greg Bryk, Natasha Lyonne
FSK: 12, Dauer: 123 Minuten.
In der nicht allzu fernen Zukunft hat die Menschheit ihr
Weltraumprogramm ausgeweitet, den Mond besiedelt und sogar eine große
unterirdische Station auf dem Mars mit einer Besatzung von 1200 Menschen
aufgebaut. Pionier des neuen Aufbruchs der Menschheit ins All war Clifford
McBride (Tommy Lee Jones, "No Country for Old Men"), welcher eine Mission
zur Entdeckung außerirdischen Lebens angeführt hat. Allerdings verschwand sein
Raumschiff "Lima Project" vor 29 Jahren in der Nähe des Neptun,
seitdem ward nichts mehr von ihm und seinen Mitstreitern gehört, aber er ging
als Held in die Menschheitsgeschichte ein. Cliffords Sohn Roy (Brad Pitt, "Allied") trat in seine Fußstapfen und ist für die
US-Weltraumbehörde SpaceCom tätig, wo er vor allem für seine Fähigkeit bekannt ist,
selbst in den dramatischsten Situationen kühlen Kopf zu bewahren. Das ist allerdings
nicht der Grund dafür, daß er nach einem knapp überstandenen schweren Unfall
auf der International Space Antenna zum Rapport berufen wird. Stattdessen erfährt er auf diesem Treffen, daß die elektromagnetische Wellen, die den
Unfall verursacht und auch auf der Erde für große Verwüstung mit Zehntausenden Toten gesorgt haben, aus
Richtung Neptun kommen – und irgendwie mit dem vermißten Clifford McBride und
der "Lima Project" in Verbindung zu stehen scheinen. Nun soll Roy zum
Mars reisen und versuchen, Kontakt mit dem totgeglaubten Vater
aufzunehmen, denn wenn die elektromagnetischen Wellen nicht bald aufhören,
könnte die ganze Menschheit bedroht sein …
Kritik:
Der US-amerikanische Filmemacher James Gray bleibt sich in
den letzten Jahren thematisch treu, zumindest was den Kern seiner in den
verschiedensten Genres verorteten Filme angeht: Sowohl das historische
Einwanderungsdrama "The Immigrant" (2013) als auch der auf realen
Geschehnissen basierende Abenteuerfilm "Die versunkene Stadt Z"
(2016) und nun das SciFi-Drama "Ad Astra – Zu den Sternen" erzählen
von Personen, die eine Reise in das Unbekannte wagen und dabei auch
auf der Suche nach ihrem wahren Selbst sind. Man sollte meinen, daß dies ein
sehr universelles Thema ist, mit dem sich so ziemlich jeder mehr oder weniger
stark identfizieren kann, doch ein echter kommerzieller Erfolg ist Gray mit
keinem Werk dieses Trios (und auch nicht mit seinen früheren Filmen) gelungen.
Zumindest ist "Ad Astra" mit weitem Abstand der Gray-Film, der
die meisten Zuschauer erreicht hat, und das dürfte in erster Linie dem Fakt zu verdanken sein, daß mit Brad Pitt ein Mann die Hauptrolle spielt, der auf dem
Höhepunkt seiner Karriere zu stehen scheint und kurz zuvor für seine
OSCAR-reife Leistung in Quentin Tarantinos "Once Upon a Time in … Hollywood" gefeiert wurde. Sowohl Gray als auch Pitt haben sich die
Aufmerksamkeit des Publikums verdient, jedoch dürfte jedem Zuschauer
schnell klar werden, warum Grays Filme nicht ansatzweise Blockbuster-Potential
haben. Denn dafür ist das Erzähltempo viel zu gering, dafür geschieht zu wenig
und dafür ist der Fokus auf die Charaktere zulasten der Action zu groß – selbst
wenn die Figurenzeichnung nicht ganz frei von Schwächen ist.
Mit "Ad Astra" versucht James Gray ein Stück weit,
Mainstream- und Arthouse-Interessen zu vereinen, weshalb sein Film Elemente
diverser SciFi-Klassiker in sich vereint und zunächst an "Gravity"
erinnert (Prolog an der Weltraumantenne), dann an "Total Recall"
(die Mondsiedlung), an "Sunshine" (die Reise zum Mars), ein bißchen auch
an "Der Marsianer" und schließlich im philosophisch aufgeladenen
Finale sogar an "2001 – Odyssee im Weltraum" und "Solaris".
Das klingt nach einer wilden Mischung und das ist eine ziemlich wilde
Mischung, die eine gewisse Bruchstückhaftigkeit der Story nicht verleugnen
kann und fast schon zwangsläufig nicht immer harmonisch aneinandergefügt wirkt. Ich
habe einige Kritiken gelesen, in denen es heißt, "Ad Astra" werde
erst ab dem Mars – also in der zweiten Filmhälfte – so richtig interessant,
doch ehrlich gesagt empfinde ich es eher umgekehrt. "Ad
Astra" hat mir am meisten Spaß bereitet, solange Gray und sein Koautor
Ethan Gross (TV-Serie "Fringe") die Zuschauer weitestgehend im Ungewissen lassen, sie nur mit
vagen, jedoch neugierig machenden Andeutungen zu den Hintergründen anfüttern und immer wieder überraschen. Das größte Alleinstellungsmerkmal von
"Ad Astra" – das von Anfang an klar macht, daß wir es hier gewiß nicht
mit einem typischen Genrevertreter haben – ist derweil Protagonist Roy McBride.
