Regie: Roar Uthaug, Drehbuch: Geneva Robertson-Dworet und
Alastair Siddons, Musik: Tom Holkenborg
Darsteller: Alicia Vikander, Dominic West, Walton Goggins,
Daniel Wu, Kristin Scott Thomas, Sir Derek Jacobi, Nick Frost, Jaime Winstone,
Alexandre Willaume, Keenan Arrison, Hannah John-Kamen, Josef Altin, Billy
Postlethwaite, Duncan Airlie James, Antonio Aakeel, Annabel Wood
FSK: 12, Dauer: 118 Minuten.
Lara Croft (Alicia Vikander, "Ex Machina"), Anfang
20, arbeitet als Fahrradkurierin in London und ist ziemlich pleite – zumindest
scheint es so, denn in Wirklichkeit ist sie die Tochter des reichen adligen
Unternehmers Lord Richard Croft (Dominic West, "Centurion"). Der ist aber vor sieben Jahren auf einer Fernost-Reise verschwunden,
weshalb seine Geschäftspartnerin Anna (Kristin Scott Thomas, "Lachsfischen im Jemen") ihn nun endlich
offiziell für tot erklären lassen will – denn erst dann kann sie sein Unternehmen dauerhaft leiten und Lara ihr Erbe antreten. Gerade als Lara nachgeben will,
stößt sie auf eine verschlüsselte Botschaft ihres Vaters, aus der sie
Unglaubliches erfährt: Richard hat seinen Fokus nach dem Tod von Laras Mutter
auf die Suche nach dem Übernatürlichen gerichtet! Und die Reise, bei der er
verschwand, sollte ihn zum Grabmal der legendenumwobenen ersten japanischen
Königin Himiko führen, die der Sage gemäß Herrin über Leben und Tod war und
schließlich von ihren Generälen lebendig auf einer unbewohnten kleinen Insel
vor der japanischen Küste begraben wurde. Richard war überzeugt, daß sie noch
immer lebt und, sollte sie wiedergefunden werden, erneut Tod und Verderben über
die Menschheit bringen kann – was er unbedingt verhindern wollte. Da
Lara nun endlich eine Spur hat, bricht sie kurzerhand auf und findet
tatsächlich besagte Insel – diese ist allerdings keineswegs unbewohnt,
vielmehr läßt dort der brutale Söldner Mathias Vogel (Walton Goggins,
"Lincoln") für die mysteriöse Geheimorganisation "Trinity"
Zwangsarbeiter nach Himikos Grab suchen …
Kritik:
Als Regisseur Simon West im Jahr 2001 die populäre Computerspiel-Reihe "Tomb Raider" mit ihrer ikonischen,
vollbusigen, gerne mit zwei Pistolen gleichzeitig schießenden Protagonistin
Lara Croft fürs Kino adaptierte, war das Resultat eine der wenigen
kommerziell erfolgreichen Computerspiel-Verfilmungen. Daran hat sich bis heute
nicht so viel geändert, denn obwohl es immer wieder prestigeträchtige Versuche wie
"Assassin's Creed" oder "Warcraft" gibt, werden meist die
Erwartungen der Fans enttäuscht. In dieser Hinsicht war "Lara Croft: Tomb
Raider" gar nicht unbedingt eine Ausnahme, denn mehr als eine
bestenfalls wohlwollende Rezeption des ersten Leinwandabenteuers von Lara Croft
konnte man nicht konstatieren. Zwar erhielt die Titeldarstellerin und damals
frischgebackene OSCAR-Gewinnerin Angelina Jolie viel Lob, das klischeehafte
Drehbuch und die leicht B-movieartige Inszenierung konnten jedoch nur
bedingt überzeugen. Dementsprechend war es nicht allzu verwunderlich, als die
ob des kommerziellen Erfolgs schnell nachgeschobene und auf ähnlichem
qualitativen Niveau befindliche Fortsetzung "Tomb Raider – Die Wiege des
Lebens" (mit Til Schweiger als Nebenbösewicht) klar schwächer
abschnitt. Waren beim ersten Film viele neugierig auf die Umsetzung der
kultigen Spielereihe, lockte der zweite Teil nur noch die echten Fans in die
Kinos – und das reichte eben nicht aus für einen Hit. Da auch die Spiele
zwischenzeitlich kriselten, war von weiteren Filmen nicht mehr die Rede, bis
2013 den Spielentwicklern ein gefeiertes Comeback gelang: Das schlicht
"Tomb Raider" betitelte Reboot drehte die Uhr weit zurück und
erzählte vom ersten Abenteuer der unerfahrenen angehenden Archäologin Lara
Croft – deutlich realistischer und geerdeter als in den ursprünglichen Spielen,
zudem mit einer Protagonisten, die weniger ein schablonenhaftes Sexsymbol war als eine weitgehend glaubwürdig dargestellte junge Frau ganz am Anfang
ihrer Entwicklung (zumindest laut der Einschätzung der Kritiker, denn obwohl ich
das Spiel besitze, habe ich es aus Zeitgründen noch nicht ausprobieren
können). Genau diesem Ansatz folgt nun das gleichnamige Kino-Reboot, das
allerdings ironischerweise fast genau die gleichen Stärken und Schwächen
aufweist wie die beiden Jolie-Filme.
