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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 17. Februar 2022

THE HARDER THEY FALL (2021)

Regie und Musik: Jeymes Samuel, Drehbuch: Jeymes Samuel und Boaz Yakin
Darsteller: Jonathan Majors, Idris Elba, Delroy Lindo, Zazie Beetz, Regina King, Edi Gathegi, RJ Cyler, LaKeith Stanfield, Danielle Deadwyler, Deon Cole, Damon Wayans Jr., Mickey Dolan, Dylan Kenin, Julio César Cedillo, DeWanda Wise, Michael Beach
The Harder They Fall (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 88% (7,6); weltweites Einspielergebnis: $0,01 Mio.
Altersempfehlung: 16, Dauer: 137 Minuten.
Der wilde Westen, 19. Jahrhundert: Der Afroamerikaner Nat Love (Jonathan Majors, "Feinde - Hostiles") ist zufrieden. Gerade erst hat er den letzten frei herumlaufenden Mörder seiner Eltern erschossen und kann jetzt endlich zu seiner großen Liebe zurückkehren, der resoluten Ex-Postkutschenfahrerin und jetzigen Saloon-Besitzerin "Stagecoach Mary" Fields (Zazie Beetz, "Deadpool 2"). Zwar ist mit Rufus Buck (Idris Elba, "The Suicide Squad") derjenige noch am Leben, der in erster Linie für den Tod von Nats Eltern vor 20 Jahren verantwortlich zeichnet und ihn damals mit einer kreuzförmigen Narbe auf der Stirn entstellte – doch sitzt Rufus lebenslang im Gefängnis und ist somit außer Reichweite. Oder zumindest sollte das so sein – denn wie Nat erfahren muß, wurde der skrupellose Rufus begnadigt und hat sich mit seiner blutrünstigen Bande rund um den eiskalten Revolverhelden Cherokee Bill (LaKeith Stanfield, "Get Out") und die hartgesottene Trudy Smith (Regina King, "Beale Street") im Ort Redwood City eingenistet. Sofort macht sich Nat auf den Weg, um seine Rache zu vollenden, wobei er Unterstützung vom ebenfalls schwarzen U.S. Marshal Bass Reeves (Delroy Lindo, "Da 5 Bloods") erhält; und das, obwohl Nat streng genommen selbst ein Krimineller ist, da er es sich mit seiner eigenen Bande zur Aufgabe gemacht hat, Bankräuber zu berauben. Obwohl Nat sein Vorhaben angesichts der Gefährlichkeit alleine mit Reeves' Hilfe durchführen will, schließen sich Mary und seine Freunde Bill Pickett (Edi Gathegi, "X-Men: Erste Entscheidung"), Cuffee (Danielle Deadwyler, TV-Serie "The Haves and the Have Nots") und der junge Scharfschütze Jim Beckwourth (RJ Cyler, "Ich und Earl und das Mädchen") ihm an ...

