Er war jahrzehntelang einer der beliebtesten Schauspieler und Komödianten in Frankreich - und das lag garantiert nicht nur (aber vermutlich auch ein kleines bißchen) an seinem markanten Schnurrbart, der ihn über weite Strecken seiner Karriere hinweg begleitete. Heute starb Jean Rochefort im Alter von 87 Jahren in Paris.
Seine größten Erfolge feierte Rochefort nach einem obligatorischen Karrierebeginn im Theater in den 1960er und 1970er Jahren, als der Mime mit den scharfgeschnittenen Gesichtszügen als charmanter, gutaussehender, stets eleganter Hauptdarsteller in Kostümfilmen und Komödien reüssierte, aber auch in anspruchsvollen Dramen zu beeindrucken wußte. Nach einem ersten Erfolg in einer großen Nebenrolle (noch ohne Schnurrbart) als Bandit La Taupe in der "Robin Hood"-Variation "Cartouche, der Bandit" (1962) mit Jean-Paul Belmondo und Claudia Cardinale machte ihn seine Darstellung des Polizisten und ehemaligen Anwalts Desgrez in den zwischen 1964 und 1966 jährlich veröffentlichten ersten drei Teilen der extrem erfolgreichen "Angélique"-Reihe nach den Romanen von Anne Golon zum Star. In den 1970er Jahren machte er vor allem als Komödiant auf sich aufmerksam und agierte mit großem Können an der Seite von Pierre Richard als Geheimdienstchef in der Spionageparodie "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh" (1972) samt Fortsetzung, in dem Erfolgsfilm "Ein Elefant irrt sich gewaltig" (1976, acht Jahre später in Hollywood als "Die Frau in Rot" mit Gene Wilder neu verfilmt) hatte er gar die alleinige Hauptrolle inne. Noch mehr hat mir persönlich aber "Das Gespenst der Freiheit" (1974) imponiert, ein aberwitziger und absurd-surrealer Episodenfilm von Luis Buñuel, der jeden Monty Python-Fan begeistern sollte und in dem Rochefort den Mr. Legendre spielt, dessen Tochter von ihren Schullehrern als vermißt gemeldet wird - obwohl sie direkt vor ihnen steht und sogar mit ihnen spricht!
Ebenfalls in den 1970er Jahren etablierte sich Jean Rochefort als Charaktermime. Den Anstoß dafür gab das Familiendrama "Kerzenlicht" (1972) mit Annie Girdardot, anschließend agierte er als Polizeiinspektor in Bertrand Taverniers Kriminaldrama "Der Uhrmacher von St. Paul" neben Philippe Noiret, glänzte als ambitionierter Geistlicher in Taverniers Historiendrama "Wenn das Fest beginnt ..." (1975; dafür gewann er seinen ersten von drei Césars, den zweiten gab es 1978 für den Abenteuerfilm "Der Haudegen" und den dritten 1999 für sein Lebenswerk) und überzeugte als Gatte der wunderbaren Marlène Jobert in dem (allerdings gefloppten) deutschen historischen Liebesdrama "Grandison" (1979) von Achim Kurz. Nach einer Durststrecke in den 1980er Jahren, aus der kaum ein Film erinnerungswürdig ist, wurde er in fortgeschrittenem Alter zu einem beliebten Nebendarsteller. Robert Altman besetzte ihn als Polizist in der Modesatire "Prêt-á-porter" (1994), in Patrice Lecontes satirischem Historienfilm "Ridicule" (1996) spielte er den aristokratischen Arzt Marquis de Bellegarde (und erhielt eine César-Nominierung als bester Nebendarsteller) und in dem opulenten TV-Mehrteiler "Der Graf von Monte Christo" (1998) mit Gérard Depardieu war er als reicher Banker zu sehen. Anschließend gelang ihm theoretisch der wohl größte Coup seiner Karriere, als er die Titelrolle in Terry Gilliams ambitioniertem "The Man Who Killed Don Quixote" ergatterte, einer Kombination aus Cervantes "Don Quijote" und Mark Twains "Ein Yankee am Hofe des König Artus". Aus einer Traumrolle an der Seite von Johnny Depp wurde jedoch schnell ein Alptraum, als sich die Dreharbeiten aufgrund diverser Verzögerungen immer weiter hinzogen und schließlich Rochefort einen Bandscheibenvorfall erlitt, in dessen Folge er nicht mehr reiten konnte. Damit war der Film gestorben, die ganze Geschichte brachte immerhin noch den preisgekrönten Dokumentarfilm "Lost in La Mancha" (2002) hervor (übrigens: inzwischen hat Gilliam den Film nach mehreren gescheiterten Anläufen in deutlich abgewandelter und finanziell abgespeckter Form doch noch gedreht - er soll 2018 in die Kinos kommen, dann mit Jonathan Pryce als Don Quixote).
Dafür konnte sich Jean Rochefort mit einigen weiteren schönen Rollen trösten, etwa in Francis Vebers ebenso witziger wie erfolgreicher Komödie "Ein Mann sieht rosa" (2001) mit Daniel Auteuil und Gérard Depardieu, als pensionierter Lehrer in Patrice Lecontes philosophischem Krimidrama "Das zweite Leben des Monsieur Manesquier" (2002; Publikumspreis beim Festival von Venedig und zwei Nominierungen beim Europäischen Filmpreis), als Millionär in Guillaume Canets Thriller "Kein Sterbenswort" (2006), als Oberkellner in "Mr. Bean macht Ferien" (2006), als Bildhauer in "Das Mädchen und der Künstler" (2012) und in "Asterix & Obelix - Im Auftrag Ihrer Majestät" (2012). Sein letzter Film war die Tragikomödie "Floride" aus dem Jahr 2015, in der er die Hauptrolle des energischen 80 Jahre alten Claude Lherminier spielt, der zunehmend vergeßlich wird, sich aber nicht eingestehen will, daß das ein echtes Problem ist.
Jean Rochefort starb in der Nacht zum 9. Oktober 2017 mit 87 Jahren in einem Krankenhaus in Paris. R.I.P.
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