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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 23. Mai 2019

JOHN WICK (2014)

Regie: Chad Stahelski und David Leitch, Drehbuch: Derek Kolstad, Musik: Tyler Bates und Joel J. Richard
Darsteller: Keanu Reeves, Mikael Nyqvist, Willem Dafoe, Adrianne Palicki, Ian McShane, Alfie Allen, Dean Winters, Daniel Bernhardt, John Leguizamo, Lance Reddick, David Patrick Kelly, Randall Duk Kim, Bridget Regan, Toby Leonard Moore, Omer Barnea, Thomas Sadoski, Clarke Peters, Kevin Nash, Bridget Moynahan
John Wick
(2014) on IMDb Rotten Tomatoes: 86% (7,0); weltweites Einspielergebnis: $88,8 Mio.
FSK: 16, Dauer: 101 Minuten.

Einstmals war John Wick (Keanu Reeves, "The Neon Demon") ein Auftragskiller – und zwar nicht irgendeiner, sondern ein in seiner Branche geradezu legendärer. Doch als er sich in Helen (Bridget Moynahan, "I, Robot") verliebte, zog er sich ins Privatleben zurück. Bedauerlicherweise verstarb Helen aber an einer tödlichen Krankheit, ihr letztes Geschenk an ihren Gatten war ein Hundewelpen namens Daisy. Als John eines Tages an der Tankstelle mit drei jungen, vorlauten russischen Gangstern aneinandergerät – die keine Ahnung haben, wer er ist –, brechen sie in der Nacht in sein Haus ein, stehlen sein Auto, prügeln John bewußtlos und … töten Daisy! Da so seine letzte Verbindung zu Helen vernichtet wurde, beschließt John, sich zu rächen und die Hundemörder ihrem gerechten Schicksal zuzuführen. Grundsätzlich sollte das kein Problem für eine lebende Killer-Legende wie John sein, jedoch gibt es etwas, das die Angelegenheit ganz erheblich verkompliziert: Das Ziel seiner Rache, der sadistische Iosef (Alfie Allen aus der TV-Serie "Game of Thrones"), ist der einzige Sohn von Viggo Tarasov (Mikael Nyqvist, "Mission: Impossible – Phantom Protokoll"), seines Zeichens mächtiger russischer Gangsterboß und der frühere Boß von John Wick! Da Viggo natürlich um Johns Fähigkeiten weiß, versucht er, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, doch dieser denkt gar nicht daran. Und so wirft ihm Viggo alles entgegen, was er hat – schließlich ist Iosef, so dämlich er auch ist, immer noch sein Sohn …

Kritik:
Wenn ein Film, der inhaltlich eigentlich ein rundes Ende anbietet, so erfolgreich ist, daß er eine Fortsetzung rechtfertigt, ist das für alle finanziell daran Beteiligten eine schöne Sache. Wenn die Fortsetzung doppelt so viel Geld einspielt, dann ist die Freude umso größer – und eine weitere Fortsetzung obligatorisch. Wenn dieser dritte Teil dann bereits am Startwochenende in Nordamerika 50 % mehr einspielt als der erste Film insgesamt, dann reden wir endgültig von einem Hit-Franchise. Häufig geschieht dergleichen nicht, zu den wenigen Beispielen zählen die ursprüngliche "Jason Bourne"-Trilogie mit Matt Damon – und "John Wick". Wenn man ehrlich ist, schien die ganz große Zeit des Schauspielers Keanu Reeves bereits ziemlich weit in der Vergangenheit zu liegen. Zwischen Mitte der 1990er Jahre und Mitte der 2000er Jahre feierte er mit "Speed", der "Matrix"-Trilogie oder dem Thriller "Im Auftrag des Teufels" große Erfolge, die ihn zu einem der heißesten Eisen in Hollywood machten. In der folgenden Dekade gelangen ihm in kommerzieller Hinsicht nur noch ein paar Achtungserfolge wie "Das Haus am See" oder "Der Tag, an dem die Erde stillstand", viele seiner Filme wurden nicht einmal mehr breit in den Kinos gestartet oder floppten schlagzeilenträchtig ("47 Ronin"). Doch dann kam "John Wick". Ein geradliniger Rache-Actionfilm, inhaltlich alles andere als originell, aber knackig inszeniert, mit stark choreographierten Shootouts und einer Paraderolle für Keanu Reeves, der mit seinem Charisma den stoischen Killer mit der ganz persönlichen Motivation auch ohne viele Worte zu einer Identifikationsfigur für das Publikum machte.

