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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 11. Januar 2018

BLADE OF THE IMMORTAL (2017)

Originaltitel: Mugen no jûnin
Regie: Takashi Miike, Drehbuch: Tetsuya Oishi, Musik: Kôji Endô
Darsteller: Takuya Kimura, Hana Sugisaki, Sôta Fukushi, Erika Toda, Kazuki Kitamura, Ebizô Ichikawa, Hayato Ichihara, Shinnosuke Mitsushima, Chiaki Kuriyama, Min Tanaka, Yuichiro Otaka, Tsutomu Yamazaki, Ken Kaneko, Yôko Yamamoto
Mugen no jûnin
(2017) on IMDb Rotten Tomatoes: 87% (7,0); weltweites Einspielergebnis: $7,2 Mio.
FSK: 16, Dauer: 147 Minuten.
 Als der kampfstarke Samurai Manji (Takuya Kimura, "2046") als Folge einer Intrige gesetzlos wird, flieht er mit seiner kleinen Schwester vor den ihn verfolgenden Kopfgeldjägern, doch es ist aussichtslos: Als er gestellt wird, ist sein Tod unvermeidbar, eigentlich hat er sich auch schon damit abgefunden. Doch da kommt eine angeblich 200 Jahre alte Frau zu dem Sterbenden und macht ihn gegen seinen Willen unsterblich! Die folgenden Jahrzehnte vegetiert Manji vor sich hin und spricht stark dem Alkohol zu, bis ihn die noch nicht ganz erwachsene Rin Asano (Hana Sugisaki), Tochter des Leiters einer bekannten Schwertkampfschule, aufsucht und ihn bittet, ihr dabei zu helfen, ihre Eltern zu rächen. Die wurden nämlich von einer gnadenlosen Gruppierung namens Itto-ryu ermordet, deren androgyner Anführer Kagehisa Anotsu (Sôta Fukushi) es sich in den Kopf gesetzt hat, alle Schwertkampfschulen Japans zu zerstören. Da Rin Manji an seine Schwester erinnert, willigt er ein. Doch in den Reihen der Itto-ryu gibt es etliche meisterhafte Schwertkämpfer, die selbst für einen Unsterblichen eine Herausforderung darstellen – und dann sind auch noch einige politische Intrigen am Laufen, in die Manji und Rin unfreiwillig verwickelt werden…

Kritik:
Stanley Kubrick hat in seinem Leben genau 13 Spielfilme gedreht. Terrence Malick kommt bis dato auf acht, der fleißige Steven Spielberg auf 33 und Woody Allen – der seit Jahrzehnten ziemlich zuverlässig einen Film pro Jahr dreht – hat schon 48 abendfüllende Produktionen auf dem Konto stehen. Takashi Miike, gerade mal 57 Jahre alt, kann darüber wahrscheinlich nur lachen, denn der japanische Tausendsassa, der sich vermutlich schon in jedem existierenden Genre versucht hat, präsentiert mit dem Fantasy-Actionfilm "Blade of the Immortal" seinen sage und schreibe 100. Film! Zumindest behauptet das die PR-Abteilung, genau nachvollziehen läßt sich das angesichts zahlreicher Direct-to-DVD- sowie TV-Produktionen, die nie den Weg aus Japan herausfanden, nicht. Aber selbst die 63 Kinofilme, die in der IMDb aufgelistet sind, sind selbstredend mehr als beeindruckend. Klar, bei weitem nicht jeder ist ein Meisterwerk, genau genommen gibt es viel Mittelmaß ("Ace Attorney", "The Call") und einige ziemlich miese Werke, aber auch viele gute ("The Happiness of the Katakuris", "Sukiyaki Western Django", "13 Assassins") und sogar ein paar, die sich Klassikerstatus erarbeitet haben ("Audition", "Ichi the Killer"). Und selbst Miikes schwächere Filme geraten durch seinen unverwechselbaren, wild-verrückten Stil eigentlich immer zumindest leidlich unterhaltsam. Erfreulicherweise ordnet sich "Blade of the Immortal" klar am oberen Ende seines Qualitätsspektrums ein. Die Adaption der gleichnamigen langlebigen Mangareihe von Hiroaki Samura (1993 bis 2012) glänzt zwar nicht mit einer preisverdächtigen Story, dafür aber mit für Genreverhältnisse bemerkenswert gut ausgearbeiteten, ambivalenten Figuren, reichlich schwarzem Humor, überraschend viel Gefühl und selbstverständlich jeder Menge Samurai-Action!

