Letztes Update vom 5.1.2013: Quentin Tarantinos "Django Unchained" steigt nach der bisher unerwartet guten Awards-Performance (vor allem bei den Golden Globes) vom Mitfavoriten zum Favoriten auf, der seine OSCAR-Nominierung als "Bester Film" fast sicher hat. "The Master" fällt nach der Nicht-Berücksichtigung bei der Produzentengilde hinter "Moonrise Kingdom" und "Beasts of the Southern Wild" zurück.
Die Awards Season ist in vollem Gange, da soll ein Überblick über die Favoritenlage auch hier nicht fehlen. Da ich die OSCAR-Kandidaten (abgesehen von den wenigen auch hierzulande bereits regulär angelaufenen wie "The Avengers" oder "The Dark Knight Rises" sowie dem beim Fantasy Filmfest gezeigten "Beasts of the Southern Wild") noch nicht selbst gesehen habe, beruht meine Einschätzung vor allem auf der umfangreichen englischsprachigen Berichterstattung (Quellenangaben gibt es am Ende des Posts) sowie meiner Intuition als langjähriger intensiver Beobachter des Rennens um die begehrtesten Filmpreise. Ich werde im folgenden die nach aktuellem Stand aussichtsreichsten Anwärter auflisten und kurz analysieren, wobei die Reihenfolge den von mir vermuteten Siegchancen in der Königskategorie "Bester Film" bei den OSCARs entspricht. In Klammern werde ich bei den noch nicht angelaufenen Filmen, soweit bekannt, den deutschen Starttermin angeben – wobei sich da erfahrungsgemäß noch einiges ändern wird.
Die Awards Season ist in vollem Gange, da soll ein Überblick über die Favoritenlage auch hier nicht fehlen. Da ich die OSCAR-Kandidaten (abgesehen von den wenigen auch hierzulande bereits regulär angelaufenen wie "The Avengers" oder "The Dark Knight Rises" sowie dem beim Fantasy Filmfest gezeigten "Beasts of the Southern Wild") noch nicht selbst gesehen habe, beruht meine Einschätzung vor allem auf der umfangreichen englischsprachigen Berichterstattung (Quellenangaben gibt es am Ende des Posts) sowie meiner Intuition als langjähriger intensiver Beobachter des Rennens um die begehrtesten Filmpreise. Ich werde im folgenden die nach aktuellem Stand aussichtsreichsten Anwärter auflisten und kurz analysieren, wobei die Reihenfolge den von mir vermuteten Siegchancen in der Königskategorie "Bester Film" bei den OSCARs entspricht. In Klammern werde ich bei den noch nicht angelaufenen Filmen, soweit bekannt, den deutschen Starttermin angeben – wobei sich da erfahrungsgemäß noch einiges ändern wird.
Die Favoriten:
"Les Misérables" (21. Februar 2013):
Tom
Hooper, OSCAR-gekrönter Regisseur des OSCAR-gekrönten
"The King's Speech", verfilmt eines der langlebigsten, erfolgreichsten
und vor allem besten
Musicals aller Zeiten mit einem beeindruckenden Staraufgebot (Russell
Crowe,
Anne Hathaway, Hugh Jackman, Amanda Seyfried, Sacha Baron Cohen, Helena
Bonham
Carter) – noch Fragen? Nun, vielleicht die, wie sich Hoopers mutige
Entscheidung, die zahlreichen Gesangseinlagen nicht – wie bei den
meisten Filmmusicals üblich – von den Darstellern nachsynchronisieren zu
lassen, sondern
sie "live" aufzunehmen, auf die Qualität und auf die
Zuschauerwahrnehmung
auswirkt. Nach den ersten Vorstellungen läßt sich konstatieren: ganz offensichtlich positiv. Zwar besteht noch eine Sperrfrist für komplette Rezensionen,
aber die frühen Zuschauer- und Kritikerreaktionen zeigen deutlich auf, daß die tragische Geschichte über den geläuterten Ex-Häftling
Valjean
(Jackman) und seinen unbarmherzigen Verfolger Inspector Javert (Crowe) ihre Favoritenstellung bestätigt. Manche Beobachter rechnen gar mit einem neuen Nominierungsrekord (bisherige Bestleistung: je 14 für "Titanic" und "Alles über Eva"). Bei den ersten Kritikerpreisen schnitt "Les Miz" zwar nicht überragend ab, aber da das Musical eindeutig zu jenen Filmen zählen dürfte, die bei den Filmschaffenden selbst besser ankommen als bei den Kritikern, bleibt es Topfavorit.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 100%.
