Originaltitel: Un drôle de paroissien
Regie und Drehbuch: Jean-Pierre Mocky, Musik: Joseph Kosma
Darsteller:
Bourvil, Francis Blanche, Jean Poiret, Véronique Nordey, Solange Certain, Jean
Yonnel, Jean Tissier, Bernard Lavalette, Marcel Perez, Jean Galland, Denise
Péronne
Georges (Bourvil) ist das Oberhaupt der altehrwürdigen
Familie Lachaunaye, die inzwischen arm wie eine Kirchenmaus ist. Da Georges
ebenso wie seine Tochter Françoise (Véronique Nordey, "Leb wohl, meine Königin!"), die gerade ihr Studium absolviert, intelligent ist und
auch beachtliches handwerkliches Geschick besitzt, wäre das eigentlich kein
Problem, denn eine ordentlich bezahlte Arbeitsstelle würden die
Familienmitglieder schon finden. Nur: Für eine Familie von solch
guter Herkunft wäre es unschicklich, zu arbeiten! Als der fromme Georges in der
Kirche betend um Rat fragt, erhält er – wie er glaubt – ein göttliches Zeichen,
wonach er sich einfach bei den Opferstöcken bedienen soll. Mit Feuereifer
gehen Georges, sein Freund Raoul (Jean Poiret, "Die letzte Metro") und Françoise an diese
gottgewollte Tätigkeit heran und ersinnen immer raffiniertere Methoden, um die Spendenstöcke
der zahllosen Pariser Kirchen zu erleichtern – natürlich immer nur um die Hälfte, man
will Gotts Gutmütigkeit ja nicht über Gebühr strapazieren. Dennoch wird die
Sache zunehmend kompliziert, da der Polizei natürlich nicht entgeht, daß die
Kirchen reihenweise ausgeplündert werden …
Kritik:
Erstellt man eine Liste der erfolgreichsten Schauspieler in
Frankreich – ausgehend von den Zuschauerzahlen, die sie kumuliert in die Kinos
lockten – dann tauchen in den Top 10 jede Menge auch in Deutschland sehr
bekannte Namen auf, allen voran Fernandel ("Don Camillo", "Die rote Herberge"), Louis de
Funès ("Der Gendarm von Saint Tropez"), Gérard Depardieu ("Der Hornorchse und sein Zugpferd"), Alain Delon ("Der eiskalte Engel"), Jean-Paul Belmondo ("Der Profi"), Jean Gabin ("Die große Illusion") und Lino
Ventura ("Der Clan der Sizilianer". Einer jedoch ist außerhalb Frankreichs ziemlich in Vergessenheit
geraten: Bourvil, der Mann ohne Vornamen (eigentlich André, aber sein
Künstlername lautete einfach Bourvil). Weit über 150 Millionen Kinotickets
wurden für die Filme des begnadeten Komikers und Chansonniers gelöst, dabei
wurde er nur 53 Jahre alt. Zu Bourvils beliebtesten und erfolgreichsten Filmen
zählen die Kriegskomödie "Die große Sause" (in der er an de
Funès' Seite agierte) – die noch bis 2008 mit rund 17 Millionen Zuschauern der
erfolgreichste französische Film aller Zeiten war, dann abgelöst von
"Willkommen bei den Sch'tis" –, Gérard Ourys Komödie "Das
Superhirn" (mit Belmondo) und Jean-Pierre Melvilles Krimi "Vier im
roten Kreis" (mit Delon). "Den Seinen gibt's der Herr …" ist
eines seiner nicht ganz so bekannten Werke, doch unterhaltsam geraten ist die
schrullige, gesellschaftskritisch angehauchte Komödie von Jean-Pierre Mocky
("Angst über der Stadt") allemal.
Es ist schon erstaunlich, wie leichthändig es Regisseur und
Drehbuch-Autor Mocky gelingt, den im Wortsinn selbstgerechten Georges und
seine Familie zu Sympathieträgern zu machen, obwohl sie auf den ersten Blick
dekadente Faulpelze und Gauner zu sein scheinen. Selbst als
Atheist wird man sich nur selten veranlaßt sehen, jemanden, der die Opferstöcke
in Kirchen plündert, nicht zu verachten. Doch die Familie Lachaunaye ist so
liebenswert-skurril gezeichnet und von den Darstellern so sympathisch
verkörpert, daß man gar nicht anders kann, als sie zu mögen. Dazu trägt
natürlich bei, daß die Protagonisten aufgrund der vermeintlichen göttlichen
Eingebung keinerlei Unrechtsbewußtsein an den Tag legen; herrlich eine Szene,
in der Georges voller Entrüstung einer anderen Kirchendieb zurechtweist, als er diesen beim Klauen erwischt – schließlich hat der Taugenichts keine göttliche
Erlaubnis erhalten, außerdem will er gleich den gesamten Opferstock leeren.
