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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 1. Juli 2020

Doppel-Kurz-Nachruf: Carl Reiner (1922-2020) und Johnny Mandel (1925-2020)

Am Montag sind gleich zwei US-amerikanische Filmschaffende nach über Jahrzehnte hinweg erfolgreichen Karrieren in hohem Alter verstorben - und sie teilen sich sogar einen Eintrag in ihrer Filmographie: der Regisseur, Autor, Comedian, Schauspieler und Produzent Carl Reiner und der Komponist Johnny Mandel.

Beginnen wir mit Carl Reiner. Der Vater des "Die Braut des Prinzen"-, "Misery"- und "Harry & Sally"-Regisseurs Rob Reiner wurde in den USA als TV-Comedian berühmt, in jungen Jahren arbeitete er mit vielen weiteren Comedy-Genies wie Mel Brooks, Dick van Dyke, Sid Caesar und Woody Allen zusammen. Nachdem er nach dem Krieg seine Entertainment-Karriere am Broadway startete, war er bald durch die prominente Mitwirkung an populären TV-Shows wie "Your Show of Shows", "Caesar's Hour" und der von Reiner erdachten Sitcom "The Dick Van Dyke Show" erfolgreich und gewann in dieser Zeit insgesamt acht Emmys (zwei für "Caesar's Hour", sechs für "The Dick Van Dyke Show"). Auch im Kino war er gelegentlich zu sehen, wobei seine prestigeträchtigste Rolle die des Schriftstellers Walk Whittaker ist, der in Norman Jewisons amüsanter Paranoia-Komödie "Die Russen kommen! Die Russen kommen!" in eine vermeintliche sowjetische Invasion gerät (in Wirklichkeit versucht lediglich die Besatzung eines vor der Küste auf eine Sandbank aufgelaufenen sowjetischen U-Boots, dieses freizubekommen und unbemerkt zu verschwinden ...). Ab Ende der 1960er Jahre wechselte Reiner verstärkt hinter die Kamera und feierte nach ersten Gehversuchen mit den nur wenig gesehenen "Sein großer Auftritt" (1967), "The Comic" (1969) und "Wo is' Papa?" (1970) sowie dem ziemlich erfolgreichen "Oh Gott ..." (1977) vor allem in der Zusammenarbeit mit seinem Hauptdarsteller Steve Martin große Erfolge. Innerhalb von fünf Jahren schuf das Duo mit "Reichtum ist keine Schande" (1979), der detailverliebten Film Noir-Parodie "Tote tragen keine Karos" (1982), der Horrorfilm-Persiflage "Der Mann mit zwei Gehirnen" (1983) und der romantischen Screwball-Komödie "Solo für 2" (1984) vier kleine Komödien-Klassiker. Ohne Steve Martin funktionierten Reiners Regiearbeiten deutlich schlechter, weshalb der Flop "Noch einmal mit Gefühl" aus dem Jahr 1997 sein letzter Film in dieser Funktion blieb. Dafür durfte er nach der Jahrtausendwende ein ungeahntes Comeback als Schauspieler erleben, als ihn Steven Soderbergh als erfahrenen Trickbetrüger Saul Bloom in seiner sehr erfolgreichen Heist-Komödie "Ocean's Eleven" (und den beiden Fortsetzungen) besetzte. Zudem tauchte er häufig als Gastdarsteller oder -sprecher in TV-Serien wie "Crossing Jordan", "Ally McBeal", "Dr. House", "Two and a Half Men" oder "Family Guy" auf, einer dieser Auftritte (in der Comedyserie "Verrückt nach dir") bescherte ihm 1995 seinen neunten Emmy. Und 1998 gewann er gemeinsam mit seinem Freund Mel Brooks sogar einen Grammy für das beste gesprochene Comedy-Album des Jahres.
Am 29. Juni 2020 starb Carl Reiner im Alter von 98 Jahren in Beverly Hills eines natürlichen Todes.

R.I.P.

Der New Yorker Komponist, Trompeter und Posaunist Johnny Mandel war besonders dem Jazz zugeneigt, musizierte u.a. mit Frank Sinatra, Quincy Jones und Natalie Cole und gewann (bei sagenhaften 17 Nominierungen) fünf Grammys. Auch als Filmkomponist machte er sich schnell einen Namen, wurde u.a. für die Songs "The Shadow of Your Smile" für Vincente Minnellis Drama "... die alles begehren" (1965) und "Take Me Home" für Gary Nelsons Western "Molly und der Gesetzlose" (1973) für einen Golden Globe nominiert sowie für den Song "A Time for Love" für Robert Gists "Mord aus zweiter Mann" (1966) für einen OSCAR - gewinnen konnte er den Goldjungen für "The Shadow of Your Smile". Zahlreiche weitere Lieder von Johnny Mandel wurden in Filmen verwendet, in die Film- und Musikgeschichte ging er jedoch mit einem Song ein, der keinen der großen Preise gewann: "Suicide Is Painless". Der melancholische Titelsong von Robert Altmans (dessen Sohn Mike den Text schrieb) kultiger Anti-Kriegssatire "M.A.S.H." (1970) und - in einer Instrumentalversion - der noch kultigeren TV-Serie "M*A*S*H" (1972-1983) ist ein echter Ohrwurm, der perfekt zum bittersüßen Tonfall von Film und Serie paßt und oft gecovert wurde. Neben anderen nahmen sich Marilyn Manson, Air und Kelis des Liedes an, ich persönlich favorisiere jedoch die rockige Version der Manic Street Preachers aus dem Jahr 1992. Zudem schuf Mandel die Filmmusiken zu Arthur Hillers Kriegskomödie "Nur für Offiziere" (1964), Jack Smights Film noir "Ein Fall für Harper" (1966), John Boormans Hardboiled-Krimi "Point Blank" (1967), Noel Blacks schwarzer Komödie "Der Engel mit der Mörderhand" (1968), zwei starken Tragikomödien von Hal Ashby ("Das letzte Kommando", 1973, und "Willkommen Mr. Chance", 1980) sowie für Sidney Lumets Gerichtsthriller "The Verdict" (1982) - achja, und auch den Score zu "Die Russen kommen! Die Russen kommen!" mit dem Hauptdarsteller Carl Reiner.
Am 29. Juni 2020 erlag Johnny Mandel im Alter von 94 Jahren im kalifornischen Ojai einer Herzkrankheit.

R.I.P.

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