Regie: Ben
Lewin, Drehbuch: Michael Golamco, Musik: Heitor Pereira
Darsteller:
Dakota Fanning, Toni Collette, Alice Eve, Michael
Stahl-David, Patton Oswalt, Tony Revolori, Denise Dowse, Jessica Rothe, Shawn Roe, Marla Gibbs, Laura Innes, Robin Weigert
FSK: 6, Dauer: 93 Minuten.
Wendy Welcott (Dakota Fanning, "Ocean's 8") ist
eine junge Autistin, die manchmal gewisse Aggressionsprobleme hat – derentwegen sie von
ihrer älteren Schwester Audrey (Alice Eve, "Star Trek Into Darkness")
schweren Herzens in ein spezielles Pflegeheim geschickt wurde, als Audrey und
ihr Ehemann ein Baby bekamen. Unter der Anleitung von Betreuerin Scottie (Toni
Collette, "Knives Out") hat Wendy bereits große Fortschritte gemacht,
sie hat ihre Wutanfälle weitgehend im Griff und sogar eine einfache
Arbeitsstelle gefunden. Und Wendy hat zwei große Ziele, die miteinander
zusammenhängen. Erstens will sie unbedingt zurück zu ihrer Schwester ziehen; da
diese aber finanziell nicht gerade rosig dasteht, will sie als eingefleischter
Fan des Franchises zweitens einen mit $100.000 Preisgeld dotierten Wettbewerb
für ein "Star Trek"-Drehbuch gewinnen. Nach einem Streit mit
Audrey macht sich Wendy kurzerhand auf eigene Faust auf den langen Weg nach Hollywood,
um ihr 450 Seiten schweres Drehbuch persönlich abzuliefern. Während Scottie und
Audrey verzweifelt nach ihr suchen, macht Wendy auf ihrer Reise einige
interessante Bekanntschaften …
Kritik:
Obwohl der kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in
Polen geborene, mit seiner Familie aber schon als Kind nach Australien
ausgewanderte Regisseur und Drehbuch-Autor Ben Lewin bereits über 70 Jahre alt
und seit Jahrzehnten sowohl im Kino- wie auch im TV-Bereich in der Branche ist,
erlangte er erst 2012 größere internationale Bekanntheit. Grund
dafür war seine sehr positiv rezensierte Indie-Tragikomödie "The Sessions", die viele Preise gewann und sogar eine OSCAR-Nominierung für
Hauptdarstellerin Helen Hunt einheimsen konnte. Das sorgte aber nicht
dafür, daß Lewins Karriere plötzlich spät durchgestartet wäre; vielmehr dauerte
es fünf Jahre, bis er mit "Please Stand By", einer weiteren
Tragikomödie, seinen nächsten Film drehte – der jedoch kaum Beachtung fand. Das ist nicht wirklich verwunderlich, denn obwohl das
auf einem Bühnenstück von Michael Golamco (der dieses selbst ins Drehbuch für
die Verfilmung überführte) basierende Roadmovie mit Coming of Age-Elementen ein interessantes Thema hat und
dazu gut besetzt und wirklich nett anzuschauen ist, fehlt ihm einfach das
gewisse Etwas, um aus der Vielzahl an Independent-Tragikomödien
hervorzustechen.
Augenfälligstes Beispiel dafür ist die "Star
Trek"-Thematik, die zwar die Triebfeder von "Please Stand By"
ist, aber nur am Anfang und am Ende wirklich eine Rolle spielt. Gerade im
letzten Drittel gibt es da ein paar schöne Szenen, als Wendy bereits in Los
Angeles angekommen ist und u.a. auf Klingonisch mit einem fürsorglichen Polizisten
(Patton Oswalt, "Odd Thomas") parliert, aber insgesamt wirkt es doch
so, als wäre diese Prämisse ein wenig verschenkt – ein anspielungsreiches
Nerd-Abenteuer á la "Fanboys" aus dem Jahr 2009 sollte sich jedenfalls
niemand erhoffen. Ernsthafter wird erfreulicherweise mit Wendys Autismus
umgegangen, doch wenngleich Dakota Fanning ihre Figur sehr überzeugend
darstellt, kann zumindest ich als Laie mich auch hier nicht ganz des Eindrucks erwehren, daß
"Please Stand By" relativ dicht an der Oberfläche bleibt und wenig
Interesse daran hat, das Wesen und die für Betroffene und Umwelt ja durchaus
schwerwiegenden Konsequenzen genauer unter die Lupe zu nehmen. Klar, durch die
Schwestern-Beziehung und Wendys Wutausbrüche wird schon vermittelt, daß das
Ganze kein Kinderspiel ist, aber von einer tiefgehenden Thematisierung ist
"Please Stand By" ziemlich weit entfernt. Ich will allerdings nicht verschweigen, daß viele mit Autismus wesentlich besser vertraute Personen dem Film und Fanning eine sehr authentische Darstellung bescheinigen.
Dennoch kann gerade der Roadmovie-Teil von "Please Stand By" nur bedingt
überzeugen, da Wendys Begegnungen alles in allem doch arg unspektakulär
verlaufen. Das macht sie auf der anderen Seite natürlich realistisch, aber ein
Film wie dieser soll und will nunmal unterhalten, und dafür geschieht in
"Please Stand By" einfach zu wenig. Zudem muß man nie mit Wendy
mitfiebern, denn trotz ihrer Probleme im Umgang mit ihrer Umwelt gerät sie
niemals in wirklich gefährliche Situationen, selbst wenn naturgemäß nicht jede
Begegnung positiv für sie verläuft. Die Handlung plätschert weitgehend
erwartbar vor sich hin, zweifellos gefällig und sympathisch, aber es fehlen
schlicht die Höhepunkte. Ein wenig entschädigen dafür die guten Schauspieler,
wobei neben Fanning erwartungsgemäß vor allem Toni Collette als ihre Betreuerin
Scottie einen guten Job macht, zudem gibt es einige Gastauftritte bekannter
Darsteller wie Tony Revolori ("Grand Budapest Hotel"; als Wendys
Kollege), Michael Stahl-David ("Cloverfield"; als Audreys Ehemann),
Jessica Rothe ("Happy Deathday"; als Wendys Zufallsbegegnung
unterwegs) oder eben dem Comedy-Spezialisten Patton Oswalt. Insgesamt ein
netter Film, den man sich gut anschauen kann, anschließend aber auch ziemlich
schnell wieder vergessen dürfte.
Fazit: "Please Stand By" ist ein
tragikomisches Roadmovie über eine junge Autistin, das zwar sympathisch rüberkommt
und gut gespielt ist, erzählerische Höhepunkte jedoch schmerzlich vermissen läßt.
Wertung: 6,5 Punkte.
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