Originaltitel:
The Theory of Everything
Regie: James Marsh, Drehbuch: Anthony McCarten, Musik:
Jóhann Jóhannssen
Darsteller:
Eddie Redmayne, Felicity Jones, David Thewlis, Charlie Cox, Maxine Peak, Harry
Lloyd, Simon McBurney, Emily Watson, Adam Godley, Christian McKay
FSK: 0, Dauer: 123 Minuten.
Cambridge, 1960er Jahre: Ein junger Physiker namens
Stephen Hawking (Eddie Redmayne, "Les Misérables") ist Doktorand an
der Universität – er ist ob seines brillanten Geistes hoch angesehen und hat in
Prof. Sciama (David Thewlis, "Gefährten") einen wohlmeinenden Mentor.
Stephens Problem: Er kann sich einfach nicht für ein Dissertations-Thema entscheiden. Erst als Prof. Sciama ihn zu einem Vortrag des
renommierten Mathematikers und Physikers Roger Penrose (Christian McKay,
"Rush") mitnimmt, erhält er die entscheidende Inspiration: Er will
eine Gleichung finden, die das Universum und seine Entstehung erklärt! Das
ausgesprochen ehrgeizige Vorhaben ist jedoch nicht alles, was in Stephens Kopf
herumschwirrt, denn er hat sich in die hübsche Literaturstudentin
Jane Wilde (Felicity Jones, "In guten Händen") verliebt, die seine
Gefühle durchaus erwidert. Es könnte also kaum besser laufen für den
ambitionierten, aber etwas tollpatschigen Nachwuchs-Wissenschaftler, bis er eines Tages auf dem Campus
böse stürzt. Die anschließenden Untersuchungen im Krankenhaus ergeben, daß Stephen
an einer seltenen und unheilbaren Krankheit leidet, die fast alle
Muskelfunktionen des Körpers immer stärker schädigt, bis er irgendwann fast
vollständig gelähmt sein wird – wobei er solange wahrscheinlich sowieso nicht
leben wird, denn Stephens Lebenserwartung schätzen die Ärzte auf zwei Jahre.
Stephen denkt jedoch gar nicht daran aufzugeben, auch Jane steht zu ihm und
heiratet ihn, bereits wenig später werden sie erstmals Eltern. Doch die
Krankheit und Stephens ungebrochener wissenschaftlicher Ehrgeiz belasten die
Ehe zunehmend …
Kritik:
Um ein wichtiges Fakt gleich aus dem Weg zu räumen: Im
Zentrum von "Die Entdeckung der Unendlichkeit" steht nicht Stephen
Hawkings wissenschaftliches Wirken – dieses wird zwar natürlich nicht komplett
außen vor gelassen, jedoch eher beiläufig und oberflächlich behandelt. Stattdessen
konzentriert sich Autor Anthony McCarten ("Am Ende eines viel zu kurzen
Tages") vor allem auf Hawkings Umgang mit seiner unheilbaren Krankheit
sowie auf die Beziehung zu seiner ersten Ehefrau Jane – was insofern nicht
überraschend ist, als McCartens Drehbuch ausdrücklich auf Jane Hawkings
Autobiographie basiert. Daraus hat Regisseur James Marsh ("Man on
Wire") eine stilvolle und teilweise sehr bewegende Liebesgeschichte
gemacht, die von zwei herausragenden Hauptdarstellern getragen wird. Dennoch
bin ich sicher nicht der einzige, der es schade findet, daß Hawkings
berufliche Leistungen ziemlich kurz kommen. In dieser Hinsicht ist der 2004
veröffentlichte und ebenfalls sehr gelungene
TV-Film "Hawking – Die Suche nach dem Anfang der Zeit" mit dem
damals noch kaum bekannten Benedict "Sherlock" Cumberbatch in der Titelrolle stärker zu
empfehlen. Wer einfach nur einen guten, gefühlvollen Film sehen will, der
dürfte mit "Die Entdeckung der Unendlichkeit" ebenso glücklich
werden.
Obwohl Hawkings wissenschaftlichen Leistungen also nur eine
Nebenrolle zukommt, sorgen sie doch immerhin für die wenigen Ausbrüche aus der
doch recht großen dramaturgischen Konventionalität des Films. Speziell Hawkings
Inspirationen (die u.a. mit
dem Sternenhimmel zu tun haben) für einige seiner bahnbrechenden Theorien werden mehrmals in elegant gefilmten und
hinreichend innovativen Sequenzen verbildlicht, die einfach nur schön
anzuschauen sind. Davon abgesehen folgt die Handlung relativ phantasielos den von der Realität vorgegebenen
Lebensstationen des jungen Stephen Hawking. Das ist alles andere als
bahnbrechend, aber das braucht es auch gar nicht zu sein – schließlich gibt es
da ja Eddie Redmayne und Felicity Jones, deren ebenso leidenschaftliches wie
nuanciertes Spiel den Film problemlos trägt.
