Originaltitel: The Interpreter
Regie: Sydney Pollack, Drehbuch: Charles Randolph, Scott
Frank und Steven Zaillian, Musik: James Newton Howard
Darsteller:
Nicole Kidman, Sean Penn, Catherine Keener, Jesper Christensen, Clyde Kusatsu, Yvan Attal,
Earl Cameron, George Harris, Tsai Chin, Michael Wright, Eric
Keenleyside, Yusuf Gatewood, Sydney Pollack
FSK: 12, Dauer: 128 Minuten.
Silvia Broome (Nicole Kidman, "Stoker")
arbeitet als Dolmetscherin bei den Vereinten Nationen in New York. Eines Tages muß das Gebäude aus
Vorsichtsgründen evakuiert werden, weshalb Silvia erst spät am Abend ihre
Sachen aus ihrer kleinen Dolmetscherzelle holen kann. Da die Mikrofone noch offen sind, wird sie auf ein
Gespräch aufmerksam, in dem sich zwei Afrikaner über ein Attentat unterhalten.
Unglücklicherweise hört Silvia die Männer nur, kann sie aber nicht sehen,
wohingegen sie selbst von diesen bemerkt wird. Logische Konsequenz: Ihr
Leben ist in Gefahr! Brav meldet sie ihr Erlebnis, woraufhin sich fortan der
erfahrene Secret Service-Agent Tobin Keller (Sean Penn, "The Tree of Life")
um sie und ihre Sicherheit kümmert. Allerdings ist Tobin nicht so sicher,
ob Silvia überhaupt die ganze Wahrheit sagt, da er bald herausfindet, daß die
rotblonde Schönheit viel stärker in die Geschicke des bürgerkriegsgebeutelten
afrikanischen Staates Matobo verwickelt ist, als es zunächst den Anschein hat …
Kritik:
"Die Dolmetscherin" ist ein Film, wie man ihn im 21. Jahrhundert leider kaum noch zu Gesicht bekommt: ein im besten Sinne altmodischer Politthriller aus dem beinahe ausgestorbenen Mid-
Budget-Bereich zwischen den bombastischen Blockbuster-Großproduktionen und den kleinen Indiefilmen. Ein Werk, dem man die durchaus beträchtlichen Produktionskosten (geschätzt $80 Mio.) durchaus ansieht, bei dem aber die Actionsequenzen spärlich gestreut sind zugunsten einer echten, komplexen Handlung, Charakteren mit Tiefgang und vielen intelligenten Dialogen. Zugegeben, die Story, die sich im Lauf von "Die Dolmetscherin" trotz einiger kleiner Klischees insgesamt erfreulich unvorhersehbar entfaltet, könnte man auch als etwas zu konstruiert und nicht allzu glaubwürdig empfinden (wie es in der Tat bei etlichen Kritikern der Fall war, was die mittelmäßige Rotten Tomatoes-Wertung erklärt); dafür ist sie spannend und wendungsreich und dabei sogar emotional aufwühlend. Die Ernsthaftigkeit, mit der Pollack die geopolitische Story verfolgt, sorgte übrigens sogar dafür, daß "Die Dolmetscherin" als erster Film überhaupt die Genehmigung erhielt, im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York zu drehen (und es gab zuvor zahlreiche Filmemacher, die sich erfolglos um eine entsprechende Drehgenehmigung bemühten).
"Die Dolmetscherin" ist ein Film, wie man ihn im 21. Jahrhundert leider kaum noch zu Gesicht bekommt: ein im besten Sinne altmodischer Politthriller aus dem beinahe ausgestorbenen Mid-
Budget-Bereich zwischen den bombastischen Blockbuster-Großproduktionen und den kleinen Indiefilmen. Ein Werk, dem man die durchaus beträchtlichen Produktionskosten (geschätzt $80 Mio.) durchaus ansieht, bei dem aber die Actionsequenzen spärlich gestreut sind zugunsten einer echten, komplexen Handlung, Charakteren mit Tiefgang und vielen intelligenten Dialogen. Zugegeben, die Story, die sich im Lauf von "Die Dolmetscherin" trotz einiger kleiner Klischees insgesamt erfreulich unvorhersehbar entfaltet, könnte man auch als etwas zu konstruiert und nicht allzu glaubwürdig empfinden (wie es in der Tat bei etlichen Kritikern der Fall war, was die mittelmäßige Rotten Tomatoes-Wertung erklärt); dafür ist sie spannend und wendungsreich und dabei sogar emotional aufwühlend. Die Ernsthaftigkeit, mit der Pollack die geopolitische Story verfolgt, sorgte übrigens sogar dafür, daß "Die Dolmetscherin" als erster Film überhaupt die Genehmigung erhielt, im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York zu drehen (und es gab zuvor zahlreiche Filmemacher, die sich erfolglos um eine entsprechende Drehgenehmigung bemühten).
