Originaltitel: The Post
Regie: Steven Spielberg, Drehbuch: Liz Hannah und Josh
Singer, Musik: John Williams
Darsteller:
Meryl Streep, Tom Hanks, Tracy Letts, Bob Odenkirk, Jesse Plemons, Matthew
Rhys, Sarah Paulson, Bradley Whitford, Bruce Greenwood, Carrie Coon, Alison
Brie, Michael Stuhlbarg, David Cross, Dan Bucatinsky, David Costabile, Johanna
Day
FSK: 6, Dauer: 117 Minuten.
Nach dem Selbstmord ihres Mannes 1959 übernahm Katharine
"Kay" Graham (Meryl Streep, "Florence Foster Jenkins") die Washington Post Comp. mit ihrem
Flaggschiff, der Tageszeitung "Washington Post", bei der sie zur
ersten Herausgeberin einer großen Zeitung in der Historie der USA wurde.
Als Leiterin der renommierten, aber in der Reichweite noch arg begrenzten
und im Schatten der großen "New York Times" stehenden Publikation hat
sie einige Probleme zu bewältigen, weshalb sie sich schließlich zum Börsengang
Mitte Juni 1971 entschließt, um die finanziellen Mittel aufzustocken. Just kurz
vor diesem Schritt gelingt der Konkurrenz von der "New York Times"
ein Riesen-Coup, indem sie durch Whisteblower Daniel Ellsberg (Matthew Rhys, TV-Serie "The Americans") an
die "Pentagon Papers" gelangt, hochgeheime Unterlagen, die beweisen,
daß die amerikanische Öffentlichkeit über Jahre hinweg bezüglich des
Vietnam-Konflikts getäuscht und belogen wurde. Während die Nixon-Regierung versucht, die "New York Times" auf gerichtlichem Weg
zum Schweigen zu bringen, gelangt auch die "Washington Post" in den
Besitz der Unterlagen, die der ehrgeizige Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks, "Ein Hologramm für den König")
trotz aller Risiken unbedingt als Aufmacher aufs Titelblatt bringen will.
Nun liegt die Entscheidung bei Kay, die auf der einen Seite von Bradlee
bedrängt wird, die Artikel zu veröffentlichen und auf der anderen Seite von
etlichen Vorstandsmitgliedern wie auch Anwälten, sie zurückzuhalten …
Kritik:
Steven Spielberg ist bekanntlich ein sehr fleißiger
Filmemacher, es vergeht kaum ein Jahr ohne ein neues Werk von ihm. Dennoch ist
er in diesem Sinne kein Schnellarbeiter, denn er bereitet seine Projekte stets
adäquat vor, weshalb meist zwei bis drei Jahre zwischen Ankündigung und
Veröffentlichung vergehen. Das muß man wissen, um zu begreifen, wie wichtig
Spielberg "Die Verlegerin" gewesen sein muß, denn erst im Februar
2017 – als bereits absehbar war, daß Donald Trump nach seinem Amtsantritt im
Januar keineswegs irgendwie "präsidialer"
auftreten würde als im Wahlkampf – las er das Skript der Newcomerin Liz
Hannah und entschied sofort, daß er es (nach einer Überarbeitung durch "Spotlight"-Autor
Josh Singer) verfilmen würde. Und zwar nicht irgendwann, sondern sofort, denn
die Parallelen zur aktuellen politischen Situation mit den unaufhörlichen
Angriffen Trumps auf die Medien waren ihm zu dringlich, als daß er sich die
üblichen zwei bis drei Jahre Zeit lassen wollte – et voilà, innerhalb von
rekordverdächtigen zehn Monaten war "Die Verlegerin" fertig und
schaffte sogar noch den Sprung in die Awards Season, die dem Film neben
diversen Kritikerpreisen zwei OSCAR- und sechs Golden Globe-Nominierungen
einbrachte. Verdient sind diese Ehrungen allemal, denn Steven Spielberg ist ein spannendes
und informatives Journalismus-Drama mit einem exzellenten Ensemble gelungen,
das einem eher unspektakulären Handlungsverlauf zum Trotz durchgehend unterhält.
