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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 5. Oktober 2017

KINGSMAN: THE GOLDEN CIRCLE (2017)

Regie: Matthew Vaughn, Drehbuch: Jane Goldman, Matthew Vaughn, Musik: Henry Jackman und Matthew Margeson
Darsteller: Taron Egerton, Mark Strong, Julianne Moore, Colin Firth, Edward Holcroft, Hanna Alström, Jeff Bridges, Pedro Pascal, Halle Berry, Channing Tatum, Colin Firth, Emily Watson, Bruce Greenwood, Sophie Cookson, Keith Allen, Tom Benedict Knight, Tobi Bakare, Thomas Turgoose, Calvin Demba, Poppy Delevingne, Björn Granath, Lena Endre, Samantha Womack, Mark Arnold, Sir Elton John
 Kingsman: The Golden Circle
(2017) on IMDb Rotten Tomatoes: 52% (5,4); weltweites Einspielergebnis: $410,9 Mio.
FSK: 16, Dauer: 141 Minuten.

Ein Jahr nach dem blutigen Ende des größenwahnsinnigen Richmond Valentine durch die als "Kingsmen" bekannten britischen Geheimagenten hat sich alles wieder beruhigt. Eggsy Unwin (Taron Egerton, "Eddie the Eagle") ist unter dem Decknamen Galahad inzwischen selbst ein etablierter Kingsman, der dem neuen Geheimdienstchef Arthur (Sir Michael Gambon, "Open Range") untersteht und eine sehr glückliche Beziehung mit der schwedischen Prinzessin Tilde (Hanna Alström, TV-Serie "Real Humans") führt. Doch eines Abends steht unerwartet jemand Totgeglaubtes vor ihm: Der ehemalige Kingsman-Rekrut Charlie Hesketh (Edward Holcroft, TV-Serie "Wölfe") will seinen alten Konkurrenten Eggsy mit der Hilfe etlicher Schergen entführen! Der entkommt, doch andere Kingsmen haben weniger Glück. Daher machen sich Eggsy und Merlin (Mark Strong, "The Imitation Game") auf den Weg in die USA, wo sie Hilfe von ihren amerikanischen Pendants erhalten, den von Champagne (Jeff Bridges, "True Grit") angeführten Statesmen. Es stellt sich heraus, daß der Anschlag auf die Kingsmen von der Dragonbaronin Poppy (Julianne Moore, "A Single Man") angeordnet wurde, die mit ihrer Organisation namens "The Golden Circle" einen perfiden Plan verfolgt, der die Welt für immer verändern soll …

Kritik:
"Kingsman: The Secret Service" war eine der größten und auch positivsten Überraschungen des Kinojahres 2014. Der britische Filmemacher Matthew Vaughn, der bis hierhin einen nahezu makellosen Lebenslauf als Regisseur vorweisen konnte ("Layer Cake", "Der Sternwanderer", "Kick-Ass", "X-Men: Erste Entscheidung") schuf mit der ziemlich freien Adaption einer Graphic Novel von "Kick-Ass"- und "Wanted"-Autor Mark Millar eine furiose, aberwitzige Actionkomödie, die eine exzellente James Bond-Parodie abgab, aber mit vielen guten Ideen und interessanten Figuren sehr wohl auch auf eigenen Beinen stehen konnte. Da in diesem Fall glücklicherweise Qualität mit kommerziellem Erfolg einherging ("The Secret Service" spielte bei einem Budget von gut $80 Mio. global mehr als $400 Mio. ein!), stand schnell fest, daß es eine Fortsetzung geben sollte. Und da hierfür sogar Vaughn erstmals für einen zweiten Film innerhalb einer Reihe zurückkehrte, waren die Chancen gut, daß auch "Kingsman: The Golden Circle" ein Hit werden würde. Nun, in finanzieller Hinsicht trifft das durchaus zu, qualitativ kann dieses Sequel jedoch bedauerlicherweise nicht ganz an den Vorgänger anknüpfen. Das soll nicht heißen, daß "The Golden Circle" schlecht wäre. Nein, Vaughn und seiner Co-Autorin Jane Goldman ("Die Frau in Schwarz") ist erneut eine unterhaltsame Actionkomödie gelungen, deren zentraler Plot meines Erachtens sogar besser ist als in "The Secret Service" – nur leider mangelt es an neuen Ideen, zudem kommen die meisten der allzu vielen neu eingeführten Charaktere zu kurz und einige eher überflüssige Nebenhandlungsstränge sorgen dafür, daß "The Golden Circle" mit seinen 140 Minuten Laufzeit unnötig aufgebläht wirkt.

