Regie: Denis Villeneuve, Drehbuch: Aaron Guzikowski, Musik:
Jóhann Jóhannsson
Darsteller: Hugh Jackman, Jake Gyllenhaal, Terrence Howard,
Viola Davis, Maria Bello, Paul Dano, Melissa Leo, Wayne Duvall, Dylan Minnette,
Zoë Soul, Len Cariou, David Dastmalchian, Erin Gerasimovich
Rotten Tomatoes: 81% (7,3); weltweites Einspielergebnis:
$122,1 Mio.
FSK: 16, Dauer: 154 Minuten.
Während ihre Eltern gemeinsam Thanksgiving feiern,
verschwinden ihre jüngsten Töchter Anna Dover und Joy Birch, die draußen nach
Annas verlorengegangener roter Trillerpfeife suchen wollten, spurlos. Die
örtliche Polizei um den leitenden Detective Loki (Jake Gyllenhaal, "Prince of Persia") findet schon bald einen Verdächtigen, doch Alex Jones (Paul Dano,
"Looper") hat einen extrem niedrigen IQ und scheint kaum
dazu fähig, ein solches Verbrechen zu begehen, ohne deutliche Spuren zu
hinterlassen. Da es keinerlei konkrete Beweise gegen Alex gibt, wird er schon
bald vorübergehend aus der Haft in die Obhut seiner fürsorglichen Tante Holly (Melissa Leo,
"Oblivion") entlassen. Sehr zum Unwillen von Keller Dover (Hugh
Jackman, "Australia"), der beschließt, gemeinsam mit Joys deutlich
zögerlicherem Vater Franklin (Terrence Howard, "Iron Man") die Suche
nach den beiden Mädchen selbst in die Hand zu nehmen ...
Kritik:
In seiner Heimat zählt der Kanadier Denis Villeneuve mit
vielgelobten Filmen wie "Maelström" oder "Polytechnique" schon länger zu
den renommiertesten Regisseuren – nachdem er 2011 für sein ergreifendes
Mystery-Drama "Die Frau, die singt – Incendies" den Auslands-OSCAR
erhielt, geriet er auch ins Blickfeld Hollywoods. Und wenn man sich den Erfolg
bei Kritikern und Publikum mit dem grimmigen Thriller "Prisoners" anschaut,
dann dürfte ihm noch eine lange, erfolgreiche Karriere in der amerikanischen
Traumfabrik bevorstehen. Nicht nur wegen der Thematik, auch stilistisch
erinnert der von dem "No Country for Old Men"-Kameramann Roger Deakins gekonnt (und OSCAR-nominiert) trostlos
bebilderte "Prisoners" deutlich an moderne Klassiker wie die beiden
Dennis Lehane-Verfilmungen "Mystic River" und "Gone Baby Gone" – wobei er qualitativ meiner Ansicht nach eher in einer Liga mit dem
guten "Gone Baby Gone" als dem herausragenden "Mystic River"
spielt.
Denis Villeneuve gelingt es hervorragend, die beiden zentralen Handlungsstränge um Detective Loki und Keller Dover miteinander zu verknüpfen und durch die unterschiedlichen
inhaltlichen Akzentuierungen für Abwechslung zu sorgen. Auf der einen Seite steht
die Ermittlungsarbeit der Polizei im Vordergrund, die relativ sachlich und gründlich von dem
ehrgeizigen und bislang mit einer makellosen Erfolgsbilanz ausgestatteten Loki vorangetrieben wird. Zwar wirkt es etwas befremdlich, daß das
selbstgewählte Einzelgängertum Lokis so weit getrieben wird, daß er wiederholt
ohne jede Verstärkung oder auch nur Information seines praktisch
veranlagten Vorgesetzten Captain O'Malley (Wayne Duvall, "Lincoln")
oder anderer Polizisten wichtige Spuren verfolgt. Aber das läßt sich zumindest teilweise
durch die (tatsächlich vom Captain erwähnte) Personalknappheit der
Gesetzeshüter in dieser Kleinstadt erklären; außerdem dient es Lokis
Charakterisierung, daß er fast konkurrenzlos im Zentrum seines Handlungsstrangs
steht. Jake Gyllenhaal porträtiert diesen ernsthaften Detective sehr subtil und
überzeugend und verleiht ihm im Handlungsverlauf immer mehr interessante
Facetten. Ich wage die Vorhersage, daß in ein paar Jahren oder
Jahrzehnten filmhistorisch auf "Prisoners" zurückgeblickt werden wird als
jenen Film, in dem Jake Gyllenhaal endgültig vom jugendlichen Heldendarsteller
zum Mann für anspruchsvolle erwachsene Rollen aufstieg.
