Regie: Ed Bazalgette und William McGregor, Drehbuch:
Debbie Horsfield, Musik: Anne Dudley
Darsteller:
Aidan Turner, Eleanor Tomlinson, Kyle Soller, Heida Reed, Phil Davis, Beatie Edney, Ruby Bentall, Richard
Harrington, Warren Clarke, Luke Norris, Caroline Blakiston,
Pip Torrens, Jack
Farthing, Alexander Arnold, Gracee O'Brien, Matthew Wilson, Sabrina Bartlett, Michael Culkin, John Hollingworth, Robert
Daws, Harriet Ballard, Tristan Sturrock, Mark Frost, Patrick Ryecart, Jason
Squibb, Henry Garrett, Jason Thorpe, Crystal Leaity, Robin Ellis
Als der Landadlige Ross Poldark (Aidan Turner, der romantische Zwerg Kili in der "Der Hobbit"-Trilogie) um 1780 überraschend aus dem amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg zurückkehrt – in dem er als britischer Offizier kämpfte –,
ist es für ihn nicht gerade eine freudige Heimkehr nach Cornwall. Sein Vater ist vor
wenigen Monaten verarmt verstorben, das von dem versoffenen alten Diener-Ehepaar Prudie (Beatie Edney, "Highlander") und Jud Paynter (Phil Davies, TV-Serie "Whitechapel") bewohnte Haus ist heruntergekommen und die Mine
Wheal Leisure, die seine Familie sowie ihre Pächter und Arbeiter ernährte,
wurde geschlossen. Und dann muß er erfahren, daß sein Cousin Francis
(Kyle Soller, "Anna Karenina") just die Verlobung mit Ross' großer Liebe Elizabeth (Heida
Reed, "Zwei an einem Tag") feiert – weil man lange nichts von Ross gehört hatte, ging man allgemein
davon aus, er sei im Krieg gefallen. Doch während Ross noch mit seinen Gefühlen
kämpft, muß er sich um sein Land kümmern, schließlich hängt nicht nur sein
Leben davon ab, sondern auch das jener einfachen Arbeiter, die seit
Generationen mit den Poldarks verbunden sind und nun kaum ihre Familien
ernähren können. Denn die britischen Inseln befinden sich in einer wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Krise und als Folge der beginnenden industriellen Revolution in einer Umwälzungsphase, in der skrupellose Ausbeuter wie die neureiche
Banker-Familie Warleggan auf Kosten aller anderen unfaßbar reich werden –
gelegentliche Land- und Minenarbeiteraufstände zeigen, wie gefährlich die Situation ist,
die zur gleichen Zeit in Frankreich bereits kurz vor ihrer Eskalation in
der Französischen Revolution steht. Aber Ross ist ein intelligenter Mann mit
einem starken Gerechtigkeitsgefühl, also setzt er sich mit all seinem Wissen
und Können für gerechtere Verhältnisse ein – wozu auch gehört, die von ihrem
Vater und ihren Brüdern mißhandelte Demelza (Eleanor Tomlinson, "Jack and the Giants") spontan als
Magd in seinen kleinen Haushalt aufzunehmen. Dabei soll es allerdings nicht
bleiben, denn schon bald und beinahe ohne es selbst zu merken verliert Ross
sein Herz an die wilde rothaarige Schönheit …
Kritik:
Normalerweise weiß ich schon im Vorfeld ziemlich genau, ob
mir eine neue TV-Serie gefallen wird oder nicht. Ich weiß, welchen Kritikern
ich vertrauen kann, außerdem erhöht das Wissen um Prämisse,
Schauspielerensemble und Kreative hinter der Kamera die Wahrscheinlichkeit,
keinen Fehlgriff zu tun. Bei "Poldark" war ich dagegen sehr unsicher.