Keine Frage: Im Vergleich zu den meisten heutigen
Kinothrillern verlangt "Die Dolmetscherin" seinem Publikum einiges
ab, vor allem müssen sie sich auf eine relativ gemächlich, aber sehr konsequent vorangetriebene
Handlung und auf erfreulich ambivalente Figuren einlassen – eben ganz so, wie es in
der Hochphase des politischen Thrillers der Fall war, in den vom politischen
Verdruß nach der Watergate-Affäre geprägten 1970er Jahren, die
Paranoia-Genreklassiker wie Alan J. Pakulas "Klute", "Zeuge
einer Verschwörung" und "Die Unbestechlichen", Francis Ford
Coppolas "Der Dialog", John Frankenheimers "Schwarzer Sonntag", John Schlesingers "Der
Marathon-Mann" oder
"Die drei Tage des Condor" hervorbrachte – Regie bei letztgenanntem
führte übrigens: Sydney Pollack! Heutzutage mußten solche inhaltlich
anspruchsvollen Thriller leider überwiegend ihren weit actionreicheren Vettern
á la "Die Bourne Identität" weichen, nur noch selten schafft es ein Ausreißer wie Tony Gilroys "Michael Clayton", Tom Tykwers "The
International" oder eben Pollacks letzter Film "Die
Dolmetscherin" in die Kinos. So sehr ich Bourne, Bond und Co. auch
schätze, wünschte ich doch, es gäbe mehr Abwechslung, denn auch für einen vergleichsweise
unglamourösen Politthriller wie "Die Dolmetscherin" können sich viele Zuschauer
begeistern.
Daß auch der Veteran Pollack sehr wohl etwas von heutigen
Thriller-Tugenden verstand, stellt er in einer atemberaubend
choreographierten Sequenz in "Die Dolmetscherin" nachdrücklich unter Beweis, in der
sich mehrere Handlungsstränge in einem Linienbus treffen und gefährlich
zuspitzen. Alleine in dieser wirklich fabelhaften Sequenz zur Filmmitte merkt man,
daß Pollack schlicht und ergreifend ein Meister seines Fachs war. Und sie
sticht umso mehr heraus, als sie eben die Ausnahme in diesem ansonsten eher
ruhigen Werk darstellt, wohingegen bei den meisten heutigen Genrevertretern
sich eine vermeintliche Highlight-Szene an die nächste reiht, ohne daß man
als Zuschauer zwischendurch richtig zur Ruhe kommen und das Gesehene genießen
und verarbeiten könnte. Der Nachteil an Pollacks Vorgehen ist allerdings, daß
dieser Klimax recht früh kommt und die Spannung anschließend erst mal
etwas raus ist und für das Finale neu aufgebaut werden muß. Das hätte man
dramaturgisch möglicherweise besser lösen können, ist aber für meine Begriffe nur ein kleiner Schwachpunkt. Davon und von ein paar doch etwas
vorhersehbaren Detail-Entwicklungen abgesehen fesselt "Die
Dolmetscherin" jedoch bis zum Schluß mit ihrer fiktiven, aber realitätsnahen
Story. Das ist natürlich auch dem starken Hauptdarsteller-Gespann zu verdanken:
Nicole Kidman überzeugt als verängstigte und dennoch nicht unterzukriegende Frau, die
in eine politische Affäre hineingezogen wird, die sie deutlich überfordert,
während Sean Penn aufzeigt, warum er zu Beginn des Jahrhunderts von Kritikern
gerne als "thinking man's action hero" bezeichnet wurde (eine Rolle,
in der er dann von Liam Neeson abgelöst wurde). Sein Tobin Keller ist eben kein
strahlender Held, der immer weiß, was er zu tun hat, sondern er ist ein echter Mensch mit Zweifeln und mit glaubhaften Stärken und
Schwächen. Und damit ist er der perfekte Protagonist eines Sydney Pollack-Films.
Fazit: "Die Dolmetscherin" ist ein
altmodischer, mehr auf Dialoge als auf Action setzender, aber phasenweise
meisterhaft inszenierter Politthriller, der von zwei großartigen
Hauptdarstellern und einer vielleicht nicht immer ganz glaubwürdigen, aber umso
spannenderen Story getragen wird.
Wertung: Gut 8 Punkte.
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