Original:
The Way Way Back
Regie und Drehbuch: Nat Faxon und Jim Rash, Musik: Rob
Simonsen
Darsteller: Liam James, Sam Rockwell, Toni Collette, Steve
Carell, AnnaSophia Robb, Allison Janney, Maya Rudolph, Rob Corddry, Amanda Peet,
Zoe Levin, River Alexander, Jim Rash, Nat Faxon
Rotten Tomatoes: 84% (7,3); weltweites Einspielergebnis:
$26,9 Mio.
FSK: 0, Dauer: 104 Minuten.
Normalerweise freuen sich Schüler, wenn endlich die langen
Sommerferien bevorstehen, doch für den 14-jährigen Duncan (Liam James, der junge Shawn Spencer in der Comedy-Serie
"Psych") scheint im Urlaub in einer Feriensiedlung direkt am
Atlantik-Strand in Massachusetts eher eine Horrorzeit anzubrechen. Denn seine geschiedene Mutter
(Toni Collette, "Little Miss Sunshine") ist nun mit dem windigen
Trent (Steve Carrell, "Date Night") zusammen, der sich vor allem
Duncan gegenüber wie ein echter Arsch verhält. Für Trents Teenager-Tochter
Steph (Zoe Levin) wiederum ist der schüchterne Duncan, auf den sie am Strand
auch noch aufpassen soll, einfach nur eine sehr nervige Last. Einziger
Hoffnungsschimmer für Duncan ist zunächst die hübsche Nachbarstochter Susanna
(AnnaSophia Robb, "Brücke nach Terabithia"), die als ebenfalls
chronisch schlecht gelauntes Scheidungskind eine
gewisse Verbindung zum neuen Nachbarn auf Zeit zu empfinden scheinen. Doch als Duncan wieder einmal auf
eigene Faust mit dem Fahrrad die Gegend erkundet, um dem tristen Familienleben
zu entkommen, lernt er durch einen Zufall den charismatischen Owen (Sam Rockwell, "7 Psychos") kennen, der in einem nahegelegenen Wasserpark arbeitet. Am
nächsten Tag taucht Duncan dort auf und wird prompt von Owen unter die Fittiche
genommen und mit einem Ferienjob im Park versorgt. Owen ist zwar ein
fürchterlicher Sprücheklopfer, aber dadurch, daß er freundlich zu Duncan ist
und ihn auch immer wieder fordert, wächst dessen Selbstbewußtsein ebenso wie
seine Freude an diesen so verkorkst begonnenen Sommerferien ...
Kritik:
Eigentlich bin ich aus dem Alter des Kernzielpublikums von Coming of Age-Filmen
mittlerweile ziemlich lange raus, aber trotzdem lande ich irgendwie ziemlich
genau einmal pro Jahr bei einem solchen im Kino und bin oft genug begeistert.
Ich kann nicht wirklich erklären, woran das liegt, vielleicht einfach daran,
daß dieses kleine Genre mit seiner überschaubaren Bandbreite
überdurchschnittlich viele gute Vertreter hervorzubringen scheint. Ob
"American Graffiti" in den 1970er Jahren, "Ferris macht
blau" oder "Stand By Me" in den 1980ern, "Almost
Famous" in den 1990ern oder in jüngerer Vergangenheit "Vielleicht lieber morgen" und "Super 8" – das sind einfach absolute
Wohlfühl-Klassiker, die dem geneigten Zuschauer immer wieder ein Lächeln aufs
Gesicht zaubern und ihn mit einem Anflug von Nostalgie an die eigene Jugendzeit mit ihren Herausforderungen und Abenteuern
zurückdenken lassen. "Ganz weit hinten" macht da keine Ausnahme.
Genau darauf hatte ich auch gehofft, denn das Duo Nat Faxon und
Jim Rash konnte bereits mit seinem OSCAR-gekrönten Drehbuch-Kinodebüt "The Descendants" mit George Clooney dank lebensechter Figuren und wunderbar
sympathischen, leisen Humors begeistern. Mit "Ganz weit hinten" erweitern die
beiden, die lange Zeit nur als Schauspieler unterwegs waren (Rash kennt man
beispielsweise als Dekan Pelton in der Kultserie "Community"), ihr
Repertoire und führen erstmals auch Regie. Die Geschichte, die sie erzählen,
ist alles andere als spektakulär oder auch nur ansatzweise originell, aber das
ist vollkommen nebensächlich: Es geht ihnen darum, eine kleine, aber nachvollziehbare,
sich echt anfühlende Geschichte über einen ganz normalen Teenager zu erzählen,
dessen kleine Welt nach der Scheidung der Eltern zusammenzubrechen droht. Für
Außenstehende ist das nicht weltbewegend, angesichts heutiger Scheidungsraten
sogar ziemlich normal, doch für den Betroffenen ist es selbstverständlich eine
Katastrophe. Entsprechend läuft Duncan im ersten Filmdrittel auch ständig mit
Leidensbittermiene durch die Gegend, kriegt kaum einmal den Mund auf und tut
sich selbst furchtbar leid. Das könnte auf Dauer nerven, aber Rash und Faxon
wissen das zu verhindern, indem sie Duncans Umwelt mit so vielen prägnanten
Nebenfiguren bevölkern, daß man aus dem Schmunzeln und Grinsen kaum noch
herauskommt. Und wenn Duncan dann im von unfaßbar sympathischen Leuten bevölkerten
Wasserpark endlich zu sich selbst zu finden und das Leben zu genießen
beginnt, ist es endgültig so, als würde die Sonne aufgehen.
