Regie: Steven Spielberg, Drehbuch: Zak Penn und Ernest
Cline, Musik: Alan Silvestri
Darsteller:
Tye Sheridan, Olivia Cooke, Ben Mendelsohn, Mark Rylance, Lena
Waithe, Philip Zhao, Win Morisaki, T.J. Miller, Simon Pegg, Hannah John-Kamen, Neet Mohan, Susan Lynch,
Ralph Ineson, Perdita Weeks, Letitia Wright, Clare Higgins
FSK: 12, Dauer: 140 Minuten.
Im Jahr 2045 sieht es recht ungemütlich aus auf der Erde:
Die Städte sind überfüllt und voller verdreckter Slums, weil die Menschen
irgendwann sogar aufgegeben haben zu versuchen, die Probleme zu lösen. Vor der
unschönen Realität flüchten sich die meisten Menschen per Virtual Reality-Set
in eine riesige virtuelle Welt namens OASIS, in der jeder sein und tun kann,
was er oder sie will. Kreiert wurde die OASIS von dem exzentrischen und
idealistischen Genie James Donovan Halliday (Mark Rylance, "Bridge of Spies"). Als dieser stirbt, wird eine letzte Botschaft im Spiel
aktiviert: Er fordert alle Spieler auf, an der höchst anspruchsvollen Jagd nach
einem von ihm kunstvoll versteckten "Easter Egg" teilzunehmen. Wer
das Ei findet – wozu erst drei nicht minder gut verborgene Schlüssel
aufgetrieben werden müssen – tritt Hallidays Erbe an und wird somit erstens
stinkreich und zweitens Herr über die OASIS. Zu den ehrgeizigen Ei-Jägern zählen
die beiden Jugendlichen Wade (Tye Sheridan, "The Tree of Life") mit dem Avatar Parzival und Samantha / Art3mis (Olivia Cooke, "Ich und Earl und das
Mädchen"), aber ebenso die hochgerüsteten Schergen von Nolan Sorrento (Ben
Mendelsohn, "Rogue One"), Chef des zweitgrößten Videospielkonzerns,
der die OASIS unter seine Kontrolle bringen und finanziell ausschlachten will.
Nachdem sich lange Zeit alle Spieler schon an der ersten Herausforderung –
einem spektakulären Rennen zum ersten Schlüssel – die Zähne ausgebissen haben,
findet schließlich Wade einen erfolgversprechenden Weg …
Kritik:
Man kann wirklich nicht behaupten, daß Regielegende Steven
Spielberg dem Publikum keine Abwechslung biete. Der beste Beweis dafür
ist bis heute das Jahr 1994, in dem Spielberg mit "Jurassic Park" und
"Schindlers Liste" zwei Filme in die Kinos brachte, die
unterschiedlicher kaum sein könnten – doch beide waren brillant und höchst
erfolgreich und sind in das kollektive Gedächtnis unserer Gesellschaft eingegangen.
Trotzdem kann man bei Spielbergs Schaffen im Rückblick durchaus gewisse Phasen
und Trends ausmachen. So dominierten sein Werk in den 1980er Jahren eher
heitere Abenteuerfilme wie "Indiana Jones", "E.T." oder
(als Produzent bzw. Drehbuch-Autor) "Die Goonies" und "Zurück
in die Zukunft", während die 1990er trotz "Jurassic Park" von
dramatischen historischen Stoffen wie "Schindlers Liste", "Der
Soldat James Ryan" und "Amistad" geprägt wurden. In den 2000ern
wurde es eher futuristisch mit "Minority Report", "Krieg der
Welten" sowie (als Produzent) "Transformers" und "Men in
Black", in der laufenden Dekade setzen wiederum historische Dramen wie
"Lincoln", "Gefährten", "Bridge of Spies" und
"Die Verlegerin" den Schwerpunkt. Einen richtig schönen Spaßfilm
hat Spielberg als Regisseur seit 2011 ("Tim und Struppi") nicht
mehr gedreht – bis ihm der Roman "Ready Player One" von Ernest Cline
unterkam, übrigens bereits vor dessen Veröffentlichung. Zugegeben, angesichts der
dystopischen Zukunft, in der "Ready Player One" spielt, mutet die
Bezeichnung "Spaßfilm" auf den ersten Blick vielleicht etwas
kurios an, aber angesichts der Tatsache, daß die im Kern ziemlich schlichte
Handlung von unzähligen popkulturellen Anspielungen und Zitaten lebt und vom
Kampf einer Gruppe von jugendlichen Helden gegen böse Mächte erzählt – seit jeher
ein Lieblingsthema Spielbergs –, stimmt es: "Ready Player One"
macht einfach großen Spaß!
