Regie: John
Krasinski, Drehbuch: Bryan Woods, Scott Beck und John Krasinski, Musik: Marco
Beltrami
Darsteller:
Emily Blunt, John Krasinski, Millicent Simmonds, Noah Jupe, Leon
Russom, Cade Woodward
FSK: 16, Dauer: 90 Minuten.
Im Jahr 2020 sorgt eine Invasion räuberischer außerirdischer Kreaturen
dafür, daß ein großer Teil der Menschheit als Alienfutter endet. Da die Kreaturen blind sind, dafür aber ein äußerst feines Gehör haben, ist es beinahe
unmöglich, sie nicht auf sich aufmerksam zu machen. Der fünfköpfigen Familie
Abbott ist das auf ihrer abgelegenen Farm bislang trotzdem gelungen, wo Vater Lee (John
Krasinski, "Away We Go") für Nahrung sorgt, das Haus sturmfest zu
machen versucht und zudem mit einem alten Funkgerät nach weiteren Überlebenden
sucht. Als nützlich hat sich erwiesen, daß die älteste Tochter Regan
(Millicent Simmonds, "Wonderstruck") taub ist, weshalb alle in der
Familie die Zeichensprache beherrschen. Erheblich weniger günstig ist, daß Regan durch
ihre Taubheit oft nicht mitbekommt, wenn sie oder jemand anderes ein lautes
Geräusch macht, sofern sie nicht zufällig in die Richtung schaut. Trotz aller Widrigkeiten
haben sich die Abbotts einigermaßen mit dem Leben in permanenter Todesgefahr
arrangiert – richtig kompliziert wird es allerdings, als Mutter Evelyn (Emily
Blunt, "Sicario") schwanger wird, denn eine völlig lautlose Geburt
ist bekanntlich doch eher selten …
Kritik:
John Krasinski hat sich vor allem in den USA einen guten Ruf
als Comedy-Darsteller erarbeitet, was speziell mit seiner acht Jahre währenden
Hauptrolle in der US-Version der Kultserie "The Office" (hierzulande
als "Stromberg" adaptiert) zusammenhängt. Nach deren Ende 2013 hat er
sich zunehmend in dramatischen Rollen versucht, etwa in Michael Bays
Action-Kriegsfilm "13 Hours" und in Kathryn Bigelows Rassismus-Drama
"Detroit", zudem wird er ab 2018 für die Amazon-Serie "Tom Clancy's Jack
Ryan" zum titelgebenden CIA-Agenten, der im Kino bereits von Alec Baldwin,
Harrison Ford, Ben Affleck und Chris Pine verkörpert wurde. Wer Krasinskis
Karriere verfolgt hat, der weiß also schon länger, daß er keineswegs nur ein
Comedy-Spezialist ist, sondern vielfältige Interessen und Fähigkeiten
besitzt. Nicht unbedingt rechnen konnte man hingegen damit, daß der Enddreißiger
auch als Regisseur einen globalen Kinohit verantworten würde (in dem er
selbst die männliche Hauptrolle spielt) – genau das ist jedoch geschehen mit
"A Quiet Place", einem cleveren Horrorfilm und "Creature
Feature", das eine unkonventionelle Prämisse mit bewährten Genreelementen
kombiniert und derart ein ungemein atmosphärisches und hochspannendes Gruselstück
erschafft. In den USA hat sich der von den Kritikern gefeierte "A
Quiet Place" innerhalb weniger Wochen zu einem der erfolgreichsten
Horrorfilme aller Zeiten gemausert, international ist der Publikumsansturm zwar wesentlich geringer ausgeprägt, aber ebenso vorhanden – und ziemlich verdient.
Die ungewöhnliche Prämisse klingt bereits in der Titelgebung
an, denn "A Quiet Place" ist in der Tat ein ruhiger Film,
beinahe ein Stummfilm – zumindest soweit es um das gesprochene Wort geht. Durch
die tödliche Gefahr, die von den Kreaturen ausgeht, sind die Protagonisten
weitestgehend zum Schweigen (oder bestenfalls leisen Flüstern) verdammt,
was dramaturgisch wie auch filmtechnisch eine Herausforderung ist, aber ebenso
ein hochgradig stimmungsvolles Alleinstellungsmerkmal. Nach einem dramatischen,
sehr effektiven Prolog läßt sich Krasinski, der auch das Drehbuch des jungen Autorenduos Bryan Woods und Scott Beck ("Nightlight") überarbeitet hat,
sinnvollerweise erst mal Zeit, um dem Publikum diese wenig verheißungsvolle
nahe Zukunft mit all ihren Auswirkungen auf die Familie Abbott nahezubringen. Die einzelnen Familienmitglieder lernen wir ebenfalls besser kennen; sie stellen sich
als sehr authentische, sympathische Menschen heraus, mit denen man gerne
mitfiebert und -leidet – was bei einem Horrorfilm bekanntlich immer ein entscheidender
Faktor für das Gelingen ist. Das gilt ebenso für die Besetzung, die
überlegt zusammengestellt wurde: Emily Blunt (auch im wahren Leben Krasinskis Gattin) spielt die tatskräftige und fürsorgliche Mutter, die alles gibt, um die Familie zusammenzuhalten,
sehr einnehmend, während Krasinski als Vater Lee sichtlich kämpft mit der großen Verantwortung, die
er speziell während Evelyns Schwangerschaft für sie und die Kinder trägt; eine
Verantwortung, die angesichts der Umstände fast nicht zu bewältigen ist. Bei den
Kindern beeindruckt speziell die (tatsächlich gehörlose) Millicent Simmonds
als rebellische Regan, die sich mit ihrem Vater immer wieder
streitet, weil der zu ihrem Unmut lieber ihren jüngeren Bruder Marcus (Noah Jupe,
TV-Serie "The Night Manager") auf seine Streifzüge durch die nähere
Umgebung mitnimmt. Und Beau (Cade Woodward), das jüngste Kind, träumt derweil
davon, vor der ganzen Misere mithilfte einer Rakete einfach wegzufliegen … In
Szenen, die wir aus Regans Perspektive erleben, wird übrigens immer wieder
passend zu ihrer Taubheit der Ton komplett abgestellt – somit können wir ihre ganz
besondere Situation in diesem dystopischen Schreckensszenario besonders gut
nachvollziehen, in der Tat zählen einige dieser Szenen zu den
furchterregendsten des gesamten Films und bescherten ihm eine OSCAR-Nominierung für den Tonschnitt.