"Zero Dark Thirty" (31. Januar 2013):
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 100%.
"Zero Dark Thirty" (31. Januar 2013):
Für viele US-Experten war Kathryn Bigelows Action-Drama über
die Tötung Osama bin Ladens bereits ein Topfavorit, als es noch niemand außerhalb
des Filmteams gesehen hatte. Ich persönlich hatte lange meine Zweifel. Zwar hat sich
Bigelow mit ihrem OSCAR-Gewinner "The Hurt Locker" eindrucksvoll
zurückgemeldet, aber ob ein Film mit dieser Thematik wirklich Material für
Preisverleihungen ist? Erste Kritiken beantworten diese Frage nun mit einem klaren "Ja". Wie erhofft, scheint Bigelow die Thematik zudem wie bereits in "The Hurt Locker" weitgehend authentisch und wertfrei zu behandeln, auch wenn trotz diverser Graustufen natürlich klar ist, wer die "Guten" und wer die "Bösen" sind. Eine Nominierung als Bester Film sollte gesichert sein, dank zahlreicher Kritikerpreise ist "Zero Dark Thirty" inzwischen sogar einer von drei Topfavoriten auf den Sieg.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 100%.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 100%.
"Lincoln" (24. Januar 2013):
Eine ähnliche Ausgangssituation wie bei "Les
Misérables": Steven Spielberg, kommerziell erfolgreichster Regisseur aller
Zeiten und auch künstlerisch hoch respektiert, verfilmt das alles andere als langweilige Leben des wohl bis heute populärsten
US-Präsidenten Abraham Lincoln mit Daniel Day-Lewis ("There Will Be
Blood") in der Titelrolle, einem der besten Schauspieler seiner Generation. Was soll da
schiefgehen? Nunja, ähnliches dachte man vergangenes Jahr über Spielbergs
Theaterverfilmung "Gefährten", die am Ende bei sechs
OSCAR-Nominierungen komplett leer ausging. Doch nach durch die Bank guten bis hervorragenden Rezensionen und unerwartet starken Zahlen aus den nordamerikanischen Lichtspielhäusern sollten alle Zweifel an einer starken OSCAR-Performance von "Lincoln" ausgeräumt sein.Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 100%.
"Argo" (bereits gestartet):
Nachdem
Ben Affleck nach seinem Wechsel auf den Regiestuhl
mit den beiden Thrillern "Gone Baby Gone" und "The Town"
(jeweils eine OSCAR-Nominierung) seine als Schauspieler mit Filmen wie
"Daredevil", "Wie überleben wir Weihnachten?" und vor allem Madonnas
Megaflop
"Gigli" reichlich ramponierte Reputation mehr als wiederherstellen
konnte, hat er mit seinem neuesten Werk – bei dem er erstmals vor und
hinter der
Kamera steht – auch große Chancen auf OSCAR-Ehren. Der Thriller über
eine
CIA-Spezialeinheit, die während der Islamischen Revolution im Iran Ende
der 1970er
Jahre eine Gruppe von in der kanadischen Botschaft in Teheran
versteckten US-Diplomaten außer Landes bringen soll und sich zu diesem
Zweck als ein Filmteam ausgibt, sorgte bei den Festivals in Telluride
und
Toronto für nahezu einhellige Begeisterung, manche sehen ihn sogar als
aktuellen Topfavoriten. Ob "Argo" es tatsächlich halbwegs
vergleichbaren Genrekollegen wie "The Departed" oder "No Country
for Old Men" gleichtun und zum großen OSCAR-Abräumer werden kann,
erscheint mir
jedoch eher fraglich. Nominierungen dürfte es aber etliche geben.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 95%.
"Silver Linings" (bereits gestartet):
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 95%.