Kritik:
Es gibt in der Historie Hollywoods wahrscheinlich kein Genre, das so viele Werke hervorbrachte wie der Western – wobei das vor allem der Ära von den 1930er bis zu den 1960er Jahren zu verdanken ist, in der Western wie am Fließband produziert wurden, auch dank der unzähligen billigen 60-80 Minuten-B-Western, die bis zu den frühen 1950er Jahren als Double Features gezeigt wurden. Was es allerdings kaum gibt, sind Western mit vorwiegend afroamerikanischer Besetzung. Ein paar Ausnahmen gibt es, von denen keiner wirklich Filmgeschichte schrieb; aber zumindest sind "Der Weg der Verdammten" (1972) mit Sidney Poitier und Harry Belafonte, ein paar Blaxploitation-Western aus den 1970er Jahren oder "Posse" (1993) von und mit Mario van Peebles unter Genrefans einigermaßen bekannt. Und natürlich gibt es auch einige Western mit schwarzen Hauptfiguren, wofür primär Quentin Tarantino mit "Django Unchained" mit Jamie Foxx und "The Hateful 8" mit Samuel L. Jackson sorgte. Dennoch sind und bleiben "schwarze Western" eine Ausnahmeerscheinung, weshalb man sich über einen neuen Vertreter schon aus Gründen der Abwechslung jederzeit freuen kann. Jeymes Samuel, ein britischer Musiker und Filmemacher und nebenbei der jüngere Bruder des Sängers Seal, ist offensichtlich der gleichen Meinung und feierte 2013 sein Regie-, Drehbuch-, Produzenzen- und Schauspieldebüt mit dem 50-minütigen Western "They Die by Dawn", der auf eine durchaus namhafte, komplett nicht-weiße Besetzung setzte (zu der Rosario Dawson, Giancarlo Esposito und Kelly Hu zählen), jedoch bei der Kritik durchfiel und auch angesichts der ungewöhnlichen Laufzeit vom Publikum kaum zur Kenntnis genommen wurde. Davon ließ sich Samuel nicht entmutigen und konnte acht Jahre später Netflix überzeugen, einen "richtigen", aufwendig in Szene gesetzten Western namens "The Harder They Fall" mit vorwiegend afroamerikanischer Besetzung zu produzieren, der in bester revisionistischer Tarantino-Manier (ohne dessen Klasse zu erreichen) historische Figuren verwendet, deren Leben aber extrem frei interpretiert. Das klingt spannend und kam bei vielen Kritikern und Zuschauern in der Tat gut an, für mich ist Samuels Film allerdings aufgrund etlicher grober inhaltlicher Schwächen eine ziemliche Enttäuschung – wenn auch eine, die man aufgrund der Stärken immer noch gut anschauen und sich ordentlich unterhalten fühlen kann.

Fangen wir mit dem Positiven an: "The Harder They Fall" ist sichtlich hochwertig produziert – kein Wunder bei einem Budget von rund $90 Mio., was ihn zu einem der teuersten Western überhaupt macht! Kulisse, Kostüme, Ausstattung, Kamera, dazu ein gewöhnungsbedürftiger, aber zur Thematik natürlich passender moderner Soundtrack mit von Samuel eigens für den Film geschriebenen Rap-, Reggae- und Soulsongs, die von Stars wie Jay-Z, Kid Cudi, CeeLo Green oder Seal interpretiert werden – das kann sich zweifellos sehen und hören lassen. Die Actionszenen sind ebenfalls solide inszeniert, wenn die Shootsouts auch nicht an die besten Genrevertreter wie die erwähnten Tarantino-Western, Kevin Costners "Open Range" oder frühere Klassiker von Howard Hawks oder Sergio Leone heranreichen. Dafür ist besonders der finale Kampf zwischen Gut und Böse wie der gesamte, deutlich über zwei Stunden währende Film etwas zu breit ausgewalzt, was zulasten der Dynamik und der Raffinesse geht. Am meisten punktet "The Harder They Fall" mit seiner stylishen, wiederum tarantinoesken Inszenierung und der guten Besetzung. Jonathan Majors verkörpert die Hauptfigur Nat Love charismatisch, Delroy Lindo überzeugt als legendärer erster schwarzer U.S. Marshal Reeves mit gewohnter Coolneß und einer gewissen Warmherzigkeit unter der rauhen Schale und die Deutsch-Amerikanerin Zazie Beetz gibt mit "Stagecoach Mary" einer weiteren historischen Figur ein so schlagfertiges wie sympathisches Gesicht. Auf der anderen Seite gibt Idris Elba als bösartiger Gangleader Rufus Buck einen glänzenden, hassenswerten Bösewicht und hat mit Regina King und LaKeith Stanfield zwei ähnlich gefährliche Helfer an seiner Seite. Tatsächlich hinterlassen die Bösen in "The Harder They Fall" sogar mehr Eindruck als die Guten, was uns allerdings auch schon von den Stärken dieses revisionistischen Westerns zu den Schwächen bringt, denn zu denen zählt die Figurenzeichnung eindeutig.