Aus Lizenzgründen mußten im Drehbuch – das Cline gemeinsam mit Zak Penn ("X-Men 2") verfaßte – zwar viele Anspielungen
ausgetauscht werden (kurioserweise sogar der Spielberg-Film "Unheimliche
Begegnung der dritten Art") und mit "Blade Runner" (wegen der fast
parallel gedrehten Fortsetzung von Denis Villeneuve) und dem japanischen
"Ultraman" fehlen auch zwei Werke, die im Buch eine zentrale Rolle
einnehmen. Wie gut das im Film kompensiert wurde, kann ich mangels Kenntnis der
Vorlage nicht beurteilen, für sich genommen funktioniert der Ersatz
("Shining" respektive "Der Gigant aus dem All") aber
ausgezeichnet. Nicht geändert hat sich, daß sich die meisten Anspielungen auf
die 1980er Jahre beziehen. Mit Sicherheit gibt es keinen Menschen, der beim
ersten Ansehen von "Ready Player One" jedes popkulturelle Zitat
erkennt – die meisten, speziell die Cameos in der finalen Massenschlacht in der
OASIS, wird man wohl erst nach dem Heimkino-Release entdecken, wenn man
jederzeit pausieren und den Bildschirm genau absuchen kann. Doch wenngleich es den
Spaß am Film sicherlich erhöht, wenn man möglichst viele Anspielungen erkennt,
sollte er auch jenen ziemlich gut gefallen, die zu jung sind oder sich nur in
Teilbereichen auskennen. In meinem Fall ist es beispielsweise so, daß ich als
umfangreich interessierter Filmautor und -blogger vermutlich mehr
Filmreferenzen bemerke als der Durchschnittszuschauer – doch da ich nie eine
Konsole hatte, werden mir die meisten Videospielzitate und Cameos entgangen
sein. Und war das nun ein Problem für mich? Keinesfalls! Erstens sollte angesichts
von weit über 100 Anspielungen jeder ab und zu ein "Das kenne
ich!"-Erfolgserlebnis haben und zweitens funktioniert "Ready Player
One" auch auf sich selbst gestellt gut. Dabei dürfte die klare
Schwarzweißzeichnung sogar von Vorteil sein, auch wenn sie dramaturgisch nicht so ideal ist. Vor allem sorgen aber die beiden gut ausgestalteten
und ungemein sympathischen Hauptfiguren Parzival und Art3mis (ihre drei
Mitstreiter im "High Five"-Clan kommen leider etwas kurz) im
Zusammenspiel mit spektakulären Actionsequenzen und viel Humor – bester Oneliner: "Ninjas don't hug!" – dafür, daß
man sich trotz einer Länge von deutlich über zwei Stunden durchgehend gut
unterhalten fühlt.
Für die zentralen Protagonisten hat sich Spielberg zwei
große junge Talente geholt, die bereits wiederholt in Independent-Produktionen
ihr Können bewiesen haben. Tye Sheridan wurde als Kind von Terrence Malick für
"The Tree of Life" entdeckt und überzeugte seitdem in Arthouse-Hits
wie "Mud" und "Joe", als Mutant Cyclops gelang ihm in
"X-Men: Apocalypse" bereits der Sprung ins Blockbuster-Metier. Die bezaubernde Olivia
Cooke hingegen wurde durch die TV-Serie "Bates Motel" bekannt und
glänzte 2015 als todkranke Schülerin in der preisgekrönten Tragikomödie "Ich
und Earl und das Mädchen". In "Ready Player One" beweisen beide,
daß sie für noch größere Aufgaben bereit sind (wobei ich speziell bei Cooke
hoffe, daß sie weiterhin dem Indie-Bereich verbunden bleibt), denn ohne
diese beiden gut miteinander harmonierenden Sympathieträger könnte man nicht so großzügig über die Drehbuchschwächen hinwegsehen. Die wirken sich primär in den
Szenen in der Realität aus, die recht klischeehaft daherkommen und mit einem
gierigen Ultrakapitalisten-Bösewicht aus der Klischee-Mottenkiste nerven – der
wird zwar vom Australier Ben Mendelsohn sehr routiniert und schön fies verkörpert,
ist aber ein so übertriebenes, unglaubwürdig mächtiges Zerrbild, daß man
ihn kaum ernst nehmen kann. Aber zugegeben, das ist auch nicht wirklich nötig,
denn er ist letztlich nur die personifizierte Triebfeder für die turbulente
Schnitzeljagd, die im Mittelpunkt der Handlung steht (und Wades Avatarnamen
Parzival – jener Ritter der Tafelrunde, der in der Artussage den Heiligen Gral sucht – besonders treffend wirken läßt).
