Originaltitel: Mugen no jûnin
Regie: Takashi Miike, Drehbuch: Tetsuya Oishi, Musik: Kôji
Endô
Darsteller: Takuya Kimura, Hana Sugisaki, Sôta Fukushi,
Erika Toda, Kazuki Kitamura, Ebizô Ichikawa, Hayato Ichihara, Shinnosuke
Mitsushima, Chiaki Kuriyama, Min Tanaka, Yuichiro Otaka, Tsutomu Yamazaki, Ken Kaneko, Yôko
Yamamoto
FSK: 16, Dauer: 147 Minuten.
Kritik:
Stanley Kubrick hat in seinem Leben genau 13 Spielfilme
gedreht. Terrence Malick kommt bis dato auf acht, der fleißige Steven Spielberg auf 33 und Woody Allen – der seit Jahrzehnten ziemlich zuverlässig einen
Film pro Jahr dreht – hat schon 48 abendfüllende Produktionen auf dem Konto
stehen. Takashi Miike, gerade mal 57 Jahre alt, kann darüber wahrscheinlich nur
lachen, denn der japanische Tausendsassa, der sich vermutlich schon in jedem
existierenden Genre versucht hat, präsentiert mit dem Fantasy-Actionfilm
"Blade of the Immortal" seinen sage und schreibe 100. Film! Zumindest
behauptet das die PR-Abteilung, genau nachvollziehen läßt sich das
angesichts zahlreicher Direct-to-DVD- sowie TV-Produktionen, die nie den Weg
aus Japan herausfanden, nicht. Aber selbst die 63 Kinofilme, die in der IMDb
aufgelistet sind, sind selbstredend mehr als beeindruckend. Klar, bei weitem nicht
jeder ist ein Meisterwerk, genau genommen gibt es viel Mittelmaß
("Ace Attorney", "The Call") und einige ziemlich miese
Werke, aber auch viele gute ("The Happiness of the Katakuris",
"Sukiyaki Western Django", "13 Assassins") und sogar ein paar,
die sich Klassikerstatus erarbeitet haben ("Audition",
"Ichi the Killer"). Und selbst Miikes schwächere Filme geraten durch
seinen unverwechselbaren, wild-verrückten Stil eigentlich immer zumindest leidlich
unterhaltsam. Erfreulicherweise ordnet sich "Blade of the Immortal"
klar am oberen Ende seines Qualitätsspektrums ein. Die Adaption der
gleichnamigen langlebigen Mangareihe von Hiroaki Samura (1993 bis
2012) glänzt zwar nicht mit einer preisverdächtigen Story, dafür aber mit für
Genreverhältnisse bemerkenswert gut ausgearbeiteten, ambivalenten Figuren, reichlich schwarzem Humor, überraschend viel Gefühl und selbstverständlich jeder Menge
Samurai-Action!
Das ebenso reichhaltige wie schillernde Figurenensemble ist
natürlich der Vorlage geschuldet – wie werktreu die Adaption ist, kann ich
nicht beurteilen, aber die Wikipedia-Lektüre zeigt, daß jedenfalls die meisten
Hauptcharaktere auch im Film eine wichtige Rolle spielen. Im Zentrum steht die
sich überraschend zärtlich entwickelnde Beziehung zwischen der verzweifelten, aber entschlossenen Rin und ihrem eingangs höchst
widerwilligen Beschützer Manji. Beide haben einen schrecklichen Verlust
erlitten, Manji ist zudem frustriert, weil er nicht sterben kann, doch durch
Rin erhält sein Leben endlich wieder einen Sinn – auch wenn er das nur nach und
nach zu akzeptieren bereit ist. Trotz seines Widerstands ergibt sich bald
eine anrührend gespielte Ersatz-Vater-Tochter-Beziehung (oder vielleicht eher
Bruder-Schwester-Beziehung?), bis Manji zu allem bereit ist, um Rin zu schützen
und ihre Rache zu vollstrecken. Daß er auf dem Weg unerwartet sogar noch ein wenig über
seine Verwandlung in einen Unsterblichen erfährt, ist ein willkommener Bonus,
der den früheren Samurai erst recht motiviert. Doch zwischen ihm und der
Erfüllung seiner Aufgabe stehen nicht nur Hundertschaften von Fußvolk,
sondern auch eine stattliche Anzahl sehr ernstzunehmender Kämpfer (und
Intriganten).
Hauptgegner von Manji und Rin sind naturgemäß die Itto-ryu
mit ihrem Anführer Anotsu. Den unterschätzt man ob seiner selbstbewußt
vor sich hergetragenen Exaltiertheit leicht, doch ist er ein furchterregender Krieger,
der sich zudem mit einer Riege kaum schwächerer Kämpfer umgibt. So muß
Manji diese nach und nach beseitigen, ehe er an den Hauptpreis herankommt.
