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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Freitag, 13. Dezember 2013

DER HOBBIT – SMAUGS EINÖDE (3D, 2013)

Originaltitel: The Hobbit: The Desolation of Smaug
Regie: Peter Jackson, Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson und Guillermo del Toro, Musik: Howard Shore
Darsteller: Martin Freeman, Richard Armitage, Sir Ian McKellen, Orlando Bloom, Evangeline Lilly, Benedict Cumberbatch, Luke Evans, Lee Pace, Mikael Persbrandt, Stephen Fry, Aidan Turner, Ken Stott, James Nesbitt, Peter Hambleton, William Kircher, Stephen Hunter, Dean O'Gorman, John Callen, Jed Brophy, Mark Hadlow, Adam Brown, John Bell, Manu Bennett, Lawrence Makoare, Sylvester McCoy, Ryan Gage, Stephen Colbert, Cate Blanchett
The Hobbit: The Desolation of Smaug
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 75% (6,8); weltweites Einspielergebnis: $959,1 Mio.
FSK: 12, Dauer: 161 Minuten.

Auf der Flucht vor dem rachedurstigen Azog dem Schänder (Manu Bennett, TV-Serie "Arrow") und seinen Orks retten sich Bilbo (Martin Freeman, "The World's End") und die 13 Zwerge in den Düsterwald, während Gandalf (Sir Ian McKellen, "X-Men") sich alleine aufmacht, um in der verfallenen, von einem mysteriösen Nekromanten besetzten Festung von Dol Guldur nach dem Rechten zu sehen. Ohne die Hilfe des Zauberers verlieren die Zwerge und ihr Hobbit-Gefährte schnell den überwachsenen Weg in dem offensichtlich böser Magie anheimgefallenen Wald. Nach einem Intermezzo mit fiesen Riesenspinnen werden sie ausgerechnet von ebenjenem Elbenkönig Thranduil (Lee Pace, "A Single Man") gefangengenommen, der sich einst geweigert hatte, den Zwergen von Erebor gegen den Angriff des Drachen Smaug beizustehen. Doch Bilbo gelingt es mithilfe des ihn unsichtbar machenden goldenen Ringes, den er in den Orkstollen Gollum abgenommen hatte, die Zwerge zu befreien, und so steht nach der Ankunft in dem einst blühenden Handelszentrum Seestadt am Fuße des Einsamen Berges das Aufeinandertreffen mit dem gewaltigen Drachen kurz bevor ...

Kritik:
Obwohl "Eine unerwartete Reise", der erste Teil von Peter Jacksons epischer "Der Herr der Ringe"-Prequel-Trilogie "Der Hobbit", 2012 ein großer kommerzieller Erfolg war und auch bei den meisten Zuschauern gut ankam, wurde er doch teilweise heftig kritisiert. Die Magie der früheren Tolkien-Verfilmungen sei verflogen, die Geschichte deutlich uninteressanter, Jacksons Inszenierung zu weitschweifig. Bis auf den zweiten Punkt – daß die Handlung der von Tolkien bewußt recht simpel gestrickten, da als Kinderbuch konzipierten Vorlage "Der Hobbit" nicht ansatzweise an die Qualitäten von "Der Herr der Ringe" herankommt, läßt sich nun einmal nicht ändern – kann ich das kaum nachvollziehen, vielmehr fand ich es sehr erfrischend, daß sich Jackson mit dem Beginn von Bilbos Reise und der Einführung der großen Zwergengruppe viel Zeit ließ und dabei schönstes Mittelerde-Flair samt zahlreicher Lieder schuf. Die erste Fortsetzung "Smaugs Einöde" dürfte stärker an das heranreichen, was der durchschnittliche Zuschauer oder Kritiker von einer Tolkien-Verfilmung erwartet. Denn der bislang kürzeste von Jacksons Mittelerde-Filmen bietet mehr Action, eine großteils rasantere Erzählweise (komplett ohne Songs oder Gedichte) und vor allem mit Smaug einen richtig schönen, beeindruckenden Antagonisten.

