Regie und Musik: Jeymes Samuel, Drehbuch: Jeymes Samuel und Boaz
Yakin
Darsteller: Jonathan
Majors, Idris Elba, Delroy Lindo, Zazie Beetz, Regina King, Edi Gathegi, RJ Cyler, LaKeith
Stanfield, Danielle Deadwyler, Deon Cole,
Damon Wayans Jr., Mickey Dolan, Dylan Kenin, Julio César Cedillo,
DeWanda Wise, Michael Beach
Altersempfehlung:
16, Dauer: 137 Minuten.
Der wilde Westen, 19.
Jahrhundert: Der Afroamerikaner Nat Love (Jonathan Majors, "Feinde
- Hostiles") ist zufrieden. Gerade erst hat er den letzten frei
herumlaufenden Mörder seiner Eltern erschossen und kann jetzt endlich zu
seiner großen Liebe zurückkehren, der resoluten
Ex-Postkutschenfahrerin und jetzigen Saloon-Besitzerin "Stagecoach
Mary" Fields (Zazie Beetz, "Deadpool 2"). Zwar ist mit
Rufus Buck (Idris Elba, "The Suicide Squad") derjenige noch
am Leben, der in erster Linie für den Tod von Nats Eltern vor 20
Jahren verantwortlich zeichnet und ihn damals mit einer
kreuzförmigen Narbe auf der Stirn entstellte – doch sitzt
Rufus lebenslang im Gefängnis und ist somit außer Reichweite. Oder
zumindest sollte das so sein – denn wie Nat erfahren muß, wurde
der skrupellose Rufus begnadigt und hat sich mit seiner blutrünstigen
Bande rund um den eiskalten Revolverhelden Cherokee Bill (LaKeith
Stanfield, "Get Out") und die hartgesottene Trudy Smith
(Regina King, "Beale Street") im Ort Redwood City
eingenistet. Sofort macht sich Nat auf den Weg, um seine Rache zu
vollenden, wobei er Unterstützung vom ebenfalls schwarzen U.S. Marshal
Bass Reeves (Delroy Lindo, "Da 5 Bloods") erhält; und
das, obwohl Nat streng genommen selbst ein Krimineller ist, da er es
sich mit seiner eigenen Bande zur Aufgabe gemacht hat, Bankräuber zu
berauben. Obwohl Nat sein Vorhaben angesichts der Gefährlichkeit
alleine mit Reeves' Hilfe durchführen will, schließen sich Mary und
seine Freunde Bill Pickett (Edi Gathegi, "X-Men: Erste
Entscheidung"), Cuffee (Danielle Deadwyler, TV-Serie "The
Haves and the Have Nots") und der junge Scharfschütze Jim
Beckwourth (RJ Cyler, "Ich und Earl und das Mädchen") ihm
an ...
Kritik:
Es gibt in der Historie Hollywoods wahrscheinlich kein Genre, das so viele Werke
hervorbrachte wie der Western – wobei das vor allem der
Ära von den 1930er bis zu den 1960er Jahren zu verdanken ist, in der
Western wie am Fließband produziert wurden, auch dank der unzähligen billigen 60-80 Minuten-B-Western, die bis zu den frühen 1950er Jahren als Double Features gezeigt wurden. Was es allerdings kaum gibt, sind
Western mit vorwiegend afroamerikanischer Besetzung. Ein paar
Ausnahmen gibt es, von denen keiner wirklich
Filmgeschichte schrieb; aber zumindest sind "Der Weg der
Verdammten" (1972) mit Sidney Poitier und Harry Belafonte, ein
paar Blaxploitation-Western aus den 1970er Jahren oder "Posse"
(1993) von und mit Mario van Peebles unter Genrefans einigermaßen
bekannt. Und natürlich gibt es auch einige Western mit schwarzen
Hauptfiguren, wofür primär Quentin Tarantino mit "Django
Unchained" mit Jamie Foxx und "The Hateful 8" mit
Samuel L. Jackson sorgte. Dennoch sind und bleiben "schwarze
Western" eine Ausnahmeerscheinung, weshalb man sich über einen
neuen Vertreter schon aus Gründen der Abwechslung jederzeit freuen kann.