Dabei beginnt alles so vielversprechend: Mit der grandios choreographierten und immersiv, aber nie unübersichtlich gefilmten Auto-Hetzjagd durch London von Eggsy und Charlie präsentiert "The Golden Circle" einen Actionhöhepunkt gleich zu Beginn, der mit atemberaubenden Stunts und überraschenden Volten begeistert. Auch die anschließende erste Ruhephase funktioniert exzellent, denn es ist eine schöne Überraschung, daß für Eggsy seine weibliche Eroberung vom Ende von "The Secret Service" keineswegs wie bei den allermeisten James Bond-Filmen nur ein One-Night-Stand war, der im nächsten Film längst wieder vergessen ist. Nein, Eggsy und Prinzessin Tilde sind ein tolles Paar, dem allerdings mit Eggsys erstem Treffen mit ihren Eltern – also dem schwedischen Königspaar! – eine größere Belastungsprobe bevorsteht. Und schließlich ist Vaughn eine vielversprechende Einführung des neuen Bösewichts gelungen. Wo im Vorgänger Samuel L. Jackson den exzentrischen Richmond Valentine als bloße (wenngleich sehr unterhaltsame) Karikatur verkörperte, gibt Julianne Moore ihrer Drogenbaronin einen ganz anderen Spin. Poppy ist hochgradig sadistisch und hat ein Faible für die 1950er Jahre, Robotik, Elton John (den sie kurzerhand für ihr Privatvergnügen entführen ließ) und miese Wortspiele. Eine gewagte Kombination, die dank Moores Spielfreude hervorragend funktioniert und Poppy zu einer denkwürdigen Antagonistin macht – die allerdings für meinen Geschmack etwas zu wenig Szenen bekommen hat.

Leider geht es mit "Kingsman: The Golden Circle" ab der Ankunft in den USA (und damit dem zweiten von drei Akten) bergab – nicht steil, nicht einmal durchgehend, aber im Trend doch unübersehbar. So hochkarätig beispielsweise die Statesmen besetzt sind, so blaß bleiben sie erstaunlicherweise. Gerade Jeff Bridges und Channing Tatum (der kurioserweise nach "Logan Lucky" im zweiten Film nacheinander agiert, in dem John Denvers Song "Country Roads" eine Rolle spielt) haben deutlich kleinere Rollen als man vermuten würde, für Halle Berry ("Cloud Atlas") – die das Pendant zu Mark Strongs Merlin spielt und mit ihm die meisten Szenen hat – sieht es zumindest etwas besser aus. Ausgerechnet jener Statesman, dessen Darsteller der am wenigsten bekannte ist, darf als einziger so etwas wie Profil entwickeln: Whiskey, gespielt von Pedro Pascal (unter "Game of Thrones"-Fans unvergessen als Oberyn Martell). Allerdings beeindruckt auch er vor allem durch seine Kampfkünste, denn abgesehen von der ausführlich gelobten Eingangssequenz in London sind Whiskeys temporeiche Kämpfe mit (Elektro-)Lasso und Peitsche zweifellos das Action-Nonplusultra in "The Golden Circle". Ganz im Gegenteil zu den relativ kurz kommenden Statesmen spielt übrigens Sir Elton John eine überraschend große Rolle; er sorgt als Poppys Haustier wider Willen mit seinem störrischen, selten auf den Mund gefallenen Verhalten für etliche Lacher und spielt sogar im Showdown eine nicht unwichtige Rolle. Womit wir wieder bei Poppy wären: Deren Plan ist im Vergleich zu dem von Valentine in "The Secret Service" bei genauerer Betrachtung auch nicht viel weniger größenwahnsinnig, kommt dabei aber deutlich geerdeter daher und hat auch eine überzeugendere, glaubwürdigere Argumentation und Motivation zu bieten. Das bleibt zwar letztlich alles Mittel zum Zweck und wird sehr oberflächlich thematisiert (was etliche Logikfehler zur Folge hat, wenn man genauer darüber nachdenkt), ist im Kern aber trotzdem ziemlich clever – und bringt auch noch den US-Präsidenten (verkörpert von Bruce Greenwood, der übrigens in "Thirteen Days" schon mal als Präsident John F. Kennedy zu sehen war und in "Das Vermächtnis des geheimen Buches" als fiktiver Präsident) ins Spiel, der in seiner Skrupellosigkeit selbst einen Donald Trump beinahe – aber nur beinahe! – schon wieder harmlos aussehen läßt.