Dennoch muß ich gestehen, daß mir "Eine unerwartete Reise" einen Tick besser gefällt. Das hängt teilweise damit zusammen, daß "Smaugs Einöde" eben ein typisches Mittelteil einer Trilogie ist, das weder einen richtigen Anfang hat noch ein echtes Ende. Das war bei "Die zwei Türme" zwar genauso, dennoch konnte sich dieser deutlich stärker von seinem Vorgänger "Die Gefährten" und dem Nachfolger "Die Rückkehr des Königs" abgrenzen als es "Smaugs Einöde" – der übrigens mit einem fiesen Cliffhanger endet – gelingen will. Auch ist das Tempo relativ uneben; mochte man bei "Eine unerwartete Reise" auch kritisieren, daß er sehr gemächlich beginnt, so folgte er doch einem klassischen, vielfach erprobten Spannungsbogen. "Smaugs Einöde" dagegen hetzt nach einem gelungenen Prolog – der Thorin Eichenschilds (Richard Armitage, "Captain America") erstes Treffen mit Gandalf in Bree zeigt – zunächst durch die Stationen der gefährlichen Reise der Zwerge, um dann nach der Ankunft in Seestadt deutlich das Tempo herauszunehmen, ehe es zum erwartet spektakulären Showdown kommt. Eine etwas gleichmäßigere Verteilung der Höhepunkte wäre in meinen Augen ratsamer gewesen: mehr vom Gestaltwandler Beorn (Mikael Persbrandt, "In einer besseren Welt"), dem Düsterwald und König Thranduil, weniger (oder zumindest Ereignisreicheres) von Seestadt, dazu weniger der sehr erzwungen wirkenden Perspektivwechsel im langen Finale.

Denn ein weiteres Problem von "Smaugs Einöde" hängt damit zusammen, daß das ohnehin schon große Figurenensemble des ersten Teils noch deutlich anwächst und zugleich zerfasert. Daß sich Gandalf über weite Strecken aus der Handlung verabschiedet, ist zwar natürlich der literarischen Vorlage geschuldet, aber trotzdem besonders ungünstig, da Sir Ian McKellens charismatische Präsenz ein unglaublich wichtiger Baustein von Jacksons Mittelerde-Filmen ist. So ist es absolut nachvollziehbar, daß er ihn nicht analog zum Buch längere Zeit komplett verschwinden lassen wollte, sondern ihm lieber seinen eigenen Handlungsstrang rund um Dol Guldur gönnte. Ehrlich gesagt hatte ich mich darauf sogar sehr gefreut, da man aus Gandalfs Konfrontation mit dem Totenbeschwörer sicherlich viel herausholen könnte – doch wenn das geschieht, dann offensichtlich erst im dritten "Hobbit"-Teil mit dem Untertitel "Die Schlacht der fünf Heere". In "Smaugs Einöde" jedenfalls verlaufen Gandalfs stets nur sehr kurze Szenen mit einer eindrucksvollen Ausnahme enttäuschend unspektakulär. Und genau deswegen ist es auch so ärgerlich, daß im letzten Drittel des Films immer wieder künstlich die Spannung aus dem atemberaubenden (Psycho-)Duell zwischen dem Drachen Smaug und Bilbo und den Zwergen genommen wird, indem wiederholt kurz zu Gandalf (und einem weiteren, ähnlich unergiebigen Strang rund um den von einem Orkpfeil vergifteten Zwerg Kili) "umgeschaltet" wird. Natürlich ist auch eine solche Verzögerungstaktik theoretisch ein völlig legitimes Mittel zur Spannungssteigerung, wenn die dramaturgischen Unterschiede zwischen den Handlungsfäden aber so gewaltig sind, dann ist das nicht ideal. Denn daran besteht keinerlei Zweifel: Dieser Film gehört Smaug. Er prägt ihn, er dominiert ihn, er fasziniert und begeistert das Publikum – das gilt vor allem für die Originalfassung, in der er grandios von Benedict Cumberbatch ("Star Trek Into Darkness") gesprochen wird, dessen gänsehauterzeugende Intensität der deutsche Synchronsprecher leider (aber wenig überraschend) nicht erreicht.

Doch nicht nur Smaugs Stimme und Sprechweise (sowie Jacksons bis auf die bemängelten Perspektivwechsel stilsichere und effektive Inszenierung) sorgen dafür, daß diese fabelhafte Kreatur sich nachhaltig ins Gedächtnis einprägt, sondern auch sein Aussehen. Hier wird sehr deutlich, wie stark das Kreaturendesign noch von dem ursprünglich für die Regie vorgesehenen Guillermo del Toro ("Pans Labyrinth", "Pacific Rim") geprägt ist, denn Smaug sieht nicht wie der typische Hollywood-Drache aus, sondern hat einen ganz eigenen visuellen Charakter: Sein Leib erinnert eher an eine gigantische Mischung aus Schlange und Fledermaus, was sich auch in seinen grazilen Bewegungen ausdrückt. Doch besonders beeindruckt Smaugs Gesicht, das an Sagengestalten wie den Basilisk oder auch an die dämonischen Cthulhu-Horrorkreaturen eines H.P. Lovecraft gemahnt. Selbstverständlich kommt hier auch die gewohnt hervorragende technische Umsetzung durch den Weta Workshop zum Tragen, der Smaug mit Cumberbatchs tatkräftiger Unterstützung höchst überzeugend zum Leben erweckt. Und auch das Katz-und-Maus-Spiel, das der buchstäblich haushoch überlegene Drache mit den aus seiner Sicht winzigen, aber aufmüpfigen Eindringlingen betreibt, sorgt für Hochspannung pur. Außerdem soll nicht verschwiegen werden, daß "Smaugs Einöde" natürlich auch abseits des Drachens wieder ein wahrer Augenschmaus ist, voll von verspielten oder auch düster-phantastischen Kulissen und Ausstattung, die Peter Jackson und sein Team mit bewährter Liebe zum Detail in 3D zum Leben erwecken (die Qualität der beim Vorgänger heftig umstrittenen "High Frame Rate" kann ich übrigens wiederum nicht beurteilen, da ich eine "normale" Vorführung gesehen habe; dem Vernehmen nach soll diese besonders hohe Bildrate aber wohl natürlicher wirken als bei "Eine unerwartete Reise").

Tolkien-Puristen, die kategorisch jede Änderung gegenüber der Vorlage ablehnen, werden sich ja konsequenterweise schon seit Jahren keinen von Jacksons Filmen mehr anschauen – das ist auch gut für sie, denn in "Smaugs Einöde" gönnt sich der neuseeländische Regisseur und Drehbuch-Autor wohl so viele Abweichungen wie noch nie. Die gewichtigste ist sicherlich, daß den Elben wesentlich mehr Raum gegeben wird. Im Buch ist die Gefangenschaft der Zwerge nur eine kurze Episode, im Film zieht sie nach sich, daß zwei Elben dem Publikum dauerhaft erhalten bleiben (und damit einen weiteren Handlungsstrang eröffnen), die in Tolkiens Vorlage überhaupt nicht vorkommen. Der eine ist ein guter alter Bekannter: Legolas (Orlando Bloom, "Die drei Musketiere"), späteres Mitglied der Gemeinschaft des Rings und berühmt-berüchtigt für seine spektakulären Stunts in Kämpfen gegen eine Übermacht, die er auch diesmal wieder zeigen darf. Sein Auftauchen macht aber sogar einigermaßen Sinn, da Legolas Thranduils Sohn ist und somit durchaus bei den Geschehnissen des Buches anwesend gewesen sein könnte, auch wenn sein Name nicht fiel. "Der Herr der Ringe"-Fans dürften sich jedenfalls über die Rückkehr eines bekannten Gesichts freuen, zumal die Kontinuität der Geschichte gewahrt bleibt (Bilbo sieht zwar Legolas, dieser aber nicht ihn, womit es kein Problem ist, daß der Elb den Hobbit in "Die Gefährten" nicht zu kennen scheint). Komplett neu ist dagegen die schöne Elbin Tauriel, die den chronisch niedrigen Frauenanteil in Tolkiens Geschichte etwas erhöhen soll. Auch das ist eine absolut verständliche Maßnahme, die an sich auch gut funktioniert, weil Evangeline Lilly (TV-Serie "Lost") die Anführerin der Elbenwache sympathisch und kampfstark verkörpert. Ob es jedoch unbedingt nötig war, eine angedeutete Romanze zwischen ihr und dem jungen Zwerg Kili (Aidan Turner, "Chroniken der Unterwelt – City of Bones") einzubauen, darüber kann man sicher stundenlang diskutieren.

Mein größter Kritikpunkt an "Smaugs Einöde" hängt jedenfalls auch mit diesen beiden Elben zusammen: Das Figurenensemble ist einfach viel zu groß, um jedem auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Schon in "Eine unerwartete Reise" hatte Jackson Mühe, jeden einzelnen Zwerg so einzubinden, daß sie eine eigene Persönlichkeit haben und sich dem Zuschauer einprägen; da nun noch einmal ein gutes halbes Dutzend wichtiger Charaktere hinzukommt, ist es ein aussichtsloses Unterfangen. Lediglich Bilbo entwickelt sich merklich weiter, Martin Freeman gelingt es dabei ausgezeichnet, den zunehmenden Einfluß der dunklen Macht des Ringes auf den Hobbit darzustellen. Von den Zwergen bringen sich außer Anführer Thorin lediglich Kili mit der erwähnten Romanze und vielleicht noch Balin (Ken Stott) und Bofur (James Nesbitt, "Match Point") nennenswert ein, von den Neulingen gelingt dies einzig Smaug, Tauriel und Bard (Luke Evans, "Krieg der Götter"). Der Bogenschütze aus Seestadt/Esgaroth wird in "Die Schlacht der fünf Heere" noch eine wichtige Rolle spielen und bekommt deshalb bereits recht viel Screentime, um ihn als bedeutende Person einzuführen. Das funktioniert insgesamt ganz gut, allerdings nicht so grandios wie beispielsweise in "Die Gefährten" bei Streicher alias Aragorn, der ja ebenfalls erst recht spät ins Geschehen eingreift. Etwas zu kurz kommt der Elbenkönig Thranduil, was deshalb besonders schade ist, da diese sehr ambivalente Figur einen schönen Kontrapunkt zu den bislang gezeigten Elben in Jacksons Filmen setzt. Noch schlechter sieht es für den hünenhaften Gestaltwandler Beorn und den von Stephen Fry ("V wie Vendetta") wunderbar zwielichtig verkörperten Bürgermeister von Seestadt sowie für den "Eine unerwartete Reise"-Hauptbösewicht Azog der Schänder aus. Aber wie gesagt: Es sind einfach zu viele Figuren, als daß selbst zweieinhalb Stunden auch nur ansatzweise ausreichen würden, um sie alle einigermaßen überzeugend auszugestalten. Das mag kurios klingen, wenn man bedenkt, daß Jackson bereits ein 300-Seiten-Buch – in dem die Figuren wohlgemerkt teilweise sogar noch flacher bleiben, der Elbenkönig hatte in der ursprünglichen Version beispielsweise nicht einmal einen Namen – auf eine Filmlänge von (alle Extended Editions miteingerechnet) rund neun Stunden aufbläst, wofür er auch etliches an Kritik einstecken mußte. Aber es ist wirklich so: Eigentlich sind diese neun Stunden immer noch zu wenig ...

Fazit: "Der Hobbit – Smaugs Einöde" ist ein weiterer bildschöner, allerdings etwas zerfasert erzählter Fantasyfilm von Peter Jackson, der vor allem mit dem innovativ gestalteten Drachen Smaug als eindrucksvollem Antagonisten begeistert, aber schlicht zu viele Figuren enthält und erzähltechnisch merklich darunter leidet, der mittlere Teil einer Trilogie zu sein.

Wertung: Knapp 8 Punkte.

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