Regie: David Dobkin, Drehbuch: Will Ferrell und Andrew
Steele; Musik: Atli Örvarsson
Darsteller: Will Ferrell, Rachel McAdams, Dan Stevens, Pierce
Brosnan, Mikael Persbrandt, Melissanthi Mahut, Demi Lovato, Ólafur Darri
Ólafsson, Graham Norton, Jamie Demetriou, Jóhannes Haukur Jóhannesson, Björn
Hlynur Haraldsson, Salvador Sobral, Aiste Gramantaite, Loreen, Alexander Rybak,
Conchita Wurst, Netta, Jamala, John Lundvik, Anna Odobescu, Bilal Hassani,
Jessy Matador, Elina Nechayeva
Als der in der isländischen Kleinstadt Húsavik nach dem frühen Tod seiner Mutter bei seinem alleinerziehenden Vater Erick (Pierce Brosnan,
"Mamma Mia!") aufwachsende Lars Erickssong (Will Ferrell, "The Producers") und seine Freundin Sigrit (Rachel McAdams, "Doctor Strange") als kleine Kinder den legendären ABBA-Auftritt mit
"Waterloo" beim Eurovision Song Contest 1974 live im Fernsehen
mitverfolgen, ist klar: Sie wollen irgendwann selbst bei diesem größten Musikwettbewerb
der Welt mitmachen – und ihn gewinnen! Vor allem Lars widmet sich in den folgenden Dekaden mit all seiner Leidenschaft diesem Ziel, während Sigrit es zwar
teilt, aber wohl in erster Linie wegen ihrer heimlichen Liebe zu Lars Teil
ihrer Band Fire Saga bleibt. Und tatsächlich scheint ihr musikalisches Ziel
näherzurücken, als sie durch einen glücklichen Zufall am nationalen
Vorentscheid teilnehmen dürfen. Der geht für sie zwar katastrophal in die Hose, aber
als die eigentliche Siegerin Katiana (US-Sängerin Demi Lovato) ausfällt, rücken Fire Saga
nach. Voller Enthusiasmus reisen sie zum Wettbewerb nach Edinburgh, wo allerdings einiges
schiefgeht und der charismatische russische Topfavorit Alexander Lemtov (Dan
Stevens, "The Guest") mit seinem Werben um Sigrit für zusätzliche Komplikationen
sorgt …
Kritik:
Wenn man einen Schauspieler benennen müßte, der für einen
sehr US-amerikanischen Humor steht, dann wäre Will Ferrell sicher eine gute
Wahl. Immerhin ist der Comedy-Spezialist und "Saturday Night
Live"-Alumnus in den USA seit rund zwei Jahrzehnten ein Superstar, der dort als
Hauptdarsteller schon erstaunliche acht Filme über die
traditionelle Blockbuster-Schwelle eines Einspielergebnisses von mehr als $100
Mio. führte. Von diesen acht Komödien konnten jedoch lediglich die beiden
"Daddy's Home"-Teile mit Mark Wahlberg international ansatzweise mit
den US-Ergebnissen mithalten, wogegen Filme wie "Buddy – Der
Weihnachtself", "Ricky Bobby", "Old School", "Anchorman", "Die
Eisprinzen" oder "Die etwas anderen Cops" im Rest der Welt nur
auf einen Bruchteil der nordamerikanischen Zuschauerzahlen kamen. Da liegt der
Verdacht nahe, daß das in der Tat primär Ferrells recht, nunja, rustikalem
Humorverständnis geschuldet ist, das stark auf Albernheit und Grimassen setzt und nur
selten auf hintersinnigen Witz. Insofern wirkt es auf den ersten Blick sehr
unglücklich, ausgerechnet diesen Will Ferrell zum Hauptdarsteller einer
Netflix-Komödie über den in den USA weitestgehend unbekannten Eurovision Song
Contest zu machen. Doch gibt es dafür einen guten Grund: Ferrell ist mit einer
Schwedin verheiratet und durch diese lernte er den ESC kennen und so sehr lieben,
daß er schließlich die Idee zu diesem Film hatte, dessen Drehbuch er mit dem langjährigen "Saturday Night Live"-Autor Andrew Steele verantwortet. Anders formuliert: Ohne Ferrell wäre "Eurovision Song Contest: The Story
of Fire Saga" wohl nie Wirklichkeit geworden. Und das wäre schade gewesen, denn
obwohl sich an Ferrells Humor nicht viel geändert hat, ist ihm eine
etwas zu lange, aber über weite Strecken amüsante und merklich liebevolle
Hommage an den ebenso beliebten wie oft belächelten Musikwettbewerb gelungen –
die passenderweise genau in dem Jahr erscheint, in dem der echte ESC wegen der
Corona-Pandemie abgesagt werden mußte.