Das ebenso reichhaltige wie schillernde Figurenensemble ist natürlich der Vorlage geschuldet – wie werktreu die Adaption ist, kann ich nicht beurteilen, aber die Wikipedia-Lektüre zeigt, daß jedenfalls die meisten Hauptcharaktere auch im Film eine wichtige Rolle spielen. Im Zentrum steht die sich überraschend zärtlich entwickelnde Beziehung zwischen der verzweifelten, aber entschlossenen Rin und ihrem eingangs höchst widerwilligen Beschützer Manji. Beide haben einen schrecklichen Verlust erlitten, Manji ist zudem frustriert, weil er nicht sterben kann, doch durch Rin erhält sein Leben endlich wieder einen Sinn – auch wenn er das nur nach und nach zu akzeptieren bereit ist. Trotz seines Widerstands ergibt sich bald eine anrührend gespielte Ersatz-Vater-Tochter-Beziehung (oder vielleicht eher Bruder-Schwester-Beziehung?), bis Manji zu allem bereit ist, um Rin zu schützen und ihre Rache zu vollstrecken. Daß er auf dem Weg unerwartet sogar noch ein wenig über seine Verwandlung in einen Unsterblichen erfährt, ist ein willkommener Bonus, der den früheren Samurai erst recht motiviert. Doch zwischen ihm und der Erfüllung seiner Aufgabe stehen nicht nur Hundertschaften von Fußvolk, sondern auch eine stattliche Anzahl sehr ernstzunehmender Kämpfer (und Intriganten).

Hauptgegner von Manji und Rin sind naturgemäß die Itto-ryu mit ihrem Anführer Anotsu. Den unterschätzt man ob seiner selbstbewußt vor sich hergetragenen Exaltiertheit leicht, doch ist er ein furchterregender Krieger, der sich zudem mit einer Riege kaum schwächerer Kämpfer umgibt. So muß Manji diese nach und nach beseitigen, ehe er an den Hauptpreis herankommt. Natürlich ist die Figurenzeichnung nicht so tiefgehend wie etwa bei einem Arthouse-Drama, doch Miike und Drehbuch-Autor Oishi ("Death Note") gelingt es, auch aus kurzer Screentime erinnerungswürdige Persönlichkeiten zu erschaffen, die durch die exzentrischen Kostüme noch zusätzlich an Profil gewinnen. Da wäre etwa Anotsus aufopferungsvolle Freundin Makie (Erika Toda, "Death Note"), aber auch der beständig Black Sabbath-Liedtexte zitierende (zumindest ist das in den Mangas so – mangels Black Sabbath-Kenntnis kann ich es für den Film nicht verfizieren, gehe aber davon aus, daß dieses außergewöhnliche Merkmal beibehalten wurde), von Brandwunden entstellte Sabato (Kazuki Kitamura, "Azumi") sowie der geheimnisvolle Eiku (Ebizô Ichikawa) – eine schillernde, eindrucksvolle Riege, die sich Manji entgegenstellt. Um die Sache weiter zu verkomplizieren, sind noch der weißhaarige Wüterich Shira (Hayato Ichihara) und seine beiden Kameraden Hyakurin (Chiaki Kuriyama, "Kill Bill Vol. 1") und Giichi (Yuichiro Otaka) mit im Spiel, alle Mitglieder der Mugai-ryu – einer Gruppierung zum Tode Verurteilter, die begnadigt werden, wenn sie als Söldner/Auftragskiller arbeiten. Welche Rolle genau die in der Geschichte einnehmen, bleibt lange Zeit unklar, was es umso spannender macht – ziemlich undurchschaubar präsentiert sich ebenfalls Kagimura (Min Tanaka, "47 Ronin"), der erfahrene Anführer der Samurai des Shogun und in dieser Funktion der Vertreter der Staatsmacht. Wie gesagt, das Figurenensemble von "Blade of the Immortal" ist ein höchst illustres und wie so oft in asiatischen Filmen auch ein sehr komplexes, bei dem westliche Zuschauer vermutlich nicht immer komplett den Überblick behalten – aber wenn man sich konzentriert, ist es auch für primär an einheimische Kinokost oder Hollywood-Filme gewöhnte Zuschauer nicht zu schwierig und trägt definitiv zu Spannung, Emotionalität und Intensität der Geschichte bei.

