Originaltitel:
The Hobbit: The Desolation of Smaug
Regie: Peter Jackson, Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens,
Peter Jackson und Guillermo del Toro, Musik: Howard Shore
Darsteller: Martin Freeman, Richard Armitage, Sir Ian
McKellen, Orlando Bloom, Evangeline Lilly, Benedict Cumberbatch, Luke Evans,
Lee Pace, Mikael Persbrandt, Stephen Fry, Aidan Turner, Ken Stott, James
Nesbitt, Peter Hambleton, William Kircher, Stephen Hunter, Dean O'Gorman, John
Callen, Jed Brophy, Mark Hadlow, Adam Brown, John Bell, Manu Bennett,
Lawrence Makoare, Sylvester McCoy, Ryan Gage, Stephen Colbert, Cate Blanchett
Rotten Tomatoes: 75% (6,8); weltweites Einspielergebnis: $959,1 Mio.
FSK: 12, Dauer: 161 Minuten.
Auf der Flucht vor dem rachedurstigen Azog dem Schänder
(Manu Bennett, TV-Serie "Arrow") und seinen Orks retten sich Bilbo (Martin Freeman, "The World's End") und die 13
Zwerge in den Düsterwald, während Gandalf (Sir Ian McKellen, "X-Men") sich alleine
aufmacht, um in der verfallenen, von einem mysteriösen Nekromanten besetzten
Festung von Dol Guldur nach dem Rechten zu sehen. Ohne die Hilfe des Zauberers
verlieren die Zwerge und ihr Hobbit-Gefährte schnell den überwachsenen Weg
in dem offensichtlich böser Magie anheimgefallenen Wald. Nach einem Intermezzo
mit fiesen Riesenspinnen werden sie ausgerechnet von ebenjenem Elbenkönig Thranduil (Lee
Pace, "A Single Man") gefangengenommen, der sich einst geweigert hatte, den Zwergen von Erebor
gegen den Angriff des Drachen Smaug beizustehen. Doch Bilbo gelingt es mithilfe
des ihn unsichtbar machenden goldenen Ringes, den er in den Orkstollen Gollum
abgenommen hatte, die Zwerge zu befreien, und so steht nach der Ankunft in
dem einst blühenden Handelszentrum Seestadt am Fuße des Einsamen Berges das Aufeinandertreffen mit dem gewaltigen
Drachen kurz bevor ...
Kritik:
Obwohl "Eine unerwartete Reise", der erste Teil
von Peter Jacksons epischer "Der Herr der Ringe"-Prequel-Trilogie
"Der Hobbit", 2012 ein großer kommerzieller Erfolg war und auch bei
den meisten Zuschauern gut ankam, wurde er doch teilweise heftig kritisiert.
Die Magie der früheren Tolkien-Verfilmungen sei verflogen, die Geschichte deutlich
uninteressanter, Jacksons Inszenierung zu weitschweifig. Bis auf den zweiten
Punkt – daß die Handlung der von Tolkien bewußt recht simpel gestrickten, da
als Kinderbuch konzipierten Vorlage "Der Hobbit" nicht ansatzweise an
die Qualitäten von "Der Herr der Ringe" herankommt, läßt sich nun
einmal nicht ändern – kann ich das kaum nachvollziehen, vielmehr fand ich es
sehr erfrischend, daß sich Jackson mit dem Beginn von Bilbos Reise und der
Einführung der großen Zwergengruppe viel Zeit ließ und dabei schönstes
Mittelerde-Flair samt zahlreicher Lieder schuf. Die erste Fortsetzung "Smaugs
Einöde" dürfte stärker an das heranreichen, was der
durchschnittliche Zuschauer oder Kritiker von einer Tolkien-Verfilmung
erwartet. Denn der bislang kürzeste von Jacksons Mittelerde-Filmen bietet mehr
Action, eine großteils rasantere Erzählweise (komplett ohne Songs oder Gedichte) und vor
allem mit Smaug einen richtig schönen, beeindruckenden Antagonisten.