Will Ferrell selbst tut in "Eurovision Song
Contest" das, was er immer tut: Er spielt mit seiner patentierten
Kombination aus stoischem Ernst und hemmungslos übertriebenem Grimassieren
einen lauten, eher schlichten, aber leidenschaftlichen Kerl mit dem Herz am
rechten Fleck, der zahlreiche Hindernisse überwinden muß, um sein Ziel zu
erreichen. Wer Ferrell-Filme mag, der bekommt also mehr vom Gewohnten, wer
sie (wie ich) eher nicht so sehr mag, leider auch. Zum Glück nimmt sich Ferrell
in der sehr vorhersehbaren, aber durchaus effektiven Story etwas zurück
und läßt auch seinen Co-Stars Rachel McAdams und (in etwas geringerem Umfang)
Dan Stevens erfreulich viel Raum. Vor allem McAdams nutzt das weidlich aus und
offenbart als liebenswert naive, aber von Großem träumende Sigrit nach
"Game Night" erneut ungeahntes Comedy-Potential. Während Ferrells
Lars die plumperen, manchmal auch unter die Gürtellinie zielenden Gags
übernimmt – die erfreulicherweise weniger Fremdschäm-Momente beinhalten
als man befürchten konnte und teilweise richtig witzig sind –, ist Sigrit
das Herz von "Eurovision Song Contest". In mehrfacher Hinsicht
dazwischen steht Dan Stevens, der als selbstverliebter russischer Charmebolzen
und Favorit Alexander (der trotz betont homoerotischer Bühnenshow garantiert
nicht schwul ist, denn wie er Sigrit glaubhaft versichert, gibt es in Russland gar keine
Homosexuellen – das ist Fakt!) dem überforderten Lars seine Sigrit streitig zu
machen droht, aber vom Film sympathischerweise nie als Bösewicht gezeichnet
wird. So sehr man über Will Ferrells Talente streiten kann, muß man ihm eines
übrigens lassen: Während Dan Stevens ein Stimmdouble hat und Rachel McAdams' Stimme per Computer mit der der schwedischen ESC 2006-Teilnehmerin Molly
Sandén vermischt wurde, singt Ferrell alles selbst. Zugegeben, das hört man
auch, da Ferrells Sangesfähigkeiten ähnlich limitiert sind wie die
schauspielerischen – aber das macht er mit vollem Einsatz und Leidenschaft
sympathisch wett (was ein bißchen an Russell Crowe in "Les Misérables" erinnert).
Generell zählt die Musik eindeutig zu den Stärken von
"Eurovision Song Contest". Die Lieder der Teilnehmer, die wir zu
hören bekommen, könnten problemlos im echten ESC zu hören sein und sind –
zumindest die, die wir in ganzer Länge zu hören bekommen – sogar richtig gut.
Ein echtes Highlight ist zudem ein "Song-A-Long" in der Mitte des
Films, in dem auf einer großen Party in Alexanders Anwesen neben aktuellen Wettbewerbern zahlreiche reale frühere ESC-Teilnehmer von Conchita Wurst
(Österreich) über Netta (Israel) und Loreen (Schweden) bis hin zu Jessy Matador
(Frankreich) und Alexander Rybak (Norwegen) zu hören sind. Für Lacher
sorgt auch der irische TV-Moderator Graham Norton, der bereits mehrfach für
die BBC den echten Wettbewerb kommentiert hat und im Film vor allem die
pannengeplagten isländischen Auftritte herrlich süffisant begleitet. Die
Handlung selbst ist, wie erwähnt, dünn und generisch (und kurioserweise
erinnert sie vor allem zu Beginn an die norwegische Heavy Metal-Komödie
"Heavy Trip"), kommt aber mit ein paar guten Einfällen wie der
Einbeziehung der isländischen Elfen (an die Sigrit glaubt, Lars nicht)
oder einer Gruppe gutgläubiger junger US-Touristen, die von Lars ausgiebig beschimpft werden,
daher. Pierce Brosnans Rolle als von den Ambitionen seines Sohnes schwer
genervter Erick Erickssong ist dramaturgisch nur wenig ergiebig, macht aber
trotzdem Laune, da Brosnan wie das gesamte Ensemble offensichtlich viel Spaß bei den
Dreharbeiten hatte. Über ein paar faktische Fehler speziell im Halbfinale (an
dem etwa auch eigentlich direkt fürs Finale qualifizierte Länder wie
Spanien und Deutschland teilnehmen), die angesichts der direkten
Zusammenarbeit mit den ESC-Organisatoren überraschen, sieht man da gerne
hinweg, zumal sie dramaturgisch nachvollziehbar sind und sich außerdem die
Regeln in der Realität ja sowieso alle paar Jahre ändern.
Fazit: "Eurovision Song Contest: The Story of
Fire Saga" ist ein inhaltlich eher anspruchsloses und humortechnisch nicht
immer geschmackssicheres, aber insgesamt sehr unterhaltsames Feelgood-Movie mit
guter Musik und einer spielfreudigen Besetzung.
Wertung: 7 Punkte.
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