Originaltitel:
The Shape of Water
Regie:
Guillermo del Toro, Drehbuch: Vanessa Taylor und Guillermo del Toro, Musik:
Alexandre Desplat
Darsteller:
Sally Hawkins, Doug Jones, Michael Shannon, Richard Jenkins, Michael Stuhlbarg, Octavia Spencer,
David Hewlett, Nick Searcy, Lauren Lee Smith, Nigel Bennett,
Morgan Kelly, Martin Roach
FSK: 16, Dauer: 123 Minuten.
Baltimore in den frühen 1960er Jahren: Die über einem Kino
wohnende stumme Elisa (Sally Hawkins, "Blue Jasmine") arbeitet als Putzfrau in einer
hochgeheimen Forschungseinrichtung der US-Regierung. Eines Tages werden sie und
ihre Kollegin und beste Freundin Zelda (Octavia Spencer, "Hidden Figures") Zeuginnen der Ankunft
einer geheimnisvollen Kreatur. Es handelt sich um einen humanoiden
Amphibienmann (Doug Jones), den der sadistische Sicherheitschef Richard
Strickland (Michael Shannon, "Nocturnal Animals") eigenhändig im Amazonas fing, wo er von
den Eingeborenen als Gott verehrt wurde. Da die Sowjets gerade erst Hündin Laika ins
Weltall geschossen und so einen deutlichen Vorsprung im Wettrennen zum Mond
demonstriert haben, erhoffen sich die Wissenschaftler um Dr. Robert Hoffstetler
(Michael Stuhlbarg, "Arrival") Vorteile durch das Studium der seltsamen Kreatur – das Militär
um General Hoyt (Nick Searcy, "Three Billboards outside Ebbing, Missouri") will das Geschöpf dagegen sofort
umbringen, um durch die Autopsie schnellere Resultate zu erzielen. Als Elisa,
die sich in der Zwischenzeit heimlich mit dem entgegen der Annahmen des Militärs sehr wohl intelligenten
Amphibienmann angefreundet hat, davon erfährt, entwickelt sie mit ihrem
freundlichen Nachbarn Giles (Richard Jenkins, "Bone Tomahawk") einen verzweifelten Plan, um die
Kreatur zu retten, ehe sie getötet wird …
Kritik:
Guillermo del Toro, Alejandro González Iñárritu und Alfonso
Cuarón sind "Los Tres Amigos", drei seit Jahrzehnten eng
befreundete Filmemacher aus Mexiko, die mit ihren Werken nicht nur Hollywood,
sondern die ganze Welt erobert haben. Iñárritu ist aus dem Trio derjenige, der
am konsequentesten Arthouse-Kino produziert ("Babel",
"Birdman", "The Revenant"), während del Toro
("Hellboy", "Pacific Rim", "Pans Labyrinth") wie auch Cuarón ("Harry
Potter 3", "Gravity", "Children of Men") stärker
zwischen Mainstream und Kunstkino pendeln und oft sogar beides
miteinander vereinen. Eines haben Iñárritu und Cuarón ihrem Weggefährten bis zum Jahr 2018 voraus: Beide haben bereits den Regie-OSCAR gewonnen, Iñárritu
sogar zwei Mal. Del Toro mußte sich bislang mit zwei Nominierungen (Drehbuch
und fremdsprachiger Film) für "Pans Labyrinth"
begnügen, doch das ändert sich mit "Shape of Water – Das Flüstern des
Wassers". Denn das düster-romantische Märchen für Erwachsene wurde
für bemerkenswerte 13 Academy Awards nominiert – nur "Titanic",
"Alles über Eva" und "La La Land" erreichten in der langen
OSCAR-Historie mit je 14 mehr Nennungen! Am Ende waren es vier Auszeichnungen, darunter tatsächlich die erwartete für Regisseur del Toro. Doch am verdiensten sind die
Nominierungen meines Erachtens in den technischen Kategorien,
weniger in den Hauptkategorien (abgesehen von der Hauptdarstellerin). Denn "Shape of Water" sieht wunderschön
aus (ein OSCAR für die Ausstattung), klingt toll (OSCAR für die Musik) und ist atmosphärisch so beeindruckend wie man das von del
Toro gewohnt ist – inhaltlich gibt es aber doch ein paar Schwächen.
