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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 27. Mai 2014

MICHAEL CLAYTON (2007)

Regie und Drehbuch: Tony Gilroy, Musik: James Newton Howard
Darsteller: George Clooney, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Sydney Pollack, Michael O'Keefe, Denis O'Hare, Ken Howard, Sean Cullen, David Zayas, Merritt Wever, Maggie Siff
Michael Clayton
(2007) on IMDb Rotten Tomatoes: 90% (7,6); weltweites Einspielergebnis: $93,0 Mio.
FSK: 12, Dauer: 120 Minuten.

Michael Clayton (George Clooney, "The American") ist ein "Ausputzer". Sein Job ist es, die mächtigen (also stinkreichen) Klienten der großen New Yorker Anwaltsfirma, für die er arbeitet, aus selbstverschuldeten Schwierigkeiten herauszuhauen. Und das natürlich möglichst, bevor Polizei oder gar Presse Wind davon bekommen. Doch diesmal bekommt Clayton einen ganz besonders heiklen Auftrag: Der für die Kanzlei in einem langjährigen Multi-Milliarden-Dollar-Megaprozeß als Verteidiger des großen Pharma-Konzerns U-North  tätige und mit Clayton gut befreundete Staranwalt Arthur Edens (Tom Wilkinson, "Duplicity") droht mitten im Prozeß die Seiten zu wechseln und den Klägern ein hochbrisantes Memo zugänglich zu machen, das die Schuld des von ihm vertretenen Konzerns ziemlich eindeutig belegen würde. Michael Clayton soll den nervlich stark angeschlagenen Edens also um jeden Preis wieder zur Vernunft bringen, doch der stellt sich reichlich bockig an ...

Kritik:
In einer größeren Nebenrolle als Claytons Vorgesetzter ist der hauptberufliche, leider im Jahr 2008 verstorbene Regisseur Sydney Pollack zu sehen. Das ist durchaus bezeichnend, denn "Michael Clayton" gefällt sich darin, ein klassischer Verschwörungsthriller im Stil der 1970er Jahre zu sein. Cineastische Vorbilder wie "Die drei Tage des Condor" oder auch "Das China Syndrom" sind unverkennbar, um die erzählerischen Konventionen des Hollywood-Kinos des 21. Jahrhunderts schert sich "Michael Clayton" wenig. Sydney Pollack hat "Die drei Tage des Condor" 1975 inszeniert, und daß er keinen Grund sah, warum dieser eher nüchterne, aber umso authentischere und beklemmendere Stil von damals nicht auch heute noch funktionieren sollte, bewies er zwei Jahre vor "Michael Clayton" mit dem Polit-Thriller "Die Dolmetscherin" mit Nicole Kidman und Sean Penn, der sein letzter Film als Regisseur sein sollte (und im Nachhinein betrachtet einen würdigen Abschied darstellte). Bei "Michael Clayton" beschränkte sich Pollack auf die Rolle als Co-Produzent und Nebendarsteller – eine gute Entscheidung, denn das Regiedebüt des Drehbuch-Autors Tony Gilroy ("Im Auftrag des Teufels", die Jason Bourne-Trilogie) bewahrt Pollacks Stärken und ergänzt sie noch um eine eigene Note, die vor allem bei Pro- und Antagonist glänzend zum Tragen kommt.

Im Vergleich zu den filmischen Vorbildern ist die für die 1970er Jahre mit Vietnam-Krieg und Watergate-Affäre typische Paranoia bei "Michael Clayton" zwar immer noch vorhanden, aber doch deutlich schwächer ausgeprägt. Gilroy erzählt zwar ebenfalls eine Verschwörungsstory, dennoch setzt er etwas andere Akzente – was sicherlich auch daran liegt, daß in den 1970er Jahren meist der Staatsapparat der übermächtige Feind war, während es sich hier "nur" um einen großen Konzern handelt. Das macht die Situation für Clayton und seinen Freund Edens nicht weniger bedrohlich, aber es ist doch eine etwas andere Ausgangslage. Dafür sorgt Gilroy auch und vor allem dadurch, daß er dem Feind ein Gesicht gibt – und zwar kein mysteriöses oder offen bedrohliches Gesicht, wie man es erwarten würde. Nein, es ist das vergleichsweise unscheinbare Gesicht von Tilda Swinton ("Moonrise Kingdom"), die als Anwältin Karen Crowder Hauptrepresäntantin des Konzerns U-North ist. Und wie man es von Independent-Ikone Swinton nicht anders erwarten würde, ist ihre Darstellung dieser Anwältin ein denkwürdiges Highlight: Fernab jeglicher Klischees (auch wenn meine folgende Beschreibung nicht so klingen mag) interpretiert sie Karen Crowder als taffe, aber im Kern verunsicherte Person, die sich durch ihre Rolle als Frau in einer von Männern beherrschten Branche zusätzlich unter Druck gesetzt fühlt und buchstäblich über Leichen geht, um ihre Stellung und die Geschäfte ihres Arbeitgebers zu schützen. Allerdings handelt diese Karen Crowder nicht leichthin. Sie hat zwar ohne Zweifel eine Bösewicht-Rolle inne und ist Claytons Hauptgegnerin, aber Swinton verleiht ihr, ihren tiefen Selbstzweifeln und ihrem krankhaften Karriere-Ehrgeiz zutiefst menschliche Züge – alleine Crowders erste, wortlose Szene, in der sie sich unmittelbar vor der Konfrontation mit ihren kritischen Arbeitgebern nervös auf der Toilette zurechtmacht, ist eine wahre schauspielerische Meisterleistung, die Swinton völlig zurecht ihren ersten OSCAR einbrachte. Durch die Figur Karen Crowder bleibt U-North nicht einfach nur der abstrakte, gesichtslose und "böse" Konzern im Hintergrund, wie es bei vielen thematisch ähnlich gelagerten Filmen der Fall ist, sondern er wird auf eine konkrete menschliche Ebene heruntergeholt.

