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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 29. Mai 2019

JOHN WICK: KAPITEL 2 (2017)

Regie: Chad Stahelski, Drehbuch: Derek Kolstad, Musik: Tyler Bates und Joel J. Richard
Darsteller: Keanu Reeves, Riccardo Scamarcio, Ian McShane, Common, Ruby Rose, Laurence Fishburne, Lance Reddick, John Leguizamo, Claudia Gerini, Tobias Segal, Thomas Sadoski, Bridget Moynahan, Peter Serafinowicz, Peter Stormare, Franco Nero
 John Wick: Kapitel 2 (2017) on IMDb Rotten Tomatoes: 89% (7,3); weltweites Einspielergebnis: $171,5 Mio.
FSK: 18, Dauer: 123 Minuten.

Nachdem der frühere Auftragskiller John Wick (Keanu Reeves, "47 Ronin") den russischen Gangsterboß Tarasov und seine Schergen in einem beispiellosen Rachefeldzug beseitigt hat, will er sich eigentlich wieder und endgültig in das Privatleben zurückziehen. Seine kurzzeitige Rückkehr in die Welt des organisierten Verbrechens blieb allerdings nicht unbemerkt, und so taucht nur wenige Tage später der Mafioso Santino D'Antonio (Riccardo Scamarcio, "To Rome with Love") bei ihm auf und fordert eine alte Schuld ein. John weigert sich zunächst, doch die Regeln der Unterwelt sind klar: Er muß Santinos früheren Gefallen erwidern oder er wird zum Geächteten. So willigt John schließlich widerwillig ein. Der Auftrag hat es in sich: John soll in Rom Santinos Schwester Gianna (Claudia Gerini, "Die Passion Christi") ermorden, die seinen Machtbestrebungen im Wege steht. Da John und Gianna aber eine gemeinsame Vergangenheit haben, will er sie eigentlich nicht töten, doch letztlich muß er sich entscheiden: Soll er Santino trotzen und ein hohes Kopfgeld auf sich in Kauf nehmen, das alle Auftragskiller von Rang auf ihn hetzen wird? Oder soll er den Auftrag erfüllen und Gianna töten, was ihm mit Sicherheit den Rachedurst ihres Leibwächters Cassian (Common, "The Tale") – ein weiterer alter Bekannter von John – einbringen wird?

Kritik:
"Bigger, Better, Faster, More!" – so heißt nicht nur das offensichtlich vom olympischen Motto "citius, altius, fortius" ("schneller, höher, stärker") inspirierte einzige Studioalbum der 1990er Jahre-Band 4 Non Blondes (deren Sängerin Linda Perry in den 2000ern eine der erfolgreichsten Songwriterinnen der Branche wurde), so könnte man auch "John Wick: Kapitel 2" beschreiben. Denn nach dem nach einem soliden Kinolauf so richtig erst im Heimkinogeschäft verwirklichten großen Erfolg des geradlinigen Rache-Actionthrillers "John Wick" ist deutlich erkennbar, daß die Filmemacher bei der Fortsetzung größere Ambitionen hatten. Das zeigt sich bereits beim verdoppelten Budget (wobei $40 Mio. für eine Hollywood-Produktion sich immer noch relativ bescheiden ausnehmen), das dem nun alleinigen Regisseur Chad Stahelski (sein Regiepartner bei Teil 1, David Leitch, ging mit "Atomic Blonde" und "Deadpool 2" eigene Wege) wiederum noch spektakulärere, aufwendigere und umfangreichere Actionsequenzen ermöglichte. Doch vor allem wird anhand eines weit komplexeren und ambitionierten Drehbuchs (wiederum von Derek Kolstad) deutlich, wie viel sich das Team vorgenommen hat. Nicht alles geht hundertprozentig auf, aber insgesamt tut der gestiegene inhaltliche Anspruch diesem zweiten Kapitel sehr gut und sorgt dafür, daß es den direkten Vorgänger qualitativ knapp übertrumpft.

Die Story des ersten "John Wick" war bekanntlich sehr geradlinig und ohne große Schlenker konstruiert, sie legte allerdings mit ein paar spannenden Hintergrundinformationen die Basis für die deutlich weiter verzweigte Handlung der Fortsetzung. War in "John Wick" das von Winston (Ian McShane, "Pirates of the Caribbean 4") geführte "Continental Hotel", in dem Auftragskiller aus der ganzen Welt unter Einhaltung strenger Regeln Unterschlupf finden, kaum mehr als ein Gimmick ohne größere inhaltliche Bedeutung, spielt es in "Kapitel 2" eine ziemlich zentrale Rolle. Da es sich nicht allein um ein singuläres Hotel in New York handelt, sondern um eine weltumspannende Kette, steigt John in Rom ebenfalls in einem ab (dessen Manager Julius von der italienischen Filmlegende Franco Nero verkörpert wird) und im Laufe der mit einigen – nicht immer wirklich überraschenden, aber stets unterhaltsamen – Wendungen gewürzten Handlung erhalten wir noch ein paar mehr Informationen über die Welt des organisierten Verbrechens im "John Wick"-Universum. Besonders die Regel, wonach es absolut verboten ist, im Continental jemanden zu töten, gerät zunehmend in den Mittelpunkt, denn naturgemäß läßt die sich auch nutzen respektive mißbrauchen, um einer gerechten Bestrafung zu entgehen – und ob John oder andere Killer es dann tatsächlich wagen, die Regel zu brechen und zu Outlaws innerhalb der Verbrecher-Gemeinschaft zu werden, ist eine folgenreiche und mutmaßlich unumkehrbare Entscheidung, die sehr gut durchdacht sein will.

