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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 4. Oktober 2017

68 KILL (2017)

Regie und Drehbuch: Trent Haaga, Musik: James Griffiths und Haim Frank Ilfman
Darsteller: Matthew Gray Gubler, AnnaLynne McCord, Alisha Boe, Sheila Vand, Sam Eidson, Eric Podnar, David Maldonado, James Moses Black, Michael Beasley, Hallie Grace Bradley, Ajay Mehta, Lucy Faust, Peter Jaymes Jr.
68 Kill
(2017) on IMDb Rotten Tomatoes: 67% (6,4); weltweites Einspielergebnis: $0,1 Mio.
FSK: 18, Dauer: 96 Minuten.
"Ich habe bestimmt viele Probleme, aber meine Beziehung gehört nicht dazu!" Als der bei der städtischen Straßenreinigung tätige Chip (Matthew Gray Gubler, "(500) Days of Summer", TV-Serie "Criminal Minds") diesen Satz einem Arbeitskollegen gegenüber kundtut, ahnt er noch nicht, daß seine Freundin, das Callgirl Liza (AnnaLynne McCord, "Excision"), ihn kurz darauf drängen wird, mit ihr einen ihrer Kunden auszurauben, der $68.000 in einem Safe in seinem Haus aufbewahrt. Da Chip natürlich nicht übermäßig glücklich darüber ist, daß seine schöne Freundin ihr Geld mit Sex mit anderen Männern verdient, willigt er schließlich ein. Doch wenig überraschend verläuft der Einbruch nicht ganz so problemlos wie von Liza versprochen – und so endet der Raubzug mit einer gefesselten und geknebelten jungen Frau namens Violet (Alisha Boe aus der Netflix-Serie "Tote Mädchen lügen nicht") im Kofferraum. Als Liza Violet an ihren schmierigen großen Bruder Dwayne (Sam Eidson) verkaufen will – sinnige Rechtfertigung: Es wäre nicht das erste Mal! – wird Chip endlich klar, daß er diese Beziehung schnellstmöglich beenden sollte. Doch Liza erweist sich als ausgesprochen anhänglich …

Kritik:
Der Amerikaner Trent Haaga hat sich unter Genrefreunden einen Namen gemacht als Autor der rabenschwarzen Indie-Perle "Cheap Thrills" aus dem Jahr 2013 – daß er kein One-Hit-Wonder ist, beweist er mit seiner zweiten Regiearbeit "68 Kill", einer (auf Grundlage eines Romans von Bryan Smith) gleichfalls von ihm geschriebenen und wunderbar durchgeknallten White Trash-Actionkomödie. Wer Wert legt auf Logik und Glaubwürdigkeit, sollte um "68 Kill" einen großen Bogen machen, denn Trent Haaga lädt uns ein in eine Welt voll von weitestgehend moral- und vernunftfreien Irren, die ihren Emotionen hemmungslos nachgeben. Für das Publikum ist das angesichts eines über weite Strecken rasend hohen Tempos, etlicher verrückter Wendungen und herrlich schräger Charaktere ein großer Spaß – zumindest, solange man kein Problem mit dem reichlich brutalen Vorgehen unserer "Helden" hat, das jedoch wie die gesamte Handlung dermaßen übertrieben in Szene gesetzt ist, daß man es nur bedingt ernst nehmen kann (was vermutlich auch der Grund dafür ist, daß die FSK "68 Kill" ungekürzt durchgewunken hat).

Im Grunde genommen ist "68 Kill" eine sehr schräge Coming of Age-Story mit ungewöhnlicher Geschlechterverteilung, denn der naive Protagonist Chip ist zwar erwachsen, verhält sich aber nicht so. Stattdessen läßt sich Chip vor allem von den (allesamt ebenso selbstbewußten wie schönen) Frauen in seinem Leben nahezu willenlos herumkommandieren, was einen vorläufigen Höhepunkt in dem gemeinsamen Einbruch bei Lizas schmierigem Kunden findet. Mit diesem Überfall, der selbstredend komplett aus dem Ruder läuft und dem schockierten Chip endlich die Augen öffnet, nimmt die Handlung richtig Fahrt auf und hetzt uns von einer haarsträubenden Enthüllung zur nächsten, wobei es hier ironischerweise Chip ist, der (mit ein wenig Hilfe) erst lernen muß, sich zu emanzipieren und selbst die Verantwortung für sein Leben und seine Taten zu übernehmen. "Criminal Minds"-Star Matthew Gray Gubler ist als Chip eine hervorragende Identifikationsfigur für das Publikum, da dieser fast der einzige halbwegs Normale in einem Film voller derangierter Loser-Gestalten ist und in seiner töffeligen, wenig heroischen Art zumindest versucht, in einer Welt voller Verrückter noch irgendwie Vernunft walten zu lassen. Außerdem gibt es wenige Schauspieler, die so überzeugend wie Gubler alle möglichen Nuancen völliger Fassungslosigkeit ausspielen können, was ob der zahlreichen, körperlich wie geistig immer brutaleren Volten, die das Leben Chip innerhalb so kurzer Zeit spielt, auch dringend vonnöten ist! Generell zeigt Gubler, was er kann, wobei er von besagter ungläubiger Fassungslosigkeit immer wieder zu Schock, Schmerz, Traurigkeit und Entsetzen wechselt, die irgendwann aber in aufkeimende Wut übergehen und etwas überraschend zu einem eisernen Überlebenswillen, der Chip tatsächlich selbstbewußter agieren läßt.

Als kongeniale Partnerin (in crime) für Gubler erweist sich AnnaLynne McCord. Die ehemalige Soap-Darstellerin ("90210", "Dallas") hat in den letzten Jahren mehrfach ihr Faible für geistig nicht wirklich gesunde Figuren bewiesen ("Excision", TV-Serie "Nip/Tuck"), und als obsessive Soziopathin Liza kann sie sich wieder einmal so richtig austoben – es ist schon beeindruckend (bis besorgniserregend), wie leicht es McCord augenscheinlich fällt, puren Wahnsinn aus ihren Augen blitzen zu lassen … Wobei sie damit in "68 Kill" bei weitem nicht alleine ist, denn auch Entführungsopfer Violet und ganz besonders die relativ spät, dann aber umso nachdrücklicher zum Zug kommende Goth-Göre Monica (auch stark gespielt von Sheila Vand, der formidablen Titeldarstellerin aus "A Girl Walks Home Alone at Night") qualifizieren sich nicht zwangsläufig als Postergirls für rationales Handeln. Natürlich kann man sich als Zuschauer recht früh recht genau ausmalen, worauf die Story hinausläuft, aber das hat zumindest mich fast überhaupt nicht gestört – denn das unausweichliche finale Aufeinandertreffen der ganzen Irren (mit Lizas experimentierfreudigem großen Bruder Dwayne als unumstrittener Krönung) hat Trent Haaga dermaßen aberwitzig, blutig und rabenschwarz in Szene gesetzt, daß es eine wahre Freude ist! Zugegeben, "68 Kill" dürfte ein Film sein, der primär bei der Erstsichtung und da am besten mit einem genreaffinen Publikum funktioniert (ich sah ihn beim Fantasy Filmfest), aber diese Erstsichtung hat es dafür wahrlich in sich.

Fazit: "68 Kill" ist eine herrlich überdrehte und kompromißlose Exploitation-Actionkomödie für Erwachsene mit einem Füllhorn durchgeknallter Figuren und aberwitziger Wendungen jenseits jeder Logik und Glaubwürdigkeit – nachhaltig ist das nicht, es macht aber für 90 Minuten einen Heidenspaß!

Wertung: 8,5 Punkte.


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