Manche betrachten "John Wick" ja als die US-Antwort auf den drei Jahre zuvor erschienenen indonesischen Actionkracher "The Raid" von Gareth Evans – und dieser Vergleich ist gar nicht so weit hergeholt, wenn er auch erst unter Berücksichtigung der Fortsetzungen so richtig zum Tragen kommt. Denn sowohl "The Raid" als auch "John Wick" konzentrieren sich fast völlig auf die harte, lineare Action, wohingegen Story und Charaktere nur eine kleine Nebenrolle spielen (trotz eines späten Handlungstwists bei "The Raid"). Erst im jeweiligen zweiten Teil wird die inhaltliche Komponente deutlich aufgepeppt und komplexer gestrickt, wobei sich "The Raid 2" mit einer erkennbar von "Der Pate" inspirierten Gangstergeschichte sogar ambitionierter zeigt als "John Wick: Kapitel 2". Daß der erste "John Wick" eher in die Kategorie "Rohdiamant" fällt, zeigt sich in erster Linie an der sehr überschaubaren Figurenzeichnung. Etliche interessante, durchaus namhaft besetzte Nebenfiguren wie der mit John befreundete Autowerkstattbesitzer Aurelio (John Leguizamo, "Kiss the Cook") oder der von Schauspielveteran Ian McShane ("Jack and the Giants") verkörperte Besitzer des als "neutraler Grund" für Auftragskiller fungierenden New Yorker "Continental Hotel" absolvieren nur kurze Auftritte, die neugierig machen, ohne die Neugierde je zu befriedigen (das ändert sich in der Fortsetzung). Adrianne Palicki (TV-Serie "The Orville") als auf John angesetzte Auftragskillerin Ms. Perkins oder Dean Winters (TV-Serie "Law & Order: SVU") als Viggos lakonischer Anwalt haben zwar etwas mehr zu tun, bleiben aber letztlich ebenso oberflächlich gezeichnet wie Viggos brutaler und dämlicher Sohn Iosef. Immerhin wird mit dem "Continental Hotel" und seinen ganz speziellen Regeln und Gästen ein faszinierendes Element etabliert, das die "John Wick"-Reihe von vielen Genrevertretern abhebt und in den weiteren Filmen (sowie einer – während ich dies schreibe – geplanten Spin-off-TV-Serie) stärker vertieft wird. Die einzigen Figuren, bei denen sich Drehbuch-Autor Derek Kolstad (der zuvor nur an einigen Kurzfilmen und dem Dolph Lundgren-B-Movie "The Package" beteiligt war) in diesem Film erkennbar Mühe gegeben hat, sind aber John Wick, Viggo und Marcus (Willem Dafoe, "Aquaman"), der einst Johns Mentor war und nun ebenfalls von Viggo mit Johns Tod beauftragt wird.

Zugegebenermaßen geht "John Wick" auch bei diesen drei zentralen Charakteren kaum in die Tiefe, aber ihr Zusammenspiel funktioniert aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit und der grundsätzlichen Sympathien untereinander ausgezeichnet und sorgt für die nötige emotionale Fallhöhe. Wenn man mit dem Antagonisten zumindest ein Stück weit mitfühlen kann (und wer will ihm ernsthaft verübeln, daß er den Tod seines nichtsnutzigen Sohnes verhindern will?), ist das immer vorteilhaft, und die Schauspieler transportieren ihre Figuren glaubwürdig genug auf die Leinwand, um eine Verbindung zu ihnen zu spüren. Oh, apropos glaubwürdig: Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, gibt es gar nicht wenige Personen, die es für albern halten, daß John nur wegen des Todes eines Hundes Dutzende (böse) Menschen umlegt. Als selbst langjähriger Hundehalter kann ich jedoch versichern, daß Johns Motivations ausgesprochen nachvollziehbar ist und ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, daß andere Hundefreunde Johns Feldzug nicht nachvollziehen können. Damit will ich natürlich nicht andeuten, daß ich in der gleichen Situation losziehen und gefühlt meinen halben Heimatort wegpusten würde – aber ich bin auch (Achtung, Spoiler!) kein gelernter Auftragskiller … Mal ganz davon abgesehen, daß für John ja nicht "nur" das gemordete Welpenleben selbst ausschlaggebend ist, sondern außerdem die besondere Verbindung des Welpen zur verstorbenen Liebe seines Lebens. Ob man John nun versteht oder nicht, eines dürfte unbestreitbar sein: Wie John Viggos Schergen um die Ecke bringt, ist von Kameramann Jonathan Sela ("Max Payne") in unterkühlten Farben und zu den treibenden Klängen der Musik von Tyler Bates ("Guardians of the Galaxy") und Joel J. Richard ("Triple Threat") sowie einigen passend ausgesuchten Songs, etwa von Marilyn Manson ausgesprochen kunstvoll in Szene gesetzt. Dabei sorgt die Kombination bleihaltiger Shootouts mit Martial Arts-Nahkämpfen dafür, daß die nur relativ selten unterbrochene und oft in auffällig langen, ununterbrochenen Takes gedrehte Nonstop-Action niemals langweilig wird (zumindest, sofern man sich ansatzweise für das Genre interessiert). Daß Chad Stahelski und David Leitch mit "John Wick" ihr gemeinsames Regiedebüt feiern, merkt man dem Film jedenfalls nicht an, so routiniert fällt die Inszenierung aus – bei genauerem Hinsehen kein Wunder, denn sie hatten zuvor bereits in anderer Funktion reichlich Erfahrung im Actiongenre gesammelt (beide waren u.a. als Stuntmen und Kampfchoreographen tätig und arbeiteten als Second Unit Directors bei Filmen wie "Ninja Assassin", "Die Tribute von Panem", "The Expendables 2" oder "Wolverine – Weg des Kriegers"). Der Weg dieses Duos trennte sich übrigens nach "John Wick": Während Stahelski die Fortsetzungen alleine wuchtete, bewies sich Leitch mit "Atomic Blonde" und vor allem dem Monsterhit "Deadpool 2". Actionfreunde werden kaum darüber klagen ...

Fazit: "John Wick" ist ein wenig raffinierter Rache-Actionthriller, der aber mit guter Besetzung und äußerst rasanten Actionsequenzen das Genrepublikum glänzend unterhält und trotz einer dünnen Story mit einigen spannenden Ideen den Grundstein für die komplexeren Fortsetzungen legt.

Wertung: 7,5 Punkte.


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