Die Parallelen fangen damit an, daß die neue
Hauptdarstellerin Alicia Vikander wie damals Angelina Jolie kurz zuvor ihren ersten OSCAR gewonnen hat (beide als Nebendarstellerinnen),
weshalb es wenig überrascht, daß beide Schauspielerinnen der mit Abstand
größte Pluspunkt der jeweiligen Filme sind. Bedauerlicherweise hat der neue,
vom Norweger Roar Uthaug ("Cold Prey") inszenierte "Tomb
Raider" auch die Schwachpunkte der Jolie-Filme übernommen. Das heißt in erster Linie, daß sämtliche Nebenfiguren erschreckend blaß bleiben
und die erzählte Geschichte nur selten für Spannung sorgt. Im Drehbuch, das die
in Hollywood hochgehandelte Debütantin Geneva Robertson-Dworet mit
dem ebenfalls noch unerfahrenen Alastair Siddons ("Das Gesetz der
Familie") verfaßte, jagt ein Klischee das nächste. Das ist für eine Hollywood-Großproduktion (auch wenn sich die
Produktionskosten mit um die $100 Mio. sogar halbwegs in Grenzen halten)
zugegebenermaßen gar nicht so ungewöhnlich, aber eine solche regelrechte Parade von Allgemeinplätzen
wie hier habe ich schon länger nicht mehr mitansehen müssen. Das beginnt (nach
einem ziemlich amüsanten Prolog, der Lara als Harakiri-Fahrradkurierin á la "Premium Rush" in Aktion
zeigt) mit ihrer Ankunft in Hongkong, wo sie natürlich sofort beklaut wird und
am Ende ihrer turbulenten Jagd auf die Diebe rein zufällig genau vor dem Boot
von Lu Ren (Daniel Wu, "Europa Report") landet, dessen Vater sieben Jahre zuvor Laras Vater zu
der geheimnisvollen Insel übergesetzt hat – und seitdem ebenfalls verschwunden
ist. Es wird nicht besser, als Bösewicht Mathias auftaucht und auch nicht dann,
als Lara sich alleine auf der Insel durchschlagen muß oder als Himikos
Grabmal untersucht wird. Aus Spoilergründen kann ich gar nicht aufzählen,
wie viele hochgradig vorhersehbare Entwicklungen und haarsträubende Handlungen der
Pro- und Antagonisten es gibt, daher nur ein Beispiel: Als Mathias – der im
Auftrag eines ungenannten, aber offensichtlich selbst ihm Angst einjagenden
Strippenziehers seit Jahren auf der Insel graben läßt – endlich Himikos Grabmal
gefunden hat, rennen er und eine Handvoll Schergen sofort und völlig
unvorbereitet rein und wollen Himikos Leichnam holen. Klar, sie wollen endlich
heim und Lara hat für ziemliches Chaos gesorgt, aber trotzdem: Wer soll glauben,
daß diese erfahrenen Söldner ohne Spezialgerät oder
Sicherheitsvorkehrungen in ein uraltes, mythenumwittertes Grabmal hineinlaufen?
Oder daß sie nicht auf die Idee kommen, nach Fallen Ausschau zu halten?
Oder daß sie, als sie auf eine erste tödliche Falle gestoßen sind,
anschließend auch nicht wirklich vorsichtiger weitermachen?
