Regie und Drehbuch: M. Night Shyamalan, Musik: West Dylan
Thordson
Darsteller: James McAvoy, Anya Taylor-Joy, Betty Buckley,
Brad William Henke, Haley Lu Richardson, Jessica Sula, Izzie Leigh Coffey,
Sebastian Arcelus, Neal Huff, Bruce Willis, M. Night Shyamalan
FSK: 16, Dauer: 118 Minuten.
Die beliebte Schülerin Claire (Haley Lu Richardson,
"The Edge of Seventeen") feiert mit ihren Eltern und ihren Freunden
ausgelassen Geburtstag in einem Fast Food-Restaurant. Mit dabei ist auch die
introvertierte Casey (Anya Taylor-Joy, "The Witch"), die eigentlich
nur eingeladen wurde, weil sie ansonsten die einzige aus Claires Klasse ohne
Einladung gewesen wäre. Als die Party vorbei ist, will Claires Vater (Neal Huff, "Moonrise Kingdom") sie,
ihre Freundin Marcia (Jessica Sula, TV-Serie "Skins") und Casey nach
Hause fahren, wird jedoch auf dem Parkplatz niedergeschlagen, während die drei
Teenager bereits im Auto sitzen. Stattdessen steigt Kevin (James McAvoy,
"X-Men: Erste Entscheidung") ein und betäubt die Mädchen sofort. Als
sie wieder zu Bewußtsein kommen, befinden sie sich in einem kleinen,
abgesperrten, scheinbar unterirdischen Raum. Während Claire und Marcia nach
Wegen zur Flucht suchen, plädiert Casey dafür, den Entführer und sein Verhalten ihnen gegenüber zuerst zu
beobachten. Das wird jedoch schwierig, denn wie sich zeigt, ist Kevin ein Mann mit multipler
Persönlichkeitsstörung; insgesamt bewohnen 23 Personen seinen Körper, von denen eine namens Dennis die Mädchen entführt hat. Und laut Dennis bereitet er die Ankunft einer 24.
Persönlichkeit vor, deren Name "das Biest" nichts Gutes für die
Gefangenen verheißt …
Kritik:
Scheinbar waren Geschichten, in denen eine kleinere Personengruppe in einem abgelegenen Gebäude auf die eine oder andere Art und Weise
festgehalten wird und dabei erschreckende Entdeckungen macht, im
Hollywood des Jahres 2016 schwer im Trend, immerhin war "Split"
bereits der dritte derartige Film nach "10 Cloverfield Lane" und "Don't Breathe" (auch "Raum" kann man im weiteren Sinne dazuzählen,
auch wenn der schon ein Jahr älter ist). Na gut, so richtig originell und neu
klingt die Prämisse gar nicht, natürlich gibt es seit den 1980er Jahren
zahllose Horrorfilme, die sich ganz ähnlich beschreiben ließen (z.B. "Tanz der Teufel" oder "The Cabin in the Woods"). Diese neue Welle unterscheidet
sich davon bei näherer Betrachtung aber recht deutlich, denn die Storys
sind in dem 2016er-Trio ungewöhnlich gut ausgearbeitet, sie warten mit – für
Genreverhältnisse – durchaus glaubwürdigen Überraschungen auf, ebenso mit einer bemerkenswert gut ausgearbeiteten Figurenzeichnung. Und generell sind es einfach
drei richtig gute Genrefilme. In meiner persönlichen Rangfolge reiht sich
"Split" zwar ein wenig hinter "Don't Breathe" und "10
Cloverfield Lane" ein, da er doch eindeutig am reißerischsten daherkommt und damit auch größere Ähnlichkeiten zu den erwähnten älteren Horrorfilmen
besitzt, trotzdem handelt es sich um einen ausgesprochen unterhaltsamen und
spannenden Horror-Psychothriller mit einem faszinierenden Antagonisten, der einen guten
Schuß "Dr. Jekyll & Mr. Hyde" einbringt. M. Night Shyamalans ("Das Mädchen aus dem Wasser")
Rückkehr zu früheren qualitativen "The Sixth Sense"- oder
"Unbreakable"-Höhen setzt sich nach "The Visit" mit
"Split" jedenfalls fort und läßt für die Zukunft hoffen.