Der klassische Horrorfilm-Aufbau mit einem dramatischem Einstieg,
gefolgt von einer längeren, abgesehen von ein paar unnötigen akustischen Jump-Scares verhältnismäßig ruhigen Phase für die Vorstellung der handelnden Figuren
funktioniert auch in "A Quiet Place" einwandfrei – und wenn es in der zweiten Hälfe des mit eineinhalb Stunden knackig kurz gehaltenen Werks
dann richtig zur Sache geht, folgt bis zum Schluß Spannung nonstop, noch
verstärkt durch Marco Beltramis ("Logan") unerbittlich antreibende
Musik, die in einem Film, in dem kaum gesprochen wird, naturgemäß eine
besondere Bedeutung hat (wie auch wie das gelungene Sounddesign). Einiges
ist dabei durchaus Geschmackssache, beispielsweise die Tatsache, daß die
Kreaturen relativ früh mehr oder weniger in ihrer vollen Pracht
präsentiert werden. Die Genreregel lautet ja eigentlich, daß speziell übernatürliche
oder außerirdische Bedrohungen umso effektiver wirken, je weniger sie zu sehen
sind. John Krasinski hält davon offensichtlich nicht so viel, doch da die
räuberischen Aliens von OSCAR-Gewinner Scott Farrar ("Cocoon",
"Die Chroniken von Narnia", "Transformers"-Reihe) schön grausig gestaltet
wurden, ist ihre frühe Enthüllung meiner Ansicht nach kein Problem, das gelingt ähnlich gut wie beispielsweise bei dem nicht ganz unähnlichen
Genrekollegen "The Descent – Abgrund des Grauens" oder auch bei
"Jurassic Park". Gewisse Anleihen bei der "Alien"-Reihe
sind dabei unverkennbar – dort wurden die Aliens als "perfekter
Organismus" bezeichnet, das kann man ebenso von den "A Quiet
Place"-Kreaturen behaupten, wenn sie auch eher über Kraft und
Geschwindigkeit kommen und nicht die tödliche Eleganz des
"Alien"-Xenomorphs an den Tag legen. Allerdings finde sehr wohl, daß
die Häufigkeit ihres Auftauchens in der zweiten Filmhälfte etwas niedriger hätte
dosiert werden dürfen. Ärgerlich ist zudem, daß die Darstellung der Predatoren
nicht wirklich konsistent erscheint, denn auf welche Geräusche genau sie wie schnell
reagieren, wirkt ziemlich offensichtlich auf die für die jeweilige Szene
erforderlichen dramaturgischen Notwendigkeiten hin zugeschnitten (z.B. die
Autoszene). Wenn man sich schon die Mühe macht, Regeln aufzustellen (was hier
der Fall ist), dann sollte man sie auch konsequent einhalten und sie sich
nicht nach Belieben zurechtbiegen. Das ist, ebenso wie die erwähnten akustischen Jump-Scares und ein paar relativ unsubtil eingeleitete Szenenfolgen ein kleines Manko, das aber nichts daran ändert, daß "A Quiet Place" insgesamt ein gutes bis sehr gutes Creature Feature mit einer bedrückend intensiven Stimmung ist. Eine Fortsetzung befindet sich bereits in Planung und ich bin gespannt, ob den Machern dafür mehr einfällt als einfach nur mehr vom Gleichen.
Fazit: "A Quiet Place" ist ein
einfallsreicher Horrorfilm, der eine im Kern altbekannte Handlung durch eine
gewitzte, originelle Prämisse und eine höchst atmosphärische Umsetzung zu einem der
effektivsten Genrebeiträge der letzten Jahre aufwertet.
Wertung: Knapp 8,5 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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