Ab dem Prolog wird dieser sehr konsequent als ein Mann vorgestellt, der wenig
mit einem klassischen Filmhelden zu tun hat. Zwar ist er zweifellos ein in
seinem Job sehr talentierter Mann, der auch sehr wohl das Richtige tun will;
gleichzeitig ist er aber ein Außenseiter und ein Einzelgänger, der nicht gut mit
anderen Menschen kann, der sich in deren Anwesenheit verstellt und die Rolle des
distanzierten, aber freundlichen Mannes spielt, sich in Wirklichkeit aber nur wohlfühlt, wenn er alleine im Weltraum unterwegs ist. Roy ist ein
innerlich zerrissener Mensch, geprägt von der Abwesenheit seines Vaters (der
bereits vor seinem Verschwinden nur selten für ihn da war), unter der seine
Mutter schwer litt – er weiß einfach nicht, wie man glücklich ist oder sich anderen
gegenüber wirklich öffnet, weshalb auch seine Ehe mit Eve (Liv Tyler, "Super") zerbrach.
Brad Pitt spielt diesen stoischen, in seinem Wesenskern verirrten, aber zugleich
beruflich hochprofessionellen Mann mit eindrucksvoller Ausdruckskraft, sodaß man unter
Roys vorgeblichem Gleichmut stets eine tiefe Verletzlichkeit respektive
Verletztheit hindurchschimmern sieht. Und als Roy erfährt,
daß sein Vater noch leben und er ihn vielleicht sogar wiedersehen könnte (ihn
womöglich aber von seinem Tun abhalten muß, falls wirklich er für die
elektromagnetischen Stürme verantwortlich zeichnet), führt das zu einem
Gefühlszwiespalt, der lange und tief vergrabene Emotionen immer stärker in den
Vordergrund treten läßt. Kurzum: Roy McBride ist ein ungewöhnlicher, aber ein
spannender und faszinierender Protagonist.
So viel Mühe wie bei Roy McBride gibt sich "Ad
Astra" in anderen Bereichen leider bei weitem nicht. So bleiben alle
weiteren Figuren Beiwerk, über das wir nur das Nötigste erfahren. Ob Colonel
Pruitt (Donald Sutherland, "Stolz und Vorurteil"), ein alter Weggefährte von Roys Vater, der ihn bei seiner
Reise zum Mars begleiten soll, die von Captain Tanner (Donnie Keshawarz, "Der Plan")
angeführte Crew des Raumschiffes, in dem er mitfliegt, oder die Kommandantin der
Marsstation, Helen Lantos (Ruth Negga, "Warcraft"), diese Rollen scheinen letztlich
unwichtig und werden vom Regisseur auch so behandelt. Das mag angesichts des
erklärten Fokus auf Roy McBride verständlich sein, aber andere Filme wie "Der
Marsianer" haben gezeigt, daß man trotzdem ein paar interessante
Nebenfiguren integrieren kann. Auch das "Worldbuilding"
bleibt relativ rudimentär. Wir erfahren nur wenige Details über diese nicht
allzu ferne Zukunft und die sind durchaus interessant (so herrscht auf Teilen des Mondes Krieg um die Bergbaurechte) und machen einen neugierig,
aber James Gray geht nie näher auf sie ein. Eines der spannendsten Elemente
ist, daß in dieser Variante der Zukunft die Eroberung des Weltraums nicht etwa
zu einem Bedeutungsverlust der Religionen führt (wie beispielsweise im "Star
Trek"-Universum), sondern die Religion sogar wichtiger zu werden
scheint – jedenfalls wird von den Raumfahrern wie selbstverständlich vor
wichtigen oder kritischen Momenten gemeinsam gebetet. Genauer erklärt wird das nicht,
eigentlich spielt es sogar überhaupt keine Rolle, es ist einfach ein Detail,
über das man gerne mehr wissen würde.