Dennoch muß ich gestehen, daß mir "Eine unerwartete
Reise" einen Tick besser gefällt. Das hängt teilweise damit zusammen, daß
"Smaugs Einöde" eben ein typisches Mittelteil einer Trilogie ist, das
weder einen richtigen Anfang hat noch ein echtes Ende. Das war bei "Die
zwei Türme" zwar genauso, dennoch konnte sich dieser deutlich stärker von
seinem Vorgänger "Die Gefährten" und dem Nachfolger "Die
Rückkehr des Königs" abgrenzen als es "Smaugs Einöde" – der
übrigens mit einem fiesen Cliffhanger endet – gelingen will. Auch ist das Tempo
relativ uneben; mochte man bei "Eine unerwartete Reise" auch kritisieren, daß er
sehr gemächlich beginnt, so folgte er doch einem klassischen, vielfach erprobten Spannungsbogen. "Smaugs Einöde" dagegen hetzt nach einem gelungenen Prolog –
der Thorin Eichenschilds (Richard Armitage, "Captain America") erstes Treffen mit Gandalf in Bree
zeigt – zunächst durch die Stationen der gefährlichen Reise der Zwerge, um dann
nach der Ankunft in Seestadt deutlich das Tempo herauszunehmen, ehe es zum
erwartet spektakulären Showdown kommt. Eine etwas gleichmäßigere Verteilung der
Höhepunkte wäre in meinen Augen ratsamer gewesen: mehr vom Gestaltwandler Beorn
(Mikael Persbrandt, "In einer besseren Welt"), dem Düsterwald und König Thranduil, weniger (oder
zumindest Ereignisreicheres) von Seestadt, dazu weniger der sehr erzwungen
wirkenden Perspektivwechsel im langen Finale.
Denn ein weiteres Problem von "Smaugs Einöde"
hängt damit zusammen, daß das ohnehin schon große Figurenensemble des
ersten Teils noch deutlich anwächst und zugleich zerfasert. Daß sich Gandalf über weite Strecken aus der Handlung verabschiedet, ist zwar natürlich
der literarischen Vorlage geschuldet, aber trotzdem besonders ungünstig, da Sir Ian
McKellens charismatische Präsenz ein unglaublich wichtiger Baustein von
Jacksons Mittelerde-Filmen ist. So ist es absolut nachvollziehbar, daß er ihn nicht
analog zum Buch längere Zeit komplett verschwinden lassen wollte, sondern ihm
lieber seinen eigenen Handlungsstrang rund um Dol Guldur gönnte. Ehrlich gesagt
hatte ich mich darauf sogar sehr gefreut, da man aus Gandalfs Konfrontation mit
dem Totenbeschwörer sicherlich viel herausholen könnte – doch wenn das
geschieht, dann offensichtlich erst im dritten "Hobbit"-Teil mit dem
Untertitel "Die Schlacht der fünf Heere". In "Smaugs Einöde" jedenfalls
verlaufen Gandalfs stets nur sehr kurze Szenen mit einer eindrucksvollen Ausnahme
enttäuschend unspektakulär. Und genau deswegen ist es auch so ärgerlich, daß im
letzten Drittel des Films immer wieder künstlich die Spannung aus dem
atemberaubenden (Psycho-)Duell zwischen dem Drachen Smaug und Bilbo und den
Zwergen genommen wird, indem wiederholt kurz zu Gandalf (und einem weiteren,
ähnlich unergiebigen Strang rund um den von einem Orkpfeil vergifteten Zwerg
Kili) "umgeschaltet" wird. Natürlich ist auch eine solche
Verzögerungstaktik theoretisch ein völlig legitimes Mittel zur Spannungssteigerung, wenn die dramaturgischen Unterschiede zwischen den
Handlungsfäden aber so gewaltig sind, dann ist das nicht ideal. Denn daran besteht
keinerlei Zweifel: Dieser Film gehört Smaug. Er prägt ihn, er dominiert ihn, er
fasziniert und begeistert das Publikum – das gilt vor allem für die Originalfassung, in
der er grandios von Benedict Cumberbatch ("Star Trek Into Darkness") gesprochen wird, dessen
gänsehauterzeugende Intensität der deutsche Synchronsprecher leider (aber wenig
überraschend) nicht erreicht.