Bei den Antagonisten ist das halb so wild, sie funktionieren dank der starken Besetzung und der stylishen Inszenierung auch als Schablonen ohne Tiefgang einwandfrei; problematischer ist das bei den Helden. Diese bekommen zwar minimal mehr Hintergrund, aber letztlich bleibt Nat der klischeehafte grimmige Rächer, Bass Reeves der coole Gesetzesvertreter (auch wenn er sich fürs höhere Ziel mit Kriminellen zusammentut), Jim Beckwourth der hitzköpfige, ehrgeizige Schnellschütze, Bill Pickett der loyale Scharfschütze und Stagecoach Mary Nats mutiges Love Interest – lediglich Cuffees Geschichte ist etwas interessanter, aber da will ich nichts spoilern. Grundsätzlich sind solche Stereotypen in einem Genrefilm nicht so schlimm und können sehr wohl funktionieren, bei "The Harder They Fall" gelingt das jedoch nicht so gut, weil weitere inhaltliche Mängel dazukommen. In erster Linie wäre da das denkbar dämliche Verhalten fast aller Charaktere zu nennen. Ein Beispiel: Buck und seine Gang halten einen Zug an, indem sich Trudy auf ihrem Pferd sitzend auf das Gleis stellt. Frage: Warum hält der Lokführer an? Immerhin kann er deutlich erkennen, daß es sich nicht um einen Unfall oder eine bewußtlose Person auf den Gleisen handelt, sondern um eine offensichtlich kerngesunde, bewaffnete Frau, deren Pferd einfach nur einen Schritt nach vorne machen müßte, um dem Zug auszuweichen. Warum also sollte der Lokführer anhalten, obwohl er weiß, daß Banditenüberfälle auf Züge zu dieser Zeit fast alltäglich sind und dies eigentlich nichts anderes sein kann? Logischerweise müßte er weiterfahren in der Gewißheit, daß Trudy respektive (instinktiv) das Pferd rechtzeitig ausweichen würde – und wenn wider Erwarten doch nicht: selbst Schuld! Die Buck-Gang führt hier einen denkbar undurchdachten Zugüberfall aus – und kommt damit durch (und zwar nur deshalb, weil Trudy auf diese Weise wie ein Badass wirkt, obwohl sie einfach nur lebensmüde handelt)!

Bedauerlicherweise bleibt es nicht bei diesem einen Exempel, denn auch Stagecoach Mary entwickelt einen haarsträubend idiotischen und unlogischen Plan, der folgerichtig (immerhin) komplett in die Hose geht. Aber wenigstens sind das Pläne, denn meistens denken sowohl die Guten als auch die Bösen überhaupt nicht voraus, sondern machen einfach, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Achja, und daß alle Figuren, obwohl offensichtlich erfahrene Schützen, gar nicht daran denken, die im Lauf ihrer Waffen verbleibenden Kugeln zu zählen, ist dann nur noch das i-Tüpfelchen … Generell ist die Handlung arg dünn geraten und die Dialoge kommen selten über Mittelmaß hinaus – und letzten Endes fällt sogar die finale Auseinandersetzung zwischen Nat und Rufus enttäuschend antiklimaktisch aus, zumal Rufus dort wenig glaubwürdig agiert angesichts seiner Darstellung bis dahin. Das klingt wahrscheinlich alles arg negativ und das aus gutem Grund – trotzdem bleibt festzuhalten, daß "The Harder They Fall" durchaus Spaß macht, wenn man ihn als anspruchsloses B-Movie betrachtet, dem primär an teilweise ziemlich kompromißloser, blutiger Action, der tarantinoesken stylishen Inszenierung und coolen Posen gelegen ist und nicht an irgendwelchen ernsthaften Themen. Zumindest gibt es ein paar nette Einfälle, beispielsweise spielt Rassismus nur in einer kurzen, aber sehr amüsanten Sequenz eine wirkliche Rolle, in der Nat und seine Freunde in eine buchstäblich komplett weiße Stadt kommen … Mehr davon und ein durchdachteres, logischeres Drehbuch, und "The Harder They Fall" hätte ein richtig guter Western werden können!

Fazit: "The Harder They Fall" ist ein stylisher, actionreicher Western mit guter, fast komplett afroamerikanischer Besetzung, der aber als Folge eines mäßigen, unlogischen Drehbuchs nur mittelmäßig ausfällt.

Wertung: 6 Punkte.
 
 

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