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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 9. April 2014

RIGOR MORTIS – LEICHENSTARRE (2013)

Originaltitel: Geung si
Regie: Juno Mak, Drehbuch: Philip Yung, Lai-yin Leung und Juno Mak, Musik: Nate Connelly
Darsteller: Chin Siu-ho, Anthony Chan, Kara Hui, Paw Hee-ching, Richard Ng, Chung Fat, Lo Hoi-pang, Billy Lau
Geung si
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 65% (5,8); weltweites Einspielergebnis: $3,0 Mio.
FSK: 16, Dauer: 105 Minuten.
Einst war Chin Siu-ho (gespielt von sich selbst) ein gefeierter Filmstar, doch nun steckt seine Karriere in einer Krise und sein Privatleben nach Scheidung und verlorenem Sorgerechtsstreit um den kleinen Sohn erst Recht. Siu-hos Frustration geht sogar so weit, daß er in ein heruntergekommenes Hochhaus umzieht, wo er sich in aller Ruhe umbringen will. Während seines Selbstmordversuches hat er allerdings seltsame Visionen, und als er in letzter Sekunde von dem arbeitslosen Vampirjäger Yau (Anthony Chan, "Mr. Vampire") gerettet wird, will er herausfinden, was genau eigentlich in seinem Appartement vor sich geht. Schnell findet er heraus, daß dort einst ein schreckliches Unglück geschah und im Hochhaus offenbar generell die Geister der Verblichenen ein reges Eigenleben führen. Als der alte Onkel Tung (Richard Ng, "Winners and Sinners") im Treppenhaus verunglückt und seine Frau Mui (Paw Hee-ching, "Fearless") den mysteriösen Mönch Gau (Chung Fat, "The Jade Warriors") anfleht, ihn – mit welchen Mitteln auch immer – wieder gesundzumachen, droht die Situation außer Kontrolle zu geraten …

Kritik:
Lange Zeit waren asiatische Geisterfilme auch im Westen sehr beliebt. War Ching Siu-tungs grandiose "A Chinese Ghost Story"-Trilogie (1987-1991) noch eher ein Geheimtip für Cineasten, schwappte ab Ende der 1990er Jahre dank der japanischen Grusler "Ringu" und "Ju-on" samt Fortsetzungen eine ganze Welle dieser aus amerikanischer und europäischer Perspektive sehr exotischen Filme herüber zumal die Aufmerksamkeit durch die erfolgreichen Hollywood-Remakes "Ring" und "The Grudge" noch befeuert wurde. Irgendwann jedoch schien sich dieses Subgenre totzulaufen: Die asiatischen Fortsetzungen verloren immer stärker an Qualität, die amerikanischen Remakes (teilweise sogar von den Originalregisseuren inszeniert) wurden auch immer wirrer und neue Vertreter beschränkten sich weitgehend auf phantasielose Remixe des ursprünglichen Erfolgsrezepts. Der Tiefpunkt schien erreicht, als selbst die Asiaten nur noch miese, von mäßigen CGI-Effekten dominierte 3D-Reboots ihrer einstigen Hits zustandebrachten (2011 "A Chinese Ghost Story", 2012 und 2013 zwei "Sadako 3D"-Filme, die auf "Ringu" basieren). Daß es aber durchaus noch etwas originellere und bessere Ansätze gibt, beweist ausgerechnet der chinesische Popstar Juno Mak in seinem Regiedebüt. "Rigor Mortis" kommt zwar nicht an die Highlights des östlichen Geisterfilms heran und bleibt auch hinter gelungenen westlichen Vertretern der letzten Jahre wie "Insidious" oder "Die Frau in Schwarz" zurück, weiß aber zumindest gut zu unterhalten.

Eine der Stärken von "Rigor Mortis" ist die Figurenzeichnung. Obwohl das heruntergekommene Hochhaus von zahlreichen Personen bewohnt wird, gelingt es Regisseur Mak überzeugend, dem Zuschauer die für die Handlung wichtigsten davon innerhalb kurzer Zeit nahe zu bringen. Unterstützend wirkt dabei, daß die Charaktere klar definiert und auch ziemlich schräg sind (was angesichts der Umgebung, in der sie als letztlich allesamt eher gescheiterte Existenzen sich befinden, aber kaum an der Glaubwürdigkeit rüttelt) und auch ihre Darsteller sehr markant ausgewählt sind. Chin Siu-ho, der eine dunkle Version seiner selbst spielt und tatsächlich in den 1980er und 1990er Jahren ein in Hongkong vielbeschäftigter Schauspieler war ("Fist of Legend", "Tai Chi"), verkörpert die depressive Stimmung des Protagonisten überzeugend; auch die übrigen Akteure – fast allesamt Überbleibsel der Blütezeit des Hongkong-Kinos in den 1980er Jahren, inzwischen aber analog zu ihren Rollen in diesem Film weitgehend vergessen – haben sichtlich Freude an ihren skurrilen Charakteren. Besonders gefreut habe ich mich über das Wiedersehen mit Altstar Richard Ng, der in zahlreichen Jackie Chan-Klassikern mitspielte und mir vor allem dank seines komödiantischen Talents gut im Gedächtnis geblieben ist. So ergibt sich ein zwar nicht sonderlich tiefgreifender, aber innerhalb der Handlung einwandfrei funktionierender sozialer Mikrokosmos, der eine sehr solide Grundlage für die melancholische Geistergeschichte bildet und zugleich einen faszinierenden Kontrast ergibt.

Atmosphärisch gibt es also auf den ersten Blick nur wenig Grund zur Kritik, zumal Juno Mak im Filmverlauf einige schön gruselige Szenen präsentiert, die an die "Silent Hill"-Spielereihe erinnern. Das Problem: Sie sind zu kurz und zu selten. Obwohl eigentlich alle Elemente dafür vorhanden sind und die (recht gemächlich erzählte) Handlung ein paar gelungene Wendungen nimmt, die die Hoffnungslosigkeit in dem Gebäude verstärken, kommt nie eine echte Grusel- oder gar Horroratmosphäre zustande. So gut Mak der Sozialdrama-Teil seines Films gelingt, so wenig Talent offenbart er leider darin, seinem Publikum Furcht einzuflößen. Zwar enwickelt er mit seinem Kameramann Ng Kai-Ming ("Infernal Affairs 2 + 3") eine elegante, ästhetische Bildsprache, die in einige eindrucksvolle Szenen kulminiert, doch die Ausweglosigkeit von Siu-hos Situation oder auch die schwerwiegenden Probleme der anderen Bewohner entfesseln höchstens ansatzweise jene erzählerische Wucht, die ihnen eigentlich zugrundeliegt. Wobei das zumindest teilweise ein kulturelles Problem sein mag, denn die Geschichte, die "Rigor Mortis" erzählt, soll stark in der chinesischen Folklore verankert sein und enthält zudem zahlreiche Anspielungen auf außerhalb Asiens wenig verbreitete Hongkong-Filme. Wer sich damit nicht sehr gut auskennt (ich tue es sicherlich mehr als der Durchschnitts-Europäer, aber trotzdem nicht wirklich gut), dem werden zwangsläufig zahlreiche Feinheiten entgehen – das generelle Verständnis der Handlung wird dadurch meines Erachtens allerdings nicht oder kaum beeinträchtigt.

Fazit: "Rigor Mortis – Leichenstarre" ist eine schön anzusehende Geistergeschichte, die zwar wenig echte Gruselstimmung verströmt, aber mit einprägsamen Figuren, einer interessanten Handlung und einer eleganten Bildsprache ordentlich unterhält.

Wertung: 6,5 Punkte.


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