Nein, das alles ergibt wenig Sinn und wird dadurch
sogar noch nerviger, daß auch die Dialoge größtenteils flach bis gestelzt ausfallen
und selten auch nur ansatzweise so etwas wie Esprit versprühen. Selbst
gestandene Schauspieler wie Walton Goggins, Kristin Scott Thomas oder Dominic
West können da nicht mehr viel retten, zumal sie sowieso kaum Profil entwickeln
dürfen. Die einzige überzeugende Figur in "Tomb Raider" ist Lara Croft – die
beeindruckt dafür aber umso mehr, denn Alicia Vikander verkörpert sie mit
großer Ausdruckskraft, Leidenschaft und Intensität und vermittelt dabei auch die Unerfahrenheit
und Unsicherheit der jungen Frau, die sie umso authentischer und interessanter
machen. Es ist einfach eine Schande, daß dieser exzellenten darstellerischen
Leistung kein angemessener Rahmen in Form einer intelligenten,
unterhaltsamen Story geboten wird; aber das galt ja so ähnlich schon für die
Jolie-Filme. Die konnten dafür aber wenigstens mit diesem gewissen
B-Movie-Charme punkten und damit, daß man sich selbst nicht allzu ernst nahm. Beim
neuen "Tomb Raider" ist das Gegenteil der Fall, analog zu der
Spielevorlage soll alles möglichst realitätsnah wirken – was ob der
einfallslosen Geschichte aber dummerweise bedeutet, daß man sich in etlichen
Phasen des Films einfach nur langweilt. Für Abwechslung sorgen immerhin wenig
überraschend diverse Actioneinlagen, wobei auch deren Qualität ziemlich
schwankt. Einiges ist zu sehr in die Länge gezogen (die Diebesjagd in Hongkong,
der Schiffbruch bei der Insel, Laras Ausbruch aus Mathias' Lager), aber
manchmal gelingen auch so beeindruckende, hochspannende Momente wie die Sequenz rund um ein altes
abgestürztes Flugzeug an einem Wasserfall.
Dankenswerterweise nimmt der Unterhaltsamkeitsgrad von
"Tomb Raider" im letzten Drittel klar zu. Sobald Himikos riesiges
Grabmal erforscht wird, kommen auch die Stärken der Spielereihe zum Tragen, die
von Regisseur Uthaug und dem Drehbuch-Duo ziemlich gut für die Leinwand
umgesetzt wurden. Zwar wird die Lösung von ein paar Rätseln zu schnell und
damit schwer (oder gar nicht) verständlich abgehandelt, was bedauerlich ist.
Aber speziell die Fallen, denen sich die teilweise widerwilligen Erforscher
gegenübersehen, wecken wohlige Erinnerungen an durchzockte Spielenächte und
sind auch für Nicht-Kenner der Spiele unterhaltsam inszeniert. Und so sehr ich
das Drehbuch ansonsten auch kritisiere, muß ich doch einen Punkt lobend
hervorheben: Die Auflösung des Mysteriums um Königin Himiko (die übrigens auf einer realen historischen Figur basiert) ist wirklich clever – was es umso unverständlicher
macht, daß der Rest so mittelmäßig bis dämlich ist. Negativer Höhepunkt ist
übrigens die finale Enthüllung von Mathias' Auftraggeber, die mir von dessen
erster Erwähnung an völlig klar war; ich habe danach 90 Minuten gehofft und
gebangt, daß ich mich irre, daß es doch wirklich nicht SO offensichtlich sein
kann – aber das ist es leider tatsächlich … Angesichts so viel Mittelmäßigkeit
kann es auch nicht mehr großartig überraschen, daß selbst die Musik des sonst so
innovativen und abwechslungsreichen Tom Holkenborg ("Mad Max: Fury Road") zwar keineswegs schlecht ist, aber doch ungewohnt generisch und
austauschbar klingt. Ob es eine Fortsetzung von "Tomb Raider" gibt,
ist angesichts angemessen mediokrer, dank der asiatischen Märkte jedoch nicht
schlechter Einspielergebnisse unsicher; angesichts der Qualität des Reboots ist
auch fraglich, ob es überhaupt Sinn machen würde, einen zweiten Teil zu
drehen, der dann wie der zweite Jolie-Film Schwierigkeiten haben würde, den nicht geringen enttäuschten Teil des Publikums ins Kino zurückzuholen. Der einzige echte Grund, der dafür spricht, ist Alicia Vikander – und
allein ihretwegen hoffe ich auf weitere Kinoabenteuer von Lara
Croft. Und Steigerungspotential ist immerhin reichlich vorhanden.
Fazit: "Tomb Raider" ist ein Abenteuerfilm,
der handwerklich ziemlich gut gemacht ist und eine großartige Hauptdarstellerin hat,
aber von einem einfallslosen bis langweiligen Drehbuch voller Klischees und schwacher Dialoge
mächtig nach unten gedrückt wird.
Wertung: 5 Punkte.
Nachtrag vom 8. Juli 2023: Die lange geplante Fortsetzung wurde inzwischen abgeblasen, weil MGM auch wegen Verzögerungen aufgrund der Corona-Pandemie die Rechte verlor. Nun soll ein komplett neues "Tomb Raider"- Franchise mit Filmen, Serie und einem Videospiel bei Amazon entstehen.
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