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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 21. April 2020

UNTERWEGS NACH COLD MOUNTAIN (2003)

Originaltitel: Cold Mountain
Regie und Drehbuch: Anthony Minghella, Musik: Gabriel Yared
Darsteller: Jude Law, Nicole Kidman, Renée Zellweger, Ray Winstone, Natalie Portman, Philip Seymour Hoffman, Brendan Gleeson, Jack White, Donald Sutherland, Giovanni Ribisi, Cillian Murphy, Kathy Baker, James Gammon, Eileen Atkins, Jay Tavare, Ethan Suplee, Jena Malone, Melora Walters, Taryn Manning, Charlie Hunnam, Lucas Black, James Rebhorn, Tom Aldredge, Emily Deschanel
 Unterwegs nach Cold Mountain (2003) on IMDb Rotten Tomatoes: 70% (6,7); weltweites Einspielergebnis: $173,0 Mio.
FSK: 12, Dauer: 154 Minuten.

1861 knüpfen in dem Ort Cold Mountain in South Carolina in den amerikanischen Südstaaten die wohlerzogene Pfarrerstochter Ada Monroe (Nicole Kidman, "Destroyer") und der charmante Handwerker Inman (Jude Law, "Captain Marvel") gerade zarte Liebesbande, als der Bürgerkrieg ausbricht und Inman eingezogen wird zum Abschied erhält er immerhin den ersten Kuß von seiner Angebeteten. Nachdem er ein als "Kraterschlacht" in die Historie eingehendes Gemetzel in Virginia gerade so überlebt und zudem verzweifelte Briefe von Ada erhält, beschließt Inman, zu desertieren und unter ständiger Lebensgefahr – Deserteure werden kurzerhand erschossen, wenn sie erwischt werden – alleine und zu Fuß den langen, beschwerlichen und gefährlichen Weg zurück nach Cold Mountain zu gehen. Unterdessen kann dort die zurückgebliebene Ada nach dem Tod ihres Vaters (Donald Sutherland, "Stolz und Vorurteil") nicht mehr für sich selbst sorgen, bis sie Hilfe von der rabiaten Ruby Thewes (Renée Zellweger, "Bridget Jones") erhält. Die beiden werden enge Freundinnen und Ruby zeigt Ada, wie man Adas geerbte Farm nutzt, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Für viel Ärger sorgt jedoch immer wieder der sadistische Teague (Ray Winstone, "Noah"), welcher als Anführer der lokalen Bürgermiliz seine neue Macht schamlos mißbraucht und es auf Adas Ländereien abgesehen hat …

Kritik:
Der 2008 mit nur 54 Jahren verstorbene britische Filmemacher Anthony Minghella inszenierte gerade einmal sechs Kinofilme – mit denen er einen OSCAR gewann und für drei weitere Academy Awards sowie für vier Golden Globes nominiert war. Genau genommen beschränken sich diese Auszeichnungen sogar auf drei Filme, denn zwei von Minghellas Regiearbeiten – die romantische Komödie "Mr. Wonderful" (1993) und das Krimidrama "Breaking & Entering" (2006) – schnitten bei Kritik und Publikum bestenfalls mittelmäßig ab, während sein Kinodebüt "Wie verrückt und aus tiefstem Herzen" aus dem Jahr 1990 trotz guter Rezensionen weitgehend unbeachtet blieb. Von den drei verbleibenden Regiearbeiten – zu denen er jeweils auch das Drehbuch beitrug – kann man das definitiv nicht behaupten. Das Kriegs- und Abenteuerepos "Der englische Patient" (1996) mit Ralph Fiennes, Kristin Scott Thomas und Juliette Binoche polarisiert zwar seit jeher, gehört aber mit sagenhaften neun OSCARs zu den meistgeehrten Filmen Hollywoods, während der fünffach OSCAR-nominierte "Der talentierte Mr. Ripley" (1999) vielen (neben "Carol") als beste Adaption eines Patricia Highsmith-Romans gilt (und nebenbei großartigen jungen Darstellern wie Matt Damon, Jude Law und Cate Blanchett einen gehörigen Schub auf dem Weg zu Weltstars verpaßte). Neben diesen modernen Klassikern verblaßt der immerhin siebenfach OSCAR-nominierte "Unterwegs nach Cold Mountain" ein wenig, da der auf einem Roman von Charles Frazier basierende zweieinhalbstündige Mix aus (Anti-)Kriegsfilm, epischer Romanze und abenteuerlich-skurrilem Roadmovie ein wenig sperriger daherkommt und sich vielen Erwartungen des Mainstream-Publikums entzieht – vielleicht gerade deshalb ist es aber mein persönlicher Lieblingsfilm von Anthony Minghella.