Jeymes Samuel, ein britischer Musiker und Filmemacher und nebenbei der
jüngere Bruder des Sängers Seal, ist offensichtlich der gleichen
Meinung und feierte 2013 sein Regie-, Drehbuch-, Produzenzen- und
Schauspieldebüt mit dem 50-minütigen Western "They Die by
Dawn", der auf eine durchaus namhafte, komplett nicht-weiße
Besetzung setzte (zu der Rosario Dawson, Giancarlo Esposito und
Kelly Hu zählen), jedoch bei der Kritik durchfiel und auch
angesichts der ungewöhnlichen Laufzeit vom Publikum kaum zur
Kenntnis genommen wurde. Davon ließ sich Samuel nicht
entmutigen und konnte acht Jahre später Netflix
überzeugen, einen "richtigen", aufwendig in Szene
gesetzten Western namens "The Harder They Fall" mit
vorwiegend afroamerikanischer Besetzung zu produzieren, der in bester
revisionistischer Tarantino-Manier (ohne dessen Klasse zu
erreichen) historische Figuren verwendet, deren Leben aber extrem frei
interpretiert. Das klingt spannend und kam bei vielen Kritikern und
Zuschauern in der Tat gut an, für mich ist Samuels Film allerdings
aufgrund etlicher grober inhaltlicher Schwächen eine
ziemliche Enttäuschung – wenn auch eine, die man aufgrund der
Stärken immer noch gut anschauen und sich ordentlich
unterhalten fühlen kann.
Fangen wir mit dem
Positiven an: "The Harder They Fall" ist sichtlich
hochwertig produziert – kein Wunder bei einem Budget von rund $90 Mio.,
was ihn zu einem der teuersten Western überhaupt macht! Kulisse,
Kostüme, Ausstattung, Kamera, dazu ein gewöhnungsbedürftiger, aber
zur Thematik natürlich passender moderner Soundtrack mit von Samuel
eigens für den Film geschriebenen Rap-, Reggae- und Soulsongs, die
von Stars wie Jay-Z, Kid Cudi, CeeLo Green oder Seal interpretiert
werden – das kann sich zweifellos sehen und hören lassen. Die
Actionszenen sind ebenfalls solide inszeniert, wenn die Shootsouts
auch nicht an die besten Genrevertreter wie die erwähnten
Tarantino-Western, Kevin Costners "Open Range" oder frühere Klassiker von Howard Hawks oder Sergio Leone heranreichen.
Dafür ist besonders der finale Kampf zwischen Gut und Böse wie der
gesamte, deutlich über zwei Stunden währende Film etwas zu breit
ausgewalzt, was zulasten der Dynamik und der Raffinesse geht. Am
meisten punktet "The Harder They Fall" mit seiner stylishen, wiederum tarantinoesken Inszenierung
und der guten Besetzung. Jonathan Majors verkörpert die
Hauptfigur Nat Love charismatisch, Delroy Lindo überzeugt als
legendärer erster schwarzer U.S. Marshal Reeves mit gewohnter
Coolneß und einer gewissen Warmherzigkeit unter der rauhen Schale
und die Deutsch-Amerikanerin Zazie Beetz gibt mit "Stagecoach
Mary" einer weiteren historischen Figur ein so schlagfertiges
wie sympathisches Gesicht. Auf der anderen Seite gibt Idris Elba als
bösartiger Gangleader Rufus Buck einen glänzenden, hassenswerten
Bösewicht und hat mit Regina King und LaKeith Stanfield zwei ähnlich
gefährliche Helfer an seiner Seite. Tatsächlich hinterlassen die
Bösen in "The Harder They Fall" sogar mehr Eindruck als
die Guten, was uns allerdings auch schon von den Stärken dieses
revisionistischen Westerns zu den Schwächen bringt, denn zu denen
zählt die Figurenzeichnung eindeutig.