Einerseits eine britische Serie (gut), die ein historisches Setting hat (gut)
und in ihrer Heimat sehr erfolgreich ist (auch gut), andererseits soll sie vor
allem bei Frauen beliebt sein (grundsätzlich kein Problem, da ich zahlreiche angebliche "Frauenserien" mag – aber es gibt ebenso genügend, die nichts für mich sind) und umfaßt viel Beziehungsgedöns (kein Problem für
mich, allerdings nur, solange es gut geschrieben ist und nicht zu viel Raum
einnimmt). Ich ging also durchaus skeptisch an die Serie heran – nur um rasch sehr
positiv überrascht zu werden! Das liegt vor allem daran, daß die Romantik zwar
eine zentrale Rolle spielt, jedoch die Thematisierung der historischen,
von einem enormen Umbruch bedrohten gesellschaftlichen Situation
fast gleichberechtigt behandelt wird. Somit erinnert "Poldark" an einige
der größten britischen Schriftsteller, denn wenngleich Autor Winston Graham
seine 12-bändige Romanreihe erst Mitte des 20. Jahrhunderts schrieb, wirkt
zumindest diese TV-Serie – in der übrigens etliche Schauspieler aus der ersten,
ebenfalls ungemein erfolgreichen Serienadaption aus den 1970er Jahren in Gastrollen
mitwirken, darunter der damalige Titeldarsteller Robin Ellis, der hier den
eitlen Magistrat Dr. Halse verkörpert – wie eine Kombination aus der
authentischen Schilderung gesellschaftlicher Mißstände bei Charles Dickens und
der scharfsichtig-spöttischen Betrachtung der Oberklasse bei Jane Austen (wenn "Poldark" auch deren subtile Ironie über weite Strecken abgeht). Und das
ist eine gelungene Mischung, die vor allem mit ihrer in Bild und Ton
unverkennbaren epischen Anlage sowie dem erstaunlich hohen Erzähltempo von Beginn
an mitreißt.
Zwar gibt es keine konkreten Zeitangaben, doch ausgehend von
den Geschehnissen sollten die nur acht jeweils knapp einstündigen Episoden
einen Zeitraum von immerhin rund zwei Jahren abdecken. Langeweile kommt somit
niemals auf, jedoch hätten manche Erzählstränge
schon etwas mehr Zeit spendiert bekommen dürfen. Auch die Charakterzeichnung leidet
naturgemäß ein wenig unter dem vorgelegten Höllentempo. Zwar gelingt es der
Autorin Debbie Horsfield, die sämtliche Folgen verfaßt hat, bemerkenswert gut,
das große Figurenensemble dem Publikum nahezubringen, wobei die markanten
Darsteller hilfreich sind; doch einige Nebenfiguren wirken ziemlich
stereotyp. Francis' 93-jährige Tante Agatha (Caroline Blakiston, Mon Mothma in "Star Wars Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter") beispielsweise
wirkt wie eine amüsante, aber insgesamt mangels Spielraum
recht blasse Kopie der von Maggie Smith in "Downton Abbey" unnachahmlich verkörperten Dowager Countess Violet Grantham. Und Ross'
hauptsächlicher Gegenspieler George Warleggan (Jack Farthing, "The Riot Club") und seine Kumpane
erinnern ziemlich stark an heute noch gängige Banker-Klischees – wobei die Realität
in dieser Zeit des beginnenden, damit noch weitestgehend unregulierten
Kapitalismus zugegebenermaßen sehr wohl solche Gestalten
hervorgebracht haben dürfte. Zumindest darf George im Gegensatz zu den meisten seiner
Mitstreiter bereits etwas Profil gewinnen und mitunter eine menschlichere Seite
zeigen – es steht zu vermuten, daß er in den kommenden Staffeln eine erheblich
größere Rolle einnehmen wird.