Die komplexere Handlung mit internationalen Schauplätzen und das verstärkte "Worldbuilding" tun "John Wick: Kapitel 2" sehr gut, selbst wenn auf diese Weise auch ein paar altbekannte Klischees bemüht werden. Ein Nachteil der "Wir machen alles größer!"-Devise ist, daß Johns Kämpfe gegen Dutzende Gegner das Terrain der Glaubwürdigkeit endgültig verlassen. Im ersten Film war Johns Rachefeldzug ja noch halbwegs nachvollziehbar, auch dank der Unterstützung des von Willem Dafoe verkörperten Scharfschützen, der in den kritischsten Momenten eingriff. In "Kapitel 2" gilt das nicht mehr, hier überlebt John Wick in erster Linie deshalb, weil er selbst wie ein Superheld wirkt und weil seine Gegner sich entweder dämlich verhalten und ihre klare Überzahl nicht stragegisch nutzen, oder weil sie sehr treffsicher vorbeischießen. Selbstredend ist "John Wick: Kapitel 2" bei weitem nicht der erste actionlastige Film, der so vorgeht (wir erinnern uns etwa an die Hochzeit des US-Westerns in den 1940er bis 1960er Jahren, in der die jeweiligen Antagonisten – ob Indianer oder Banditen – allzu oft kein Scheunentor trafen), und da die Kampfchoreographie erneut ausgezeichnet ist und die Umgebung (zum Beispiel die verwinkelten Katakomben unter Rom) gekonnt miteinbezieht, werden Fans des Genres das gerne verzeihen. Etwas problematischer ist hingegen, daß die Kämpfe zwar (schon aufgrund der um 20 Minuten erhöhten Laufzeit) noch zahlreicher und länger geworden sind, dabei aber weniger abwechslungsreich ausfallen als im Vorgänger. Während dort Schießereien und Martial Arts-Nahkämpfe recht gut austariert waren, dominieren in "Kapitel 2" eindeutig die Shootouts, was auf Dauer bei aller inszenatorischen Finesse doch ein klein wenig ermüdend wirken kann. Dafür fallen die Kämpfe übrigens noch einmal blutiger aus als im Vorgänger, was eine von 16 auf 18 Jahre erhöhte Altersfreigabe in Deutschland zur Folge hat.

Um wieder zu den Pluspunkten umzuschwenken: Die Rückkehr einiger Nebenfiguren aus dem ersten Teil (John Leguizamo als Werkstattbesitzer Aurelio, Lance Reddick als Portier Charon), deren Rollen etwas ausgebaut wurden, funktioniert gut. Dazu kommen interessante, prägnant besetzte Neuzugänge wie der "Bettlerkönig" (Laurence Fishburne, "Ant-Man and the Wasp"), Viggo Tarasovs Bruder Abram (Peter Stormare, "22 Jump Street"), der erwähnte Cassian oder Santinos kampfstarke rechte Hand Ares (Ruby Rose, TV-Serie "Orange is the New Black"). Riccardo Scamarcio und Claudia Gerini als verfeindete Geschwister und (mehr oder weniger direkte) Gegenspieler von John Wick sind weniger namhaft als im ersten Teil Mikael Nyqvist und Alfie Allen (als Vater und Sohn Tarasov), verkörpern ihre Parts aber überzeugend, wobei vor allem Gerinis Rolle als Gianna schön ambivalent gestaltet ist; Scamarcios Santino ist dagegen eher ein klischeehafter Bösewicht. Und Keanu Reeves zeigt derweil erneut, daß der stoische, unwillige Killer mit dem lakonischen Humor eine echte Paraderolle für ihn ist – zwar geht durch das Fehlen des persönlichen Rache-Motivs ein wenig Emotionalität verloren, aber das hohe Tempo des Films sorgt dafür, daß man sowieso kaum Zeit hat, um darüber nachzudenken. Das Ende bereitet dann gleich das dritte Kapitel der Sage von John Wick vor und macht das so gut, daß man am liebsten gleich die Fortsetzung sehen möchte …

Fazit: "John Wick: Kapitel 2" ist in jeder Hinsicht ambitionierter als der Vorgänger, was dem Actionspektakel erfreulicherweise in den meisten Aspekten sehr gut tut – ein paar Klischees und unrealistischere, überzeichnete Kampfszenen lassen sich dank der spannenden Szenerie, erstklassiger Choreographie und eines Keanu Reeves in einer Paraderolle locker verschmerzen.

Wertung: 8 Punkte.


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