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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 5. August 2014

WIR SIND DIE NEUEN (2014)

Regie und Drehbuch: Ralf Westhoff, Musik: Oliver Thiede
Darsteller: Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach, Michael Wittenborn, Patrick Güldenberg, Claudia Eisinger, Karoline Schuch, Julia Koschitz, André Jung, Gustav Peter Wöhler
 Wir sind die Neuen
(2014) on IMDb Rotten Tomatoes: -; weltweites Einspielergebnis: $8,4 Mio.
FSK: 0, Dauer: 92 Minuten.

Als Anne (Gisela Schneeberger, "Eine ganz heiße Nummer") ihre schöne Münchner Wohnung verlassen muß, hat sie ein echtes Problem. Zwar hat sie 30 Jahre lang fleißig gearbeitet, aber als Biologin wird man nunmal nicht reich. Eine neue Wohnung in der Stadt kann sie sich daher nicht leisten, aufs Land will sie als bekennende Städterin keinesfalls ziehen. Also kommt Anne auf die Idee, ihre früheren Mitbewohner aus glücklichen Studenten-WG-Zeiten zu fragen, ob sie sich nicht erneut eine Wohnung teilen wollen. Einige sagen ab, doch der idealistische (und deshalb ebenfalls nicht allzu gut betuchte) Anwalt Johannes (Michael Wittenborn, "Stromberg – Der Film") und der geschiedene Lebemann Eddi (Heiner Lauterbach, "Erleichtung garantiert") willigen tatsächlich ein. So zieht das Trio frohgemut ein und stellt sich sogleich den Nachbarn vor, einer – wie passend – Dreier-Studenten-WG. Doch müssen "die Neuen" feststellen, daß die heutigen Studenten ganz anders drauf sind als es die lockeren Alt-68er waren. Die jungen Leute wollen keine Party, sie müssen lernen, lernen, lernen. Da Anne, Johannes und Eddi eher für lautstarkes Feiern zu haben sind, entspinnt sich schon bald ein Kleinkrieg zwischen den Generationen …

Kritik:
Als der junge Regisseur und Drehbuch-Autor Ralf Westhoff im Jahr 2006 mit der bissigen Speed-Dating-Komödie "Shoppen" sein Langfilm-Debüt feierte – das in den Arthouse-Kinos zum Überraschungserfolg avancierte , galt er als ein neuer Hoffnungsträger des deutschen Kinos. Auch seine 2010 folgende Beziehungskomödie "Der letzte schöne Herbsttag" kam bei den Kritikern gut an, lockte allerdings nur noch gut 100.000 Zuschauer in die Kinos. Seinen Veröffentlichsrhythmus behält Westhoff bei, denn weitere vier Jahre später steht nun "Wir sind die Neuen" an: wiederum ein Film mit klarem Humor-Schwerpunkt, dieses Mal geht es jedoch weniger um Liebesbeziehungen, sondern vor allem um den vielzitierten Generationenkonflikt. Ich muß gestehen, daß ich weder "Shoppen" noch "Der letzte schöne Herbsttag" gesehen habe, ich weiß jedoch, daß bei beiden Filmen vor allem Westhoffs Drehbuch und ganz speziell die Dialoge gelobt wurden. Bei "Wir sind die Neuen" ist von diesen Stärken bedauerlicherweise nur bedingt etwas zu sehen – zwar warten die Dialoge mit einigen richtig guten Gags und auch ein paar etwas tiefergehenden Überlegungen zum Sinn des Lebens auf, aber die Handlung selbst ist von A bis Z vorhersehbar und strotzt nur so vor Klischees.

Letzteres ist von Ralf Westhoff zumindest teilweise eindeutig so gewollt, denn einige dieser Klischees übertreibt er so deutlich, daß sie nur als Persiflage gemeint sein können. Im Lauf der eineinhalb Stunden wirkt es jedoch zu oft so, als könne sich der Film nicht zwischen der Präsentation von Klischees und deren Veralberung entscheiden. Ein Paradebeispiel dafür ist die Charakterisierung der sechs Hauptfiguren. Schon die nostalgisch an ihre Studentenzeiten zurückdenkenden Neumieter entsprechen so sehr den gängigen Vorstellungen von Alt-68ern, daß sie nicht mehr wirklich authentisch wirken. Ihre jungen Nachbarn sind jedoch in ihrer grenzenlosen, unsympathischen Spießigkeit gar so grotesk überzeichnet, daß man sie von Anfang an einfach nicht ernst nehmen kann. Komödie hin, bewußte Übertreibung her: Diese generalisierende Darstellung der angeblich immer konservativeren "Generation Praktikum" wirkt in vielen Szenen einfach albern.

Dabei hätte die Konstellation durchaus Potential für mehr als eine oberflächliche Komödie, und Westhoff scheint das sehr wohl bewußt zu sein, denn er läßt seine Protagonisten wiederholt interessante Themen ansprechen. Ob die Folgen des "Bologna-Systems" an den Universitäten, das (so sehen es zumindest die zahlreichen Kritiker) mit seinen vollgepfropften Lehrplänen den Studenten vor lauter Lernen gar keine Zeit mehr für das läßt, was frühere Generationen in ihrer Unizeit so alles getrieben haben – nicht ganz ohne Grund wundert sich Johannes, wie die jungen Leute im Jurastudium etwas über Versammlungsrecht lernen sollen, wenn sie selbst nie auf einer Demonstration waren – oder die mangelnde Selbständigkeit der sich ausschließlich via Lieferdienste Ernährenden, die zumindest nicht völlig geglückten Lebensentwürfe der älteren Generation oder der vermeintlich unterentwickelte Gemeinsinn der Studenten in der heutigen Ellenbogen-Gesellschaft – daraus hätte man doch einiges machen können, wenn nicht sogar müssen! Aber Westhoff teasert die ernsteren Themen immer nur an, um kurz darauf bereits wieder lustige Szenen in den Vordergrund zu rücken.

Und letztlich kommt es dann natürlich genau so, wie es in einer deutschen Komödie wohl kommen muß: Selbstverständlich nähern sich die ungleichen WGs an, was vor allem bei den Jungen einen erstaunlichen Reifeprozeß in Gang setzt (der schon aufgrund der anfänglichen Überzeichnung ihres Egoismus nur bedingt glaubwürdig rüberkommt), und natürlich geht es allen besser, wenn sie zusammenarbeiten und gegenseitig von ihren Stärken und Schwächen lernen. Ja, das ist nett gemacht mit viel Situationskomik, die von immer wieder etwas zu platten Dialogen begleitet wird, aber aufregend ist wahrlich anders. Immerhin die Schauspieler holen alles aus ihren Rollen heraus, wobei vor allem die älteren Semester glänzen können. Allen voran trifft das auf Heiner Lauterbach zu, dessen Wandlung der letzten Jahre hin zu einem richtig guten Darsteller, der in komischen Rollen ebenso überzeugt wie in dramatischen oder (wie hier) tragikomischen, mich immer wieder beeindruckt. Schneeberger und Wittenborn spielen ebenfalls überzeugend auf, zudem offenbart das Trio eine bemerkenswerte Leinwand-Chemie. Die Studenten haben es weniger gut getroffen, da sie weniger im Blickpunkt stehen und ihre Figuren deshalb ziemlich flach geraten sind; dennoch spricht alleine die Tatsache, daß es ihnen in der zweiten Filmhälfte doch noch gelingt, Sympathien für die Spießer-Studenten zu wecken, für das schauspielerische Können von Claudia Eisinger ("13 Semester"), Karoline Schuch ("Hannas Reise") und Patrick Güldenberg ("Sonnenallee").

Fazit: "Wir sind die Neuen" ist eine weitgehend unterhaltsame, aber ziemlich mittelmäßige Generationen-Komödie, die von guten Schauspielern und einigen witzigen Dialogen lebt, aber die Thematik zu seicht und unoriginell angeht, um wirklichen Eindruck hinterlassen zu können.

Wertung: 6 Punkte.

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