Dementsprechend verwundert es nicht, daß die in der OASIS spielenden Sequenzen weitaus spannender und unterhaltsamer ausfallen und dem Film eine OSCAR-Nominierungen für die visuellen Effekte beschert haben. Bemerkenswert ist dabei, wie
harmonisch der Übergang zwischen Realität und virtueller Realität gelingt. Noch
vor ein paar Jahren wäre das technisch kaum möglich gewesen, inzwischen
wirken die per Motion Capture-Verfahren realisierten Avatare der Figuren jedoch ebenso wie die computergenerierte Spielwelt so
glaubwürdig, daß man mitunter fast vergißt, daß es sich nicht um
Realfilm-Szenen handelt. Natürlich gibt es hier den Großteil der
popkulturellen Referenzen, die nur selten aufgesetzt wirken und neben bloßen
Erwähnungen und kurzen Cameos auch einige längere Sequenzen umfassen.
Zu meinen persönlichen Favoriten zählen dabei eine Tanzeinlage im
"Saturday Night Fever"-Stil zu "Stayin' Alive" von den Bee
Gees, die Heilige Handgranate aus "Die Ritter der Kokosnuß", der sehr coole Kurzauftritt von "Chucky, die Mörderpuppe" und ganz besonders
ein grandios eingeflochtenes Zitat aus John Boormans düsterem Fantasyklassiker
"Excalibur", das nur die wenigsten Zuschauer auf Anhieb
werden zuordnen können. Der unumstrittene Höhepunkt ist allerdings die lange, sehr
kunstvolle und hochgradig amüsante Hommage auf Stanley Kubricks Stephen
King-Adaption "Shining", die dadurch noch an Reiz gewinnt, daß
Parzivals Kumpel Aech (Lena Waithe, TV-Serie "Master of None")
– dessen Avatar ein mächtiger Krieger ist – den Film nicht kennt und deshalb
komplett unvorbereitet ist auf die Schrecken, die ihn erwarten … Obwohl Parzivals und Art3mis' Clanmitglieder etwas kurz kommen, gibt es
dennoch einige denkwürdige Nebencharaktere; vor allem Sorrentos lakonischer
Handlanger, der redselige, aber gefährliche Söldner i-R0k (T.J. Miller,
"Deadpool") sowie der rätselhafte Kurator (Simon Pegg, "Star Trek") und der von Mark Rylance mit einer einnehmenden Mischung aus tolpatschiger Exzentrik und Melancholie verkörperte OASIS-Erfinder Halliday bereiten viel Freude. Technisch ist der Film
auch abseits des Motion Capturings tadellos. Die OASIS ist ebenso gelungen und
glaubwürdig gestaltet wie das dystopische, hoffnungslos überfüllte Columbus,
die vom gewohnt klangvollen Actionscore von Altmeister Alan Silvestri
("Zurück in die Zukunft", "Die Mumie kehrt zurück", "The Avengers") untermalten 3D-Actionsequenzen sind spektakulär gestaltet und
trotz etlicher Massenszenen behält man dank der eleganten Kameraführung von Spielbergs OSCAR-prämiertem Stamm-Kameramann Janusz Kaminski eigentlich stets den Überblick. Daß Steven Spielberg am Ende
einen wenig subtilen Appell für mehr Realität und weniger virtuelle
Realität / Internet / Social Media einflicht, sei ihm verziehen – zumal er ja Recht
hat. Angesichts der hohen technischen Anforderungen trägt "Ready Player
One" zwar ein Budget von $175 Mio. mit sich herum, der global die
Erwartungen übertreffende Erfolg läßt einen weiteren Film aber durchaus
realistisch erscheinen – Ernest Cline arbeitet sowieso bereits an einer Fortsetzung seines
Romans. Ich würde mich jedenfalls darüber freuen, allerdings auf eine anspruchsvollere Rahmenhandlung hoffen.
Fazit: "Ready Player One" ist der spaßigste
Spielberg-Film seit Jahren, eine dramaturgisch nicht allzu
anspruchsvolle, mit popkulturellen Anspielungen und Zitaten gespickte
Schnitzeljagd mit ungemein sympathischen Protagonisten und einem allzu schablonenhaften Bösewicht.
Wertung: 8 Punkte.
P.S.: Eine umfangreiche, wenngleich sehr wahrscheinlich noch nicht vollständige Liste speziell der Filmanspielungen gibt es bei der IMDb.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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