Erfreulicherweise achtet Shyamalan sehr genau darauf, daß die drei
Mädels keine typischen Horrorfilm-Opfer sind, keine hilflosen "Scream Queens", die nur auf Rettung durch muskulöse Männer warten. Zwar wird schon ein
wenig mit Klischees gearbeitet: Claire ist ein klassischer Anführer-Typ –
selbstbewußt, clever und tatkräftig –, während ihre Freundin Marcia eher der
Mitläufer-Typ ist, aber ebenfalls Eigenantrieb beweist; und Casey ist die
Parade-Außenseiterin mit dunklem Geheimnis, die bedächtig vorgehen und die Lage
erstmal sondieren will, eventuell auch von der Furcht durch ihre eigenen
traumatischen Kindheitserfahrungen getrieben, über die wir durch kurze
Flashbacks nach und nach mehr erfahren. Aber wenngleich die oberflächliche Beschreibung recht stereotyp wirken mag, kommen die Teenager authentisch und durchaus vielschichtig rüber. Ein bißchen schade ist es, daß Casey früh
eindeutig als Protagonistin der Geschichte etabliert wird, weshalb die anderen
beiden nach gutem Auftakt doch etwas zu kurz kommen. Wenn man es
darauf anlegt, kann man zudem sicher viele gute Methoden finden, wie den Teenagern
früh die Flucht hätte gelingen können, allerdings erinnere ich an dieser Stelle
gern daran, daß so etwas ganz anders läuft, wenn man sich panisch in
einer Extremsituation befindet als wenn man bequem zu Hause auf der Couch rumlümmelt
und Besserwisser spielt … Die Mädels treffen sicher nicht immer die schlaueste
oder bestmögliche Entscheidung, aber sie machen ihre Sache in Anbetracht der
Situation sehr ordentlich. Und damit auch besser als Kevins Psychiaterin Dr.
Fletcher (Betty Buckley, "Carrie", "Wyatt Earp"), die immer
wieder von friedlicheren, aber unterdrückten Persönlichkeiten ihres Patienten
alarmiert wird und deshalb sehr wohl ahnt, daß etwas gewaltig schief läuft,
daraus aber sehr fragwürdige Konsequenzen zieht, die auch kaum den ärztlichen
Richtlinien entsprechen dürften.
Davon abgesehen ist Dr. Fletcher dennoch wichtig für die
Handlung, denn durch ihre Gespräche mit Kevin lernen wir viel über seine
Persönlichkeitsstörung, implizit auch über die Hintergründe der Entführung
der Teenager, zudem werden spätere Story-Entwicklungen geschickt
vorbereitet. Kevins diverse Persönlichkeiten lernen wir jedoch primär im
Zusammenspiel mit den Mädchen kennen. Der brutale und neurotische Dennis (er kann
jede Art von Verunreinigung nicht leiden, weshalb die Mädels ziemlich schnell
halbnackt rumlaufen müssen …) ist derjenige, der das Trio entführt hat, nun arbeitet er mit
der resoluten Patricia daran, die Ankunft des "Biestes"
vorzubereiten, für die die Teenager unerläßlich sind. Als
vielversprechender Ansatzpunkt für die Mädchen erweist sich eine dritte
Persönlichkeit, der vorlaute neunjährige Hedwig, der Dennis und Patricia mit einer
speziellen Fähigkeit entscheidend unterstützt, aber als Kind durchaus anfällig
für die Manipulationsversuche vor allem durch Casey erscheint. Die
"Annäherung" von Casey, Claire und Marcia an ihre Entführer, ihr Versuch,
die verschiedenen Persönlichkeiten zu verstehen, zu durchschauen und im
Idealfall auch deren Schwächen für sich zu nutzen, ist von Shyamalan gut aufgebaut
und spannend ausgeführt, gemeinsam mit den Mädchen versuchen wir das Rätsel namens
Kevin zu durchschauen, von dem immer neue Facetten aufgedeckt werden. Dennis,
Patricia und Hedwig dominieren die gespaltene Persönlichkeit dabei klar, alle
anderen kommen höchstens kurz zum Vorschein.