Doch nicht nur Smaugs Stimme und Sprechweise (sowie Jacksons bis auf die bemängelten Perspektivwechsel stilsichere und
effektive Inszenierung) sorgen dafür, daß diese fabelhafte Kreatur sich nachhaltig ins
Gedächtnis einprägt, sondern auch sein Aussehen. Hier wird sehr deutlich, wie
stark das Kreaturendesign noch von dem ursprünglich für die Regie
vorgesehenen Guillermo del Toro ("Pans Labyrinth",
"Pacific Rim") geprägt ist, denn Smaug sieht nicht wie der typische Hollywood-Drache
aus, sondern hat einen ganz eigenen visuellen Charakter: Sein Leib erinnert
eher an eine gigantische Mischung aus Schlange und Fledermaus, was sich auch in
seinen grazilen Bewegungen ausdrückt. Doch besonders beeindruckt
Smaugs Gesicht, das an Sagengestalten wie den Basilisk oder auch an
die dämonischen Cthulhu-Horrorkreaturen eines H.P. Lovecraft gemahnt.
Selbstverständlich kommt hier auch die gewohnt hervorragende technische
Umsetzung durch den Weta Workshop zum Tragen, der Smaug mit Cumberbatchs
tatkräftiger Unterstützung höchst überzeugend zum Leben erweckt. Und auch das
Katz-und-Maus-Spiel, das der buchstäblich haushoch überlegene Drache mit den aus
seiner Sicht winzigen, aber aufmüpfigen Eindringlingen betreibt, sorgt für
Hochspannung pur. Außerdem soll nicht verschwiegen werden, daß "Smaugs
Einöde" natürlich auch abseits des Drachens wieder ein wahrer Augenschmaus
ist, voll von verspielten oder auch düster-phantastischen Kulissen und Ausstattung,
die Peter Jackson und sein Team mit bewährter Liebe zum Detail in 3D zum Leben
erwecken (die Qualität der beim Vorgänger heftig umstrittenen "High Frame Rate" kann ich übrigens wiederum nicht beurteilen, da ich eine "normale" Vorführung gesehen habe; dem Vernehmen nach soll diese besonders hohe Bildrate aber wohl natürlicher wirken als bei "Eine unerwartete Reise").
Tolkien-Puristen, die kategorisch jede Änderung gegenüber der
Vorlage ablehnen, werden sich ja konsequenterweise schon seit Jahren keinen von
Jacksons Filmen mehr anschauen – das ist auch gut für sie, denn in "Smaugs
Einöde" gönnt sich der neuseeländische Regisseur und Drehbuch-Autor wohl
so viele Abweichungen wie noch nie. Die gewichtigste ist sicherlich, daß den
Elben wesentlich mehr Raum gegeben wird. Im Buch ist die Gefangenschaft der
Zwerge nur eine kurze Episode, im Film zieht sie nach sich, daß zwei Elben dem
Publikum dauerhaft erhalten bleiben (und damit einen weiteren Handlungsstrang
eröffnen), die in Tolkiens Vorlage überhaupt nicht vorkommen. Der eine ist ein guter
alter Bekannter: Legolas (Orlando Bloom, "Die drei Musketiere"), späteres Mitglied der Gemeinschaft
des Rings und berühmt-berüchtigt für seine spektakulären Stunts in Kämpfen
gegen eine Übermacht, die er auch diesmal wieder zeigen darf. Sein Auftauchen macht aber sogar einigermaßen Sinn, da
Legolas Thranduils Sohn ist und somit durchaus bei den Geschehnissen des Buches
anwesend gewesen sein könnte, auch wenn sein Name nicht fiel. "Der Herr
der Ringe"-Fans dürften sich jedenfalls über die Rückkehr eines bekannten
Gesichts freuen, zumal die Kontinuität der Geschichte gewahrt bleibt (Bilbo
sieht zwar Legolas, dieser aber nicht ihn, womit es kein Problem ist, daß der
Elb den Hobbit in "Die Gefährten" nicht zu kennen scheint). Komplett
neu ist dagegen die schöne Elbin Tauriel, die den chronisch niedrigen
Frauenanteil in Tolkiens Geschichte etwas erhöhen soll. Auch das ist eine
absolut verständliche Maßnahme, die an sich auch gut funktioniert, weil
Evangeline Lilly (TV-Serie "Lost") die Anführerin der Elbenwache sympathisch und kampfstark verkörpert. Ob es jedoch
unbedingt nötig war, eine angedeutete Romanze zwischen ihr und dem jungen Zwerg
Kili (Aidan Turner, "Chroniken der Unterwelt – City of Bones") einzubauen, darüber kann man sicher stundenlang
diskutieren.
