Originaltitel: Geung si
Regie: Juno Mak, Drehbuch: Philip Yung, Lai-yin Leung und
Juno Mak, Musik: Nate Connelly
Darsteller:
Chin Siu-ho, Anthony Chan, Kara Hui, Paw Hee-ching, Richard Ng, Chung Fat, Lo
Hoi-pang, Billy Lau
FSK: 16, Dauer: 105 Minuten.
Einst war Chin Siu-ho (gespielt von sich selbst) ein
gefeierter Filmstar, doch nun steckt seine Karriere in einer Krise und sein
Privatleben nach Scheidung und verlorenem Sorgerechtsstreit um
den kleinen Sohn erst Recht. Siu-hos Frustration geht sogar so weit, daß er in
ein heruntergekommenes Hochhaus umzieht, wo er sich in aller Ruhe umbringen
will. Während seines Selbstmordversuches hat er allerdings seltsame Visionen,
und als er in letzter Sekunde von dem arbeitslosen Vampirjäger Yau (Anthony
Chan, "Mr. Vampire") gerettet wird, will er herausfinden, was genau
eigentlich in seinem Appartement vor sich geht. Schnell findet er heraus, daß
dort einst ein schreckliches Unglück geschah und im Hochhaus offenbar generell die Geister der Verblichenen ein reges Eigenleben führen. Als der alte
Onkel Tung (Richard Ng, "Winners and Sinners") im Treppenhaus
verunglückt und seine Frau Mui (Paw Hee-ching, "Fearless") den
mysteriösen Mönch Gau (Chung Fat, "The Jade Warriors") anfleht, ihn –
mit welchen Mitteln auch immer – wieder gesundzumachen, droht die Situation außer
Kontrolle zu geraten …
Kritik:
Lange Zeit waren asiatische Geisterfilme auch im Westen sehr
beliebt. War Ching Siu-tungs grandiose "A Chinese Ghost
Story"-Trilogie (1987-1991) noch eher ein Geheimtip für Cineasten,
schwappte ab Ende der 1990er Jahre dank der japanischen Grusler
"Ringu" und "Ju-on" samt Fortsetzungen eine ganze Welle dieser
aus amerikanischer und europäischer Perspektive sehr exotischen Filme herüber – zumal
die Aufmerksamkeit durch die erfolgreichen Hollywood-Remakes "Ring"
und "The Grudge" noch befeuert wurde. Irgendwann jedoch schien sich dieses
Subgenre totzulaufen: Die asiatischen Fortsetzungen verloren immer stärker
an Qualität, die amerikanischen Remakes (teilweise sogar von den Originalregisseuren
inszeniert) wurden auch immer wirrer und neue Vertreter beschränkten sich weitgehend auf
phantasielose Remixe des ursprünglichen Erfolgsrezepts. Der Tiefpunkt
schien erreicht, als selbst die Asiaten nur noch miese, von mäßigen
CGI-Effekten dominierte 3D-Reboots ihrer einstigen Hits zustandebrachten (2011
"A Chinese Ghost Story", 2012 und 2013 zwei "Sadako 3D"-Filme,
die auf "Ringu" basieren). Daß es aber durchaus noch etwas
originellere und bessere Ansätze gibt, beweist ausgerechnet der chinesische
Popstar Juno Mak in seinem Regiedebüt. "Rigor Mortis" kommt zwar
nicht an die Highlights des östlichen Geisterfilms heran und bleibt auch hinter
gelungenen westlichen Vertretern der letzten Jahre wie "Insidious" oder
"Die Frau in Schwarz" zurück, weiß aber zumindest gut zu unterhalten.
Eine der Stärken von "Rigor Mortis" ist die
Figurenzeichnung. Obwohl das heruntergekommene Hochhaus von zahlreichen
Personen bewohnt wird, gelingt es Regisseur Mak überzeugend, dem Zuschauer die für die
Handlung wichtigsten davon innerhalb kurzer Zeit nahe zu bringen. Unterstützend
wirkt dabei, daß die Charaktere klar definiert und auch ziemlich schräg sind (was
angesichts der Umgebung, in der sie als letztlich allesamt eher gescheiterte
Existenzen sich befinden, aber kaum an der Glaubwürdigkeit rüttelt) und auch
ihre Darsteller sehr markant ausgewählt sind. Chin Siu-ho, der eine dunkle Version
seiner selbst spielt und tatsächlich in den 1980er und 1990er Jahren ein in
Hongkong vielbeschäftigter Schauspieler war ("Fist of Legend",
"Tai Chi"), verkörpert die depressive Stimmung des Protagonisten
überzeugend; auch die übrigen Akteure – fast allesamt Überbleibsel der
Blütezeit des Hongkong-Kinos in den 1980er Jahren, inzwischen aber analog zu ihren Rollen in diesem Film weitgehend vergessen – haben sichtlich Freude
an ihren skurrilen Charakteren. Besonders gefreut habe ich mich über
das Wiedersehen mit Altstar Richard Ng, der in zahlreichen Jackie Chan-Klassikern
mitspielte und mir vor allem dank seines komödiantischen Talents gut im
Gedächtnis geblieben ist. So ergibt sich ein zwar nicht sonderlich
tiefgreifender, aber innerhalb der Handlung einwandfrei funktionierender
sozialer Mikrokosmos, der eine sehr solide Grundlage für die melancholische Geistergeschichte bildet und zugleich einen faszinierenden
Kontrast ergibt.
Atmosphärisch gibt es also auf den ersten Blick nur wenig Grund
zur Kritik, zumal Juno Mak im Filmverlauf einige schön gruselige Szenen
präsentiert, die an die "Silent Hill"-Spielereihe erinnern. Das Problem: Sie sind zu kurz und zu selten. Obwohl eigentlich
alle Elemente dafür vorhanden sind und die (recht gemächlich erzählte) Handlung ein paar gelungene
Wendungen nimmt, die die Hoffnungslosigkeit in dem Gebäude verstärken, kommt nie eine echte Grusel- oder gar Horroratmosphäre zustande. So
gut Mak der Sozialdrama-Teil seines Films gelingt, so wenig Talent offenbart er
leider darin, seinem Publikum Furcht einzuflößen. Zwar enwickelt er mit seinem
Kameramann Ng Kai-Ming ("Infernal Affairs 2 + 3") eine elegante,
ästhetische Bildsprache, die in einige eindrucksvolle Szenen kulminiert, doch
die Ausweglosigkeit von Siu-hos Situation oder auch die schwerwiegenden Probleme
der anderen Bewohner entfesseln höchstens ansatzweise jene erzählerische Wucht,
die ihnen eigentlich zugrundeliegt. Wobei das zumindest teilweise ein
kulturelles Problem sein mag, denn die Geschichte, die
"Rigor Mortis" erzählt, soll stark in der chinesischen Folklore verankert sein und enthält zudem zahlreiche Anspielungen auf außerhalb Asiens wenig verbreitete Hongkong-Filme.
Wer sich damit nicht sehr gut auskennt (ich tue es sicherlich mehr als der
Durchschnitts-Europäer, aber trotzdem nicht wirklich gut), dem werden zwangsläufig zahlreiche
Feinheiten entgehen – das generelle Verständnis der Handlung wird dadurch
meines Erachtens allerdings nicht oder kaum beeinträchtigt.
Fazit: "Rigor Mortis – Leichenstarre" ist
eine schön anzusehende Geistergeschichte, die zwar wenig echte
Gruselstimmung verströmt, aber mit einprägsamen Figuren, einer interessanten
Handlung und einer eleganten Bildsprache ordentlich unterhält.
Wertung: 6,5 Punkte.
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