James McAvoy kommt daher also nicht dazu, 24 Personen in einem
Film zu spielen, trotzdem ist seine nahezu übergangslose Transformation zwischen Dennis, Patricia und
Hedwig sowie gelegentlich Kevin und ein paar anderen eindrucksvoll und sehr überzeugend. McAvoy
genießt die schauspielerischen Möglichkeiten, die "Split" ihm bietet,
sichtlich und er interpretiert die einzelnen Persönlichkeiten mit großer
Leidenschaft. Glücklicherweise steht ihm ein ebenfalls passend ausgewähltes
Mädels-Trio gegenüber, aus dem vor allem Anya Taylor-Joy nach ihrer
"The Witch"-Glanzleistung erneut zeigt, daß sie ein aufgehender
Stern am Schauspielhimmel ist, dem eine große Zukunft beschieden sein dürfte.
Haley Lu Richardson und Jessica Sula machen ihre Sache ebenfalls gut, aber
Taylor-Joy verleiht Casey die größte emotionale Tiefe – wobei dafür natürlich
auch ihre sich langsam entfaltende Hintergrundgeschichte sehr nützlich ist.
Dennoch: McAvoy und Taylor-Joy beziehungsweise Kevin/Dennis/Patricia/Hedwig/das
Biest und Casey begegnen sich fast von Beginn an auf Augenhöhe (bereits die
erste "Begegnung" im Auto von Claires Vater deutet Caseys
Sonderstellung an), was die Handlung von "Split" sich zu einem immer
aufregenderen Duell zuspitzen läßt. Dabei geht es im letzten Filmdrittel auch
viel actionreicher zu als zuvor, aus einem beklemmenden hitchcock'schen Kammerspiel
wird dann ein echter, ungezügelter, adrenalingeladener Actionthriller mit
Anleihen bei den 1970er Jahre-Klassikern eines Brian De Palma ("Phantom of the Paradise", "Dressed to Kill").
Den obligatorischen Shyamalan-Twist gibt es natürlich auch in
"Split", eigentlich sogar zwei davon, allerdings läuft das diesmal doch
etwas anders ab als sonst. Der erste ist eigentlich eher ein Anti-Twist,
der im Grunde genommen lange vorher offen angekündigt wird. Sicherlich
wird dieser Nicht-Twist nicht jedem Zuschauer gefallen, aber wenn man
"Split" als Genrefilm mit Mystery-Elementen betrachtet und nicht zu
großen Wert auf Realismus legt, dann funktioniert er sehr gut (im Prinzip durchaus
vergleichbar mit dem "10 Cloverfield Lane"-Twist). Die zweite
Überraschung dagegen findet erst in der allerletzten Szene statt, womit sie
inhaltlich für den Film weitgehend bedeutungslos bleibt, aber zumindest bei
jenen, die sie überhaupt verstehen (was, um das mal möglichst spoilerfrei zu
formulieren, ein gutes Gedächtnis voraussetzt), für vor Staunen (oder
Begeisterung oder vielleicht auch Unglauben) offenstehende Münder sorgt. Ich
war jedenfalls begeistert und freue mich schon auf die Fortsetzung, die angesichts des großen kommerziellen Erfolges des günstig produzierten Films (das Budget betrug keine $10 Mio.) nur eine Frage der Zeit sein dürfte! Eine
Bemerkung noch zu der vereinzelt geäußerten Kritik, wonach der Film Personen mit multipler
Persönlichkeitsstörung stigmatisiere und als grundsätzlich gefährlich
darstelle: Ich kann schon nachvollziehen, daß Betroffene und Ärzte mit
entsprechender Spezialisierung nicht überglücklich mit der Darstellung Kevins
in "Split" sind, jedoch ist der Film so offensichtlich fern der
Realität angesiedelt, daß es schwer vorstellbar scheint, irgendjemand könne das für bare
Münze nehmen. Oder anders formuliert: Wer nur wegen "Split" Menschen
mit multipler Pesönlichkeitsstörung für grundsätzlich gefährlich hält, der
glaubt wahrscheinlich auch, daß alle Rothaarigen Hexen sind …
Fazit: "Split" ist ein spannender und einfallsreicher psychologischer Horrorthriller mit einem phasenweise etwas zu
reißerisch gestalteten Drehbuch, aber vielen originellen Ideen und zwei exzellenten
Hauptdarstellern James McAvoy und Anya Taylor-Joy.
Wertung: 7,5 Punkte.
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