In der Öffentlichkeit erfährt naheliegenderweise vor allem
Eddie Redmayne großes Lob für seine Darstellung des Stephen Hawking, die in der
Tat ganz ausgezeichnet ist. Aber natürlich ist seine Rolle auch etwas
"spektakulärer", schließlich muß Redmayne die einzelnen Stadien von
Hawkings Krankheit, die schleichende, aber unübersehbare Verschlechterung
seines Zustands glaubwürdig rüberbringen und darf dafür immer weniger
Gestik und Mimik verwenden (weil dies die Krankheit eben nicht zuläßt). Dafür,
daß ihm dies vortrefflich und frei von Übertreibungen gelingt, hat sich Redmayne
seinen ersten OSCAR wahrlich verdient. Dennoch: Ich finde Felicity
Jones' Leistung als Jane Wilde/Hawking sogar noch etwas beeindruckender! Die Möglichkeiten,
die Janes zu ihrem Ehemann fast gleichberechtigte Stellung innerhalb dieses
Films ihr bietet, nutzt Jones zu einer Weltklasse-Performance aus. Es
fällt nicht schwer nachzuvollziehen, warum Stephen sich auf den ersten Blick in die Studentin verliebt,
die eher der Typ "nettes hübsches Mädchen von nebenan" als eine klassische
Schönheit ist, aber mit Charme und Gutherzigkeit begeistert. In der relativ
kurzen glücklichen, sorgenfreien Zeit mit Stephen strahlt sie vor Glück, nach
der Diagnose seiner Krankheit wird sie ohne Aufhebens zur moralischen
Stütze des jungen Wissenschaftlers. Selbst als sie im Alltag eher
Krankenpflegerin als Ehefrau ist (und sich zusätzlich ganz allein um die
Kinder kümmern muß), trägt sie diese Last mit Würde – doch gleichzeitig gelingt es
Jones, die zunehmende Bekümmerung Janes greifbar zu machen, die ihre eigenen
Ambitionen für ihren Mann geopfert hat und irgendwann kurz vor dem
Zusammenbruch steht. Alles zusammengenommen ist das schlicht eine
fulminante Darstellung durch Felicity Jones, die ihr in der Zukunft mit Sicherheit
viele große Rollenangebote einbringen wird.
Doch Regisseur James Marsh verläßt sich etwas zu sehr auf die
Darbietungen seiner beiden Hauptdarsteller und vernachlässigt darob einige
andere Punkte. Ein kleineres Problem ist, daß die Nebenfiguren
so blaß bleiben, daß man sich von den meisten kaum den Namen merken kann –
lediglich David Thewlis als Stephens stets hilfsbereiter Mentor Dennis Sciama bleibt einigermaßen
im Gedächtnis. In dieser Hinsicht wäre viel mehr möglich gewesen, aber weil
Redmayne und Jones die zentralen Rollen so hervorragend verkörpern, läßt sich
dieses Manko verschmerzen. Deutlich ärgerlicher ist da schon ein erheblicher Mangel an
Subtilität in Marshs Erzählweise. Immer dann, wenn eine größere Veränderung im
Leben der beiden Protagonisten bevorsteht (z.B. erste Eheprobleme oder die Einführung eines verwitweten
Chorleiters, der Stephen und Jane hilft), dann setzt Marsh das so auffällig
und plakativ in Szene, daß den Zuschauern kaum verborgen bleiben kann, daß sich hier gerade etwas Wichtiges ankündigt. Letztlich spoilert
sich der Film auf diese Weise selbst und das nervt einfach.
Manche Zuschauer könnte vielleicht auch stören, daß "Die
Entdeckung der Unendlichkeit" alles in allem etwas konfliktscheu wirkt und selbst ernsthafte Auseinandersetzungen, die man völlig problemlos zu längeren
Episoden aufbauschen könnte, sehr kurz und weitgehend schmerzlos
abhandelt. Mir gefällt diese Vorgehensweise allerdings; ich ärgere mich
sowieso häufig darüber, daß Filme allzu offensichtlich Konflikte nur deshalb konstruieren,
weil jemand (ob nun Autor, Regisseur oder Produzent) offenbar der Meinung ist, das gehöre einfach dazu und verhindere
Langeweile beim Publikum. Finde ich absolut nicht. Warum soll selbst ein dem
Drama-Genre zugehöriger Film wie dieser nicht auch dann gut unterhalten können, wenn er
sich auf das Positive konzentriert und eine betont harmonische Erzählweise
verfolgt? "Die Entdeckung der Unendlichkeit" zeigt, daß das sehr wohl
geht, auch wenn es womöglich nicht jedem gefällt. Übrigens möchte ich auch noch
anmerken, daß das Drehbuch keineswegs frei von Humor ist, vielmehr gibt es
sogar überraschend viel zum Lachen oder Schmunzeln – inklusive mindestens
zweier witziger "Doctor Who"-Anspielungen (von denen eine in der
deutschen Synchronfassung allerdings durch die Übersetzung etwas vermasselt wird). Doch
letztlich erzählt James Marsh eine besondere Liebesgeschichte, hörenswert untermalt durch die einfühlsame und melodische Musik des isländischen
Komponisten Jóhann Jóhannsson ("Prisoners"), die meist von
Klavier und Streichern dominiert wird.
Fazit: "Die Entdeckung der Unendlichkeit"
ist eine Kombination aus Wissenschaftler-Biopic und durch Hawkings schwere
Krankheit beeinträchtigter Liebesgeschichte, die einen dank der beiden
herausragend guten Hauptdarsteller und einer jederzeit sensiblen und
geschmackvollen – wenngleich für manchen Geschmack vielleicht ein wenig zu
konfliktscheuen – Inszenierung beschwingt aus dem Kinosaal gehen läßt.
Wertung: 8 Punkte.
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