Mein größter Kritikpunkt an "Smaugs Einöde" hängt
jedenfalls auch mit diesen beiden Elben zusammen: Das Figurenensemble ist
einfach viel zu groß, um jedem auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Schon in
"Eine unerwartete Reise" hatte Jackson Mühe, jeden einzelnen Zwerg so
einzubinden, daß sie eine eigene Persönlichkeit haben und sich dem Zuschauer
einprägen; da nun noch einmal ein gutes halbes Dutzend wichtiger Charaktere
hinzukommt, ist es ein aussichtsloses Unterfangen. Lediglich Bilbo entwickelt sich merklich weiter, Martin Freeman gelingt es dabei ausgezeichnet, den zunehmenden Einfluß der dunklen Macht des Ringes auf den Hobbit darzustellen. Von den Zwergen bringen
sich außer Anführer Thorin lediglich Kili mit der erwähnten Romanze und
vielleicht noch Balin (Ken Stott) und Bofur (James Nesbitt, "Match Point") nennenswert ein, von
den Neulingen gelingt dies einzig Smaug, Tauriel und Bard (Luke Evans,
"Krieg der Götter"). Der Bogenschütze aus Seestadt/Esgaroth wird in
"Die Schlacht der fünf Heere" noch eine wichtige Rolle spielen und bekommt deshalb
bereits recht viel Screentime, um ihn als bedeutende Person einzuführen. Das
funktioniert insgesamt ganz gut, allerdings nicht so grandios wie
beispielsweise in "Die Gefährten" bei Streicher alias Aragorn, der ja
ebenfalls erst recht spät ins Geschehen eingreift. Etwas zu kurz kommt der Elbenkönig Thranduil, was deshalb besonders schade ist, da diese sehr
ambivalente Figur einen schönen Kontrapunkt zu den bislang gezeigten Elben in
Jacksons Filmen setzt. Noch schlechter sieht es für den hünenhaften Gestaltwandler Beorn
und den von Stephen Fry ("V wie Vendetta") wunderbar zwielichtig verkörperten Bürgermeister von
Seestadt sowie für den "Eine unerwartete Reise"-Hauptbösewicht
Azog der Schänder aus. Aber wie gesagt: Es sind einfach zu viele Figuren, als daß
selbst zweieinhalb Stunden auch nur ansatzweise ausreichen würden, um sie alle
einigermaßen überzeugend auszugestalten. Das mag kurios klingen, wenn man
bedenkt, daß Jackson bereits ein 300-Seiten-Buch – in dem die Figuren
wohlgemerkt teilweise sogar noch flacher bleiben, der Elbenkönig hatte in der
ursprünglichen Version beispielsweise nicht einmal einen Namen – auf eine
Filmlänge von (alle Extended Editions miteingerechnet) rund neun Stunden
aufbläst, wofür er auch etliches an Kritik einstecken mußte. Aber es ist
wirklich so: Eigentlich sind diese neun Stunden immer noch zu wenig ...
Fazit: "Der Hobbit – Smaugs Einöde" ist ein
weiterer bildschöner, allerdings etwas zerfasert erzählter Fantasyfilm von
Peter Jackson, der vor allem mit dem innovativ gestalteten Drachen Smaug als eindrucksvollem Antagonisten begeistert, aber schlicht zu viele Figuren enthält und
erzähltechnisch merklich darunter leidet, der mittlere Teil einer Trilogie zu
sein.
Wertung: Knapp 8 Punkte.
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