Der Einfluß von Josh Singer auf das Drehbuch ist kaum zu
übersehen, denn stilistisch gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen "Die
Verlegerin" und "Spotlight" – aber auch einige
Unterschiede. Der wichtigste ist, daß sich "Spotlight" stärker
auf das Recherchethema (Kindesmißbrauch und seine Vertuschung durch die katholische
Kirche in den USA) der Journalisten konzentriert, während
"Die Verlegerin" die Arbeit selbst klar in den Mittelpunkt rückt. Das mag
für einige Zuschauer ein Nachteil sein, da die Arbeit der Zeitungsmacher naturgemäß weniger aufregend ist als viele der
Themen, die sie abdecken. Und da die "Pentagon Papers" einen der
größten politischen Skandale in der US-Geschichte auslösten, wäre es absolut
gerechtfertigt gewesen, sie zu priorisieren. Doch Spielberg geht es hier eben
nicht primär um den Skandal und noch nicht einmal so sehr um diejenigen, die
ihn aufdecken (der Whistleblower Daniel Ellsberg bleibt bis zum Schluß eine
Nebenrolle, obwohl man ihm locker wie Edward Snowden einen eigenen Film hätte
widmen können), sondern um jene, die ihn in die Öffentlichkeit bringen. Es geht
um die Presse als die vierte Macht im Staat, als unbequeme Kontrollinstanz für
die Mächtigen – und "Die Verlegerin" gelingt es hervorragend, die
Wichtigkeit der Presse (mit all ihren Fehlern und Mängeln) zu verdeutlichen,
auch wenn ein paar Dialogzeilen etwas sehr plakativ direkt an Trump gerichtet
scheinen und man sich besonders hinsichtlich der Bedeutung der "Washington
Post" ein paar erzählerische Freiheiten nimmt. Denn die war ja
eigentlich "nur" der Nachzügler der ursprünglichen "New York
Times"-Story, der richtige Durchbruch gelang erst ein Jahr später mit der
Aufdeckung des Watergate-Skandals – so gesehen fungiert "Die
Verlegerin", der sogar mit dem Einbruch in das Watergate-Gebäude endet, quasi
nebenbei als eine Art Prequel zu Alan J. Pakulas Filmklassiker "Die Unbestechlichen" mit Dustin Hoffman und Robert Redford in den Rollen der
Investigativ-Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward (und Jason Robards als Ben Bradlee).
Die erzählerischen Freiheiten hängen auch mit dem zweiten
großen Thema von "Die Verlegerin" zusammen, nämlich dem Kampf der
Frauen um Gleichberechtigung. Bekanntlich ist das bis heute ein Thema und wird
es bedauerlicherweise auch noch eine ganze Weile bleiben, in den frühen 1970er
Jahren war es aber natürlich viel extremer. Da Kay Graham – wenn auch eher
unfreiwillig angesichts der Tatsache, daß sie nur durch den Tod ihres Mannes in
diese Position kam – eine Pionierin als Verlegerin einer großen Zeitung
war, ist sie selbstredend eine gute Wahl, um die Thematik anzugehen. Und wer
könnte diese wichtige Figur der Zeitgeschichte besser portraitieren als Meryl
Streep? Ich weiß, es ist fast schon langweilig geworden, Streep ständig zu
loben, aber als "Die Verlegerin" zeigt sie wieder einmal ihr ganzes
Können. Es ist einfach eine Augenweide, Kays Entwicklung zuzusehen – wie sie von
der durchaus von sich selbst überzeugten, aber in der Öffentlichkeit trotzdem
unsicheren Zeitungserbin nach und nach zu einer selbstbewußten, streitbaren
Verlegerin wird, die keinem notwendigen Kampf aus dem Weg geht. Ihre anfängliche Scheu zeigt sich
besonders gut bei einer Vorstandssitzung, in der der Börsengang endgültig
entschieden werden soll. Während Kay, als sie sich zuvor mit ihrem Vertrauten Fritz (Tracy
Letts, "The Big Short") darauf vorbereitet, sämtliche Argumente und Statistiken, die ihr
Bestreben stützen, parat hat, ist sie in der Sitzung selbst wie gelähmt, bis
sie schließlich Fritz rettet und für sie spricht – eine demütigende Situation, die
vermutlich jeder nachvollziehen kann, der einmal in Schule oder Uni eine
mündliche Prüfung bestehen mußte; aber für die Eignerin eines Zeitungsverlages
logischerweise nicht ideal. Die Vorurteile, die ihr als Frau aus dem Vorstand
entgegenschlagen, sind hier übrigens in der (fiktiven) Person des Arthur
Parsons (Bradley Whitfield, "Get Out") personifiziert, der Kay gar
nicht mal Böses will, sie aber nicht wirklich ernstnimmt und sie mit seinem
gönnerhaft-bevormundenden Verhalten zunehmend auf die Palme bringt. Wie gesagt: Streeps
Darstellung dieser Verletztlichkeit und Unsicherheit, die sie nur langsam
überwindet, ist eine Wucht, aber auch Spielberg und die Autoren haben viel Lob
dafür verdient, wie unaufdringlich und subtil (anders als bei einigen an Trump
gerichteten Szenen innerhalb der Redaktion) sie Kays Emanzipierung umgesetzt
haben.