"Silver Linings" (bereits gestartet):
Vor Toronto galt David O. Russells ("The Fighter", "Three
Kings") auf einem Roman von Matthew Quick basierende Tragikomödie über den
in einer Sinnkrise steckenden Lehrer Pat (Bradley Cooper, "Hangover"), der
nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik wieder bei seinen Eltern
(Robert DeNiro und Jacki Weaver) einzieht, als Außenseiter in der Awards
Season. Dann folgte die von Publikum und Kritikern begeistert aufgenommene
Premiere in der kanadischen Großstadt samt Auszeichnung mit dem
Publikumspreis (genau wie in früheren Jahren bei den späteren OSCAR-Gewinnern "Slumdog
Millionär" und "The King's Speech") und schon wird "Silver
Linings Playbook" als einer der ganz großen Favoriten gehandelt. Eine Nominierung als
Bester Film sollte trotz bislang mittelmäßiger Performance bei den Kritikerpreisen sicher sein, Darstellernominierungen für Bradley Cooper und vor
allem für die Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence ("Die Tribute von Panem") ebenfalls. Was in Sachen "Bester Film" besonders für "Silver Linings Playbook" spricht: Er ist unter den Favoriten das einzige "Feelgood-Movie" und gerade in Zeiten der Krise kann so etwas durchaus eine Rolle spielen ...
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 90%.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 90%.
"Life
of Pi – Schiffbruch mit Tiger" (bereits gestartet):
Ang
Lees ("Brokeback Mountain", "Tiger &
Dragon") Verfilmung von Yann Martels Bestseller über einen indischen
Jungen, der sich nach einem Schiffbruch gemeinsam mit einigen Tieren –
darunter ein ausgewachsener Tiger – auf einem Rettungsboot wiederfindet,
zählt zu jenen Filmen, die bereits durch einen visuell beeindruckenden
Trailer Aufmerksamkeit erregten. Dieser Trailer in Verbindung mit dem
originellen und populären Ausgangsmaterial reichte aus, um den 3D-Film
zumindest in den erweiterten Favoritenkreis für die
Awards Season zu hieven. Viele Experten sehen den Film sogar ziemlich
sicher in der
"Bester Film"-Kategorie und nach der erfolgreichen Premiere beim New
York Film Festival sowie starken Einspielergebnissen in den US-Kinos sind die Chancen dafür deutlich gestiegen.Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 80%.
"Django Unchained" (17. Januar 2013):
Ein neuer Film von Quentin Tarantino ist immer ein Erlebnis und nach dem großen Erfolg von "Inglourious Basterds" (ein OSCAR bei acht Nominierungen) darf er sich nun auch für seine Italowestern-Hommage Hoffnungen machen, zumal die Kritiken gut bis sehr gut ausfallen. Gute Chancen dürfen sich vor allem die Darsteller Jamie Foxx, Leonardo DiCaprio (als Bösewicht) und Christoph Waltz ausrechnen.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 75%.
Die Mitfavoriten:
"Moonrise Kingdom" (bereits gestartet):
Mein bisheriger Lieblingsfilm des Jahres 2012
über die skurrilen Abenteuer eines jungen Pfadfinders, der mit seiner
ersten Liebe durchbrennt und seine Umwelt in große Aufregung versetzt,
hat weltweit
die Zuschauer verzaubert und sich sogar als ordentlicher Kassenerfolg
erwiesen.
Bisher hat die Academy die Talente des Regisseurs und Autors Wes
Anderson
weitestgehend ignoriert (eine Nominierung für "Die Royal Tenenbaums",
zwei für "Der fantastische Mr. Fox"), aber diesmal sieht es ganz
danach aus, als würde er endlich die längst fällige Anerkennung
erhalten. Die
Chance auf eine Nominierung als Bester Film ist recht gut, eine
Drehbuch-Nominierung
darf als gesichert gelten; vielleicht reicht es zudem für eine
Regie-Nominierung und in den Nebenkategorien (z.B. Musik) könnte ebenfalls
etwas gehen.Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 55%.
"Beasts of the Southern Wild" (bereits gestartet):
Benh Zeitlins mit Laiendarstellern gefilmtes Debüt ist ein
poetisch erzähltes Südstaaten-Sozialdrama und zugleich eine Parabel über das
Abschiednehmen. Auf diversen Festivals hat der Film für Furore gesorgt und sich
in den Stand eines OSCAR-Mitfavoriten erhoben. Ich persönlich kann das nicht ganz
nachvollziehen, da ich "Beasts of the Southern Wild" für eine ziemlich prätentiöse Geschichte mit unsympathischen Charakteren halte. Dennoch und trotz
des verhaltenen Erfolges an den US-Kinokassen (ein Punkt, der bei der Wahl durch die
Academy-Mitglieder keine Rolle spielen sollte, es aber zweifellos doch bis zu einem gewissen Grad tut) sieht es derzeit so aus, als wäre eine Nominierung als Bester Film
ziemlich sicher, auch die kindliche Hauptdarstellerin Quvenzhané Wallis wird
sehr wahrscheinlich nominiert werden. Echte Siegchancen sehe ich aber nicht.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 50%.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 50%.
