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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 26. September 2013

ZWEI LEBEN (2012)

Regie: Georg Maas, Drehbuch: Christoph Tölle, Ståle Stein Berg, Judith Kaufmann und Georg Maas, Musik: Christoph Kaiser und Julian Maas
Darsteller: Juliane Köhler, Liv Ullmann, Julia Bache-Wiig, Sven Nordin, Ken Duken, Thomas Lawincky, Vicky Krieps, Ursula Werner, Rainer Bock, Klara Manzel, Dennis Storhøi
 Zwei Leben
(2012) on IMDb Rotten Tomatoes: 92% (6,8); weltweites Einspielergebnis: $1,7 Mio.
FSK: 12, Dauer: 99 Minuten.

Das glückliche Familienleben der Photographin Katrine (Juliane Köhler, "Nirgendwo in Afrika") in Norwegen wird auf eine harte Probe gestellt, als eines Tages der junge Anwalt Sven Solbach (Ken Duken, "Zweiohrküken") auftaucht. Dabei will er Katrine nicht etwa verklagen, nein, er benötigt vielmehr ihre Zeugenaussage sowie die ihrer Mutter Ase (Liv Ullmann, "Die Stunde des Wolfs"). Denn Ase hatte während der Besetzung Norwegens durch die Nazis eine Affäre mit einem deutschen Soldaten, deren Resultat Katrine war. Allerdings wurde das "arische" Baby von den Nazis in ein deutsches "Lebensborn"-Heim gebracht und wuchs nach Kriegsende in der DDR auf, ehe der erwachsenen Katrine die Flucht in die Heimat ihrer Mutter gelang. Sven strengt nun eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sowohl gegen Norwegen als auch gegen Deutschland an, um das an den Kindern und ihren Müttern keineswegs nur in Norwegen begangene Unrecht zu sühnen – und da Katrine und Ase das einzige bekannte Mutter-Tochter-Gespann sind, dem die Wiedervereinigung gelang, ist ihre Aussage vor Gericht unerläßlich. Ase ist dazu bereit, doch bei Katrine löst die bloße Anfrage Panik aus, da durch das Verfahren dunkle Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit enthüllt zu werden drohen, von denen ihre Familie niemals erfahren darf ...

Kritik:
Auf den ersten Blick erinnert "Zwei Leben" ein bißchen an Florian Henckel von Donnersmarcks Meisterwerk "Das Leben der Anderen" aus dem Jahr 2006. Beides Filme von noch weitgehend unbekannten Filmemachern (für von Donnersmarck war es das Langfilmdebüt, Georg Maas hat vorher bereits ein paar Dokus und einen wenig beachteten Spielfilm gedreht), die die deutsche Geschichte – insbesondere die DDR – in ein hochemotionales Drama integrieren. "Das Leben der Anderen" holte schließlich verdient den Auslands-OSCAR, "Zwei Leben" wurde zumindest als deutscher OSCAR-Beitrag ausgewählt. Viele Gemeinsamkeiten also, bis hin zu dem Wort "Leben" in beiden Filmtiteln. Bei genauer Betrachtung dominieren aber doch die Unterschiede, angefangen – leider – bei der Qualität. Nicht, daß "Zwei Leben" ein schlechter Film wäre, aber er reicht bei weitem nicht an "Das Leben der Anderen" heran, es gelingt ihm nie, jenen Sog zu entwickeln, jene Begeisterung auszulösen. Dafür ist er etwas zu konventionell erzählt.

Zwar umfaßt Maas' Werk zwei Zeitebenen – die Film-"Gegenwart" Ende 1990 und somit kurz nach der Deutschen Einheit sowie die Zeit, in der Katrine die Flucht aus der DDR wagte (wohl um 1970 herum) –, die durch eingestreute, extrem grobkörnig gefilmte Rückblenden relativ geschickt ineinander verwoben sind und immer wieder neue, ebenso kleine wie wichtige Details über Katrines Leben enthüllen. Allerdings ist das Grundgerüst der durchaus komplexen, aber sehr bedächtig erzählten Handlung lange Zeit wenig originell, da es sich stark an altbekannten Spionagefilm-Elementen orientiert, ohne jedoch echte Spannung oder Aufregung zu schüren. Besonders ärgerlich ist, daß man durch die Rückblenden ziemlich früh ahnt, worauf Katrines großes Geheimnis hinausläuft. Im Grunde genommen zählt "Zwei Leben" nämlich zu jenen Filmen, die – wie etwa Alan J. Pakulas "Sophies Entscheidung" oder Park Chan-wooks "Oldboy" – auf eine schockierende Enthüllung im letzten Akt hinauslaufen. Deren Gelingen hängt allerdings stark davon ab, daß das Publikum möglichst lange im Unklaren über diese Enthüllung bleibt. Bei "Zwei Leben" ist das nicht der Fall, was zwangsläufig das Schlußdrittel des Films ein Gutteil der emotionalen Wucht kostet, die er bei einer etwas vorsichtigeren Herangehensweise hätte entfalten können. Zumal, wenn Maas auf die eher fragwürdige (und auch noch recht unlogische) Schlußszene verzichtet hätte.

Dennoch ist jener letzte Akt, in dem die große Enthüllung schließlich ausgespielt wird, mit Abstand der stärkste Teil von "Zwei Leben". Das ist vor allem den vielen starken Frauenfiguren geschuldet, die den gesamten Film tragen. Ken Duken als idealistischer, hartnäckiger Anwalt und Sven Nordin (TV-Serie "Lilyhammer") als Katrines Ehemann spielen ihre Parts zwar solide, werden von gleich drei (großzügig gerechnet sogar fünf) Frauen aber ziemlich an die Wand gespielt. Allen voran ist da Hauptdarstellerin Juliane Köhler zu nennen, die bereits viele starke Leistungen gezeigt hat ("Nirgendwo in Afrika", "Aimée & Jaguar", "Der Untergang") und hier nahtlos daran anknüpft. Ihr gelingt das Kunststück, diese höchst ambivalente Figur der Katrine mal entschlossen, mal zerbrechlich, dann wieder skrupellos zu interpretieren, und das so, daß es jederzeit authentisch und wie aus einem Guß wirkt. Vor allem die gemeinsamen Szenen mit der zweifach OSCAR-nominierten norwegischen Filmlegende und früheren Bergman-Muse Liv Ullmann, die Katrines Mutter spielt, sind sehr intensiv und zutiefst bewegend. Doch auch Julia Bache-Wiig ("Ein Mann von Welt") als Katrines Tochter sowie in kleineren Rollen Vicky Krieps ("Die Vermessung der Welt") und Ursula Werner ("Wolke 9") beeindrucken. Um ein letztes Mal den Vergleich mit Florian Henckel von Donnersmarcks Film zu bemühen: "Das Leben der Anderen" beeindruckte (trotz Martina Gedeck) vor allem mit seinen nuanciert gezeichneten und gespielten Männerfiguren, "Zwei Leben" stellt in dieser Hinsicht das weibliche Pendant dar.

Fazit: "Zwei Leben" ist ein ernsthafter, etwas zu bedächtig erzählter Film, der schockierende, aber wenig bekannte historische Geschehnisse mit der ganz persönlichen Perspektive eines bewegenden Familiendramas verbindet und vor allem von seinen starken Frauenfiguren zehrt.

Wertung: 7 Punkte. 

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