Eine ganz große Stärke von "Ganz weit hinten" ist
das wunderbare Darsteller-Ensemble, das offensichtlich sehr sorgfältig und
paßgenau auf die durch und durch warmherzig gezeichneten Charaktere gecastet wurde. Liam James
und die bereits in zahlreichen Filmen wie "Charlie und die Schokoladenfabrik", "Brücke nach Terabithia"
oder "Soul Surfer" bezaubernde AnnaSophia Robb geben in den zentralen
Teenager-Rollen ein tolles Paar der seelisch Versehrten ab, die auch durch die
gegenseitige Zuneigung und die gemeinsamen bitteren familiären Erfahrungen
aneinander wachsen; Steve Carrell zeigt als pedantischer Unsympath (der aber wohlgemerkt auch nicht nur als bloßer Klischee-Bösewicht angelegt ist), daß er weit
mehr kann als nur seine üblichen Comedy-Rollen, Toni Collette überzeugt ebenso mit ihrem Porträt
einer zutiefst verunsicherten Frau, die für eine viel Jüngere verlassen wurde und nun fast panische Angst
vor dem Alleinsein hat; der 13-jährige River Alexander (der bereits viel
Bühnenerfahrung in Musicals wie "Oliver!", "Billy Elliot the Musical"
oder "The Who's Tommy" gesammelt hat) als
Susannas schielender Bruder Peter und Allison Janney ("The Help") als
beider völlig überdrehte Mutter entpuppen sich als wahre Scene Stealer; die beiden Regisseure und
Autoren Jim Rash und Nat Faxon sorgen als Wasserpark-Mitarbeiter Roddy und Lewis für
zahlreiche Lacher. Die stärkste Leistung zeigt jedoch wieder einmal der von
Hollywood scheinbar notorisch unterschätzte Sam Rockwell, der sowohl als
Duncans einfühlsamer Mentor als auch als ewiger Kindskopf, der
seine große Liebe Caitlyn (Maya Rudolph, "Away We Go") immer wieder
an den Rand der Verzweiflung bringt, eine wahre Wucht ist.
Wie bei so vielen Coming of Age-Filmen ist bei "Ganz
weit hinten" ein starker nostalgischer Touch ebenfalls unverkennbar, der sich unter
anderem in der Verwendung zahlreicher Popsongs der 1980er Jahre manifestiert, die auch immer wieder direkt in die Handlung integriert werden.
Es gibt im gesamten Film neben einigen ernsten und anrührenden wirklich zahllose witzige
Szenen, aber die allerbeste, die mich buchstäblich dazu brachte, Tränen zu
lachen, beinhaltet Sam Rockwell, eine Wasserrutsche und den Text eines
weltberühmten Bonnie Tyler-Songs. Alleine dafür ist "Ganz weit
hinten" das Eintrittsgeld locker wert.
Ich bin also nahezu restlos begeistert von diesem tollen Film,
aber wenn man unbedingt etwas an ihm kritisieren will, dann findet man
natürlich auch etwas. Daß die Story wenig innovativ und ziemlich vorhersehbar
ist, hatte ich ja bereits erwähnt, sicherlich kann man "Ganz weit hinten" ebenfalls eine fehlende Tiefgründigkeit und eine nicht immer hundertprozentige Glaubwürdigkeit der Szenerie
unterstellen. Vor allem, daß der Wasserpark als rundum heile Welt präsentiert
wird und damit einen extremen Kontrast zu Duncans familiärer Situation
darstellt, wirkt wenig realistisch. In dieser Hinsicht war Greg Mottolas
thematisch sehr ähnlicher, aber insgesamt schwächerer
"Adventureland" mit Jesse Eisenberg und Kristen Stewart fraglos
authentischer; aber "Ganz weit hinten" legt es darauf eben gar nicht
so sehr an. Vielleicht hat also Stephen Chboskys wunderbarer "Vielleicht lieber
morgen" etwas zu viele heiße Eisen auf einmal angepackt und "Ganz
weit hinten" dafür zu wenige (außer der Scheidung seiner Eltern und dem
unsympathischen neuen Freund seiner Mutter ist da eigentlich nichts) – aber das
ist eine sehr akademische Betrachtungsweise, die nicht berücktsichtigt, daß
Faxons und Rashs Werk einfach glücklich macht. Und wie viele Filme können das
schon von sich behaupten?
Fazit: "Ganz weit hinten" ist eine nicht
sonderlich tiefgründige oder innovative, dafür aber umso einfühlsamere und
amüsantere Coming of Age-Tragikomödie, die primär durch ihre unverschämt
sympathischen und zudem ausgezeichnet besetzten Figuren sowie den warmherzigen Humor
für anhaltendes Wohlempfinden sorgt.
Wertung: 9 Punkte.
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