Das größte Manko von "Kingsman: The Golden Circle" ist sein Mangel an Originalität. Vieles ist für sich genommen nicht schlechter als im Vorgänger, nur kennt man den Stil inzwischen eben schon. Dazu greift Vaughn auch noch auf einige bewußte Wiederholungen zurück, wenn beispielsweise die ikonische Barszene des ersten Teils diesmal mit Whiskey in der Hauptrolle "nachgespielt" wird oder Poppys mit einem Roboterarm ausgestattete rechte Hand Charlie wie eine gar nicht schlechte, aber doch etwas blassere Kopie von Sofia Boutellas messerscharfer Kampfmaschine Gazelle eingesetzt wird. Nimmt man dann noch einen allzu vorhersehbaren Todesfall dazu und einen Showdown, der bei weitem nicht an die Brillanz des "The Secret Service"-Finals anknüpfen kann (aber trotzdem rasant und unterhaltsam in Szene gesetzt ist), dann stellt sich doch eine gewisse Ernüchterung angesichts dieser Ideenarmut ein. Zumal es auch noch zwei Handlungsstränge gibt, die die Handlung zwischenzeitlich etwas ausbremnsen: eine Beziehungskrise zwischen Eggsy und Tilde und die Amnesie von Harry Hart (Colin Firth, "Dame, König, As, Spion"). Oh, das hatte ich ja noch gar nicht erwähnt: Eggsys in "The Secret Service" denkwürdig abgetretener Mentor ist zurück, was ich verraten darf, da das gesamte PR-Material zum Film bereits keinen Hehl daraus gemacht hatte. Harrys Rückkehr von den Toten wird sogar halbwegs sinnvoll erklärt trotzdem nervt es einfach, daß er im gesamten zweiten Filmdrittel an Gedächtnisschwund leidet und seine Freunde versuchen, ihn irgendwie an seine wahre Identität zu erinnern. Grundsätzlich sind diese Versuche zwar nicht schlecht gemacht, aber mir erschließt sich einfach nicht der Sinn einer Storyline, deren Ausgang man haargenau kennt – zumal auf diese Weise nur noch eine große Kampfszene übrigbleibt, in der Colin Firth in der coolsten Rolle seiner Karriere glänzen kann. Was für eine Verschwendung! Spaßig sind dagegen erneut die diversen parodistischen Genreanspielungen, darunter ein Ausflug zu einem auf einem Berggipfel gelegenen Labor, in dem man nur darauf wartet, daß Ernst Stavro Blofeld durch die Tür tritt …

Kurios ist übrigens, daß wie in einer anderen James Bond-Parodie, "Johnny English – Jetzt erst recht!" mit Rowan Atkinson, der Cameo-Hit "Word Up!" im Finale eine Rolle spielt, wenn auch hier in einer amerikanisierten Coverversion von der deutschen Band The BossHoss (!) – ob das nun Zufall ist oder eine bewußte Anspielung auf "Johnny English", das wissen wohl nur die Filmemacher; ich fand es jedenfalls witzig. Matthew Vaughn und Jane Goldman haben derweil bereits einen dritten "Kingsman"-Teil angedeutet, der laut Hauptdarsteller Taron Egerton wohl als Trilogieabschluß dienen soll. Die Einspielergebnisse sollten dem jedenfalls nicht im Wege stehen, auch wenn "The Golden Circle" in den USA ein wenig hinter dem Einspielergebnis von "The Secret Service" zurückbleibt. Entscheidend wäre natürlich, daß Vaughn und Goldman wieder bessere Einfälle haben, ohne die Stärken der Reihe zu vernachlässigen. Denn das muß schon festgehalten werden: "Kingsman: The Golden Circle" ist Vaughns bislang schwächster Film.

Fazit: "Kingsman: The Golden Circle" ist eine Actionkomödie, die mit tollen Actionsequenzen und viel Humor punktet, im Vergleich zum noch deutlich besseren Vorgänger aber neue Ideen vermissen läßt und einige überflüssige Handlungsstränge verfolgt.

Wertung: 7 Punkte.


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