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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 7. März 2018

DIE VERLEGERIN (2017)

Originaltitel: The Post
Regie: Steven Spielberg, Drehbuch: Liz Hannah und Josh Singer, Musik: John Williams
Darsteller: Meryl Streep, Tom Hanks, Tracy Letts, Bob Odenkirk, Jesse Plemons, Matthew Rhys, Sarah Paulson, Bradley Whitford, Bruce Greenwood, Carrie Coon, Alison Brie, Michael Stuhlbarg, David Cross, Dan Bucatinsky, David Costabile, Johanna Day
Die Verlegerin
(2017) on IMDb Rotten Tomatoes: 88% (7,9); weltweites Einspielergebnis: $179,8 Mio.
FSK: 6, Dauer: 117 Minuten.

Nach dem Selbstmord ihres Mannes 1959 übernahm Katharine "Kay" Graham (Meryl Streep, "Florence Foster Jenkins") die Washington Post Comp. mit ihrem Flaggschiff, der Tageszeitung "Washington Post", bei der sie zur ersten Herausgeberin einer großen Zeitung in der Historie der USA wurde. Als Leiterin der renommierten, aber in der Reichweite noch arg begrenzten und im Schatten der großen "New York Times" stehenden Publikation hat sie einige Probleme zu bewältigen, weshalb sie sich schließlich zum Börsengang Mitte Juni 1971 entschließt, um die finanziellen Mittel aufzustocken. Just kurz vor diesem Schritt gelingt der Konkurrenz von der "New York Times" ein Riesen-Coup, indem sie durch Whisteblower Daniel Ellsberg (Matthew Rhys, TV-Serie "The Americans") an die "Pentagon Papers" gelangt, hochgeheime Unterlagen, die beweisen, daß die amerikanische Öffentlichkeit über Jahre hinweg bezüglich des Vietnam-Konflikts getäuscht und belogen wurde. Während die Nixon-Regierung versucht, die "New York Times" auf gerichtlichem Weg zum Schweigen zu bringen, gelangt auch die "Washington Post" in den Besitz der Unterlagen, die der ehrgeizige Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks, "Ein Hologramm für den König") trotz aller Risiken unbedingt als Aufmacher aufs Titelblatt bringen will. Nun liegt die Entscheidung bei Kay, die auf der einen Seite von Bradlee bedrängt wird, die Artikel zu veröffentlichen und auf der anderen Seite von etlichen Vorstandsmitgliedern wie auch Anwälten, sie zurückzuhalten …

Kritik:
Steven Spielberg ist bekanntlich ein sehr fleißiger Filmemacher, es vergeht kaum ein Jahr ohne ein neues Werk von ihm. Dennoch ist er in diesem Sinne kein Schnellarbeiter, denn er bereitet seine Projekte stets adäquat vor, weshalb meist zwei bis drei Jahre zwischen Ankündigung und Veröffentlichung vergehen. Das muß man wissen, um zu begreifen, wie wichtig Spielberg "Die Verlegerin" gewesen sein muß, denn erst im Februar 2017 – als bereits absehbar war, daß Donald Trump nach seinem Amtsantritt im Januar keineswegs irgendwie "präsidialer" auftreten würde als im Wahlkampf – las er das Skript der Newcomerin Liz Hannah und entschied sofort, daß er es (nach einer Überarbeitung durch "Spotlight"-Autor Josh Singer) verfilmen würde. Und zwar nicht irgendwann, sondern sofort, denn die Parallelen zur aktuellen politischen Situation mit den unaufhörlichen Angriffen Trumps auf die Medien waren ihm zu dringlich, als daß er sich die üblichen zwei bis drei Jahre Zeit lassen wollte – et voilà, innerhalb von rekordverdächtigen zehn Monaten war "Die Verlegerin" fertig und schaffte sogar noch den Sprung in die Awards Season, die dem Film neben diversen Kritikerpreisen zwei OSCAR- und sechs Golden Globe-Nominierungen einbrachte. Verdient sind diese Ehrungen allemal, denn Steven Spielberg ist ein spannendes und informatives Journalismus-Drama mit einem exzellenten Ensemble gelungen, das einem eher unspektakulären Handlungsverlauf zum Trotz durchgehend unterhält.