Wer beispielsweise einen typischen, actionreichen Bürgerkriegsfilm á la Roland Emmerichs "Der Patriot" erwartet, den wird "Unterwegs nach Cold Mountain" schwer enttäuschen, denn nach der Schlacht zu Beginn – die beklemmend realistisch dargestellt ist, jedoch unter einer unerträglich pathostriefenden Musik-Untermalung leidet – gibt es außer ein paar Scharmützeln mit wenigen Beteiligten nicht mehr viele Kämpfe zu sehen. Und wer sich andererseits einen hochemotionalen Schmachtfetzen wie "Der englische Patient" oder "Doktor Schiwago" erhofft, der könnte sich daran stören, daß die Liebesgeschichte zwischen Ada und Inman zwar der große Treiber der erzählten Geschichte ist, allerdings angesichts der räumlichen Trennung der Liebenden wenige echte Liebesszenen zu bieten hat. Stattdessen stehen Inmans ungemein entbehrungsreiche und von etlichen in ihrer Skurrilität teils an die Filme der Coen-Brüder (wie "O Brother, Where Art Thou?") erinnernden Begegnungen geprägte Reise zurück nach Hause sowie die Freundschaft zwischen Ada und Ruby im Mittelpunkt des immer wieder zwischen den Storysträngen hin- und herspringenden Films. Ein richtig harmonischer Handlungsbogen läßt sich auf diese Weise schwer etablieren, speziell Inmans Odyssee erweist sich eher als eine Aneinanderreihung von Anekdoten. Für mich ist das allerdings kein Problem, da diese auf unterschiedlichste Weise die Grausamkeit des Krieges bebildernden Anekdoten so spannend und auch vergleichsweise originell gestaltet sind, daß einem niemals langweilig wird. Auch die hochkarätige Besetzung der Nebenrollen trägt dazu ihren Teil bei, wenn Inman beispielsweise auf die von Natalie Portman ("Jackie") verkörperte verzweifelte junge Witwe und Mutter Sara trifft oder auf den korrupten Priester Veasey (Philip Seymour Hoffman, "Glaubensfrage"), der ihn eine Zeitlang begleitet.

In Cold Mountain bekommen es derweil Ada und Ruby (Renée Zellweger gewann für ihre sehr sympathische Rolle den Nebenrollen-OSCAR) nicht nur mit Problemen bei der Landwirtschaft zu tun, sondern vor allem mit Oberfiesling Teague und seinen Männern, die den Ort zunehmend tyrannisieren. Das ist zwar weniger ereignisreich als Inmans Teil der Geschichte, dafür kommt man den weniger häufig wechselnden Figuren näher. Speziell die Freundschaft zwischen den eigentlich grundverschiedenen Ada und Ruby erweist sich als das Herz des Films, doch auch Nebenrollen wie Adas freundliche Nachbarin Sally (Kathy Baker, "Saving Mr. Banks"), Rubys desertierter Vater Stobrod (Brendan Gleeson, "Am Sonntag bist du tot") oder der schüchterne Musiker Georgia (gespielt von Sänger Jack White, der auch fünf sehr stimmungsvolle Songs – darunter drei Traditionals – vortragen darf), der Rubys Interesse weckt, sind glaubwürdig und sympathisch geschrieben und gespielt. Grundsätzlich sind beide Storystränge trotz (zumeist schwarzer) Humoranflüge sehr düster und sparen nicht an drastischen Szenen, die Minghellas klare Anti-Kriegshaltung deutlich machen. Dementsprechend fungiert die Liebe zwischen Ada und Inman in erster Linie als ein Symbol für Hoffnung – Hoffnung, diesen Krieg und all jene Grausamkeiten, welche er mit sich bringt, irgendwie zu überstehen und anschließend wieder zueinanderzufinden. Beiden ist klar, daß sie sich eigentlich kaum kennen; beide befürchten, daß der respektive die andere sie vergessen könnte – doch beide klammern sich verzweifelt an diese Liebe, die sie zum trotzigen Weitermachen bewegt. Sowohl Jude Law – für den es seine erste große Hollywood-Hauptrolle war – als auch Nicole Kidman spielen ihre Rollen exzellent und erwecken die sehnsuchtsvolle Liebe zwischen ihren Figuren trotz weniger gemeinsamer Szenen mit viel Leidenschaft zum Leben. Beinahe pervers wirken angesichts der Tragik und der Hoffnungslosigkeit, welche weite Teile von "Unterwegs nach Cold Mountain" prägen, die von Kameramann John Seale ("Mad Max: Fury Road") oft atemberaubend schön eingefangenen Landschaftsaufnahmen während Inmans Reise oder Gabriel Yareds ("Das Leben der Anderen") liebliche, einfühlsame Musik (abgesehen von der erwähnten Schlacht zu Beginn), die nicht zuletzt dank Jack Whites Figur Georgia auch innerhalb des Films eine Rolle spielt und nicht nur Begleitung ist. "Unterwegs nach Cold Mountain" trifft mit seiner relativ unkonventionellen Machart sicherlich nicht jedermanns Geschmack und es gelingt Minghella nicht durchgehend, jenen unwiderstehlichen Sog mancher anderer großer Kinoepen der Hollywood-Geschichte zu entwickeln – trotzdem ist ihm ein sehr guter Film gelungen, der tief bewegt, sofern man sich auf ihn einlassen kann.

Fazit: "Unterwegs nach Cold Mountain" ist ein ungewöhnliches, mitunter etwas anstrengendes, aber einfallsreiches und bewegendes romantisches (Anti-)Kriegsabenteuer mit einer tollen, von Nicole Kidman, Jude Law und Renée Zellweger angeführten Besetzung.

Wertung: 8,5 Punkte.


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