Ein wenig schade ist es, daß durch die weitgehende
Zweiteilung der Handlung Tom Hanks und Meryl Streep in ihrem ersten gemeinsamen
Film gar nicht so viele gemeinsame Szenen haben. Die, die es gibt, sind dafür
umso stärker, denn auch Hanks spielt als ehrgeiziger, aber etwas zu
selbstbezogener Chefredakteur Ben Bradlee sein Können und Charisma aus. Erfreulicherweise
sind die Bradlee-Sequenzen über den Versuch, die Pentagon Papers zu erhalten
und dann zu Artikeln zu verarbeiten auf dem gleichen qualitativen Niveau wie
Kays Kampf um eine Zeitung in ihrem Sinne, denn so ärgert man sich als Zuschauer
niemals, wenn vom einen zum anderen Handlungsstrang gewechselt wird. Obwohl
eigentlich den gesamten Film über nur geredet wird und sich die Protagonisten
nie in Gefahr befinden – anders als in "Die Unbestechlichen"
oder auch in "Spotlight", wo es zumindest diffuse Drohungen gibt –, gelingt
es Steven Spielberg, die ständigen Diskussionen und Nachforschungen so aufregend und temporeich
wie einen Thriller zu inszenieren, wozu auch John Williams' gekonnt an den Stil vergleichbarer 1970er Jahre-Filme angepaßte Musik ihren Teil beiträgt. Sicherlich wird es trotzdem einigen
Zuschauern zu wenig Action geben und sich die Story etwas zu konventionell und
überraschungsarm entfalten, aber Spielberg bleibt seinem Thema treu und
präsentiert es so spannend und unterhaltsam, wie es ohne Sensationalismus eben geht.
Dazu trägt auch ein hochkarätiges Ensemble bei, in dem nicht nur Streep und Hanks glänzen, sondern auch die Nebenfiguren ihre Berechtigung haben.
Bruce Greenwood ("Barney's Version") spielt beispielsweise den früheren Veteidigungsminister Robert McNamara, der
die "Pentagon Papers" anfertigen ließ (für eine spätere
Veröffentlichung) und pikanterweise ein persönlicher Freund von Kay ist,
während Sarah Paulson ("Carol") als Bens Ehefrau Tony zwar nicht viel zu tun hat, aber
für eine der stärksten Szenen des Films verantwortlich zeichnet, in der sie
ihrem Gatten klarmacht, warum Kay viel mehr riskiert als er selbst. Und eine
kleine "Breaking Bad"-Reunion gibt es auch noch, denn Bob "Saul"
Odenkirk ("Nebraska") überzeugt als erfahrener Journalist Ben Bagdikian – dem es schließlich gelingt,
die Unterlagen von Ellsberg zu erhalten –, während Jesse "Todd"
Plemons ("Barry Seal") den jungen Anwalt Roger Clark gibt, der eine Veröffentlichung der Unterlagen
für rechtswidrig hält. Für weniger gelungen halte ich dagegen die Einbeziehung
von Whistleblower Daniel Ellsberg, denn dessen Motivation für seine Tat wird
extrem verkürzt dargestellt, was seiner Person nicht gerecht wird und
ziemlich unglaubwürdig wirkt. Es war keine sehr gute Idee, Ellsberg einfach
irgendwie einzubinden, weil er nunmal zu der Geschichte dazugehört; man hätte
seine Rolle entweder deutlich vergrößern oder verkürzen sollen
(etwa den kompletten Prolog in Vietnam weglassen). Das ist aber auch
der einzige größere inhaltliche Kritikpunkt, den ich anbringen kann, ansonsten
ist "Die Verlegerin" ein zwar recht konventioneller, aber deshalb
nicht weniger guter und wichtiger Film geworden.
Fazit: "Die Verlegerin" ist ein engagiertes
Journalismusdrama, das mit seiner konventionellen Inszenierung und
der starken Dialoglastigkeit nicht jeden Multiplex-Zuschauer begeistern dürfte,
mit der konsequenten Fokussierung auf die Arbeit der Zeitungsmacher aber ein
überzeugendes und sehr unterhaltsames Plädoyer für den politischen Journalismus
abliefert.
Wertung: Gut 8 Punkte.
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