Viel besser steht es natürlich um die Hauptfiguren, die
im Großen und Ganzen erfreulich gut ausgearbeitet sind. Aidan Turner gelingt es
ausgezeichnet, Ross als einen Wandler zwischen den Welten darzustellen, der
zwar zur Oberschicht zählt und sich durchaus in der gehobenen Gesellschaft zu
bewegen weiß, sich in Wirklichkeit allerdings der Arbeiterschicht viel stärker
verbunden fühlt. Als Erbe seines verstorbenen Vaters ist es nun seine Pflicht,
sich um seine Untergebenen zu kümmern – eine Aufgabe, die er anders als viele seiner Standesgenossen mit großem Engagement angeht, indem er
gleich mal die geschlossene Mine wiedereröffnet, in der man Kupfer zu finden
hofft. Dafür muß er jedoch erst Investorengelder einsammeln, weshalb er
sich wie ein "Gentleman" verhalten und Kostümbälle besuchen muß und
ähnliche Sachen, bei denen er sich ausgesprochen unwohl fühlt. Daß Ross bei
seinem Tanz zwischen den Welten keineswegs fehlerfrei vorgeht, macht ihn nur
glaubwürdiger und sympathischer. Als aufgeklärter Zuschauer aus dem 21.
Jahrhundert will man ihn gar regelrecht anfeuern, wenn er sich gegen
Böswilligkeit, Gleichgültigkeit, Rückwärtsgewandtheit oder schlicht Dummheit erschreckend vieler seiner Standesgenossen auflehnt, die Ross schon mal (sinngemäß)
raten, wenn er sich weniger mit dem Pöbel – den manche gar als eigene,
minderwertige Rasse ansehen! – abgäbe, müsse er sich auch nicht mit deren
unbedeutenden Nöten beschäftigen … Wie erwähnt, allzu subtil ist
"Poldarks" Kritik an der Obrigkeit nicht dargeboten, aber die zwar
plakativen, jedoch mitunter sehr pointierten Dialoge erfüllen allemal ihren Zweck, indem
sie Ross' Kampf gegen die gesellschaftlichen Windmühlen nur umso nachvollziehbarer
und bewundernswerter machen. Gleichzeitig schadet Ross aber mit seinem Stolz
und dem seinem Gerechtigkeitsempfinden entspringenden Jähzorn immer wieder
seiner Sache und denen, die von ihm abhängig sind.
Selbstverständlich ist Ross Poldark aber nicht nur ein
unermüdlicher Kämpfer für Gerechtigkeit, sondern auch ein Liebender, der
zwischen zwei sehr unterschiedlichen Frauen steht. Das ist zum Glück weniger kitschig umgesetzt als es
klingen mag, wenngleich die Serie nicht ganz auf seifenopernartige Elemente und ein paar klischeehaft übertriebene
Momente verzichten mag, wenn etwa Demelza erstmals in edler Gewandung auf einem
Ball erscheint und in Zeitlupe die Treppe herabschreitet,
während sich alle Augen bewundernd (oder eifersüchtig) auf sie richten. Aber
hey, "Poldark" ist nunmal auch ein romantisches Epos, da darf man derartige Stilmittel ruhig einsetzen, sofern sie nicht überdosiert werden (was hier
nicht der Fall ist). Und irgendwie gelingt es Autorin Horsfield und den beiden
Regisseuren, trotz der relativ großen Zeitspanne, die in dieser Staffel
abgedeckt wird, speziell die aufkeimende Beziehung zwischen Ross und Demelza
zum Seufzen schön voranzutreiben. Natürlich ist dem Publikum viel früher bewußt,
daß die beiden füreinander bestimmt sind als ihnen selbst, vor allem der noch
immer beleidigt Elizabeth hinterherschmachtende Ross braucht eine Weile,
bis er kapiert, was er für Demelza empfindet – typisch Mann halt. Aber das
ändert nichts daran, daß man sehr gern ihrer leicht holprigen Annäherung folgt
und sich auch dank eines angenehm unaufgeregt eingeflochtenen Humors ausgezeichnet
unterhalten fühlt, zumal Aidan Turner und Eleanor Tomlinson wunderbar
miteinander harmonieren. Die klangvolle und ausdrucksstarke, von Streichern
dominierte Musik von Anne Dudley ("Tristan & Isolde") trägt dazu ebenso bei wie die
eindrucksvollen Aufnahmen der wilden Küstenlandschaft von Cornwall, die mehr
als einmal die Stimmung der Protagonisten zu spiegeln scheint.