Jedenfalls ist Gyllenhaals Leistung hervorragend und setzt
einen starken Kontrapunkt zu Hugh Jackmans Darbietung als aufbrausender und in
seiner Verzweiflung wildentschlossener Vater. Psychologisch ist dieser Keller Dover allerdings noch
spannender und komplexer als Detective Loki. Ohne Spoiler kann ich leider nicht
allzu genau darauf eingehen, aber Jackman bringt die innere und äußere Wandlung
dieses tiefgläubigen und seit jeher betont selbstbestimmten Mannes eindrucksvoll auf die Leinwand, auch wenn manche Kritiker ihm bei den nicht seltenen
Zornesausbrüchen Overacting vorwerfen. Das kann man sicherlich so sehen, innerhalb der Handlung stört es mich allerdings ebenso wenig wie seinerzeit Sean Penns
noch viel stärkeres Overacting in "Mystic River" (das ihm sogar einen
OSCAR einbrachte). Terrence Howard als bedächtigerer Franklin bleibt dagegen
ziemlich blaß, was auch mit seiner eher unspektakulären Rolle zusammenhängt. Ähnliches
gilt für die beiden Haupt-Frauenrollen: Maria Bello ("A History of
Violence") muß sich als Kellers Ehefrau Grace mehr oder weniger auf ständiges Weinen
beschränken, Viola Davis ("Glaubensfrage") darf als Franklins Gattin Nancy
zwar deutlich mehr zeigen, bleibt aber ebenfalls weitgehend im Hintergrund. Paul
Dano wiederum, der in Filmen wie "There Will Be Blood", "Little Miss
Sunshine" oder "Ruby Sparks" sein großes Talent zeigen durfte,
holt aus seiner Rolle als geistig minderbemittelter Hauptverdächtiger das Beste
heraus, während Melissa Leo als seine mitfühlende Tante Holly überzeugt.
Es gibt also vieles, was man an "Prisoners" loben
darf, aber auch ein paar kritisierenswerte Punkte. So ist das Erzähltempo des
zweieinhalbstündigen Werks sehr gemächlich; das wird einerseits von Villeneuve
und seinem Team geschickt genutzt, um das Setting und die Figuren ausführlich und
authentisch einzuführen, andererseits tritt die Handlung im Mittelteil – wie
Lokis Ermittlungen – ziemlich auf der Stelle, was trotz der konsequent
beklemmenden Atmosphäre zu Anflügen von Langeweile führen kann. Auch
ist das Geflecht aus möglichen Verdächtigen und falschen Spuren relativ
konventionell aufgebaut und daher für geübte Krimischauer unter Umständen
schneller entwirrbar als beabsichtigt (ich muß aber gestehen, daß ich den Täter
nicht geahnt habe, obwohl er im Nachhinein, wie so oft, ziemlich offensichtlich wirkt). Aber
vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, denn noch stärker als der vordergründige
Krimiplot interessieren Regisseur Villeneuve und Drehbuch-Autor
Aaron Guzikowski ("Contraband") die Auswirkungen der Geschehnisse auf die
Protagonisten und ihre moralischen, auch religiösen Werte. So gesehen ist
"Prisoners" mehr ein abgründiges Charakterdrama als ein Thriller und
funktioniert auf diese Weise sehr gut. Aber auch als Thriller, der mit einigen
Szenen aufwartet, die nichts für Zartbesaitete sind, ist Villeneuves Film gut
konstruiert. Und am Ende wartet er mit einer Motivation für die Tat auf, die auf den
ersten Blick ziemlich weit hergeholt wirkt, bei genauerer Betrachtung jedoch
psychologisch durchaus schlüssig ist.
Fazit: "Prisoners" ist ein grimmiges, etwas
zu lang geratenes Thriller-Drama über eine doppelte Kindesentführung, das von
zwei starken zentralen Performances, genau beobachteten Figuren und einer beklemmenden Kleinstadt-Atmosphäre lebt.
Wertung: 8 Punkte.
Wertung: 8 Punkte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen