Regie: Georg Maas,
Drehbuch: Christoph Tölle, Ståle Stein Berg, Judith Kaufmann und Georg Maas,
Musik: Christoph Kaiser und Julian Maas
Darsteller: Juliane
Köhler, Liv Ullmann, Julia Bache-Wiig, Sven Nordin, Ken Duken, Thomas Lawincky, Vicky Krieps,
Ursula Werner, Rainer Bock, Klara Manzel, Dennis Storhøi
Rotten Tomatoes: 92% (6,8);
weltweites Einspielergebnis: $1,7 Mio.
FSK: 12, Dauer: 99
Minuten.
Das glückliche
Familienleben der Photographin Katrine (Juliane Köhler, "Nirgendwo in
Afrika") in Norwegen wird auf eine harte Probe gestellt, als eines Tages
der junge Anwalt Sven Solbach (Ken Duken, "Zweiohrküken") auftaucht.
Dabei will er Katrine nicht etwa verklagen, nein, er benötigt vielmehr ihre
Zeugenaussage sowie die ihrer Mutter Ase (Liv Ullmann, "Die Stunde des
Wolfs"). Denn Ase hatte während der Besetzung Norwegens durch die Nazis
eine Affäre mit einem deutschen Soldaten, deren Resultat Katrine war.
Allerdings wurde das "arische" Baby von den Nazis in
ein deutsches "Lebensborn"-Heim gebracht und wuchs nach Kriegsende in der DDR
auf, ehe der erwachsenen Katrine die Flucht in die Heimat ihrer Mutter gelang.
Sven strengt nun eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sowohl gegen
Norwegen als auch gegen Deutschland an, um das an den Kindern und ihren Müttern keineswegs nur in Norwegen begangene Unrecht zu sühnen – und da Katrine und Ase das
einzige bekannte Mutter-Tochter-Gespann sind, dem die Wiedervereinigung gelang,
ist ihre Aussage vor Gericht unerläßlich. Ase ist dazu bereit, doch bei Katrine
löst die bloße Anfrage Panik aus, da durch das Verfahren dunkle Geheimnisse aus ihrer
Vergangenheit enthüllt zu werden drohen, von denen ihre Familie niemals erfahren darf
...
Kritik:
Auf den ersten Blick
erinnert "Zwei Leben" ein bißchen an Florian Henckel von
Donnersmarcks Meisterwerk "Das Leben der Anderen" aus dem Jahr 2006. Beides Filme von
noch weitgehend unbekannten Filmemachern (für von Donnersmarck war es das
Langfilmdebüt, Georg Maas hat vorher bereits ein paar Dokus und einen wenig
beachteten Spielfilm gedreht), die die deutsche Geschichte – insbesondere die
DDR – in ein hochemotionales Drama integrieren. "Das Leben der
Anderen" holte schließlich verdient den Auslands-OSCAR, "Zwei
Leben" wurde zumindest als deutscher OSCAR-Beitrag ausgewählt. Viele
Gemeinsamkeiten also, bis hin zu dem Wort "Leben" in beiden Filmtiteln.
Bei genauer Betrachtung dominieren aber doch die Unterschiede,
angefangen – leider – bei der Qualität. Nicht, daß "Zwei Leben" ein
schlechter Film wäre, aber er reicht bei weitem nicht an "Das Leben der
Anderen" heran, es gelingt ihm nie, jenen Sog zu entwickeln, jene
Begeisterung auszulösen. Dafür ist er etwas zu konventionell
erzählt.
Zwar umfaßt Maas' Werk
zwei Zeitebenen – die Film-"Gegenwart" Ende 1990 und somit kurz nach
der Deutschen Einheit sowie die Zeit, in der Katrine die Flucht aus der DDR
wagte (wohl um 1970 herum) –, die durch eingestreute, extrem grobkörnig
gefilmte Rückblenden relativ geschickt ineinander verwoben sind und immer
wieder neue, ebenso kleine wie wichtige Details über Katrines Leben enthüllen.
Allerdings ist das Grundgerüst der durchaus komplexen, aber sehr bedächtig
erzählten Handlung lange Zeit wenig originell, da es sich stark an altbekannten
Spionagefilm-Elementen orientiert, ohne jedoch echte Spannung oder Aufregung zu
schüren. Besonders ärgerlich ist, daß man durch die Rückblenden ziemlich früh
ahnt, worauf Katrines großes Geheimnis hinausläuft. Im Grunde genommen zählt
"Zwei Leben" nämlich zu jenen Filmen, die – wie etwa Alan J. Pakulas
"Sophies Entscheidung" oder Park Chan-wooks "Oldboy" – auf
eine schockierende Enthüllung im letzten Akt hinauslaufen. Deren Gelingen hängt
allerdings stark davon ab, daß das Publikum möglichst lange im Unklaren über
diese Enthüllung bleibt. Bei "Zwei Leben" ist das nicht der Fall, was zwangsläufig das Schlußdrittel des Films ein Gutteil der emotionalen Wucht
kostet, die er bei einer etwas vorsichtigeren Herangehensweise hätte entfalten können.
Zumal, wenn Maas auf die eher fragwürdige (und auch noch recht unlogische) Schlußszene verzichtet
hätte.
Dennoch ist jener letzte
Akt, in dem die große Enthüllung schließlich ausgespielt wird, mit Abstand der
stärkste Teil von "Zwei Leben". Das ist vor allem den vielen starken
Frauenfiguren geschuldet, die den gesamten Film tragen. Ken Duken als
idealistischer, hartnäckiger Anwalt und Sven Nordin (TV-Serie
"Lilyhammer") als Katrines Ehemann spielen ihre Parts zwar solide,
werden von gleich drei (großzügig gerechnet sogar fünf) Frauen aber ziemlich an
die Wand gespielt. Allen voran ist da Hauptdarstellerin Juliane Köhler zu
nennen, die bereits viele starke Leistungen gezeigt hat ("Nirgendwo in
Afrika", "Aimée & Jaguar", "Der Untergang") und
hier nahtlos daran anknüpft. Ihr gelingt das Kunststück, diese höchst ambivalente Figur der
Katrine mal entschlossen, mal zerbrechlich, dann wieder skrupellos zu interpretieren,
und das so, daß es jederzeit authentisch und wie aus einem Guß wirkt. Vor allem
die gemeinsamen Szenen mit der zweifach OSCAR-nominierten norwegischen
Filmlegende und früheren Bergman-Muse Liv Ullmann, die Katrines Mutter
spielt, sind sehr intensiv und zutiefst bewegend. Doch auch Julia
Bache-Wiig ("Ein Mann von Welt") als Katrines Tochter sowie in kleineren
Rollen Vicky Krieps ("Die Vermessung der Welt") und Ursula Werner
("Wolke 9") beeindrucken. Um ein letztes Mal den Vergleich mit Florian Henckel von
Donnersmarcks Film zu bemühen: "Das Leben der Anderen" beeindruckte (trotz
Martina Gedeck) vor allem mit seinen nuanciert gezeichneten und gespielten Männerfiguren,
"Zwei Leben" stellt in dieser Hinsicht das weibliche Pendant dar.
Fazit: "Zwei Leben" ist ein ernsthafter, etwas zu
bedächtig erzählter Film, der schockierende, aber wenig bekannte historische
Geschehnisse mit der ganz persönlichen Perspektive eines bewegenden
Familiendramas verbindet und vor allem von seinen starken Frauenfiguren zehrt.
Wertung: 7 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links oder das amazon-Suchfeld in der rechten Spalte freuen.
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