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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 30. April 2020

WET HOT AMERICAN SUMMER (2001)

Regie: David Wain, Drehbuch: Michael Showalter, David Wain, Musik: Theodore Shapiro und Craig Wedren
Darsteller: Janeane Garofalo, David Hyde Pierce, Michael Showalter, Marguerite Moreau, Paul Rudd, Christopher Meloni, Molly Shannon, Bradley Cooper, Elizabeth Banks, Zak Orth, Ken Marino, Joe Lo Truglio, Michael Ian Black, Amy Poehler, Kevin Sussman, Marisa Ryan, Judah Friedlander, A. D. Miles, Gideon Jacobs, H. Jon Benjamin (Stimme), Kyle Gallner, David Wain
 Wet Hot American Summer (2001) on IMDb Rotten Tomatoes: 36% (4,8); weltweites Einspielergebnis: $0,3 Mio.
FSK: 16, Dauer: 97 Minuten.
Ferienlager Camp Firewood, 1981: Es ist der letzte Tag des Sommer-Camps und während sich die Kinder auf die große abschließende Talent-Show am Abend vorbereiten oder anderweitig letzte Abenteuer bestehen, sorgen bei den Betreuern – neben wenigen Ewachsenen vor allem ältere Jugendliche – die Hormone für diverse amouröse Verwicklungen. So will der schüchterne Coop (Michael Showalter, "The Baxter") endlich die reizende Katie (Marguerite Moreau, TV-Serie "Shameless") für sich gewinnen, die dummerweise mit dem arschigen Schönling Andy (Paul Rudd, "Ant-Man") zusammen ist. Das Großmaul Victor (Ken Marino, TV-Serie "Veronica Mars") sieht derweil dank der wenig zimperlichen Abby (Marisa Ryan, "Der letzte Gentleman") endlich die Chance gekommen, seine Jungfräulichkeit zu verlieren, wird aber von Camp-Leiterin Beth (Janeane Garofalo, "Lügen haben lange Beine") zu einem Tagesausflug mit einigen Kids verdammt, die noch eine Schlauchboot-Fahrt auf einem Fluß in einiger Entfernung durchführen wollen. Beth hat sich derweil in den neben dem Camp wohnenden schrulligen Astrophysiker Henry (David Hyde Pierce, TV-Serie "Frasier") verguckt und der von seinem Vietnam-Einsatz traumatisierte Koch Gene (Christopher Meloni, "Sin City 2) unterhält sich angeregt mit seinem besten Freund, einer sprechenden Konservendose …

Kritik:
Natürlich gibt es auch außerhalb Amerikas Ferienlager, doch die gesellschaftliche Bedeutung der amerikanischen Sommer-Camps erreichen sie bei weitem nicht – zumindest ergibt sich der Eindruck angesichts der Tatsache, daß die Thematik einzig in den USA ein besonders in den 1980er Jahren bedientes eigenes kleines Filmgenre hervorgebracht hat. Vor allem in Komödien wie Ivan Reitmans Genre-Urvater "Babyspeck und Fleischkößchen" (aka "Meatballs") mit Bill Murray aus dem Jahr 1979, Ron Maxwells "Kleine Biester" (1980) oder dem TV-Film "Das total ausgeflippte Sommercamp" (1985) mit Michael J. Fox spielten die Ferienlager mit Abenteuern in der Wildnis und unbeholfenen Teenager-Romanzen oft eine Hauptrolle (oder eine prägende Nebenrolle wie in "American Pie" …), aber auch gelegentlich in Horrorfilmen wie "Freitag der 13." – und der beste Ferienlager-Film aller Zeiten ist sowieso Wes Andersons unvergleichlicher "Moonrise Kingdom"! Mit anderen Worten: Es gibt genügend amerikanische Sommer-Camp-Filme, um eine Parodie zu rechtfertigen. Das dachten sich um die Jahrtausendwende herum auch die Komiker Michael Showalter und David Wain ("Wanderlust"), die – sicherlich inspiriert durch den großen Erfolg der im Jahr 2000 veröffentlichten Horrorfilm-Parodie "Scary Movie" – "Wet Hot American Summer" als Autoren, Regisseur (Wain) und Hauptdarsteller (Showalter) verantworteten. Die Kritiker waren von dem manchmal gewitzten, manchmal arg platten Werk wenig angetan und in den USA floppte es, im Rest der Welt kam es größtenteils nicht einmal in die Kinos. Und doch entwickelte sich in Amerika im Laufe der Jahre eine immer größere Anhängerschaft von "Wet Hot American Summer" – vermutlich auch dadurch bedingt, daß eine erstaunlich große Anzahl der Darsteller nach und nach eine große Bekanntheit erlangte, einige sogar zu echten Weltstars wurden.

