Selten in den letzten Jahren war eine Awards Season hinsichtlich des "Bester Film"-Gewinners so spannend und so volatil wie diesmal. Von den beiden ursprünglichen Topfavoriten scheint Spielbergs "Die Verlegerin" mittlerweile chancenlos, während Christopher Nolans "Dunkirk" von zwei bis drei Filmen überholt und in einen Mitfavoritenstatus zurückgedrängt wurde. Auf der anderen Seite schien Guillermo del Toros "Shape of Water" zu Beginn der Awards Season trotz Top-Kritiken überraschend chancenlos, hat in den letzten Wochen aber kräftig aufgeholt und balgt sich nun wahrscheinlich mit Greta Gerwigs "Lady Bird" und Martin McDonaghs "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" um den größten Preis der Saison. Womit wir auch schon bei den Critics' Choice Awards wären, die gestern verliehen wurden:
Bester Film: "Shape of Water"
Schauspieler: Gary Oldman, "Die dunkelste Stunde"
Schauspielerin: Frances McDormand, "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"
Nebendarsteller: Sam Rockwell, "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"
Nebendarstellerin: Allison Janney, "I, Tonya"
Ensemble: "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"
Regie: Guillermo del Toro, "Shape of Water"
Originaldrehbuch: Jordan Peele, "Get Out"
Adaptiertes Drehbuch: James Ivory, "Call Me by Your Name"
Kamera: Roger Deakins, "Blade Runner 2049"
Ausstattung: "Shape of Water"
Schnitt: "Baby Driver" und "Dunkirk"
Kostüme: "Der seidene Faden"
Makeup: "Die dunkelste Stunde"
Visuelle Effekte: "Planet der Affen: Survival"
Musik: Alexandre Desplat, "Shape of Water"
Filmsong: "Remember Me" aus "Coco"
Animationsfilm: "Coco"
Fremdsprachiger Film: "Aus dem Nichts", Deutschland
"Shape of Water" mit vier und "Three Billboards ..." mit drei Preisen sind hier also die großen Gewinner, während "Lady Bird" und erneut "Die Verlegerin" (trotz jeweils acht Nominierungen) komplett leer ausgehen. Während "Bester Film" wie gesagt weiterhin offen bleibt, scheinen sich die ersten Anwärter in den meisten anderen Kategorien dagegen zu verfestigen. So ist es gut möglich, daß die OSCAR-Gewinner viele Gemeinsamkeiten mit denen der Critics' Choice Awards haben werden. Am sichersten scheint das bei "Coco" und inzwischen eigentlich allen vier Schauspielkategorien (Janney hat sich zuletzt meist gegen ihre anfängliche Hauptrivalin Laurie Metcalf aus "Lady Bird" durchgesetzt), bei den Drehbüchern und in den technischen Kategorien gab es auch jedenfalls keinen einzigen echten Überraschungserfolg - wobei ich "Get Out" nicht wirklich als OSCAR-Sieger sehe. Am ehesten fraglich dürfte der Triumph von Fatih Akins von den Kritikern ziemlich kontrovers aufgenommenem Terrorismusdrama "Aus dem Nichts" sein, dem es in gewisser Weise ähnlich ergeht wie "Shape of Water": Zu Beginn der Awards Saison ein "naja, könnte nominiert werden"-Kandidat, inzwischen theoretisch Topfavorit dank der prestigeträchtigen Siege bei Golden Globes und nun Critics' Choice Awards. Nur, daß "Shape of Water" weit bessere Kritiken hat, was mich bezüglich Akins OSCAR-Siegchancen skeptisch bleiben läßt.
Den Abstieg von "Die Verlegerin" untermauern derweil auch die ebenfalls gestern verkündeten Nominierungen für die von der Regisseurs-Gewerkschaft vergebenen DGA Awards - da fehlt der Name von Steven Spielberg nämlich. Stattdessen wurden nominiert:
- Guillermo del Toro, "Shape of Water"
- Greta Gerwig, "Lady Bird"
- Martin McDonagh, "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"
- Christopher Nolan, "Dunkirk"
- Jordan Peele, "Get Out"
Während Spielberg sich von seinen OSCAR-Hoffnungen also wohl langsam verabschieden kann (er hat ja eigentlich auch schon genügend), sind die Nominierungen sehr wichtig für die leichten Wackelkandidaten Nolan, Gerwig und Peele. Nolan kann so den Abwärtstrend von "Dunkirk" ein Stück weit stoppen, während Gerwig und Peele ihre Nicht-Nominierungen bei den Golden Globes kompensieren. Im Normalfall ist eine DGA-Nennung ein gutes Zeichen für eine spätere OSCAR-Nominierung (immerhin gibt es deutliche Überschneidungen bei den Abstimmenden), allerdings ist es für Nolan bereits die vierte DGA-Nennung und er wartet immer noch auf seine erste OSCAR-Nominierung! Peele und speziell Gerwig haben schon deshalb gute Aussichten, weil die Academy nach den Diskussionen der letzten Jahre um zu weiße und zu männliche Nominierungen vermutlich bewußt auf mehr Diversität setzen wird - und sowohl "Get Out" als auch "Lady Bird" haben wahrlich gut genug bei Kritikern und Publikum abgeschnitten, um nicht als bloße Alibi-Nennungen abqualifiziert zu werden. Fun fact: Es ist das erste Mal, daß kein einziger weißer amerikanischer Mann bei den DGA Awards nominiert wurde (Nolan ist Brite, McDonagh Ire)! Peele muß meines Erachtens am meisten um seinen Platz zittern, für den (oder den von Nolan, sollte er doch wieder übergangen werden) gibt es mit Luca Guadagnino ("Call Me by Your Name"), Denis Villeneuve ("Blade Runner 2049"), Paul Thomas Anderson ("Der seidene Faden") und immer noch Spielberg etliche starke Konkurrenten.
Quellen:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen