Regie: Gary
Shore, Drehbuch: Matt Sazama und Burk Sharpless, Musik: Ramin Djawadi
Darsteller:
Luke Evans, Sarah Gadon, Dominic Cooper, Charles Dance, Diarmaid
Murtagh, Art Parkinson, Paul Kaye, Noah Huntley, William Houston, Ronan Vibert, Ferdinand Kingsley, Zach McGowan
Einst wurde Vlad Tepes (Luke Evans, "Der Hobbit – Smaugs Einöde") als eines von 1000 transsilvanischen Kindern als Tribut
dem türkischen Sultan übergeben, der sie konsequent zu furchterregenden Kriegern ausbilden
ließ. Als Erwachsener kehrte Vlad in seine Heimat zurück, um sein Erbrecht als
Fürst in Anspruch zu nehmen. Er wurde ein guter, gerechter Herrscher, doch als
der die Eroberung Europas planende neue Sultan Mehmet II. (Dominic Cooper, "An Education")
zusätzlich zu den bisherigen, umfangreichen Tributzahlungen von seinem
einstigen Krieger und Freund fordert, ihm erneut 1000 Kinder zu schicken –
darunter seinen eigenen Sohn Ingeras (Art Parkinson, TV-Serie "Game of Thrones") –, weigert sich dieser. Denn vor Ingeras' Geburt hatte er seiner besorgten Frau Mirena (Sarah Gadon, "Eine dunkle Begierde") versprochen, daß ihr Sohn
nicht das Gleiche würde durchmachen müssen wie Vlad selbst. Der Sultan kann und
will diesen Affront nicht hinnehmen und befiehlt seinen Soldaten umgehend die Eroberung
Transsilvaniens. Angesichts der nicht nur numerisch vielfach überlegenen Truppen Mehmets sieht Vlad nur einen Ausweg: einen Pakt mit einer uralten
Kreatur (Charles Dance, "Scoop"), die in den Bergen haust und auf deren Höhle er durch einen Zufall kürzlich gestoßen ist. Tatsächlich erklärt sich der Urvampir – denn um
nichts anderes handelt es sich dabei – bereit, Vlad für drei Tage seine
übermenschlichen Kräfte zu überlassen. Doch sollte Vlad innerhalb dieser drei
Tage dem mit dem Pakt einhergehenden unermeßlichen Durst nach menschlichem Blut
nachgeben, dann wird er für alle Zeiten zum Vampir werden und seinem Erschaffer
gehorchen müssen …
Kritik:
In den 1930er Jahren machte das Filmstudio Universal das
Horrorgenre salonfähig. Natürlich gab es auch vorher schon bemerkenswerte
Grusel- oder Horrorfilme, vor allem in Europa und hier speziell in Deutschland,
wo expressionistische, stilvollendete Werke wie F.W. Murnaus "Nosferatu,
eine Symphonie des Grauens" oder Paul Wegener und Carl Boeses "Der
Golem, wie er in die Welt kam" für viel Aufsehen sorgten. Doch bereit für
den weltweiten Mainstream machte das Genre erst Universals Film-Reihe mit den
Speerspitzen "Dracula" mit Bela Lugosi, "Frankenstein" mit
Boris Karloff, "Der Wolfsmensch" mit Lon Chaney, Jr. und "Die
Mumie" wiederum mit Karloff. Derzeit versucht Universal diese Ära mit
neuen Geschichten rund um die legendären Kreaturen der Nacht wiederaufleben zu
lassen. Nachdem die letzten beiden Versuche (Stephen Sommers' "Van
Helsing" von 2004 und Joe Johnstons "The Wolfman" aus dem Jahr
2010) weder qualitativ noch kommerziell überzeugen konnten, startet das Studio
nun ein ambitioniertes Projekt, das unter dem Oberbegriff "Monster's
Universe" dem Erfolgsrezept von Marvels "Cinematic Universe" rund um die "Avengers" folgt. Beginnend
mit "Dracula Untold" soll eine ganze Reihe inhaltlich miteinander verbundener
neuer Projekte in die Kinos kommen; als zweiter Film ist bereits eine neue "Mumie" unter der Regie von "Star Trek"-Co-Autor und -Produzent Alex Kurtzman
für einen Kinostart 2016 in Vorbereitung. Der Auftakt zu diesem Vorhaben gelingt gar nicht so schlecht: Zwar ist es höchst unwahrscheinlich, daß "Dracula
Untold" in 80 Jahren auch nur annähernd einen solchen Status haben wird es
heutzutage auf die genannten Universal-Klassiker zutrifft – aber gute,
kurzweilige Unterhaltung ohne Tiefgang bietet das eineinhalbstündige Abenteuer
des irischen Werbefilmers Gary Shore in seinem Spielfilm-Debüt allemal. Und
genügend Steigerungspotential für die folgenden Werke des "Monster's
Universe" gibt es auch …
Da ich nur wenige Tage zuvor Brett Ratners
"Hercules" gesehen und (nicht allzu euphorisch) rezensiert habe, liegt ein
Vergleich dieser in ferner Vergangenheit spielenden Fantasyfilme nahe.
Und den gewinnt "Dracula Untold" (man hätte ihn auch "Dracula Begins" nennen können) ziemlich locker. Dabei ist Shores
Film keineswegs frei von Schwächen. Vor allem hinsichtlich der Nebenfiguren
schneidet die Dracula-Vorgeschichte sogar deutlich schlechter als
"Hercules" ab, denn sie spielen hier fast überhaupt keine Rolle. Das ist insoweit verschmerzbar, als Shore sich nun einmal offensichtlich dafür entschieden
hat, sich ganz auf seine ikonische Titelfigur und ihre Familie zu konzentrieren.
Und da der Australier Luke Evans den "Prä-Dracula" sehr charismatisch
verkörpert und keinerlei Probleme hat, das ganze Gewicht des Films auf seinen
Schultern zu tragen, funktioniert das ziemlich gut. Obwohl Sarah Gadon als
Vlads Gattin Mirena nicht übermäßig viel zu tun bekommt, gelingt es dem Film
doch, dem Publikum ein Gespür für das enge Band zwischen ihr und ihrem Ehemann (und
natürlich dem gemeinsamen Sohn) zu vermitteln. Auf diese Weise wird der
zukünftige Dracula ein wenig vom Sockel der unberührbaren Kultfigur
heruntergeholt und erhält wohltuende menschliche Züge; auch seine Zerrissenheit
zwischen der als Kindersoldat antrainierten Grausamkeit und Gefühllosigkeit im
Kampf auf der einen Seite und seinem Verantwortungsbewußtsein für sein Volk sowie
der Liebe zu seiner Familie wird nachvollziehbar geschildert.
Doch hundertprozentig reicht das dann doch nicht aus.
Speziell zwei Nebenfiguren hätte man intensiver ergründen sollen: Sultan Mehmet
II. und den Urvampir. Ein Film dieser Art lebt ganz einfach davon, daß er nicht nur einen
überzeugenden Protagonisten präsentiert, sondern auch einen einigermaßen
gleichwertigen Gegenspieler. Bereits bei Ratners "Hercules" habe ich dessen
Fehlen bemängelt, bei "Dracula Untold" sieht es ähnlich aus. Dabei
hat der Sultan vor allem dank Dominic Coopers gelungen bedrohlicher Darstellung
durchaus das Zeug dazu; das offenbart der Film jedoch erst im Showdown –
und das ist dann doch etwas spät. Um Mehmet wirklich als Bedrohung für Vlad/Dracula wahrnehmen zu können, hätte er bereits früher Kontur gewinnen
müssen, doch das war in seinen wenigen Szenen kaum möglich. Umgekehrt sieht es
beim Urvampir aus. Der hat seinen großen Auftritt relativ früh im Film und
brennt sich dank Charles Dances elegant-mystischer Interpretation ins
Gedächtnis. Daß der hochgewachsene Brite, der so ziemlich jeder Rolle
spielerisch aristokratische Würde verleihen kann, sich dabei deutlich an Max
Schrecks legendärer "Nosferatu"-Darstellung orientiert (was
zusätzlich durch die Maske verstärkt wird), unterstreicht das noch und erfreut
das Herz des Cineasten. Auch die Drehbuch-Autoren sind in dieser Sequenz zu
relativer Hochform aufgelaufen und verhelfen den philosophisch angehauchten Verhandlungen zwischen Vlad und der Kreatur zu einer angenehm gruseligen
Atmosphäre. Zu schade, daß der Urvampir nach diesem beeindruckenden Auftritt
fast vollständig aus dem Film verschwindet (wie das ziemlich überraschende Ende
enthüllt, wird er aber in einer eventuellen Fortsetzung wohl eine deutlich
größere Rolle spielen).
Zu schade ist es auch, daß die Dialoge im restlichen Film nicht
ansatzweise an die Qualität dieses Aufeinandertreffens heranreichen.
Stattdessen bieten sie eher das, was man von einem durchschnittlichen B-Movie
erwartet: Banale Weisheiten, markige Sprüche (zum Glück weniger zahlreich als bei
"Hercules") und einen guten Schuß Pathos. Bezeichnend eine Szene
ganz zu Beginn, in der Fürst Vlad seinen ehrfürchtig staunenden Männern seine überlegene
Intelligenz demonstriert, indem er messerscharf kombiniert, daß ein zwischen
Felsen an der Furt eines reißenden Gebirgsbachs verklemmter türkischer
Soldatenhelm nicht an dieser Stelle verloren ging, sondern irgendwo
flußaufwärts! 15. Jahrhundert hin oder her: Man braucht wahrlich keinen
Doktortitel, um auf diese Schlußfolgerung zu kommen … Zum Glück verhindert bereits die
knackig-kurze Laufzeit, daß man als Zuschauer allzu viele solcher Szenen
durchstehen muß. Meist folgt man Vlads verzweifeltem Bestreben,
seine Leute vor den Türken zu retten, und fühlt sich dabei angesichts des rasanten
Tempos, der ordentlich choreographierten Kämpfe und der weitestgehend
überzeugenden Spezialeffekte trotz mancher Logikmängel gut unterhalten. Im
letzten Drittel werden die Verhaltensänderungen etlicher (bis dahin
komplett vernachlässigter) Nebenfiguren allerdings arg extrem – wobei das irgendwo sogar ganz gut in das Vermächtnis der Universal-Monsterklassiker der
1930er Jahre paßt, denn gerade in den "Frankenstein"-Filmen war der
Mob ja stets sehr schnell mit Mistgabeln und Fackeln zur Stelle. Ähnlich läuft
es hier, wobei die Motivation unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Umstände deutlich fragwürdiger
erscheint als damals. Und eines muß man klar konstatieren: Wenn sich Vlad vor
den Augen einiger türkischer Soldaten in einen Schwarm Fledermäuse verwandelt
und diese Soldaten darauf lediglich mit milde interessierten Gesichtsausdrücken
reagieren, dann geht das nicht mehr als Hommage durch – das ist einfach nur
dämlich und von Regisseur Gary Shore nachlässig gefilmt (man gewinnt fast den Eindruck, als wäre erst in der Post-Produktion beim Schnitt aufgefallen, daß man vergessen hat, eine passende Szene überhaupt zu drehen ...).
Dennoch zählt es insgesamt zu den Stärken von "Dracula
Untold", daß er sich bei allem technischen und erzählerischen Fortschritt
durchaus ein bißchen so anfühlt wie einer der guten alten Universal-Monsterfilme. Das liegt
auch daran, daß er im Vergleich zu "Hercules" eine überzeugendere,
gruseligere Atmosphäre erzeugt, die durch Ramin Djawadis ("Pacific Rim") schaurig-schönen Soundtrack gekonnt unterstrichen wird und natürlich auch
von den erwähnt gelungenen CGI-Spezialeffekten lebt (die übrigens wie der ganze Film bemerkenswerterweise nicht in 3D sind). Außerdem
reizt Gary Shore die Möglichkeiten der niedrigen Altersfreigabe viel besser aus
als Brett Ratner in "Hercules", bei dem das Bemühen, eine düster-realistische
Atmosphäre mit einer familienfreundlichen Altersfreigabe in Einklang zu
bringen, ja teilweise zu unfreiwillig komischen Szenen führte. "Dracula
Untold" umschifft diese Klippe recht geschickt und kreiert eine viel
bedrohlichere Stimmung samt durchaus brutaler Szenen (nicht umsonst lautet
Vlads Beiname "der Pfähler"), ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen.
Sicher kann man trotzdem diskutieren, ob es sinnvoll ist, einen Dracula-Film
von vornherein für eine Freigabe ab 12 oder 13 Jahren zu konzipieren; aber wenn die Umsetzung so stimmungsvoll gelingt wie hier,
dann braucht es eigentlich keine zusätzlichen Brutalitäten. Die finstere
mittelalterliche Welt, die "Dracula Untold" präsentiert, ist in
sich stimmig, und das ist doch das Wichtigste.
Fazit: "Dracula Untold" ist ein recht
stimmungsvolles, actionreiches Fantasyabenteuer über die Vorgeschichte des berühmtesten
aller Vampire, das mit einem charismatischen Hauptdarsteller und guten Effekten
punktet, aber deutlich zu wenig Sorgfalt auf die Nebenfiguren und generell die
überraschungsarme Handlung verwendet hat.
Wertung: 6,5 Punkte.
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