Zu Beginn ist es gar nicht so einfach, "Wet Hot American Summer" als Parodie zu erkennen; klar, die Figuren sind überzeichnet (und die älteren Jugendlichen werden von so offensichtlich deutlich zu alten Schauspielern verkörpert, daß es eigentlich nur Absicht sein kann), aber es könnte sich auch einfach um eine sehr alberne Komödie handeln. Daß der Humor dabei, sagen wir mal, nicht unbedingt hochgradig intellektuell daherkommt und zwischen gelegentlichen Slapstick-Einlagen und dummen Macho-Sprüchen schwankt, dürfte bereits etliche Zuschauer abschrecken – wenngleich immerhin auf Fäkalhumor weitgehend verzichtet wird und die meist harmlosen Gags vergleichsweise selten unter die Gürtellinie gehen. Erst, wenn die zahlreichen Charaktere alle vorgestellt wurden, nehmen ab dem zweiten Drittel die parodistischen Elemente deutlich zu. Bestes Beispiel dafür ist der sich (neben Paul Rudds selbstverliebtem Andy) als Scenestealer erweisende hartgesottene Koch und Kriegs-Veteran Gene, dessen offensichtliche posttraumatische Belastungsstörung sich nicht nur in einer sprechenden Konservendose als imaginärem Freund manifestiert, sondern auch in eigenwilligen sexuellen Vorlieben. Christopher Meloni, sonst lange eher für seriöse Rollen wie seinen Detective Stabler in der langlebigen TV-Serie "Law & Order: Special Victims Unit" bekannt, zeigte in dieser Rolle bereits früh auf, daß er auch so richtig durchgeknallte Typen wunderbar schräg interpretieren kann (wer mehr davon sehen will, dem kann ich die leider nur zwei Staffeln umfassende Serie "Happy!" empfehlen, in der er als Ex-Cop von einem imaginären blauen Plüsch-Einhorn tatkräftig im Kampf gegen das Böse unterstützt wird …).

Auch ansonsten nimmt "Wet Hot American Summer" ab dem Mittelteil zunehmend treffsicher Klischees (nicht nur) des Sommer-Camp-Filmgenres auf die Schippe, wie beispielsweise der sehr unerwartete Verlauf eines traditionellen Baseball-Spiels gegen die Kinder eines anderen Ferienlagers beweist. Auch präpubertäre Kids, die der noch unter ihrer Scheidung leidenden Gail (Molly Shannon, "Ricky Bobby") mit großer Ernsthaftigkeit bei ihren Beziehungsproblemen helfen oder hormongetriebene jugendliche Betreuer, die sich selbst durch ertrinkende Kinder nicht vom leidenschaftlichen Knutschen abhalten lassen, sind nicht alltäglich. Irgendwann spielt auch noch ein das ganze Camp bedrohendes abstürzendes Teil einer NASA-Raumstation eine Rolle und die Auflösung der zentralen, wechselhaften Liebesgeschichte zwischen Coop und Katie ist so wunderbar fies, daß man eigentlich nur applaudieren kann (zumindest wenn man, wie ich, einen gewissen Hang zum Zynismus aufweist …). Das klingt jetzt alles sehr positiv, aber ich will nicht verschweigen, daß der im Verlauf der eineinhalb Stunden deutlich steigenden Qualität zum Trotz die Trefferquote der Gags bis zum Schluß recht durchwachsen bleibt und sich durchaus einige echte Rohrkrepierer darunter befinden. Doch die guten Einfälle und das spielfreudige, im Rückblick außergewöhnlich stargespickte Ensemble – dem in kleineren Parts auch OSCAR-Nominee Bradley Cooper ("A Star Is Born"), Elizabeth Banks ("Mädelsabend") und der spätere "The Big Bang Theory"-Star Kevin Sussman angehören – sorgt dafür, daß die positiven Aspekte dieser Parodie die negativen überwiegen. Die Starbesetzung dürfte übrigens auch Hauptgrund dafür gewesen sein, daß Netflix im Jahr 2015 die achtteilige Prequel-Miniserie "Wet Hot American Summer: First Day of Camp" produzierte, die – nomen est omen am ersten Tag des Ferienlagers spielt und für die fast alle der inzwischen erheblich prominenteren (und älteren …) Original-Darsteller zurückkehrten. Das gilt ebenso für die zwei Jahre später folgende Fortsetzung "Wet Hot American Summer: Ten Years Later", wenngleich dort Cooper fehlte.

Fazit: "Wet Hot American Summer" ist eine erkennbar liebevoll gemachte Parodie eines sehr US-spezifischen Mini-Genres, die zäh beginnt und mit betont albernem Humor mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack trifft, aber dank einiger richtig guter Einfälle und einer namhaften Besetzung durchaus Spaß macht.

Wertung: 6,5 Punkte.

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