Bei den Antagonisten
ist das halb so wild, sie funktionieren dank der starken Besetzung
und der stylishen Inszenierung auch als Schablonen ohne Tiefgang einwandfrei; problematischer ist das bei den Helden. Diese
bekommen zwar minimal mehr Hintergrund, aber letztlich bleibt Nat der
klischeehafte grimmige Rächer, Bass Reeves der coole
Gesetzesvertreter (auch wenn er sich fürs höhere Ziel mit Kriminellen
zusammentut), Jim Beckwourth der hitzköpfige, ehrgeizige Schnellschütze, Bill Pickett der loyale Scharfschütze und
Stagecoach Mary Nats mutiges Love Interest – lediglich Cuffees
Geschichte ist etwas interessanter, aber da will ich nichts spoilern.
Grundsätzlich sind solche Stereotypen in einem Genrefilm nicht
so schlimm und können sehr wohl funktionieren, bei "The
Harder They Fall" gelingt das jedoch nicht so gut, weil weitere
inhaltliche Mängel dazukommen. In erster Linie wäre da das denkbar
dämliche Verhalten fast aller Charaktere zu nennen. Ein Beispiel:
Buck und seine Gang halten einen Zug an, indem sich Trudy auf ihrem
Pferd sitzend auf das Gleis stellt. Frage: Warum hält der Lokführer an? Immerhin kann er deutlich erkennen, daß es sich
nicht um einen Unfall oder eine bewußtlose Person auf den Gleisen
handelt, sondern um eine offensichtlich
kerngesunde, bewaffnete Frau, deren Pferd einfach nur einen Schritt
nach vorne machen müßte, um dem Zug auszuweichen. Warum also sollte
der Lokführer anhalten, obwohl er weiß, daß Banditenüberfälle
auf Züge zu dieser Zeit fast alltäglich sind und dies eigentlich nichts anderes sein kann? Logischerweise müßte er
weiterfahren in der Gewißheit, daß Trudy respektive (instinktiv) das
Pferd rechtzeitig ausweichen würde – und wenn wider
Erwarten doch nicht: selbst Schuld! Die Buck-Gang führt hier einen denkbar undurchdachten Zugüberfall aus –
und kommt damit durch (und zwar nur deshalb, weil Trudy auf diese
Weise wie ein Badass wirkt, obwohl sie einfach nur lebensmüde
handelt)!
Bedauerlicherweise bleibt es
nicht bei diesem einen Exempel, denn auch Stagecoach Mary entwickelt einen
haarsträubend idiotischen und unlogischen Plan, der folgerichtig (immerhin)
komplett in die Hose geht. Aber wenigstens sind das Pläne, denn meistens denken sowohl die Guten als auch die Bösen
überhaupt nicht voraus, sondern machen einfach, was ihnen gerade in
den Sinn kommt. Achja, und daß alle Figuren, obwohl
offensichtlich erfahrene Schützen, gar nicht daran denken, die im Lauf
ihrer Waffen verbleibenden Kugeln zu zählen, ist dann nur noch das
i-Tüpfelchen … Generell ist die Handlung arg dünn geraten und die
Dialoge kommen selten über Mittelmaß hinaus – und letzten Endes
fällt sogar die finale Auseinandersetzung zwischen Nat und Rufus
enttäuschend antiklimaktisch aus, zumal Rufus dort wenig
glaubwürdig agiert angesichts seiner Darstellung bis dahin. Das
klingt wahrscheinlich alles arg negativ und das aus gutem Grund – trotzdem
bleibt festzuhalten, daß "The Harder They Fall" durchaus
Spaß macht, wenn man ihn als anspruchsloses B-Movie betrachtet, dem
primär an teilweise ziemlich kompromißloser, blutiger Action, der tarantinoesken stylishen Inszenierung und coolen Posen
gelegen ist und nicht an irgendwelchen ernsthaften Themen. Zumindest
gibt es ein paar nette Einfälle, beispielsweise spielt
Rassismus nur in einer kurzen, aber sehr amüsanten Sequenz eine
wirkliche Rolle, in der Nat und seine Freunde in eine buchstäblich
komplett weiße Stadt kommen … Mehr davon und ein durchdachteres, logischeres Drehbuch, und "The Harder They Fall" hätte ein richtig guter Western werden können!
Fazit:
"The Harder They
Fall" ist ein stylisher, actionreicher Western mit guter,
fast komplett afroamerikanischer Besetzung, der aber als Folge eines
mäßigen, unlogischen Drehbuchs nur mittelmäßig ausfällt.
Wertung:
6 Punkte.
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