Und überhaupt, wie amateurhaft er dabei vorgeht! Georges, Raoul und Françoise
sind da viel gewitzter und eleganter, sie erarbeiten sich ihren Erfolg hart.
Womit wir schon bei dem großen übergeordneten Witz
des bis auf eine kurze Traumsequenz noch in Schwarzweiß gedrehten Films sind.
Denn selbstverständlich ist es überaus ironisch, daß Georges und seine Familie
sich aus Standesbewußtsein weigern, einer geregelten Arbeit nachzugehen, nur um
dann Tag und Nacht an ihren Diebesmethoden zu feilen. Würden sie nur einen
Bruchteil dieser Energie und dieses Erfindungsgeistes in ehrliche Arbeit legen,
dann hätten sie es gar nicht nötig, zu stehlen. Für den aufmerksamen
Zuschauer ist diese Ironie natürlich offensichtlich, den armen Lachauneyes geht
dagegen kein Licht auf. Zum Glück, denn sonst hätten wir Zuschauer viel weniger
zu Lachen! Trotz der Handlung kommt die Kirche hier übrigens einigermaßen gut
weg, für die Verhältnisse des in seinen sonstigen Werken durchaus für bissige
Gesellschaftskritik bekannten Jean-Pierre Mocky sind die vereinzelten Seitenhiebe gegen klerikale
Eigenheiten zahm geraten, eher steht die bürgerliche Oberschicht im
Zentrum des nie bösartigen Spotts.
Das Erzähltempo, das Mocky in "Den Seinen gibt's der
Herr …" zunächst an den Tag legt, ist dabei recht gemächlich – was ganz jener Ära entspricht, in der die Komödie entstand. Die Einführung der
Protagonisten wird sorgfältig durchgezogen, dafür darf es dann eben auch mal
längere Passagen ohne größere Gags geben. Doch nachdem die Konstellation etabliert ist, geht in der zweiten Hälfte richtig schön die Post
ab. Zu dieser Konstellation zählt auch die Polizei, die Georges und Konsorten
den Job zunehmend schwerer macht. Theoretisch gehen die Polizisten unter der
Leitung des Kommissars Cucherat (Francis Blanche, "Belle de Jour – Schöne des Tages", "Mein Onkel, der Gangster") nämlich ziemlich schlau bei der
Diebesjagd vor, unglücklicherweise verderben sie sich alles dadurch, daß der leutselige Cucherat
den vermeintlich ehrenwerten und sehr an der Polizeiarbeit interessierten
Bürger Raoul – der zuvor durch eine (falsche) Zeugenaussage gegen den gesuchten
Kirchendieb das Vertrauen der Gesetzeshüter erworben hat – regelmäßig über ihre
Pläne informiert. Auf diese Weise sind die Lauchauneyes ihren Häschern immer
einen Schritt voraus, auch wenn es für sie angesichts der zunehmenden Menge
eingesetzter Polizisten immer schwieriger wird, ihrer "Arbeit" unentdeckt
nachzugehen. Humoristischer Höhepunkt ist dabei eine Sequenz, in der sich die
Polizisten als Kirchenleute verkleiden, um quasi undercover zu ermitteln –
was Georges dadurch kontert, daß er sich seinerseits als Bischof verkleidet.
Irgendwann laufen so viele Küster und Pfarrer herum, daß niemand mehr weiß,
wer wer ist. Selbst wenn man mit Verwechslungskomödien sonst nicht allzu viel anfangen
kann: Diese Sequenz ist so hinreißend komisch in Szene gesetzt und gespielt,
daß nur die allergrößten Griesgrame einem herzhaften Lachanfall werden
widerstehen können!
Fazit: "Den Seinen gibt's der Herr …" ist kein
Highlight der humoristischen Kunst, aber eine eingangs noch gemächlich erzählte, später
immer rasanter werdende Komödie, die von einem spritzigen, sauber konstruierten
Drehbuch, liebenswert-schrulligen Figuren und einem mitunter saukomischen, von
Erzkomiker Bourvil angeführten Schauspieler-Ensemble lebt.
Wertung: 8 Punkte.
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