Natürlich ist die Figurenzeichnung nicht so tiefgehend wie etwa bei einem
Arthouse-Drama, doch Miike und Drehbuch-Autor Oishi ("Death Note") gelingt es,
auch aus kurzer Screentime erinnerungswürdige Persönlichkeiten
zu erschaffen, die durch die exzentrischen Kostüme noch zusätzlich an Profil
gewinnen. Da wäre etwa Anotsus aufopferungsvolle Freundin Makie
(Erika Toda, "Death Note"), aber auch der beständig Black Sabbath-Liedtexte zitierende
(zumindest ist das in den Mangas so – mangels Black Sabbath-Kenntnis kann ich
es für den Film nicht verfizieren, gehe aber davon aus, daß dieses
außergewöhnliche Merkmal beibehalten wurde), von Brandwunden entstellte Sabato
(Kazuki Kitamura, "Azumi") sowie der geheimnisvolle Eiku (Ebizô Ichikawa) – eine
schillernde, eindrucksvolle Riege, die sich Manji entgegenstellt. Um
die Sache weiter zu verkomplizieren, sind noch der weißhaarige Wüterich
Shira (Hayato Ichihara) und seine beiden Kameraden Hyakurin (Chiaki Kuriyama, "Kill Bill
Vol. 1") und Giichi (Yuichiro Otaka) mit im Spiel,
alle Mitglieder der Mugai-ryu – einer Gruppierung zum Tode
Verurteilter, die begnadigt werden, wenn sie als Söldner/Auftragskiller
arbeiten. Welche Rolle genau die in der Geschichte einnehmen, bleibt lange Zeit
unklar, was es umso spannender macht – ziemlich undurchschaubar präsentiert
sich ebenfalls Kagimura (Min Tanaka, "47 Ronin"), der erfahrene Anführer der Samurai des
Shogun und in dieser Funktion der Vertreter der Staatsmacht. Wie gesagt, das
Figurenensemble von "Blade of the Immortal" ist ein höchst illustres
und wie so oft in asiatischen Filmen auch ein sehr komplexes, bei dem westliche
Zuschauer vermutlich nicht immer komplett den Überblick behalten – aber wenn man sich
konzentriert, ist es auch für primär an einheimische Kinokost oder
Hollywood-Filme gewöhnte Zuschauer nicht zu schwierig und trägt definitiv zu
Spannung, Emotionalität und Intensität der Geschichte bei.
Im Vergleich zu vielen früheren Miike-Filmen hat er für
"Blade of the Immortal" sogar ein recht ordentliches Budget zur
Verfügung gestellt bekommen, auch wenn die umgerechnet knapp $10 Mio. in
Hollywood natürlich ein Witz wären. So können aufmerksame Beobachter durchaus
erkennen, daß Miike mitunter sparen mußte – nun gut, daß Manji immer wieder die
gleichen Statisten tötet, kann man angesichts der höchst temporeichen
Schnetzeleien wohl nur bei genauer Analyse der Standbilder nachweisen. Aber die
Wackelkamera im ansonsten stilvollen Schwarzweiß-Prolog fällt naturgemäß deutlich auf – zumal es keine erkennbare filmtechnische
oder erzählerische Notwendigkeit für ihren Einsatz gibt (anders als etwa bei
den Jason Bourne-Filmen, die in dieser Hinsicht ja ein Vorreiter waren). Die mal
von traditionellen japanischen, mal von deutlich rockigeren Klängen untermalten
Kampfszenen, die einen beachtlichen Teil der fast zweieinhalbstündigen
Laufzeit einnehmen, sind derweil vergleichsweise
realistisch gehalten (auch wenn das komisch klingen mag angesichts der Tatsache,
daß sowohl Manji als auch sein Widersacher Anotsu gerne mal im Alleingang
Dutzende Gegner auf einmal besiegen). Das bedeutet aber auch, daß sie zwar sehr kompetent, aber nicht allzu aufregend choreographiert sind. Akrobatische Wuxia-Kämpfe á la
"Tiger & Dragon" darf man daher nicht erwarten, eher traditionelle
Samurai-Kämpfe, wie man sie etwa aus Akira Kurosawas Werken kennt – hier
allerdings in einer ungleich blutigeren und in Höchsttempo ausgeführten
Variation und als Teil genau ausgetüftelter Bildkompositionen. Damit das nicht
auf Dauer langweilig wird, flicht Miike immer wieder schwarzen Humor sowohl in
die Dialoge als auch in die Kämpfe ein (mitunter fühlt man sich an den Kampf gegen den Schwarzen Ritter in Monty Pythons "Die Ritter der
Kokosnuß" erinnert …). Erfreulicherweise entwickelt sich zudem die Handlung
interessanter und unvorhersehbarer, als man das angesichts der im Kern banalen
Rache-Prämisse vermuten würde – da ist natürlich das bereits ausgiebig gelobte
starke Figurenensemble ausgesprochen hilfreich, die umfangreiche
Manga-Vorlage wird Drehbuch-Autor Oishi auch genügend Material zum Arbeiten inklusive
spannender moralischer Fragestellungen an die Hand gegeben haben. Bei allem Lob
muß ich allerdings konstatieren, daß man speziell die Gemetzel trotzdem hätte
etwas kürzer halten können, denn bei allem Bemühen um Abwechslung wirken die
endlosen Kampfhandlungen irgendwann doch ein wenig ermüdend. Das legt sich allerdings spätestens mit
dem wunderbaren, rockigen Abspannsong "Live to Die Another Day", geschrieben
und vorgetragen von dem bekannten Gitarristen Miyavi – westlichen Cineasten
vermutlich eher als sadistischer Antagonist in Angelina Jolies
Kriegsgefangenendrama "Unbroken" bekannt!
Fazit: "Blade of the Immortal" ist eine
adrenalingeladene Mangaadaption, die fast zweieinhalb Stunden glänzend gefilmte Over
the Top-Samurai-Action, ein schillerndes Figurensensemble, schwarzen Humor und eine erfreulich
gut durchdachte Story bietet, für seine Länge aber etwas zu wenig
Abwechslung bietet.
Wertung: 8 Punkte.
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