Tilda Swintons Glanzleistung könnte sogar ein Problem sein, denn wenn eine – noch dazu antagonistische – Nebenfigur die eigentliche Hauptrolle an die Wand spielt, ist das meist eher kontraproduktiv für einen Film. Doch "Michael Clayton" muß sich da keinerlei Sorgen machen, denn George Clooney steht seiner Kollegin in nichts nach und macht sich die Titelfigur von der ersten Szene an zu eigen. Und auch an Clayton wird ein Unterschied zu den 1970er Jahre-Verschwörungsgeschichten offenbar, denn während es damals meist einfache Leute waren, die den üblen Machenschaften von "denen da oben" heldenhaft auf die Spur kamen (engagierte Journalisten wie in "Die Unbestechlichen" oder idealistische "Whistleblower" wie in "Das China Syndrom" oder "Silkwood"), ist Michael Clayton eher ein Anti-Held, ja beinahe sogar selbst einer von den Bösen. Schließlich ist es seine Aufgabe, die Verfehlungen der Reichen und Mächtigen zu vertuschen. Zumindest befindet er sich damit in einer absoluten moralischen Grauzone; und vor allem weiß er das selbst. Man kann wirklich nicht behaupten, daß sein sehr spezieller Job ihm großen Spaß macht, und seine zahlreichen privaten Probleme machen ihn weder glücklicher noch für das Publikum sympathischer. Michael Clayton ist – obwohl er sich durchaus bemüht – kein moralischer Mensch. Erst die Zwickmühle, in die sein Freund Arthur Edens ihn bringt, zwingt ihn regelrecht dazu, endlich aus seinem langjährigen, für ihn selbst deprimierend gewordenen Trott auszubrechen. Clayton ist also das perfekte Gegenstück zu Karen Crowder oder vielleicht besser: die perfekte Ergänzung. Clayton und Crowder ähneln sich, sie handeln beide eigentlich gegen ihre innere Überzeugung und sind nicht glücklich damit – nur daß Clayton mit Edens einen Freund hat, der ihn in die richtige Richtung schubst. Die distanzierte Crowder hat dieses Glück nicht.

Dennoch kann man gleichzeitig (zum Glück) nicht behaupten, daß Michael Clayton eine für Hollywood so typische Läuterung durchläuft. Er ist kein Hollywood-Held, sondern er ist ein realistischer, ein menschlicher "Held". Also eigentlich gar kein Held. Sondern nur jemand, der nach einem einschneidenden Erlebnis versucht, endlich einmal das Richtige zu tun. Und da dieser Clayton von George Clooney gespielt wird (wofür er ebenso wie Tom Wilkinson eine OSCAR-Nominierung erhielt), gewinnt er trotz all seiner Schwächen doch die Sympathien des Publikums. Tony Gilroy nutzt das Charisma und die schauspielerischen Fähigkeiten seines Stars sinnigerweise weidlich aus, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln, aber auch sonst muß man den Regisseur loben: Mit großer Souveränität hantiert er mit Stilmitteln wie Zeitsprüngen und Perspektivwechseln, die die Komplexität von "Michael Clayton" gekonnt steigern, ohne zu verwirren. Gilory legt außerdem viel Wert auf Details, ohne diese durch langatmige Erklärungen der Protagonisten zu zerreden. Und er hat ein hervorragendes Gefühl dafür, die meist bewußt unspektakulär und nicht übermäßig temporeich gehaltene Story hin und wieder durch perfekt getimte Knallmomente aufzupeppen, die von Kameramann Robert Elswit ("There Will Be Blood") zur zurückhaltenden, aber erhabenen Musik von James Newton Howard ("Die Tribute von Panem – Catching Fire") wie in der "Pferde-Szene" in denkwürdige Bilder umgesetzt wurden, wie sie Sydney Pollack nicht besser hätte inszenieren können.

Obwohl ich von "Michael Clayton", es fällt bestimmt auf, ziemlich begeistert bin, hat auch dieser Film ein paar kleine Schwächen. Beispielsweise ist es schade, daß durch die starke Fokussierung auf die Titelfigur die übrigen Charaktere sich nicht so gut entfalten können, wie es möglich gewesen wäre. Selbst Karen Crowder und Arthur Edens – so herausragend nuanciert sie auch von Swinton und Wilkinson verkörpert werden – entfalten leider nicht ihr gesamtes erzählerisches Potential. Außerdem kommt das Ende ein wenig zu plötzlich und ist auch nicht hundertprozentig überzeugend. Denn so sehr sich Gilroy ansonsten erfolgreich bemüht hat, die Klischeefalle zu vermeiden: Die finale Wendung ist erstens sehr vorhersehbar und zweitens meines Erachtens nicht vollends glaubwürdig angesichts dessen, was man in den knapp zwei Stunden zuvor über die handelnden Figuren und ihre Stärken und Schwächen erfahren hat. Diese leichten Kritikpunkte sorgen dafür, daß "Michael Clayton" kein Meisterwerk ist, doch ein handwerklich und schauspielerisch hervorragend gemachter Thriller ist er allemal.

Fazit: "Michael Clayton" ist kein spektakulärer Film, sondern eher ein nostalgisch anmutendes Vergnügen, ein intelligenter Thriller mit scharfer Figurenzeichnung und durchdachter Handlung, geadelt durch herausragende schauspielerische Leistungen vor allem von George Clooney und Tilda Swinton.

Wertung: 8,5 Punkte.


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