"Style over substance", das ist ein gerne gebrauchter
Begriff, um vor allem teure Hollywood-Blockbuster zu beschreiben – und allzu
oft stimmt die Einordnung auch. Auf "Shape of Water" trifft sie
ebenfalls zu, wenn auch bei weitem nicht in gleichem Ausmaß. Die humanistische und sinnliche Außenseiterballade, die del Toro erzählt, hat durchaus einiges zu
bieten, jedoch spielt die Handlung doch eher die zweite Geige. Im Zentrum steht die
bereits in den ersten Minuten etablierte märchenhafte Atmosphäre, die stark an
Jean-Pierre Jeunets "Die fabelhafte Welt der Amélie" erinnert – nur,
daß es in "Shape of Water" richtige Schurken gibt sowie nicht wenig
Gewalt und zudem speziesübergreifenden Sex! Denn Elisa freundet sich nicht nur
mit dem namenlos bleibenden "Wassermann" an, sie verliebt sich sogar
in ihn – und das wird durchaus erwidert. Hoch anzurechnen ist es del Toro, daß
er von dieser merkwürdigen Liebesbeziehung zwar erstaunlich viele
Details zeigt, dabei aber immer geschmackvoll bleibt und seine beiden
Protagonisten niemals auch nur ansatzweise der Lächerlichkeit preisgibt. So gelingt es ihm mit seinem
wohl angeborenen, jedenfalls schon sehr oft bewiesenen Feingefühl, eine
dermaßen exotische Beziehung für das Publikum fast vollkommen normal und
definitiv akzeptabel wirken zu lassen – keine kleine Leistung in einer Zeit, in
der die Prüderie wieder auf dem Vormarsch scheint und schon die vergleichsweise
harmlosen SM-Phantasien der "Fifty Shades of Grey"-Trilogie in manchen
Kreisen für Empörung sorgen …
Ein wenig problematisch ist allerdings, daß die Entwicklung
dieser unwahrscheinlichen Liebe nicht so sehr zu überzeugen vermag wie das Ende des Weges. Dafür geht
es doch zu schnell, daß aus bloßer Faszination und Mitleid (angesichts der
Behandlung der Kreatur speziell durch Strickland) tiefere Gefühle entstehen – zwar
erklärt Elisas väterlicher Nachbar Giles in seiner Nebenfunktion als Erzähler
schlüssig, warum Elisa sich so zu dem Wesen hingezogen fühlt und Sally Hawkins'
umwerfend gefühlvoll-verletzliche Darstellung ist eine Wucht, eine
natürliche Entwicklung wäre aber trotzdem schöner gewesen. Dafür war wohl
einfach nicht genug Zeit, denn es gibt ja noch weitere
Handlungsstränge. Tatsächlich sind die für mein Empfinden teils sogar
spannender, besonders die Story des Forschungsleiters Bob, der in
Wirklichkeit Dimitri heißt und ein sowjetischer Spion ist, hat mir sehr gut
gefallen. In diesem Strang kommt das 1960er Jahre-Setting am deutlichsten zum
Tragen, er sorgt für die meiste Spannung und bietet mit dem von Michael
Stuhlbarg sehr einfühlsam verkörperten Spion die ambivalenteste Figur. Denn er
ist bemerkenswerterweise keineswegs der Bösewicht der Geschichte, vielmehr geht
es ihm wie Elisa – wenn auch natürlich aus anderen Gründen – primär darum, das
wundersame Wesen zu retten. Als Schurke der Story dient hingegen der
sadistische Strickland, gewohnt sardonisch verkörpert vom großartigen Michael
Shannon. Allerdings ist seine Figur trotz kleiner Nuancen, die ihm etwas mehr
Profil verleihen, so deutlich als Bösewicht angelegt, daß sie bei aller
Bösartigkeit doch eher langweilig wirkt. Natürlich ist es alles andere als
ungewöhnlich für ein Märchen, daß klar zwischen Gut und Böse unterschieden wird
– hier ist eindeutig Elisa die Gute, während Strickland der Böse ist; doch
gerade Bob/Dimitri zeigt, daß Mehrdimensionalität einfach interessanter ist.
Die meisten OSCAR-Nominierungen erhielt "Shape of
Water" in den technischen Kategorien und das ist völlig
gerechtfertigt. Dabei ging der Film in den beiden Sparten, die eigentlich am
offensichtlichsten erscheinen, sogar leer aus, nämlich beim Makeup und den
Spezialeffekten. Dabei ist die laut del Toro von Jack Arnolds
Universal-Monsterfilm-Klassiker "Der Schrecken vom Amazonas"
inspirierte Kreatur zweifellos wunderbar gestaltet und von Doug Jones – dem
dank Rollen in Filmen wie "Hellboy", "Pans Labyrinth" oder der TV-Serie "Star Trek Discovery" neben Andy "Gollum"
Serkis wohl arriviertesten Kreaturen-Darsteller – überzeugend
gespielt, was maßgeblich dafür ist, daß die Geschichte funktioniert. Eine
sehr verdiente Nominierung gab es dagegen für die exzellente Kameraführung des
Dänen Dan Laustsen ("Silent Hill"): Die
Kamera ist fast immer in Bewegung, das aber wohlgemerkt niemals hastig, sondern
ganz ruhig und elegant und tänzerisch schwebend – da sieht selbst eine
brennende Fabrik richtiggehend idyllisch aus … Das paßt perfekt zur
allgemeinen sinnlich-märchenhaften Stimmung des Films und auch zu Alexandre
Desplats ("Der fantastische Mr. Fox") harmonischer Musik, die eine besondere Rolle spielt, da beide
Hauptfiguren stumm sind. Desplats Musik im Zusammenspiel mit den
häufig verwendeten jazzigen Melodien aus zahlreichen alten Filmmusicals (die Elisa gerne zusammen mit Giles anschaut) muß den beiden folglich die Sprache
ersetzen – was vorzüglich funktioniert. Kostüme und Ausstattung sind
erkennbar hochwertig und transportieren die durchaus recht düstere Welt der 1960er
Jahre (deren Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Homophobie del Toro nebenbei ebenfalls thematisiert) gekonnt auf die Leinwand, wobei "Shape of
Water" stets die Balance hält zwischem grimmer Authentizität und der dank vieler schräger Figuren auch von Humor durchzogenen märchenhaften
Stimmung – was übrigens durch die meisterhafte Ausleuchtung unterstrichen wird,
denn die einzelnen Schauplätze sind subtil in ihre eigenen Farbtöne getaucht.
Trotz der sich keineswegs idyllisch entwickelnden Handlung mit ihrem Kalter
Kriegs-Hintergrund bleibt "Shape of Water" doch immer ein nostalgisches Märchen – deshalb lassen sich auch ein paar wenig glaubwürdige, aber für den
Storyverlauf entscheidende Entwicklungen verkraften wie Elisas Möglichkeit, so
lange ungestört mit der Kreatur alleine zu sein; ganz zu schweigen davon, wie
relativ einfach es hier ist, aus einer gut gesicherten Regierungseinrichtung zu
entkommen …
Fazit: "Shape of Water – Das Flüstern des
Wassers" ist ein wunderschön gestaltetes Märchen für Erwachsene und eine
einfühlsame Außenseiterballade, die mit einem exzellenten Ensemble das
Anderssein feiert und für Toleranz eintritt – auch wenn der Bösewicht der Geschichte allzu comichaft wirkt und die vielen Storystränge dazu führen, daß die zentrale Liebesgeschichte ein klein wenig
überhastet erzählt ist.
Wertung: 8 Punkte.
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