Der Einfluß von Josh Singer auf das Drehbuch ist kaum zu übersehen, denn stilistisch gibt es viele Ähnlichkeiten zwischen "Die Verlegerin" und "Spotlight" – aber auch einige Unterschiede. Der wichtigste ist, daß sich "Spotlight" stärker auf das Recherchethema (Kindesmißbrauch und seine Vertuschung durch die katholische Kirche in den USA) der Journalisten konzentriert, während "Die Verlegerin" die Arbeit selbst klar in den Mittelpunkt rückt. Das mag für einige Zuschauer ein Nachteil sein, da die Arbeit der Zeitungsmacher naturgemäß weniger aufregend ist als viele der Themen, die sie abdecken. Und da die "Pentagon Papers" einen der größten politischen Skandale in der US-Geschichte auslösten, wäre es absolut gerechtfertigt gewesen, sie zu priorisieren. Doch Spielberg geht es hier eben nicht primär um den Skandal und noch nicht einmal so sehr um diejenigen, die ihn aufdecken (der Whistleblower Daniel Ellsberg bleibt bis zum Schluß eine Nebenrolle, obwohl man ihm locker wie Edward Snowden einen eigenen Film hätte widmen können), sondern um jene, die ihn in die Öffentlichkeit bringen. Es geht um die Presse als die vierte Macht im Staat, als unbequeme Kontrollinstanz für die Mächtigen – und "Die Verlegerin" gelingt es hervorragend, die Wichtigkeit der Presse (mit all ihren Fehlern und Mängeln) zu verdeutlichen, auch wenn ein paar Dialogzeilen etwas sehr plakativ direkt an Trump gerichtet scheinen und man sich besonders hinsichtlich der Bedeutung der "Washington Post" ein paar erzählerische Freiheiten nimmt. Denn die war ja eigentlich "nur" der Nachzügler der ursprünglichen "New York Times"-Story, der richtige Durchbruch gelang erst ein Jahr später mit der Aufdeckung des Watergate-Skandals – so gesehen fungiert "Die Verlegerin", der sogar mit dem Einbruch in das Watergate-Gebäude endet, quasi nebenbei als eine Art Prequel zu Alan J. Pakulas Filmklassiker "Die Unbestechlichen" mit Dustin Hoffman und Robert Redford in den Rollen der Investigativ-Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward (und Jason Robards als Ben Bradlee).

Die erzählerischen Freiheiten hängen auch mit dem zweiten großen Thema von "Die Verlegerin" zusammen, nämlich dem Kampf der Frauen um Gleichberechtigung. Bekanntlich ist das bis heute ein Thema und wird es bedauerlicherweise auch noch eine ganze Weile bleiben, in den frühen 1970er Jahren war es aber natürlich viel extremer. Da Kay Graham – wenn auch eher unfreiwillig angesichts der Tatsache, daß sie nur durch den Tod ihres Mannes in diese Position kam – eine Pionierin als Verlegerin einer großen Zeitung war, ist sie selbstredend eine gute Wahl, um die Thematik anzugehen. Und wer könnte diese wichtige Figur der Zeitgeschichte besser portraitieren als Meryl Streep? Ich weiß, es ist fast schon langweilig geworden, Streep ständig zu loben, aber als "Die Verlegerin" zeigt sie wieder einmal ihr ganzes Können. Es ist einfach eine Augenweide, Kays Entwicklung zuzusehen wie sie von der durchaus von sich selbst überzeugten, aber in der Öffentlichkeit trotzdem unsicheren Zeitungserbin nach und nach zu einer selbstbewußten, streitbaren Verlegerin wird, die keinem notwendigen Kampf aus dem Weg geht. Ihre anfängliche Scheu zeigt sich besonders gut bei einer Vorstandssitzung, in der der Börsengang endgültig entschieden werden soll. Während Kay, als sie sich zuvor mit ihrem Vertrauten Fritz (Tracy Letts, "The Big Short") darauf vorbereitet, sämtliche Argumente und Statistiken, die ihr Bestreben stützen, parat hat, ist sie in der Sitzung selbst wie gelähmt, bis sie schließlich Fritz rettet und für sie spricht – eine demütigende Situation, die vermutlich jeder nachvollziehen kann, der einmal in Schule oder Uni eine mündliche Prüfung bestehen mußte; aber für die Eignerin eines Zeitungsverlages logischerweise nicht ideal. Die Vorurteile, die ihr als Frau aus dem Vorstand entgegenschlagen, sind hier übrigens in der (fiktiven) Person des Arthur Parsons (Bradley Whitfield, "Get Out") personifiziert, der Kay gar nicht mal Böses will, sie aber nicht wirklich ernstnimmt und sie mit seinem gönnerhaft-bevormundenden Verhalten zunehmend auf die Palme bringt. Wie gesagt: Streeps Darstellung dieser Verletztlichkeit und Unsicherheit, die sie nur langsam überwindet, ist eine Wucht, aber auch Spielberg und die Autoren haben viel Lob dafür verdient, wie unaufdringlich und subtil (anders als bei einigen an Trump gerichteten Szenen innerhalb der Redaktion) sie Kays Emanzipierung umgesetzt haben.

