Der sogenannte EGOT ist gewissermaßen der Olymp der Film-, Theater- und Musikbranche: Stand 2022 haben es gerade einmal 17 Personen geschafft, jeweils mindestens einen Emmy, Grammy, OSCAR und Tony zu gewinnen (zuletzt Jennifer Hudson). Die britische Schauspielerin Dame Angela Lansbury zählt nicht zu diesem exklusiven Kreis, es hat aber gar nicht viel gefehlt: Drei OSCAR-Nominierungen (plus ein Ehren-OSCAR für das Lebenswerk) stehen neben fünf Tony Awards (plus ein weiterer für das Lebenswerk), einer Grammy-Nominierung und sage und schreibe 18 (!) Emmy-Nominierungen - von denen sie keine einzige gewann. Auch ohne EGOT ist aber klar: Angela Lansbury hat große Spuren im Kino, auf der Bühne und auf dem TV-Bildschirm hinterlassen. Gestern ist sie kurz vor ihrem 97. Geburtstag eines natürlichen Todes gestorben.
Angela Lansbury feierte ihr Leinwanddebüt 1944 als 17-Jährige in George Cukors zweifach OSCAR-prämiertem Psycho-Thriller "Das Haus der Lady Alquist" (auch bekannt unter dem Originaltitel "Gaslight", der im englischsprachigen Raum als "Gaslighting" in den allgemeinen Sprachgebrauch einging und z.B. in der Politik dafür steht, jemanden gezielt in die Irre zu führen). Und dieses Debüt an der Seite von Ingrid Bergman, Charles Boyer und Joseph Cotten hinterließ Eindruck! Für ihre Rolle des arroganten Dienstmädchens Nancy erhielt Lansbury prompt ihre erste OSCAR-Nominierung als beste Nebendarstellerin und ergatterte außerdem einen Siebenjahresvertrag beim Hollywood-Studio MGM. Diese Zeit begann vielversprechend mit Albert Lewins Oscar Wilde-Adaption "Das Bildnis des Dorian Gray" (1945), in der Lansbury die Nebenrolle der tragischen jungen Sängerin Sibyl spielte und dafür erneut für einen OSCAR nominiert wurde. Auch Frank Capras Drama "Der beste Mann" (1948), George Sidneys heitere "Die drei Musketiere"-Version (1948) mit Gene Kelly und Lana Turner oder Cecil B. DeMilles Bibelverfilmung "Samson und Delilah" (1949) mit Hedy Lamarr machen sich gut in jedem Lebenslauf, allerdings gelang Lansbury nicht der Sprung von der Neben- zur Hauptdarstellerin. Das bescherte ihr nach Auslaufen des MGM-Vertrags eine kleine Flaute, bis sie 1955 in Melvin Frank und Norman Panamas phasenweise zum Brüllen lustigem Komödienklassiker "Der Hofnarr" mit Danny Kaye und Basil Rathbone glänzte und als Prinzessin Gwendolyn ihre komödiantischen Fähigkeiten bewies.
Über das Dasein als Nebendarstellerin kam Angela Lansbury zumindest in großen Filmen trotzdem nicht hinaus, machte aber das Beste daraus - so in John Frankenheimers Paranoia-Thriller-Klassiker "Botschafter der Angst" (1962, auch bekannt unter dem Originaltitel "The Manchurian Kandidat", der in Deutschland Jahrzehnte später beim schwächeren Remake mit Denzel Washington verwendet wurde). Als populistische US-Senatorin Iselin verdiente sich Lansbury hier an der Seite von Frank Sinatra und Janet Leigh ihre dritte und letzte OSCAR-Nominierung. Erstaunlicherweise gelang es Lansbury mit um die 50 Jahren Anfang der 1970er Jahre schließlich doch noch, ein paar hochkarätige Hauptrollen zu ergattern, wobei sie vor allem als Hexerei-Studentin Miss Price in Robert Stevensons familienfreundlichem Disney-Abenteuer "Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett" viele Fans fand. Nach einer mehrjährigen Pause, in der sie sich auf ihre sogar noch erfolgreichere Theater- und Musicalkarriere konzentrierte (mit Hits wie "Mame", "Gipsy" oder "Sweeney Todd"), kehrte Lansbury 1978 als Teil eines grandiosen Ensembles für John Guillermins erfolgreiche Agatha Christie-Verfilmung "Tod auf dem Nil" mit Sir Peter Ustinov als Meisterdetektiv Hercule Poirot auf die große Leinwand zurück; zwei Jahre später verkörperte sie Agatha Christies Kult-Hobbydetektivin Miss Marple in Guy Hamiltons "Mord im Spiegel".
Ab den 1980er Jahren zog sich Angela Lansbury zumindest vor der Kamera weitgehend vom Kino zurück, was auch damit zusammenhing, daß ihre TV-Krimiserie "Mord ist ihr Hobby" zum Megahit wurde und von 1984 bis 1996 für Top-Quoten sorgte - und ihr sagenhafterweise für jede einzelne der 12 Staffeln eine Emmy-Nominierung einbrachte (leider ohne einen einzigen Sieg, wie oben erwähnt - dafür gewann sie vier ihrer sechs Golden Globes für die Rolle als Krimiautorin Jessica Fletcher). Im Kino tauchte sie zwar trotzdem noch auf, aber meist als Sprecherin von Zeichentrick- respektive Animationsfilmen wie "Das letzte Einhorn" (1982), "Die Schöne und das Biest" (1991), "Anastasia" (1997) oder "Der Grinch" (2018). Ganz ließ sie sich die Schauspielerei im Kino allerdings nicht nehmen, wie gelegentliche Auftritte etwa als Großmutter in Neil Jordans gewagter Rotkäppchen-Variante "Die Zeit der Wölfe" (1984), in Kirk Jones' "Eine zauberhafte Nanny" (2005) und zuletzt in Rob Marshalls "Mary Poppins' Rückkehr" (2018) belegen.
Am 11. Oktober 2022 starb Angela Lansbury im Alter von 96 Jahren in Los Angeles friedlich im Schlaf. R.I.P.
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