Regie und Drehbuch: Ralf Westhoff, Musik: Oliver Thiede
Darsteller: Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach, Michael
Wittenborn, Patrick Güldenberg, Claudia Eisinger, Karoline Schuch, Julia
Koschitz, André Jung, Gustav Peter Wöhler
Rotten Tomatoes: -; weltweites Einspielergebnis: $8,4 Mio.
FSK: 0, Dauer: 92 Minuten.
Als Anne (Gisela Schneeberger, "Eine ganz heiße
Nummer") ihre schöne Münchner Wohnung verlassen muß, hat sie ein echtes
Problem. Zwar hat sie 30 Jahre lang fleißig gearbeitet, aber als Biologin wird
man nunmal nicht reich. Eine neue Wohnung in der Stadt kann sie sich daher
nicht leisten, aufs Land will sie als bekennende Städterin keinesfalls ziehen.
Also kommt Anne auf die Idee, ihre früheren Mitbewohner aus glücklichen Studenten-WG-Zeiten zu
fragen, ob sie sich nicht erneut eine Wohnung teilen wollen. Einige sagen ab,
doch der idealistische (und deshalb ebenfalls nicht allzu gut betuchte)
Anwalt Johannes (Michael Wittenborn, "Stromberg – Der Film") und der
geschiedene Lebemann Eddi (Heiner Lauterbach, "Erleichtung garantiert") willigen
tatsächlich ein. So zieht das Trio frohgemut ein und stellt sich sogleich den
Nachbarn vor, einer – wie passend – Dreier-Studenten-WG. Doch müssen "die
Neuen" feststellen, daß die heutigen Studenten ganz anders drauf sind als
es die lockeren Alt-68er waren. Die jungen Leute wollen keine Party, sie müssen lernen,
lernen, lernen. Da Anne, Johannes und Eddi eher für lautstarkes Feiern zu haben
sind, entspinnt sich schon bald ein Kleinkrieg zwischen den Generationen …
Kritik:
Als der junge Regisseur und Drehbuch-Autor Ralf Westhoff
im Jahr 2006 mit der bissigen Speed-Dating-Komödie "Shoppen" sein
Langfilm-Debüt feierte – das in den Arthouse-Kinos zum Überraschungserfolg
avancierte –, galt er als ein neuer Hoffnungsträger des deutschen Kinos.
Auch seine 2010 folgende Beziehungskomödie "Der letzte schöne
Herbsttag" kam bei den Kritikern gut an, lockte allerdings nur noch gut
100.000 Zuschauer in die Kinos. Seinen Veröffentlichsrhythmus behält Westhoff
bei, denn weitere vier Jahre später steht nun "Wir sind die Neuen"
an: wiederum ein Film mit klarem Humor-Schwerpunkt, dieses Mal geht es jedoch
weniger um Liebesbeziehungen, sondern vor allem um den vielzitierten
Generationenkonflikt. Ich muß gestehen, daß ich weder "Shoppen" noch
"Der letzte schöne Herbsttag" gesehen habe, ich weiß jedoch, daß bei
beiden Filmen vor allem Westhoffs Drehbuch und ganz speziell die Dialoge
gelobt wurden. Bei "Wir sind die Neuen" ist von diesen Stärken
bedauerlicherweise nur bedingt etwas zu sehen – zwar warten die Dialoge mit
einigen richtig guten Gags und auch ein paar etwas tiefergehenden Überlegungen
zum Sinn des Lebens auf, aber die Handlung selbst ist von A bis Z vorhersehbar
und strotzt nur so vor Klischees.
Letzteres ist von Ralf Westhoff zumindest teilweise eindeutig so
gewollt, denn einige dieser Klischees übertreibt er so deutlich, daß sie nur als Persiflage gemeint sein können. Im Lauf der eineinhalb Stunden wirkt es jedoch zu
oft so, als könne sich der Film nicht zwischen der Präsentation von Klischees und
deren Veralberung entscheiden. Ein Paradebeispiel dafür ist die
Charakterisierung der sechs Hauptfiguren. Schon die nostalgisch an ihre
Studentenzeiten zurückdenkenden Neumieter entsprechen so sehr den gängigen
Vorstellungen von Alt-68ern, daß sie nicht mehr wirklich authentisch wirken. Ihre
jungen Nachbarn sind jedoch in ihrer grenzenlosen, unsympathischen Spießigkeit
gar so grotesk überzeichnet, daß man sie von Anfang an einfach nicht ernst nehmen kann. Komödie hin,
bewußte Übertreibung her: Diese generalisierende Darstellung der angeblich
immer konservativeren "Generation Praktikum" wirkt in vielen Szenen
einfach albern.
Dabei hätte die Konstellation durchaus Potential für mehr
als eine oberflächliche Komödie, und Westhoff scheint das sehr wohl bewußt zu
sein, denn er läßt seine Protagonisten wiederholt interessante Themen
ansprechen. Ob die Folgen des "Bologna-Systems" an den Universitäten,
das (so sehen es zumindest die zahlreichen Kritiker) mit seinen vollgepfropften
Lehrplänen den Studenten vor lauter Lernen gar keine Zeit mehr für das läßt,
was frühere Generationen in ihrer Unizeit so alles getrieben haben – nicht ganz
ohne Grund wundert sich Johannes, wie die jungen Leute im Jurastudium etwas
über Versammlungsrecht lernen sollen, wenn sie selbst nie auf einer
Demonstration waren – oder die mangelnde Selbständigkeit der sich ausschließlich
via Lieferdienste Ernährenden, die zumindest nicht völlig geglückten
Lebensentwürfe der älteren Generation oder der vermeintlich unterentwickelte
Gemeinsinn der Studenten in der heutigen Ellenbogen-Gesellschaft – daraus hätte
man doch einiges machen können, wenn nicht sogar müssen! Aber Westhoff teasert die
ernsteren Themen immer nur an, um kurz darauf bereits wieder lustige Szenen in
den Vordergrund zu rücken.
Und letztlich kommt es dann natürlich genau so, wie es in einer deutschen Komödie
wohl kommen muß: Selbstverständlich nähern sich die ungleichen WGs an, was vor
allem bei den Jungen einen erstaunlichen Reifeprozeß in Gang setzt (der schon
aufgrund der anfänglichen Überzeichnung ihres Egoismus nur bedingt glaubwürdig
rüberkommt), und natürlich geht es allen besser, wenn sie zusammenarbeiten und
gegenseitig von ihren Stärken und Schwächen lernen. Ja, das ist nett gemacht
mit viel Situationskomik, die von immer wieder etwas zu platten
Dialogen begleitet wird, aber aufregend ist wahrlich anders. Immerhin die
Schauspieler holen alles aus ihren Rollen heraus, wobei vor allem die älteren
Semester glänzen können. Allen voran trifft das auf Heiner Lauterbach zu,
dessen Wandlung der letzten Jahre hin zu einem richtig guten Darsteller, der
in komischen Rollen ebenso überzeugt wie in dramatischen oder (wie hier)
tragikomischen, mich immer wieder beeindruckt. Schneeberger und Wittenborn
spielen ebenfalls überzeugend auf, zudem offenbart das Trio eine bemerkenswerte
Leinwand-Chemie. Die Studenten haben es weniger gut getroffen, da sie weniger
im Blickpunkt stehen und ihre Figuren deshalb ziemlich flach geraten sind;
dennoch spricht alleine die Tatsache, daß es ihnen in der zweiten Filmhälfte
doch noch gelingt, Sympathien für die Spießer-Studenten zu wecken, für das
schauspielerische Können von Claudia Eisinger ("13 Semester"),
Karoline Schuch ("Hannas
Reise") und Patrick Güldenberg ("Sonnenallee").
Fazit: "Wir sind die Neuen" ist eine weitgehend
unterhaltsame, aber ziemlich mittelmäßige Generationen-Komödie, die von guten
Schauspielern und einigen witzigen Dialogen lebt, aber die Thematik zu seicht
und unoriginell angeht, um wirklichen Eindruck hinterlassen zu können.
Wertung: 6 Punkte.
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