Andere Beziehungen verlaufen derweil erheblich
unharmonischer als die zwischen Ross und Demelza; bei Elizabeth und Francis
wird in dieser Hinsicht wenig Überraschendes geboten, dennoch fühlt man
mit der nicht eben beneidenswerten Elizabeth mit, die sich stets perfekt
in der Gesellschaft zu bewegen weiß, dabei aber ihr eigenes Glück
vernachlässigt und mit einem schwachen Mann gestraft ist, der zwar im Kern kein
schlechter Kerl ist, aber regelmäßig die falschen Entscheidungen trifft und sich
folgenschwer von seinen Ängsten leiten läßt. Und der dritte große
Beziehungs-Erzählstrang bedient sich gar ziemlich direkt bei Jane Austen,
wenn Ross' liebenswerte Cousine Verity (Ruby Bentall, TV-Serie "Von Lark Rise nach Candleford") – die mit 25 bereits als
alte Jungfer mit minimalen Aussichten auf eine Verheiratung gilt – den deutlich
älteren, aber feschen Captain Blamey (Richard Harrington, Titeldarsteller der Krimireihe "Inspector Mathias") kennenlernt,
der aber nicht das Gefallen des Familienpatriarchen Charles Poldark (der kurz
nach den Dreharbeiten verstorbene Warren Clarke) findet … Für Abwechslung ist
in der ersten Staffel von "Poldark" also in jeder Hinsicht gesorgt,
was das Ganze zu einer richtig runden Sache macht, die nur von wenigen kleinen
Schönheitsfehlern beeinträchtigt wird. Die etwas zu plakative Obrigkeitskritik
habe ich bereits angesprochen, ein weiterer Kritikpunkt ist die Vielzahl
richtig dummer Entscheidungen fast aller handelnden Personen in der siebten
Episode. Zwar ist es grundsätzlich sehr lobenswert, daß bereits zum Ende der ersten
Staffel einige Konflikte für die zweite eingeleitet werden, in dieser geballten Häufung
innerhalb einer einzigen Folge ist es aber einfach übertrieben. Dafür
entschädigt dann allerdings der Cliffhanger am Staffelende, der seinen Zweck
locker erfüllt: Ich will definitiv wissen, wie es weitergeht!
Fazit: "Poldark" ist eine schwelgerische Historienserie, die ihre inhaltlichen Schwerpunkte – Romantik und
Darstellung der schwierigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Verhältnisse zu Beginn der industriellen Revolution – gekonnt miteinander
verknüpft und in der ersten Staffel richtig Spaß macht.
Wertung: 8,5 Punkte.
Staffel 1 von "Poldark" ist am 7. April 2017 von Edel:Motion auf DVD und Blu-ray veröffentlicht worden. Zum umfangreichen Bonusmaterial zählen einige Sammelkarten, ein Audiokommentar zur Pilotfolge, ein fast einstündiges, sehr informatives Making-of und drei kürzere Featurettes; deutsche Untertitel gibt es lediglich beim Bonusmaterial. Das Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von Glücksstern-PR zur Verfügung gestellt.
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Staffel 1 von "Poldark" ist am 7. April 2017 von Edel:Motion auf DVD und Blu-ray veröffentlicht worden. Zum umfangreichen Bonusmaterial zählen einige Sammelkarten, ein Audiokommentar zur Pilotfolge, ein fast einstündiges, sehr informatives Making-of und drei kürzere Featurettes; deutsche Untertitel gibt es lediglich beim Bonusmaterial. Das Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von Glücksstern-PR zur Verfügung gestellt.
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