Ein wenig schade ist es, daß durch die weitgehende Zweiteilung der Handlung Tom Hanks und Meryl Streep in ihrem ersten gemeinsamen Film gar nicht so viele gemeinsame Szenen haben. Die, die es gibt, sind dafür umso stärker, denn auch Hanks spielt als ehrgeiziger, aber etwas zu selbstbezogener Chefredakteur Ben Bradlee sein Können und Charisma aus. Erfreulicherweise sind die Bradlee-Sequenzen über den Versuch, die Pentagon Papers zu erhalten und dann zu Artikeln zu verarbeiten auf dem gleichen qualitativen Niveau wie Kays Kampf um eine Zeitung in ihrem Sinne, denn so ärgert man sich als Zuschauer niemals, wenn vom einen zum anderen Handlungsstrang gewechselt wird. Obwohl eigentlich den gesamten Film über nur geredet wird und sich die Protagonisten nie in Gefahr befinden – anders als in "Die Unbestechlichen" oder auch in "Spotlight", wo es zumindest diffuse Drohungen gibt –, gelingt es Steven Spielberg, die ständigen Diskussionen und Nachforschungen so aufregend und temporeich wie einen Thriller zu inszenieren, wozu auch John Williams' gekonnt an den Stil vergleichbarer 1970er Jahre-Filme angepaßte Musik ihren Teil beiträgt. Sicherlich wird es trotzdem einigen Zuschauern zu wenig Action geben und sich die Story etwas zu konventionell und überraschungsarm entfalten, aber Spielberg bleibt seinem Thema treu und präsentiert es so spannend und unterhaltsam, wie es ohne Sensationalismus eben geht. Dazu trägt auch ein hochkarätiges Ensemble bei, in dem nicht nur Streep und Hanks glänzen, sondern auch die Nebenfiguren ihre Berechtigung haben. Bruce Greenwood ("Barney's Version") spielt beispielsweise den früheren Veteidigungsminister Robert McNamara, der die "Pentagon Papers" anfertigen ließ (für eine spätere Veröffentlichung) und pikanterweise ein persönlicher Freund von Kay ist, während Sarah Paulson ("Carol") als Bens Ehefrau Tony zwar nicht viel zu tun hat, aber für eine der stärksten Szenen des Films verantwortlich zeichnet, in der sie ihrem Gatten klarmacht, warum Kay viel mehr riskiert als er selbst. Und eine kleine "Breaking Bad"-Reunion gibt es auch noch, denn Bob "Saul" Odenkirk ("Nebraska") überzeugt als erfahrener Journalist Ben Bagdikian – dem es schließlich gelingt, die Unterlagen von Ellsberg zu erhalten –, während Jesse "Todd" Plemons ("Barry Seal") den jungen Anwalt Roger Clark gibt, der eine Veröffentlichung der Unterlagen für rechtswidrig hält. Für weniger gelungen halte ich dagegen die Einbeziehung von Whistleblower Daniel Ellsberg, denn dessen Motivation für seine Tat wird extrem verkürzt dargestellt, was seiner Person nicht gerecht wird und ziemlich unglaubwürdig wirkt. Es war keine sehr gute Idee, Ellsberg einfach irgendwie einzubinden, weil er nunmal zu der Geschichte dazugehört; man hätte seine Rolle entweder deutlich vergrößern oder verkürzen sollen (etwa den kompletten Prolog in Vietnam weglassen). Das ist aber auch der einzige größere inhaltliche Kritikpunkt, den ich anbringen kann, ansonsten ist "Die Verlegerin" ein zwar recht konventioneller, aber deshalb nicht weniger guter und wichtiger Film geworden.

Fazit: "Die Verlegerin" ist ein engagiertes Journalismusdrama, das mit seiner konventionellen Inszenierung und der starken Dialoglastigkeit nicht jeden Multiplex-Zuschauer begeistern dürfte, mit der konsequenten Fokussierung auf die Arbeit der Zeitungsmacher aber ein überzeugendes und sehr unterhaltsames Plädoyer für den politischen Journalismus abliefert.

Wertung: Gut 8 Punkte.


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