Im Vergleich zu vielen früheren Miike-Filmen hat er für "Blade of the Immortal" sogar ein recht ordentliches Budget zur Verfügung gestellt bekommen, auch wenn die umgerechnet knapp $10 Mio. in Hollywood natürlich ein Witz wären. So können aufmerksame Beobachter durchaus erkennen, daß Miike mitunter sparen mußte – nun gut, daß Manji immer wieder die gleichen Statisten tötet, kann man angesichts der höchst temporeichen Schnetzeleien wohl nur bei genauer Analyse der Standbilder nachweisen. Aber die Wackelkamera im ansonsten stilvollen Schwarzweiß-Prolog fällt naturgemäß deutlich auf – zumal es keine erkennbare filmtechnische oder erzählerische Notwendigkeit für ihren Einsatz gibt (anders als etwa bei den Jason Bourne-Filmen, die in dieser Hinsicht ja ein Vorreiter waren). Die mal von traditionellen japanischen, mal von deutlich rockigeren Klängen untermalten Kampfszenen, die einen beachtlichen Teil der fast zweieinhalbstündigen Laufzeit einnehmen, sind derweil vergleichsweise realistisch gehalten (auch wenn das komisch klingen mag angesichts der Tatsache, daß sowohl Manji als auch sein Widersacher Anotsu gerne mal im Alleingang Dutzende Gegner auf einmal besiegen). Das bedeutet aber auch, daß sie zwar sehr kompetent, aber nicht allzu aufregend choreographiert sind. Akrobatische Wuxia-Kämpfe á la "Tiger & Dragon" darf man daher nicht erwarten, eher traditionelle Samurai-Kämpfe, wie man sie etwa aus Akira Kurosawas Werken kennt – hier allerdings in einer ungleich blutigeren und in Höchsttempo ausgeführten Variation und als Teil genau ausgetüftelter Bildkompositionen. Damit das nicht auf Dauer langweilig wird, flicht Miike immer wieder schwarzen Humor sowohl in die Dialoge als auch in die Kämpfe ein (mitunter fühlt man sich an den Kampf gegen den Schwarzen Ritter in Monty Pythons "Die Ritter der Kokosnuß" erinnert …). Erfreulicherweise entwickelt sich zudem die Handlung interessanter und unvorhersehbarer, als man das angesichts der im Kern banalen Rache-Prämisse vermuten würde – da ist natürlich das bereits ausgiebig gelobte starke Figurenensemble ausgesprochen hilfreich, die umfangreiche Manga-Vorlage wird Drehbuch-Autor Oishi auch genügend Material zum Arbeiten inklusive spannender moralischer Fragestellungen an die Hand gegeben haben. Bei allem Lob muß ich allerdings konstatieren, daß man speziell die Gemetzel trotzdem hätte etwas kürzer halten können, denn bei allem Bemühen um Abwechslung wirken die endlosen Kampfhandlungen irgendwann doch ein wenig ermüdend. Das legt sich allerdings spätestens mit dem wunderbaren, rockigen Abspannsong "Live to Die Another Day", geschrieben und vorgetragen von dem bekannten Gitarristen Miyavi – westlichen Cineasten vermutlich eher als sadistischer Antagonist in Angelina Jolies Kriegsgefangenendrama "Unbroken" bekannt!

Fazit: "Blade of the Immortal" ist eine adrenalingeladene Mangaadaption, die fast zweieinhalb Stunden glänzend gefilmte Over the Top-Samurai-Action, ein schillerndes Figurensensemble, schwarzen Humor und eine erfreulich gut durchdachte Story bietet, für seine Länge aber etwas zu wenig Abwechslung bietet.

Wertung: 8 Punkte.


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