"The Master" (21. Februar 2013):
Seit 15 Jahren zählt Paul Thomas Anderson zu den renommiertesten und besten Regisseuren, doch bei den OSCAR-Verleihungen wurde das bislang noch nicht ausreichend gewürdigt ("Boogie Nights" und "Magnolia" erhielten je drei Nominierungen, "There Will Be Blood" wurde bei acht Nominierungen immerhin zweimal ausgezeichnet). Mit seinem neuen Werk "The Master" könnte sich das ändern, denn wenngleich das epische Drama um einen Sektenführer und seine zunehmend zweifelnde "rechte Hand" durchaus kontrovers diskutiert wird, zeigen sich die meisten Kritiker begeistert. Die beiden Hauptdarsteller Joaquin Phoenix und Philip Seymour Hoffman gelten bereits jetzt als sichere Nominierte, wobei sich Phoenix in der Favoritenrolle befindet. Ob es auch für den Sieg in den Hauptkategorien "Bester Film" und "Beste Regie" reichen wird, hängt vor allem von der Qualität der noch nicht öffentlich gezeigten weiteren Favoriten ab. Außerdem wird sich angesichts der Tatsache, daß Anderson offen zugibt, Scientology-Gründer L. Ron Hubbard als Grundlage für seinen Sektenführer genommen zu haben, erweisen müssen, wie mächtig die Sekte in Hollywood wirklich ist. Mächtig genug, um nachhaltigen Einfluß auf das OSCAR-Rennen auszuüben? Ich glaube es nicht, aber wer weiß ... Nominierungen als Bester Film sowie für Anderson als Regisseur und Autor dürfen aber auf jeden Fall als gesichert gelten, bei den zahlreichen Kritikerpreisen wird "The Master" wohl besonders gut abschneiden. Ob sich auch die Academy-Mitglieder vollends überzeugen lassen, bleibt abzuwarten. Auch angesichts des eher mäßigen kommerziellen Erfolges (das US-Einspielergebnis beträgt nach zwei Monaten erst knapp über $15 Mio.) gilt Andersons Film zwischenzeitlich einigen Beobachtern eher als Wackelkandidat. Die Nicht-Nominierung bei der wichtigen Produzentengilde (die "Skyfall" bevorzugte) läßt ebenfalls nichts Gutes für Andersons Werk erwarten.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 45%.
"Flight" (24. Januar 2013):
Robert
Zemeckis, OSCAR-gekrönter Regisseur von "Forrest
Gump", kehrt nach mehreren künstlerisch eher mäßig erfolgreichen Jahren,
in denen er sich komplett computeranimierten Motion Capture-Werken wie
"Beowulf" oder "Eine Weihnachtsgeschichte" widmete, zum guten alten
Realfilm zurück und erzählt mit Starbesetzung (Denzel Washington, John
Goodman, Don Cheadle) die auf wahren Ereignissen basierende Geschichte
eines erfahrenen Piloten, der mit dem längsten
Gleitflug eines Düsenflugzeugs eine Notlandung auf den Azoren schaffte
und
damit zahlreiche Menschenleben rettete. Durch den anschließenden
Presserummel kam allerdings auch seine kriminelle Vergangenheit ans
Licht der Öffentlichkeit. Nach der positiv aufgenommen Premiere
erscheint eine
Nominierung für Hauptdarsteller Washington mehr als realistisch, aber
auch als "Bester Film" darf sich "Flight" nun Chancen ausrechnen. Das schlechte Abschneiden bei den ersten Kritikerpreisen der Saison macht Zemeckis Film allerdings zum Wackelkandidaten.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 25%.
Wahrscheinlichkeit, bei den OSCARs als Bester Film nominiert zu werden: 25%.
Das waren nun also sieben OSCAR-Favoriten und vier Mitfavoriten, weiter geht es im zweiten Teil meiner frühen Vorschau mit zahlreichen weiteren Kandidaten,
denen ich mehr oder weniger große Außenseiterchancen auf eine "Bester Film"-Nominierung einräume.
Wichtigste Quellen:
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