Ich will das gar nicht unbedingt als Kritikpunkt werten, denn gerade die Selbstverständlichkeit von relativ überraschenden Details kommt zweifellos der Glaubwürdigkeit der Filmwelt zugute. Dennoch bleibt das Gefühl, daß man ein paar dieser Aspekte im Rahmen der zweistündigen Laufzeit durchaus ein wenig ausbauen hätte können. Die Sache mit den elektromagnetischen Wellen und was Roys Vater und sein Raumschiff damit zu tun haben, habe ich ehrlich gesagt nicht wirklich verstanden, aber das kann an mir liegen, da ich in dieser Thematik absoluter Laie bin und James Gray großen Wert auf eine möglichst authentische Darstellung legt – die sich auf jeden Fall dahingehend auswirkt, daß die vom niederländischen Kameramann Hoyte van Hoytema ("Interstellar") eindrucksvoll elegant gefilmten Weltraumszenen eher schwerfällig und damit vermutlich in der Tat realitätsnäher wirken als gewöhnlich. Trotzdem: Andere SciFi-Filme haben ihre "Katastrophen" definitiv besser verständlich dargelegt, selbst wenn das vielleicht wissenschaftlicher Humbug war … Der Wunsch nach etwas mehr Hintergründen wird jedenfalls dadurch verstärkt, daß das Tempo in der zweiten Filmhälfte noch einmal abnimmt und sich die Handlung endgültig fast nur noch auf Roy und seine Reise ins Herz der Finsternis konzentriert. In dieser Phase fällt nämlich dummerweise auf, daß der ganze philosophische Unterbau von Roys großer Suche doch nicht ganz so komplex und gut durchdacht ist, wie es zunächst den Anschein hat – was sich vor allem in Roys melancholischen, vom von Max Richter ("Feinde") und Lorne Balfe ("Ghost in the Shell") kunstvoll gewobenen Klangteppich unterlegten Voice-Over-Monologen manifestiert, die einige interessante Gedanken enthalten, aber auch relativ viel eher pseudointellektuell wirkende Küchenpsychologie. Zu genau sollte man besser nicht über das nachdenken, was Roy so von sich gibt, aber solange man es einfach nur auf sich einwirken läßt, dann funktioniert es atmosphärisch gut und das Ende der Geschichte wirkt durchaus nach (wenngleich ein paar nicht essentielle Detailfragen offen bleiben, auch diesbezüglich hätte man sich etwas mehr Mühe geben können). Es bleibt das Gefühl, daß man mit "Ad Astra" einen eindeutig sehenswerten, ungewöhnlichen Film gesehen hat, der aber sein erzählerisches Potential bei weitem nicht ausgeschöpft hat.
Ich will das gar nicht unbedingt als Kritikpunkt werten, denn gerade die Selbstverständlichkeit von relativ überraschenden Details kommt zweifellos der Glaubwürdigkeit der Filmwelt zugute. Dennoch bleibt das Gefühl, daß man ein paar dieser Aspekte im Rahmen der zweistündigen Laufzeit durchaus ein wenig ausbauen hätte können. Die Sache mit den elektromagnetischen Wellen und was Roys Vater und sein Raumschiff damit zu tun haben, habe ich ehrlich gesagt nicht wirklich verstanden, aber das kann an mir liegen, da ich in dieser Thematik absoluter Laie bin und James Gray großen Wert auf eine möglichst authentische Darstellung legt – die sich auf jeden Fall dahingehend auswirkt, daß die vom niederländischen Kameramann Hoyte van Hoytema ("Interstellar") eindrucksvoll elegant gefilmten Weltraumszenen eher schwerfällig und damit vermutlich in der Tat realitätsnäher wirken als gewöhnlich. Trotzdem: Andere SciFi-Filme haben ihre "Katastrophen" definitiv besser verständlich dargelegt, selbst wenn das vielleicht wissenschaftlicher Humbug war … Der Wunsch nach etwas mehr Hintergründen wird jedenfalls dadurch verstärkt, daß das Tempo in der zweiten Filmhälfte noch einmal abnimmt und sich die Handlung endgültig fast nur noch auf Roy und seine Reise ins Herz der Finsternis konzentriert. In dieser Phase fällt nämlich dummerweise auf, daß der ganze philosophische Unterbau von Roys großer Suche doch nicht ganz so komplex und gut durchdacht ist, wie es zunächst den Anschein hat – was sich vor allem in Roys melancholischen, vom von Max Richter ("Feinde") und Lorne Balfe ("Ghost in the Shell") kunstvoll gewobenen Klangteppich unterlegten Voice-Over-Monologen manifestiert, die einige interessante Gedanken enthalten, aber auch relativ viel eher pseudointellektuell wirkende Küchenpsychologie. Zu genau sollte man besser nicht über das nachdenken, was Roy so von sich gibt, aber solange man es einfach nur auf sich einwirken läßt, dann funktioniert es atmosphärisch gut und das Ende der Geschichte wirkt durchaus nach (wenngleich ein paar nicht essentielle Detailfragen offen bleiben, auch diesbezüglich hätte man sich etwas mehr Mühe geben können). Es bleibt das Gefühl, daß man mit "Ad Astra" einen eindeutig sehenswerten, ungewöhnlichen Film gesehen hat, der aber sein erzählerisches Potential bei weitem nicht ausgeschöpft hat.
Fazit: "Ad Astra – Zu den Sternen" ist ein wunderschön anzuschauendes,
langsam erzähltes, philosophisch angehauchtes und von Hauptdarsteller
Brad Pitt sehr stark gespieltes Science Fiction- und Vater-Sohn-Drama, dem gegen
Ende etwas die Luft ausgeht.
Wertung: Knapp 7,5 Punkte.
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